Dynamo Open Air - Nijmegen, Niederlande

10.06.2004 | 08:23

05.06.2004, Goffertpark

Das DYNAMO OPEN AIR stellt das Problemkind unter den Rockfestivals Europas dar. In den letzten Jahren konnte man beobachten wie sich das Vorzeigeevent der holländischen Rockszene in ein lustiges Ratespiel verwandelte: Findet es überhaupt statt? Brüten wieder irgendwelche Vögel in der Gegend? Muss halb Holland unter Quarantäne gestellt werden? Ist das niedere Land mal wieder zu klein für das Festival?

Nachdem man 3 Jahre entweder gar kein Dynamo stattfinden lassen konnte, oder sich umständlich bei einem anderen Festival unterhakte waren die Erwartungen für das Dynamo 2004 natürlich entsprechend hoch. Gab man das Dynamo jetzt komplett auf, oder bekam man es doch irgendwie hin irgendwo in Holland eine Location für 20.000 Rockfans aus dem Boden zu stampfen.
Und tatsächlich: AntiConcerts gaben Anfang des Jahres (wahrscheinlich erleichterter als die Fans) bekannt dass dieses Jahr definitiv ein Dynamo Open Air stattfinden würde, und man trumpfte sogleich mit dem Headliner auf: SLAYER würden dem Billing vorab die Krone verleihen. Stattfinden würde das ganze an der gleichen Location, an dem auch das DOA 2000 stattfand: im idyllischen Goffertpark zu Nimwegen. Bis zum fünften Juni hatte man ein beeindruckendes (und um Vergebung heischendes) Billing aufgestellt, unter anderem sollten Namen wie SOULFLY, DIMMU BORGIR, NIGHTWISH und LIFE OF AGONY die verstreute Dynamo-Gemeinde wieder vereinen und einen unvergesslichen Tag bescheren.

Nach vier Jahren standen wir also wieder vor den Toren des Dorfs, das man mit viel Bauzaun und anderem Metal in den Park gestanzt hatte, und wartete darauf eingelassen zu werden (natürlich unpünktlich, was daran lag dass die Holländer uns unbedingt beweisen wollten dass ihr Straßensystem keinen Deut besser ist als unseres).
Pünktlich waren jedoch die Opener von SHADOWS FALL, die von irgendwo weit hinten im Festivalgelände versuchten die nur langsam einströmende Masse am Einlass zu erreichen. Dass ihr Album 'The Art Of Ballance' eine Granate feinster Metal-HardCore Kolaboration ist wusste ich ja schon vorher, aber von der Liveshow bekam ich nur Bass und je nach Windrichtung auch gellendes Geschrei mit. Nachdem wir endlich durch die Kontrolle kamen und auf dem Festivalgelände standen zockten SHADOWS Fall gerade ihre zwei letzten Songs durch, die ich bei drehendem Wind als 'A Fire On Babylon' und den Titeltrack des Albums identifizieren konnte. Viel habe ich nicht von der Show mitbekommen, jedoch hatte Frontmann Brian Frair ein absolutes Fable dafür seine langen Dreadsloks durch die Luft zu schwingen, und das beinahe ununterbrochen.

