EPIC FEST 2024 - Roskilde
29.01.2024 | 15:3312.01.2024, Gimle und King Roars Hall
Epic Fest - der heilige Gral und die neue Heimat des Power Metals.
Die auf der dänischen Insel Seeland gelegene Stadt Roskilde ist vor allem für das gemeinnützige "Roskilde-Festival" bekannt, das zu den größten Veranstaltungen dieser Art in Europa gehört. Doch da das Spektrum der Acts da breit gefächert ist (gleiches gilt für das "Copenhell"), gab es lange keine richtige "Heimat" für die dänischen Metalfans. Jetzt gibt es eine! Das "Epic Fest" fand dieses Jahr bereits in der zweiten Edition statt und hat sich schon mit dem Namen viel vorgenommen. Power Metal fristet zumeist ein Nischendasein mit zwei, drei Bands in den meisten Metal-Festival-Line-ups. Warum ist das so? Schließlich ist Power Metal etwas, auf das sich die meisten Metal-Fans irgendwie einigen können. Es ist symphonisch genug für die Feingeister und doch auch heavy genug für die Oldschooler. Natürlich wird man damit keine Extreme Metaler einfangen können, aber der Rest der Community hört meistens mindestens eine Power Metal-Band. Das "Epic Fest" tut genau das, was wir von POWERMETAL.de uns ebenfalls auf die Fahnen geschrieben haben: Diesem Genre endlich mehr Aufmerksamkeit angedeihen lassen.
Als ich früh morgens mit meinem Koffer im Zug sitze, der zufällig auch über den Köln/Bonner Flughafen fuhr, fragt die Zugbegleiterin mich mit einem Anflug von Neid: "Na, geht's in die Sonne? Malaga oder Istanbul?". "Dänemark!", antworte ich lächelnd, worauf sie mich ungläubig ansieht. Dänemark im Januar? Ja, das geht und lohnt sich sogar!
Aufgrund des drohenden Bahnstreiks bin ich allerdings schon zwei Tage früher gefahren und habe mich, einen Kilometer von der dänischen Grenze entfernt, in Harrislee-Kupfermühle in einem Hotel einquartiert. Sicher ist sicher. Das letzte Stück Anreise am Donnerstag geht dann erwartungsgemäß problemlos, da die Dänische Staatsbahn DSB viel pünktlicher und zuverlässiger ist als ihr deutsches Pendant. Roskilde ist eine schöne Mittelstadt mit 52.000 Einwohnern, 30 km westlich von der Hauptstadt Kopenhagen gelegen. Sie zählt zu den ältesten Städten des Landes und ist daher historisch bedeutsam. Im Dom befindet sich bis heute die Grablege der dänischen Königsfamilie. 40 verblichene Monarchinnen und Monarchen des Landes ruhen in der mächtigen Kathedrale. Wenn das mal nicht episch ist!
Nachdem mein fotografierender Begleiter den Mietwagen am Flughafen abgeholt hat, treffen wir uns noch kurz zum Essen und dann geht es auch schon zum Ort des Geschehens. Die erste Anlaufstelle ist "King Roar's Hall", eigentlich das Kongresszentrum der Stadt. König Roar (Hrothgar) gilt als Gründer der Stadt Roskilde und spielt eine bedeutende Rolle zum Beispiel in der Beowulf-Saga. Er errichtete den Erzählungen nach eine prächtige Halle, die so schön war, dass sie vom Gegenspieler Hrothgars, Grendel, viele Jahre lang voller Neid bestürmt und schließlich eingenommen und zerstört worden war. Diese goldene Halle inspirierte übrigens J.R.R. Tolkien zu Meduseld, der goldenen Halle des Königreichs Rohan. "King Roar's Hall" der heutigen Zeit erweist sich glücklicherweise als unzerstört, sodass wir unsere Bändchen bei den freundlichen Volunteers in Empfang nehmen können. Freiwilligkeitskultur, also ehrenamtlicher Dienst, spielt generell eine wichtige Rolle in den Gesellschaften Skandinaviens und die vielen freiwilligen Helfer ermöglichen u.a. auch das große "Roskilde-Festival". Auch das "Epic Fest" setzt u.a. auf dieses Prinzip. "King Roar's Hall" beherbergt die Hauptbühne des Festivals, sowie den Merch-Stand und eine große Vorhalle mit Sitzmöglichkeiten.
