Down - Wiesbaden

29.04.2008 | 16:34

18.04.2008, Schlachthof

Wenn ich mir nicht nur über Wochen hinweg vorfreudig rund neunzig Euro an Zugkosten vom Mensa- und Bücherbudget abspare, um ein Konzert zu sehen, sondern dafür auch noch an einem jener rar gesäten gemeinsamen Wochenenden auf einen Tag mit der Liebsten verzichte, dann bestimmt nicht für irgendeine Band. Am Freitag, den 18. April 2008 spielten DOWN im Wiesbadener Schlachthof auf, und das war nun einmal der nächste Ort auf ihrer diesjährigen, zweiten Europatournee. Nach dem Konzert vor rund zwei Jahren in Köln stand eigentlich schon fest, dass ich auch die nächste sich bietende Gelegenheit wieder dankbar beim Schopf ergreifen würde, um die Wahl-Louisianer ein zweites Mal leibhaftig zu erleben, welche letztes Jahr mit "Over The Under" ihr drittes Werk, bestehend aus Blues, Groove und schwerem Rock, ablieferten. Außerdem galt es vergangenen Freitag, auch Kollege Tolga endlich einmal zu treffen, der im stickig vernebelten Schlachthof die hier zu bewundernden Nahaufnahmen der Band schoss. In beiden Fällen sollte ich nicht enttäuscht werden, soviel schon vorneweg.

Allerdings: Keine Bahnfahrt ohne Tücken (Mehdorns Gesetz), und so hatte - just an diesem wichtigen Tag (Murphys Gesetz) - der ICE Hamburg-Basel nicht nur die sonst übliche, sondern gleich fünfzig Minuten Verspätung. Glücklicherweise konnte mich der verkehrsstrategisch günstig wohnende Kollege am Frankfurter Hauptbahnhof abholen, was mir den letzten verzögernden Streckenabschnitt der Ausweichsverbindung inklusive lästigem S-Bahn-Getingel ersparte und uns beide dann doch noch pünktlich im Schlachthof auflaufen ließ. Dort war denn auch schon ein ansehnliches Völkchen DOWN-Shirt-Träger und übriger Konzertbesucher anwesend und wartete geduldig darauf, dass der erste bewegte Lichtstrahl auf die vor der Bühne aufgespannte Leinwand fiele. Wie schon zwei Jahre zuvor, lief nämlich auch diese Show unter dem Banner "An evening with Down", was den bewussten Verzicht auf eine Vorgruppe, an deren Stelle aber eine eigens zusammengestellte Videoshow mit einigen Inspirationsquellen der später zu hörenden und von Angesicht zu Angesicht erlebbaren Musiker beinhaltete.

Zwischen diesen Video- und Live-Clips mit Material von unter anderem THE NUGE, THIN LIZZY, den SCORPIONS sowie dem thematischen 'It's A Long Way To The Top (If You Wanna Rock 'n' Roll)', gab es immer wieder auch kurze Tourimpressionen von DOWN zu sehen; so etwa: englische Pubszenen, lustige Albereien wie Kirks grafischen Kommentar zu GUNS'N'ROSES, postkartenähnliche Ansichten aus Österreich zu stilechten Walzerklängen (abgelöst von derben Gitarrenriffs beim anschließenden Konzert), die Landung in Hamburg in the year of six sowie die damals schon gezeigte Stuhl-in-den-Pool-Aktion. Auch ein Clip zur aktuelleren Durchhaltehymne 'On March The Saints' wurde gezeigt, bevor schließlich zu den stimmungsvollen Klängen von Sabbs 'Supertzar' der Vorhang bzw. die Leinwand fiel und Kirk, Rex, Phil, Bower Power und Classic Pepper die Bühne übernahmen.

'Three Suns And One Star' heißt der erste Song vom jüngsten DOWN-Album, und dieser Titel könnte genausogut für die Band selbst bzw. das Erleben der hier zu vermittelnden Bühnenshow stehen: Sänger Phil demonstrierte, ganz Star, die mit Abstand größte Präsenz; doch seine Bandgenossen hielten in puncto musikalischer Strahlkraft locker mit. Der ehemalige PANTERA-Frontmann zeigte sich mindestens ebenso fit wie beim letzten Europatrip zwei Jahre zuvor, wirkte aber weniger angespannt und ganz in seinem Element - ob er nun einzelne Besucher mit den Augen fixierte, bewusst auch die hinteren Reihen des Publikums ansprach und miteinbezog, ein just ausgebrochenes Gerangel vor der Bühne bereits im Anfangsstadium schlichtete, oder Gitarrist und Bartmonster Kirk im nicht vorhandenen Haupthaar herumwuschelte. Letzterer schien nach Phil augenscheinlich mit am begeistertsten davon zu sein, wieder einmal als Teil von DOWN auf der Bühne stehen zu dürfen - und das, obwohl er mit KINGDOM OF SORROW momentan zusätzlich ausgelastet ist. Der in nahezu klassischer 70er-Jahre-Rock-Tradition in Weiß gekleidete Bassmann Rex erschien mir dieser Tage deutlich aufgeräumter als noch vor zwei Jahren in Köln, und auch Fellklopper Jimmy wirkte deutlich munterer als beim damaligen Auftritt.