Nach dem Ausklingen des letzten Tones war erst einmal das Festivalgelände zu besichtigen. Anders als beim Dynamo 2000 war die zweite Bühne dieses Mal nicht in einem Zelt untergebracht, sondern stellte eine verkleinerte Version der enormen Mainstage dar, die in der Ecke des Geländes angesiedelt war, und dessen Zuschauerraum für knapp 5000 Leute Platz bot. Ansonsten war alles beim alten, für Speis und Trank sorgten die zahlreichen Buden, welche das Gelände umzingelten. Um den Müll im Zaum zu halten haben sich die Organisatoren dieses Jahr ein Pfandsystem entwickelt, um wenigstens die Plastikbecher aus den Mülleimern zu verbannen. Für die modebewussten Festivalbesucher gab es jede Menge Auswahl in mehreren Merchandiseständen (welche mal wieder darlegten dass der durchschnittliche Holländer um die 1,60 groß ist und XL schon als riesig betrachtet), natürlich zu szenetypischen Preisen, die Studenten dazu zwangen für ein T-Shirt einen Monat lang Hunger zu leiden. Dafür waren die Preise für Speis und Trank ziemlich human, solange man nicht allzu ausgefallene Wünsche hatte. Die Auswahl war auch recht üppig, von normalen Sandwhiches über kleine Hamburger und großen Hamburgern zu einem wohlriechenden (aber sauteuren) Curry konnte man sich mit zahlreichen Gerichten den Bauch vollschlagen. Über das angebotene Bier verliere ich lieber keine Worte um kein Hausverbot für die Niederlande zu riskieren (ich will da nächstes Jahr auch noch hin), aber mit viel Cola schmeckte es eigentlich ganz gut. Nach dem Rundgang fing dann auch gleich die nächste Band an ihr Werk zu verbreiten. Ein weiteres Merkmal für das Dynamo 2004 war die Tatsache dass man dieses Mal wirklich aufgedrängt bekam dass Nimwegen in Holland liegt: alle 4 Meter schwebte einem eine andere Wolke süßlichen Geruchs entgegen (was in einem Freak gipfelte der schon bei ILL NINO hackedickt die linke Hand nach oben hielt, wie irre blinzelte, von einem auf den anderen Fuß trat und dazwischen ein Gesicht verzog das auf der Schneide zwischen Wahnsinn und Schlafwandler stand), nach einer Stunde bekam man den Eindruck seinen ersten kompletten passiven Joint geraucht zu haben (gabs Dope im Angebot?).

ILL NINO:
Die Erben SOULFLYs hatten schon auf der vergangenen Roadrunner Roadrage Tour eine recht passable Leistung abgeliefert (die jedoch durch die fantastischen Opener CHIMAIRA recht arm aussah), und zum ersten Mal spielten sie auf dem Dynamo, um ihre aktuelles Album 'Confession' live darzubieten. In der obligatorischen Wintermontur (ich lief mit T-Shirt rum, sie mit dicken Winterjacken) zeigten sich die Südamerikaner in Hochform. Songs wie 'Te Amo... I Hate You', 'Unframed' und 'All The Right Words' wurden begeistert und in makeloser Perfomance abgezockt, Frontmann Machado gab sich die größte Mühe und wirbelte ununterbrochen über die komplette Bühne(wohl um sich warmzuhalten), sang und schrie sich die Kehle aus dem Leib und war jede freie Sekunde am Bühnenrand um mit den versammelten Fans zu sprechen. Als dann noch Kracher wie 'How Can I Live', 'Lifeless... Life', 'What Comes Around' und 'If You Still Hate Me' gespielt wurden war auf der Bühne der Teufel los. Das Publikum zeigte sich vom Applaus her ebenso beeindruckt, jedoch richtig wild wurde es vor der Bühne nie so wirklich. Einen seltsamen Kontrast stellte ex-MACHINE HEAD Gitarrist Ahrue Luster dar, der zwischen den Latino-Eskimos in leichter Gewandung über die Monitorboxen sprang und am liebsten die Bühnenaufhängung hochgerannt wäre, wenn er es gekonnt hätte. Nach 45 Minuten widmete die Band ihren letzten Song 'All The Right Words' noch ihrem besonderen Freund George W. Bush und machte sich dann von der Bühne.

DEICIDE:
Eher zufällig kam ich an DEICIDE vorbei, die eigentlich garnicht auf meinem Plan standen (die aus versehen gekaufte 'Torment, In Hell' versuche ich schon seit Jahren loszuwerden). Meine Erwartung an die Band wurde vollstens erfüllt: ich bekam gellendes Gekreische zu hören, und eine dermaßen harte Mischung aus Gitarrenquälerei und einem Drummer dessen einzige Fähigkeit darin bestand mit seinem Kit pro Sekunde mindestens 100 mal die Schallmauer zu durchbrechen. Bei genaurem Hinhören konnte ich sogar so etwas wie Rhythmus ausmachen, und zwischendurch klang die Gitarre auch mal etwas weniger gequält und ließ sich zu einem etwas kranken Solo hinreissen. Was genau da jetzt gespielt wurde konnte ich nicht genau ausmachen (meine Ohren verweigerten trotz Ohropax beleidigt den Dienst), beeindrucken konnte mich das Quartett eigentlich nur durch die Kondition die die Musiker beim Bearbeiten ihrer Instrumente zeigten, und dass die Drums im letzten 'Lied' noch zu hören waren als der Schlagwerker seine Sticks schon lange ins Publikum warf. DAS ist Geschwindigkeit.