Was direkt auffällt, ist die Außengestaltung des Kongresszentrums. Es wehen wunderschöne, verzierte Flaggen mit dem "Epic Fest"-Signet vor dem Eingang und eine LED-Wand zeigt ebenfalls das Logo vor einem vereisten Hintergrund mit wehenden Schneeflocken. Man wird also direkt bei der Annäherung an die Haupt-Location von Vorfreude und feierlicher Stimmung angeweht. Nach der Bändchenübergabe werden wir direkt von Søren, einem der Veranstalter, freundlich in Empfang genommen. Er trägt einen Pullover im grün-gelben Hyrule-Kingdom-Design, bezugnehmend auf die Videospielreihe "The Legend of Zelda". Hier wird direkt klar: Die Nerds regieren nun in Roskilde! Søren stellt uns auch Maya vor, die sich um das Wohlergehen der Pressevertreter während des Festivals kümmert. Maya gibt uns eine Führung durch die Räumlichkeiten und zeigt uns den Presse-Raum, in dem wir das Equipment lagern, ausruhen und arbeiten können. Die Halle ist prächtig geschmückt, mit farbenfrohen Bannern und farbwechselnden Lampen, alles im Design des Festivals. Hier hat man sich liebevoll um die Atmosphäre gekümmert. Im oberen Bereich steht auch eine Fotoecke zur Verfügung mit Utensilien zum Verkleiden (Schwerter, Helme, Schilde etc.). Wir fühlen uns von vorneherein willkommen im "Epic Kingdom".
Aber obwohl "King Roar's Hall" uns bereits mit einer großen Portion "Epicness" begrüßt hat, ist das noch nicht alles. Eine zweite Bühne befindet sich im lokalen Konzertvenue Gimle. Und da dort auch das Eröffnungskonzert stattfinden soll, begeben wir uns nun dorthin. Das Gimle ist knapp zehn Minuten Fußmarsch vom Kongresszentrum entfernt, aber auch in der "Hall" überall präsent: Auf den Westen des Personals und auch an anderen Stellen prangt überall der Gimle-Schriftzug. Auch unsere Gastgeberin Maya erzählt uns, dass sie eigentlich für das Gimle arbeitet. Offenbar hat die örtliche Konzertlocation sich stark beim "Epic Fest" eingebracht. Es ist immer schön, wenn solch eine Zusammenarbeit mit örtlichen Institutionen gelingt. Wir kennen die erste Band des Tages MEMOIR SONATA noch nicht, und sind dementsprechend gespannt. Sie stammt aus der ältesten Stadt Dänemarks (Ribe auf Jütland). Pünktlich um 16:00 Uhr verdunkelt sich das Licht und die sehr symphonischen Klänge der noch recht jungen Band erfüllen den Raum. Im Zentrum: Die großgewachsene Vokalistin Veronika Gamborg, die in ihrer Bühnenpräsenz an Floor Jansen erinnert. Die keyboardlastigen Klänge der Dänen stellen einen angemessenen Auftakt für das Festival dar. Ich beklage sehr, dass das Keyboard als Instrument bei vielen Metal-Bands entweder ganz fehlt, oder aber lediglich zur Hintergrundausmalung verwendet wird. Man kann damit so viel machen! Zum Glück weiß man das Keyboard im Power Metal noch zu schätzen! Anhand der zahlreichen MEMOIR SONATA-T-Shirts kann man erkennen, dass die Lokalmatadore von etlichen Fans auf ihrer Queste begleitet werden. Die Musiker präsentieren Songs ihres erst 2023 erschienenen Albums "Seven Hilles Of Rome". Für den Titelsong fragt Veronika: "Would you like to help me with the next song? It's quite simple!". Das Publikum muss nicht erst überredet werden, das langgezogene "seven hills of Rome" am Anfang des Refrains mitzusingen. MEMOIR SONATA schafft es direkt mühelos, das Gimle in eine epische Stimmung zu versetzen, sodass ich einfach nur sagen kann, dass ich lange keinen so guten Opener eines Festivals mehr gesehen habe! Großartig!
Das Leben ist eine Reise! Wer noch Zweifel daran hatte, dass diese Redewendung zutrifft, kann sich bei dem ständigen Hin- und Herwandern zwischen Gimle und Kongresscenter eines Besseren belehren lassen. Allerdings geht uns dieser Fußweg schnell in Fleisch und Blut über, und er eignet sich gut zum Gedankenaustausch über die gerade gehörte Band. Mit der Nachfolgeband BROTHERS OF METAL verlassen mein Fotograf André und ich die unbekannten Gewässer. Die Schweden haben wir beide schon live erlebt und freuen uns dementsprechend auf den "zweiten Auftakt" und die "Einweihung" der Hauptbühne in "King Roar's Hall". Die Krieger und Kriegerinnen sind bereits zahlreich in Hrothgars Halle versammelt, um die Besucher aus einer anderen Zeit mit gefüllten Methörnern willkommen zu heißen. Apropos Met: Die Tavernen des Festivals bieten ein vielfältiges Angebot an geistigen Getränken an. Es gibt neben dem Haustrunk Tuborg auch eine ganze Karte mit "special beers" und man hat sogar festivaleigene Biere zusätzlich herstellen lassen. Die vier Gebräue mit den klangvollen Namen "Epic & Juicy Mana", "Ale of the Mountain King", "Goodberry Potion" und "Tears of the Dragon" bieten ganz neue Geschmackserlebnisse. Auf der großen Hauptbühne wird es nun voll: Die acht Warriors aus Schweden fegen geradezu auf die Bretter und legen direkt mit 'The Death Of The God Of Light' vom Debutalbum los.
