Disillusion/Factory Of Art - Leipzig
12.09.2005 | 15:2210.09.2005, Kulturbundhaus
Das ist schon eine seltsame Geburtstags-Party, wenn der Gastgeber den Ehrenplatz einem der Gäste überlässt ... Die Leipziger FACTORY OF ART feierten ihr 15-jähriges Jubiläum, traten aber die Headliner-Position an (die wesentlich erfolgreicheren) DISILLUSION ab. Vermutlich hoffte man auf die Zugkraft der Shooting-Stars, die sich jedoch kaum bemerkbar machte - maximal 100 Besucher waren zu verbuchen.
Zunächst eröffneten jedoch NITROLYT den Abend, die so ziemlich alles falsch machten, was man falsch machen konnte: Die Ansagen dieser Leipziger (!) Formation waren größtenteils auf Englisch (ha ha, wie lustig), die eigenen Songs qualitativ eher dürftig, und der Versuch, durch Coversongs etwas zu reißen, ging ebenfalls gänzlich in die Hose - zumal NITROLYT sowohl METALLICAs 'Enter Sandman' als auch SYSTEM OF A DOWNs 'Chop Suey!' lediglich mehr schlecht als recht nachspielten, ohne ihnen ihren eigenen Stempel aufzudrücken. Bei solchen Mega-Hits kann man aber auch eigentlich nur verlieren.
FACTORY OF ART boten hingegen bei tollem Sound eine unterhaltsame Stunde "Musik von alten Leuten für alte Leute". Obwohl der Zahn der Zeit optisch teilweise schon recht deutlich an den sechs Herren genagt hat, klang ihr progressiver Power Metal noch erstaunlich frisch und originell. Vor allem Gitarrist Joe zauberte trotz eher biederem Outfit und fast schüchterner Bühnenpräsenz ein schönes Solo nach dem anderen aus dem Handgelenk, und auch der glatzköpfige Sänger Petri wusste stimmlich sehr zu überzeugen. Tolle Background-Vocals, eine engagierte Performance und eine überaus ansprechende Beleuchtung machten den Auftritt der Jubilare nebst Gastauftritt des ehemaligen Schlagzeugers zu einer runden Sache. Lediglich zum Song 'The Mass' passierte ihnen ein unfreiwilliger Lapsus: Das extra auf die Bühne gezerrte mannshohe Holzkreuz verlor schon nach wenigen Sekunden seinen Querbalken - ist vermutlich auch schon seit 15 Jahren im Einsatz, das Teil.
Im Vorfeld hörte man es bereits munkeln, dass DISILLUSION wieder ohne Bassisten dastehen, und in der Tat - der angebliche New Yorker Wunderknabe war nach nur drei Monaten bereits Geschichte. Somit bleibt es vorerst bei der alten Dreier-Besetzung, die mit Hilfe von Kollege Computer das Meisterwerk "Back To Times Of Splendor" live umzusetzen versucht. Doch seien wir mal ehrlich - irgendwie fehlt da einfach was. Da kann auch die mittlerweile deutlich routiniertere Bühnenperformance der beiden Gitarristen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Musik der Leipziger eigentlich viel zu groß ist, um von nur drei Musikern adäquat umgesetzt zu werden. Vor allem, wenn man das Glück hatte, sie ein Mal in der "großen Besetzung", also mit Unterstützung von DARK SUNS-Mitgliedern, zu sehen.
Auffällig war, dass sie es sich in ihrer Heimatstadt, wo die Jungs bereits vor dem Plattenvertrag einen gewissen Namen hatten, wohl leisten können, das Konzert mit zwei Stücken ihrer Demos zu beginnen. Auffällig ist auch immer wieder dir echt freie Interpretation des Gesangs durch DISILLUSION-Mastermind Vurtox, was einerseits postiv ist, weil somit kein Auftritt dem anderen gleicht, mir andererseits aber gerade der Refrain von "Back To Times Of Splendor" in der deutlich tieferen Live-Variante nicht so gut gefallen hat. Wobei diese Abwandlung aber vermutlich auch mit daran lag, dass Vurtox krankheitsbedingt leicht angeschlagen war, obwohl man ihm dies kaum anmerkte. Auffällig war außerdem, dass Rajk mittlerweile mehr aus sich herausgeht, zumindest habe ich ihn nicht so beweglich in Erinnerung.
Somit betrachte ich diesen Auftritt im Nachhinein mit etwas zwiespältigen Gefühlen: Einerseits ist es immer wieder schön, diese phantastische Musik live zu hören. Andererseits hat man jedoch immer den Hintergedanken, dass das alles noch viel besser sein könnte - mit einem Bassisten zum Beispiel. Drücken wir die Daumen, dass sich bald ein neuer, konstanterer Kandidat findet.
Setlist:
In Vengeful Embrace
Expired
Back To Times Of Splendor
The Porter
Alone I Stand In Fires
The Sleep Of Restless Hours
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Strength Beyond Strength (PANTERA-Cover)
A Day By The Lake
- Redakteur:
- Elke Huber