CHILDREN OF BODOM:
Mit den Jungs um Alexi Laiho erwartete mich das erste Highlight des Tages. Durch den etwas chaotischen Spielplan der Bands verpasste ich leider die ersten Lieder und bekam den Rest von 'Taste Of My Scythe' mit. Mit einer Soundqualität die einige große Bands vor Neid erblassen lassen würde zockten die fünf ein Feuerwerk an Bodom ab. Songs wie 'Bodom After Midnight', 'Follow The Reaper' und 'Hatebreeder' fanden begeisterten Anklang beim Publikum, das sich zum ersten Mal am Tag die Matte warmschüttelte. 'Black Widow' und 'Hate Crew Deathroll' ließen der Menge keine Verschnaufpause, und mit einer perfekten Liveperformance sorgten die Finnen für jede Menge Bewegung vor der Bühne. Spätestens nach einer halben Stunde ließ sich auch der stoische Keyboarder von der euphorischen Menge anstecken und hatte Mühe beim bangen die Finger auf den Tasten zu lassen. Auch nicht zu übersehen war der Spass den Laiho bei der Show hatte, mit seinen fordernden Ansagen (This Party is not loud enough! But no worry: we're here and we're ready!) das Publikum im Griff hatte und zudem eine tadellose Sangesleistung ablieferte. Stark beeindruckt verließ ich das Schauspiel in Richtung kleinerer Bühne, um mir das nächste Highlight anzuschauen.

OOMPH!:
Die Band die es mit ihrem neuesten Album 'Wahrheit oder Pflicht' endlich geschafft hat aus dem Schatten von RAMMSTEIN zu treten, in den sie dauernd gedrängt wurden, gab sich dieses Jahr die Ehre auf dem Dynamo Open Air zu spielen. Mit etwas Verzögerung wurde dann auch das seichte Intro eingespielt, und die Bandmitglieder betraten ganz in medizinisch-weiss gewandet die Bühne. Als Frontmann und Geleonsfigur Dero dann die Bühne betrat und '1000 neue Lügen' anstimmte begrüßte ihn das etwas spärliche Publikum (alle noch bei den Children) umso stürmischer. Die darauffolgende Show ließ keine Fragen offen. Dero hatte seinen Mordsspass daran dem Volk mit 'Ego', 'Wenn Du Weinst' und 'Supernova' einzuheizen und wirbelte dazu wie ein Brummkreisel auf der großen Bühne herum, die für ihn und seine Bandkollegen mehr als genug Platz bot. Mittlerweile wurden die Leute auch zahlreicher, und als Gero von der Bühne sprang um in der Menge zu baden war die Stimmung auf ihrem Höhepunkt. Mit 'Sex hat keine Macht' und 'Nichts' ließen OOMPH! die Menge dann total ausrasten und feierten ihren Auftritt als gäbe es nichts größeres. Sehr lustig erschien auch das englisch der Deutschen, als Crap mit 'Wonn-Tuh-Srieh-Fuar' die Menge anheizte zauberte das nicht wenigen ein Grinsen ins Gesicht.
Mit 'Dein Feuer' und der Single 'Augen Auf!' verließ die Band dann auch eine schwer begeisterte Schar von alten und neuen Fans nach einer leider viel zu kurzen Performance von fünfzig Minuten.