Entsprechend energetisch fiel die Wiesbadener Show aus, bei der DOWN eine ziemlich ausgewogene Mischung von Songs aller drei Alben spielten:

Von "NOLA" wurde mit 'Lifer' (und einer Widmung an Dimebag Darrell), 'Pillars Of Eternity', 'Rehab', 'Hail The Leaf', 'Eyes Of The South', 'Jail', 'Losing All', 'Stone The Crow' und 'Bury Me In Smoke' der weitaus größte Teil des Debütalbums gespielt.

Vom II.-Werk "A Bustle In Your Hedgerow" kamen 'Lysergik Funeral Procession', 'Ghosts Along The Mississippi', 'Learn From This Mistake' und das obligatorische 'New Orleans Is A Dying Whore' zum Zuge.

Und vom dritten Streich "Over The Under" gab es 'Three Suns And One Star', 'The Path', 'N.O.D.', 'On March The Saints', 'Beneath The Tides', 'In The Thrall Of It All' und 'Nothing In Return (Walk Away)' auf die Ohren.

Am abgeklärtesten wirkte Pepper Keenan, der für lange Momente, Haare vorm Gesicht, tief in sein Gitarrenspiel versunken und dem Geschehen vor der Bühne gänzlich entrückt zu sein schien. Doch hin und wieder tauchte er auf und wagte den ein oder anderen energetischen Ausfallschritt. Zwischendurch freilich spielten sich sämtliche Musiker immer wieder demonstrativ gegenseitig an, nach dem alten Motto der freien Liebe: Jeder darf mit jedem mal. Und dass hier wirklich Liebe im Spiel war, wird wohl niemand ernsthaft bezweifeln, der an diesem Abend zum Zeuge der Bühnenchemie wurde. Nur ein Ereignis konnte die allgemein gute Stimmung kurzzeitig trüben: Irgendein geistig umnachteter Mensch kam nach den ersten Takten der übrigens hervorragenden Darbietung von 'Losing All' auf die bescheuerte Idee, einen Getränkebecher in Richtung Bühne schmeißen zu müssen, was den bis dato sichtlich gut gelaunten Phil ruckzuck in Rage brachte. Ob dieser feigen Attacke aus dem Schutz der Menge heraus gereizt, forderte der Sänger den Werfer erbost heraus, ihn auf der Bühne offen zu konfrontieren. Offenbar wieder zu Sinnen gekommen stieg dieser nicht darauf ein, und so wurde der Song dann von vorne begonnen und beglückenderweise ohne weitere Störungen hochenergetisch zu Ende gebracht. Phil steigerte sich voll hinein und schlug während der Darbietung mehrmals das Mikrofon gegen seine Stirn.

Überhaupt fielen einige Stücke, live gespielt, etwas rauer oder doch zumindest schneller aus, als auf den Alben. Eine besondere Ehre wurde uns mit 'Rehab' zuteil, da DOWN dieses Stück schon lange nicht mehr live dargeboten hatten. Das noch keine zehn Male über die Bühne gegangene 'In The Thrall Of It All' wurde vom Publikum ebenfalls begeistert aufgenommen. Besondere Schmankerl waren auch an den Extremen aufgestellt: Vom bombastischen Stampfer 'Bury Me In Smoke' gingen DOWN im Finale des Konzerts kurzzeitig nahtlos zum mindestens ebenso mitsingtauglichen, feierlichen 'Nothing In Return (Walk Away)' über. Hier kamen auch Phils Freundin und ein Roadie als Gastgitarristen auf die Bühne, und Kirk bequemte sich, auf Power Bowers Platz hinter den Kesseln Platz zu nehmen. Auf der anderen Seite des Spektrums stand die geradezu magische, beschwörende Stimmung bei 'Jail', wo es ganz andächtig wurde als der leider etwas arg weit im Bühnenhintergrund agierende Jimmy die Felle nur noch ganz zart klopfte und hunderte Fans den Rhythmus zu Phils gefühligem Gesang mitklatschten bzw. schnippsten. Auch sonst gelang DOWN die Verdichtung der drei recht unterschiedlichen Alben in Form eines einheitlichen Sets. So hat sich auch dieses Mal die doch etwas weitere Anreise gelohnt. Enttäuscht wurde lediglich die durch Anselmos Bühnenspielchen, uns zum Abschluss LED ZEPPELINs 'Whole Lotta Love' anstimmen zu lassen, hoch gehängte Hoffnung, dieser Song könne zu einer weiteren Zugabe werden.

Als Fazit bleibt der Eindruck einer gereiften Band, die es geschafft hat, sowohl neueres als auch älteres Material auf eine abgeklärt groovige, nichtsdestotrotz durch und durch energetische und authentische Weise darzubieten und damit ihr Publikum mitzureißen. Dies ist bei der durchschrittenen Entwicklung der Gruppe mit nur drei Alben in dreizehn Jahren, aber zahlreicher anderer Eisen in den Feuern ihrer Mitglieder, wahrlich keine Selbstverständlichkeit. Doch wie Mr Brown einmal im Interview meinte, haben die DOWNer im Metalbereich einfach schon genug erreicht, um nun gelassener der Zukunft ins Auge sehen zu können, haben seit sie die Drogenexzesse hinter sich ließen sowieso bessere Zeiten und in DOWN eine Band gefunden, in der sie alt werden und mit der sie auch mal ein Banjo-Album raushauen könnten, wenn ihnen danach ist. Von Sich-selbst-in-irgendeine-Ecke-Spielen kann bei DOWN jedenfalls keine Rede sein. It really is just like a jam session.

Redakteur:
Eike Schmitz

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