Mir fällt der exzellent abgemischte, satte Sound auf. Wie oft wurden uns schon tolle Festivalerlebnisse verwehrt, weil der Sound grottig war? Das große Problem von Festivals ist ja oft, dass die Bands ihre eigenen Tontechniker nicht mitbringen (können), und die festivaleigene Crew oft die Bands nicht gut genug kennt, um den Sound richtig hinzukriegen. Sogar auf dem berühmten "Wacken Open Air" habe ich diese Erfahrung erst letztes Jahr beim Auftritt von TWILIGHT FORCE machen müssen. So etwas ist einfach enttäuschend. Daher ist es eine besondere Freude, den fantastischen Sound an der "Epic Fest"-Hauptbühne zu erleben. Der Meinung ist offenbar auch die versammelte Anhängerschaft von BROTHERS OF METAL, die tatkräftig beim Gesang mithilft. Während einer Unterbrechung zaubert Vokalist Mats plötzlich einen typischen, schwarzen, viereckigen Hut (Graduation Cap) hervor, und teilt den Anwesenden mit, dass Sängerin Ylva gerade erst ihren Bachelor-Abschluss in Sozialer Arbeit bestanden hat. Herzlichen Glückwunsch an die sympathische Sängerin von der POWERMETAL.de-Redaktion! Die Graduation Cap hält sich indes nicht lange auf Ylvas Kopf, sondern fliegt schon nach kurzer Zeit in die Menge. Ein schönes Souvenir! Die Frage: "Denmark? Are you enjoying?" ist bei der aufgeheizten Stimmung schon fast überflüssig. Mats adelt aber auch gleich den Ort des Festivals mit dem Ausruf: "Tonight not Stockholm but Roskilde is the capital of Scandinavia!". Dieser Ritterschlag begeistert das Publikum sichtlich, und schon klettern die ersten Besucherinnen auf die Schultern ihrer hünenhaften Begleiter, um aufblasbare Plastikschwerter zu schwenken. BROTHERS OF METAL geben den Takt mit 'Ride Of The Valkyries' vor und fragen danach, ob die Menge bereit für einen "blutdürstenden Song" sei, womit natürlich 'Berserkir' gemeint ist. Natürlich beziehen sich BROTHERS OF METAL mit ihren Outfits und Songthemen besonders auf die nordische Mythologie. Dort ist aber nicht nur Platz für Schlachten und Helden, es gibt auch Herz und den damit verbundenen, unvermeidbaren Schmerz. Mit 'Concerning Norns' und 'Yggdrasil' wird es ruhiger in der Halle. Aber in der Ruhe liegt dennoch große Kraft, und nach dem majestätischen Dialog von Mats wird der Refrain von 'Yggdrasil' von der ganzen Halle mitgesungen. Ein ergreifender Moment! Das Set endet mit 'Defenders Of Valhalla' und nach deutlichen Zugabe-Rufen mit 'Theft Of The Hammer' vom gefeierten, zweiten Album "Emblas Saga".
Zurück im Gimle gibt es nun etwas Abwechslung. Trotz der eindeutigen Fokussierung auf den typischen, europäischen Power Metal haben die Festival-Macher auch darauf geachtet, leicht unterschiedliche Bands einzuladen. MEGATON SWORD aus der Schweiz verleihen dem skandinavienlastigen Line-up des ersten Tages auch etwas mehr Internationalität. Thematisch passt die Band mit ihren von Schlachten und Fantasy geprägten Texten natürlich sehr gut, aber die Stimmfarbe von Sänger Uzzy Unchained unterscheidet sich doch sehr von den glattgebügelten Stimmen klassischer Power-Metal-Sänger. Der Gesang ist wirklich außergewöhnlich und erinnert mit seiner düsteren, aggressiven Wucht sehr an Ozzy Osbourne. Hier kommen also durchaus auch Oldschool-Fans auf ihre Kosten. Trotz des europäischen Ursprungs orientieren sich MEGATON SWORD erkennbar am US-amerikanischen Epic Metal. Auch die Outfits mit Leder und Nieten wirken wie aus der Zeit gefallen. Nicht nur Uzzy headbangt leidenschaftlich auf der Bühne, die Musik von MEGATON SWORD reißt auch die Zuschauer im Gimle sichtlich mit. "Today we start the frenzy!", wird die Parole von der Bühne ausgegeben. Neben den Vocals können auch die Gitarristen mit ausgedehnten Soli glänzen. Apropos Internationalität: In der ersten Reihe schwenkt jemand ausgelassen eine japanische Flagge, die Strahlkraft des "Epic Fest" hat offenbar auch andere Kontinente erreicht. Auch bei den Schweizern gibt es in der ersten Reihe mehrere Hardcore-Fans, die Sänger Uzzy zwischendurch auch im Graben besucht. Für meinen Geschmack bietet die Band ein gelungenes Intermezzo und eine hohe, musikalische Qualität, sowie echte Leidenschaft auf der Bühne!