SOULFLY:
Max Cavalera. Der Name löst seit einiger Zeit gewisse Bauchschmerzen bei mir aus, was auf die Umfunktionierung seines anfänglichen 'Tribes' in eine Zeitarbeitsband und die ständige musikalische Wiederholung mit immer anderen exotischen Einflüssen zurückzuführen ist. Seine letzte Tour war auch mehr schlecht als Recht, aber jeder kann mal nen schlechten Tag (bzw. Tour) haben, also gesellte ich mich zu den anderen SOULFLY-Fans und wartete darauf dass die Metalikone, die allzu gerne mit dem Worten 'sympathisch' und 'charismatisch' in Verbindung gebracht wird, mit neuen Songs und neuer Band auf dem Dynamo Open Air sein Bestes gab. Als das Intro zu 'Prophecy' erklang ging es auch bald los, Joey Nunenz nahm hinter seinen Fellen platz, Marc Rizzo (mit Rucksack auf dem Rücken, was den kleinen Mann recht putzig erscheinen ließ) verschaffte sich lauthals Aufmerksamkeit, aber als der Chef die Bühne betrat war der Teufel los. Mit der gewohnten Power beackerte die Band unter wildem Mattenschütteln das Publikum mit Burnern wie dem Opener 'Prophecy', 'Mars' und 'Living Sacrifice'. Während der Moshpit sich warmpogte rief der etwas wortkarge Bandleader 'Jumpdafuckup' aus und ließ das Volk nach seinem Belieben durcheinandertoben. Natürlich fanden die SEPULTURA-Klassiker auch ihren Platz in der Setlist, und so wurden 'Spit', 'Roots Bloody Roots' und 'Refuse/Resist' von der Menge begeistert aufgenommen, und der Moshpit alterte in seiner Zusammensetzung gleich um ganze zehn Jahre, den Höhepunkt stellte dann alleine schon das Intro zu 'Mass Hypnosis' dar, bei dem Max nicht einmal ans Mikro musste um das Lied einzuleiten. Ein Markerschütterndes 'MASS HYPNOSIS!!!!' schallte über den Platz, und viele ältere Fans fühlten sich in sichere SEPULTURA-Zeiten zurückversetzt.
Die etwas halbherzige Drumsession wurde eher ebenso wie die SEPULTURA-Songs als MUSS gespielt, und fanden auch im Vergleich zu vergangenen Shows der Band weniger Anklang in der Masse. Völlig abgewürgt hat die Band dann die Stimmung mit der ultralangen Version von 'Moses', zu dem Max dann auch ein paar Gastmusiker auf die Bühne holte, um mit ihm die Mischung aus Rock und Reggae zu zelebrieren. Die Zuschauer zelebrierten vor allen Dingen den Reggaeanteil und nach nicht einmal einer Minute konnte der gelernte Nichtraucher kaum atmen vom ganzen Grasdampf. Diesen Stimmungsumschwung machte vor allen Dingen Bassist Bobby Burns mit, der am Anfang der Show noch gelangweilt mit dem Publikum faxen trieb, um in der zweiten Hälfte nurnoch angepisst vor sich hinzustarren. Selbst Max schien von der mäßigen Anerkennung für sein 'Moses' ein wenig enttäuscht und verließ wortlos die Bühne. Meine vierte SOULFLY Show stellte den 2:2 Ausgleich dar, und gleichzeitig den Beweis dafür dass SOULFLY Fans vieles mitmachen, aber noch lange nicht alles was dem Herrn Cavalera einfällt.

AFTER FOREVER:
Schon vom Weiten ereilte mich der Sirenengesang von AFTER FOREVER Frontfrau Floor Jansen und ließ böses Erahnen. Im Gegensatz zu vielen anderen Bands dürfen sich AFTER FOREVER nämlich zurecht mit dem Vorwurf des Plagiats rumschlagen. Eine Stunde vor dem Auftritt von NIGHTWISH lieferte die Band, ob Trittbrettfahrer oder nicht, eine mehr als mittelmäßige Show ab. In einem ziemlich kitschigen Latexoutfit wirbelte Floor fleissig ihre Haare durch die Gegend und tat ihr bestes auch mal die Töne zu treffen. Einziger Lichtblick war das professionelle und eiskalte Riffing des Gitarristen Bas Maas, der den ganzen Auftritt damit rettete und das Publikum mit etlichen Soli umgarnte, während die restliche Band trotz regelmäßiger Soundprobleme eine beachtliche Leistung ablieferte in dem sie versuchte die Sängerin zu übertönen. Eindeutig ein verpatztes Heimspiel für die Niederländer, die neben 'Beautiful Emptiness' und 'Blind Pain' auch 'Reflections' vom neuen Album 'Invisible Circles' präsentierten, und 'Klassiker' wie 'Forlorn Hope' und 'Estranged' fehlten nicht auf der Setlist. Das hauptsächlich holländische Publikum gab sich etwas weniger anspruchsvoll als die kritischen Deutschen und feierte die Band als gäbe es kein Morgen, was durch die Ansagen der quitschigen Sängerin nur verstärkt wurde. Nach einer halben Stunde kapitulierten meine Ohren und verlangten Wiedergutmachung.

LIFE OF AGONY:
Keith Caput(t)o's Solokarriere läuft ja einigermaßen, an den Erfolg seiner Kombo mit Joe Z und Alan Robert kommt er trotzdem nicht heran. Das scheint er selber auch endlich kapiert zu haben und tourt deswegen mit LIFE OF AGONY mal wieder durch den alten Kontinent um dem Publikum (und sich selber) zu zeigen dass noch alles so läuft wie früher. Der Lärm der mich von der Mainstage erreichte ließ auch keinen Zweifel daran. Caputo tollte schon nach der ersten Minute wie ein Zappelphillip über die Bühne und wollte keinen Meter Bühnenboden unberührt lassen. Seine Bandkollegen machten es ihm, mit den Instrumenten behindert, vorsichtig nach, und alles in allem war bevor der Soundwald sich lichtete und AFTER FOREVER aus meinem Rücken verschwanden eine astreine Liveversion von 'Bad Seed' zu hören. Keine Frage, zusammen sind die Jungs noch am besten, und so durfte man (frau) eine geschlagene Stunde genießen wie Caputo sich mehr und mehr entblätterte, immernoch ohne Ruhe über die Bühne turnte und jeden Fan einzeln mit Songs wie 'How Would It Be', 'My Eyes', 'Seasons' und 'Respect' begrüßen. Dabei überzeugte Caputo vor allem durch eine ungebrochene und klare Sangesleistung, die Band spielte auch mit jeder Menge Spass (und Erleichterung, nach 5 Jahren immernoch so gut anzukommen) und jeder Song wurde von der Band beinahe ebenso energisch zelebriert wie von den Fans, die ihr Glück kaum fassen konnten. Nach der Stunde wilder Gitarrenriffs, einem Caputo der Stimmbänder wie Stahl bewies und einer begeisterten Fanschar sammelte man seine Klamotten wieder ein und verließ mehr als nur zufrieden die Bühne.

NIGHTWISH:
Nach einer Stunde Pause wartete man dann gespannt auf den ersten Headliner des Tages. NIGHTWISH würden heute zum ersten Mal auf dem Dynamo Open Air spielen und die Menge die sich versammelte war sich dessen durchaus bewusst. Mit guten 10 Minuten Verspätung betrat dann auch die Band die Bühne, um sofort von der Menge mit donnerndem Applaus begrüßt zu werden. Zu dem Intro der Single nahmen die verschiedenen Bandmitglieder ihre Positionen ein, um direkt mit 'Nemo' loszulegen. Als Tarja dann auch endlich die Bühne betrat, und im selben Augenblick ein paar beeindruckende Pyroeffekte losgelassen wurden war es um das Publikum geschehen. Teils mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen beobachtete man wie die Band mit einer Energie zu Werke ging die ihrem großen Namen mehr als gerecht wurde. Keyboarder und Mastermind Toumas warf sich beinahe über seine Keyboards, so wild kloppte er auf seine Tasten, und vermittelte so das Bild eines Wahnsinnigen der den Moment der Muse nicht ungenutzt verstreichen lassen will. Der Rest der Band machte es ihm auf spektakuläre Art und Weise nach. Gitarrist Erno Vuorinen zockte derart locker die Songs 'The Riddler', 'Passion And The Opera' und 'Wishmaster' ab dass man sich allen ernstes fragen musste ob er da auch wirklich spielte (die Gewissheit bekam man durch einen falschen Akkord. Schwein gehabt, Mann! ;). Die Setlist ließ nichts zu wünschen übrig, neben zwei Songs vom neuen Album bekam man noch ein 'Best Of Nightwish' zu hören, unter anderem 'Crownless', 'The Kinslayer', 'Come Over Me' vom Album "Wishmaster", "Dead To The World, "Slaying The Dreamer" und das fulminante "Phantom Of The Opera" von der "Century Child"-Scheibe. Bei dieser bombastischen Setlist bewies nicht nur Tarja unglaubliche Stimmgewalt (man wartete vergebens auf den Moment an dem sie einen Ton nicht traf), auch Bassist Marco Hietala gab seine Parts in "Dead To The World" und "Phantom Of The Opera" fehlerfrei zum Besten. Immer wieder unterstützt von einem Feuerwerk (wieder wartete man vergebens darauf dass einer der Bandmitglieder Feuer fängt, oder zumindest die Bühne ein bißchen) verzauberte die Band ihre Zuschauer mit einem sehr lustigen Englisch, einer Schimpftirade über die untergehende Sonne die ihnen direkt in die Augen schien, und einer Liveperformance die ihresgleichen sucht. Mein persönlicher Held des Abends war der Mensch hinter dem Schlagzeug, Jukka Nevelainen, der dermaßen wild um sich schlug dass man Zweifel an der menschlichen Natur seiner Arme bekam. Auch führte der "Steve Buscemi mit Kopftuch" eine beeindruckende Soloperformance auf, zappelte wild hinter seinen Fellen umher und wäre am liebsten drüber geklettert um sich ein wenig eingehender mit dem Publikum zu beschäftigen. Nach einer (der demokratisch einstimmigen Meinung nach) VIEL zu kurzen Zeit rauschte die Band auch von der Bühne, um etwas verwirrt in den Nebenparzellen stehen zu bleiben und mit dem Dynamo-Team zu sprechen. Das Publikum harrte aus und forderte Lautstark nach Zugabe. Als nach einer Weile das Team zögernd anfing das Set abzubauen wollte das Volk immernoch nicht aufgeben und verlangte weiterhin nach einer Zugabe. Erst als Tarja ein wenig verwirrt auf die Bühne zurückkam um klarzumachen dass es das gewesen sei trollte sich der ein wenig enttäuscht-begeisterte Haufen NIGHTWISH-Fans (sah ganz danach aus als hätte die Band nach dem verspäteten Anfang keine Zeit mehr gehabt ihre Setlist zuende zu spielen.)
Trotz des überstürzten Abbruchs ließen NIGHTWISH nur überglückliche und beeindruckte Fans zurück, von der schieren Livegewalt der Band, die aus einer perfekten Bühnenshow und einer makellosen Performance bestand, einfach überwältigt. Klarer Auswärtssieg für die Finnen, 1:0 Endstand.

DIMMU BORGIR:
Weg vom ersten Headliner hin zum zweiten Headliner auf der zweiten Bühne. DIMMU BORGIR hatten pünktlich angefangen und mich um mein Intro gebracht. "Cataclysm Children" klang gerade aus, Shargrath's düstere Truppe auch sofort"Vredesbyrd" anstimmten. Es fiel auf dass der Sound mit wechselndem Wind immer dünner und unklarer wurde, obwohl die Band auf der Bühne einen Anblick bot der Fans und Nichtfans gleichsam in Schrecken und Begeisterung versetzte hatte die Band immer wieder mit Technikproblemen zu kämpfen. Die dargebotene Setlist, unter anderem "Blood Hunger Doctrine" vom aktuellen Album "Death Cult Armageddon", "In Death's Embrace" und ein krachendes "Tormentor Of Christian Souls" konnte durchaus überzeugen, und auch die drohend-wilde Performance der Band war durchaus sehenswert, jedoch kam das etwas seltsam rüber wenn nur die Hälfte des Sounds die hinteren Ränge erreichte. Visuell war die Band ein Augenschmaus für alle die etwas für Schwarz überhaben. Gänzlich in schwarzes Leder gekleidet, mit Nieten versehen die die kleinen Nietenkiddies blaß vor Neid werden ließen, und einem Keyboarder der es fertigbrachte eine Stunde lang keine Regung zu zeigen und wie der Tod höchstpersönlich über die restliche Band erhoben zu thronen war die Bühnenshow schon fast besser als die Musik. Unter ständigem Nebel musste man sich zwischendurch fragen ob die Band jetzt brannte, oder ob man etwas zu gutmütig mit der Nebelmaschine umging. Nach einer guten halben Stunde verzog man sich dann wieder Richtung Mainstage, um den Anfang des Mainacts nicht zu verpassen, während die Norweger kräftig gegen Wind und Technik anlärmten.

SLAYER:
Das Ende des Dynamo's näherte sich. SLAYER näherten sich. Die Menschen näherten sich auch. Proppevoll war der Zuschauerraum, man konntedavon ausgehen dass 20.000 Menschen gleichzeitig versuchen an die Absperrung vor der Bühne zu kommen, auf jeden Fall spürte man nicht nur seinen eigenen Fuss am Boden, 5 andere teilten sich die selbe Stelle, mindestens.
Bei normalen Konzerten gehören die "SLAAAAAAYYYYYYEEEEEEEEEEER" Rufe zum guten Ton. Jetzt entwickelten sich die Schreie zum Chor. Die Spannung in der Luft hätte der Anlage von DIMMU BORGIR wirklich gut getan.
Pünktlich um viertel nach neun tauchte dann auch Dave Lombardo auf, um hinter seinem Kit platz zu nehmen, natürlich stürmisch begrüßt von der ergebenen Fanschar. Als dann noch Gitarrengott Kerry King auftauchte, mit der obligatorischen miesen Laune, war es um das Volk geschehen. Als dann noch "Darkness Of The Christ" erklang, war die Stimmung perfekt. 39.996 Hände (ich hab euch genau gesehen!) reckten sich gen Himmel um die Ankunft der "mighty" SLAYER zu begrüßen.
Mit dem knallenden "Disciple" kam dann auch das Kommando zur Hölle. Die forderen Reihen verwandelten sich binnen Nanosekunden in einen sich stets bewegenden Mix aus Armen, Beinen und vielen Köpfen der sich hin und wieder mal selber plättete, aber generell sehr schnell wieder ausgedellt wurde als die Gefallenen sofort wieder aufgehoben wurden. SLAYER's Moshpit war organisiertes Chaos. Den Beobachtern in sicherer Entfernung (mit mehreren Schichten Sicherheits-Mensch vor sich) fiel sofort auf dass auch der Sound der Metalgötter haperte. Tom Araya schrie sich zwar nach Kräften den Text zu "Angel Of Death" aus dem Leib, wurde von seinen Bandkollegen, die reichlich schräg klangen, gnadenlos übertönt. Erst mit neuem Mikro und nach dem dritten verkorksten Song war der Sound der Band klarer und animierte auch die hinteren Reihen dazu sich den reissenden Riffs und den donnernden Drums hinzugeben (auch der verantwortungsbewusste Powermetal.de-Redakteur bahnte sich seinen Weg nach vorne um die Lage vor Ort abzuchecken). Mit Songs wie "Necrophobic", "Payback" und "South Of Heaven" sorgte das Quartett flächendeckend für Chaos und Anarchie. Stoisch auf der Bühne stehenden konzentrierten sich Araya und Co. Fast ausschließlich auf ihre Instrumente, und stellten sicher dass der MoshPit nicht kalt wurde. Nach der technischen Maniküre bellten die SLAYER-Songs in perfekter Qualität über das Publikum, die menschliche Reihe die vorher dafür gesorgt hatte dass hinten Ruhe herrschte sah sich plötzlich mit einem hinterrücks einfallenden zweiten Pit konfrontiert und ging selber in die Offensive über. Als Araya 'Ghosts of War' ankündigte tat sich der erste Graben zwischen Fans und Band auf. Mastermind Araya kam auf den D-Day zu sprechen, und erinnerte die Holländer daran dass damals tausende Amerikaner gestorben sind um sie zu retten. Das wurde ja noch angenommen, als Araya jedoch auf den Trichter kam dass IMMERNOCH Amerikaner für die freie Welt sterben, und viele Opfer bringen würden war es mit der Sympathie schnell vorbei. Entweder garnicht oder mit bösen Pfiffen reagierten die von Araya's Einstellung enttäuschten Holländer, was den Sänger zu dem Spruch veranlasste (der gottseidank nicht richtig verstanden wurde und nur ein kurzes Pfeifkonzert auslöste): "You were ready for war sixty years ago. Are you ready for war now?"
Nicht unbedingt die optimale Atmosphäre für ein klasse Konzert. Die Band brachte jedoch ihr Set weiterhin ungerührt in die Massen und sorgte dass die Leute im Moshpit noch etliche Tage danach spüren konnten wie es da zuging.Nach exakt anderthalb Stunden verzog sich die Band wortlos hinter die Bühne und ließ sich auch durch konzentriertes Schreien nach Zugabe nicht dazu bewegen wieder aufzutauchen (Kracher genug hätten sie noch in petto gehabt.), nach gut 10 Minuten verzog sich dann auch die versammelte Masse der Dynamo-Besucher in Richtung Ausgang, oder tat sein bestes die letzten Reserven der Pavillions leerzutrinken. SLAYER's musikalische Leistung war schlichtweg beeindruckend, nach einer kurzen Zeit technischer Probleme polterte der Sound fehlerfrei und nahtlos gezockt über die Menge, die ihre Band mit gebührend Krawall feierte, und die 5 Meter Luftschicht direkt über den Boden in eine Mischung aus Schweiss, Dreck und verschwindend wenig Sauerstoff verwandelte (der Moshpit ist ein definitives Wunder der Biologie, dass der Mensch da überhaupt atmen kann). Getrübt wurde das ganze dann nur von dem etwas beleidigten Verhalten der Band, als ihre Auffassung der Weltprobleme an den kriegskritischen Holländern abprallte. Ansonsten ein durchaus gelungener Auftritt, an den man sich gerne erinnert.



Das Dynamo Open Air war dieses Jahr ein krasser K.O.-Sieg der Veranstalter. Aus dem Nichts ein derart krasses Billing aus dem Boden zu stampfen und mit einer etwas chaotischen Organisation (die letzten Bands wurden mal eben knapp 2 Wochen vor dem Festival bekanntgegeben) dann doch die Bude vollzukriegen. Die Atmosphäre auf dem Festivalgelände war auch mehr als nur angenehm, es war platz für alle da, sogar um sich manche Bands im gemütlich auf dem Rasen liegend anzuschauen. Vorfälle gab es so gut wie keine, zwei Schlägereien (eine direkt bei SLAYER, die aber direkt von der Security aufgelöst wurde) waren nicht der Rede wert, ein paar Mülleimer brannten ab (was wohl auch zum guten Habitus auf Festivals gehört), und Sanitäter sah man auch nur selten über das Gelände rennen. Insgesamt waren wohl alle froh darüber dass überhaupt ein neues Dynamo stattfand, und so war die Stimmung ausgelassen und freundlich.
Mit 50 Euro Eintritt und moderaten Getränkepreisen war das diesjährige Dynamo Open Air durchaus ein Festival für den kleinen Geldbeutel, und bei dem Billing konnte sich wohl niemand über Abzocke beschweren.

Negativ fielen eigentlich nur die verdammt engen Spielzeiten der Band auf, die es einem unmöglich machten eine Band auch nur ansatzweise ganz mitzubekommen, und auch dass das DOA dieses Jahr wieder nur einen Tag stattfand täuschte nicht darüber hinweg dass Anticoncerts immernoch mit den Problemen der Standortfindung zu kämpfen hatte.
Der Goffertpark hatte natürlich durchaus was für sich, mit so einem idyllischen Ambiente können wohl nur die wenigsten Festivals mithalten (trotzdem wäre es nicht schlecht wenn man nächstes Jahr wieder in die 3-Tages-Festival-Liga aufsteigen könnte). Relativ nah an der Grenze gelegen (20 Kilometer südlich von Arnheim, anderthalb Stunden Fahrt aus dem Pott) war das Festival auch für Deutsche und Belgier ein gefundenes Fressen zum Abrocken, wofür man ja reichlich Gelegenheit bekam.

Nach 4 Jahren Dauerproblemen ein sehr gelungener Versuch wieder an alte Zeiten anzuknüpfen, aber nach einer endgültigen Lösung sah das noch nicht aus. Sollten die Menschen von Anticoncerts es nächstes Jahr schaffen wieder ein Dynamo auf die Beine zu stellen bin ich auf jedenfall wieder von der Partie (denn halbgare Sachen sind beim Dynamo nicht!).

Redakteur:
Michael Kulueke

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