Als nächstes soll es ein "Doppelpack" auf der Hauptbühne geben, denn es war Headliner-Zeit! Mit GLORYHAMMER und BEAST IN BLACK stehen die beiden größten Namen des Festivals auf dem Programm. Die Bühnenaufbauten für die mulinationale Power-Institution GLORYHAMMER versprechen Großes. Die hohen Mauern einer verwunschenen Burg bilden die Kulisse für die Mannen um Sozos Michael, deren Geschichten, ähnlich wie die von MEGATON SWORD, in einer Fantasy-Welt spielen. Los geht es auch gleich mit einem Song des im Sommer erschienenen Albums "Return To The Kingdom Of Fife" in Form von 'Holy Flaming Hammer Of Unholy Cosmic Frost'. Ja, das ist durchaus ein typischer Songtitel im GLORYHAMMER-Universum! Gehämmert wird ohnehin eine Menge bei dieser Band. Man merkt durchaus in der Halle, dass hier viele endlich ihre Lieblingsband sehen können, denn der Jubel ist bei GLORYHAMMER bislang am lautesten und lang anhaltendsten, sodass der "King Roar's Hall" alle Ehre gemacht wird. Wenn man ein Konzert dieser Band besucht, ist es aber auch wahrlich leicht, sich mitreißen zu lassen.
Das beweisen auch die zahlreichen Crowdsurfer. Auch das Vorgängeralbum "Legends From Beyond The Galactic Terrorvortex" kommt im Set nicht zu kurz, u.a. der selbstbetitelte Song 'Gloryhammer' wird schon früh gespielt. Selbst Zuhörerinnen und Zuhörer, die die Band nicht kennen, können die Refrains meist schnell adaptieren und genauso laut mitsingen- und brüllen wie die eingefleischten Fans. Der beliebte Held "Angus McFife", verkörpert von Michael, erhält natürlich auch seinen Titelsong in der ersten Hälfte des Sets, genauso wie der "Hootsman" in Form von Bassist James Cartwright. GLORYHAMMER hat sich zudem dem Artenschutz verschrieben und widmet wie üblich einen Teil ihrer Spielzeit der bedrohten Spezies Einhorn. 'The Land Of Unicorns' wird von allen Anwesenden gern bereist und das "universe" war an diesem Tag in Roskilde genauso "on fire" wie die Herzen der Anwesenden. Alle jubeln, als Angus McFife den Goblin-Widersacher mit dem Hammer vertreibt und die Mächte des Guten einmal mehr den Sieg davontragen. Aber natürlich wird GLORYHAMMER nicht ohne einen bestimmten Song gehengelassen. Auch wenn Dundee in Schottland eigentlich gut 850 km Luftlinie entfernt von Roskilde liegt, so rückt es durch die vereinten Kräfte von GLORYHAMMER und ihren Fans wesentlich näher heran. Der Sänger greift sich kurzerhand einen der aufblasbaren Einhornstäbe, die in der ersten Reihe mitgeführt werden, und schwenkt ihn enthusiastisch, während er die Hymne zum Besten gibt. 'The Unicorn Invasion Of Dundee' wird noch einmal kräftig gefeiert, bevor die Show leider schon zu den Klängen von 'The National Anthem Of Unst' und John Fogertys 'Rockin' All Over The World' zu Ende geht. Ich muss sagen, dass ich die Trennung der Band vom vorherigen Sänger Thomas Winkler noch immer bedauere, aber GLORYHAMMER legt auch mit dem neuen "Prince of Fife" immer noch eine hochenergetische Show hin und verwandelt jede Menge in einen brodelnden Hexenkessel.
Jetzt heißt es, schleunigst die trockenen Kehlen zu befeuchten und die Batterien wieder aufzuladen, denn der Tag ist noch längst nicht vorbei. Es folgt ja vielmehr ein weiterer Headliner in Form der Finnen von BEAST IN BLACK. Was für eine tolle Entwicklung diese Band in den letzten acht Jahren hingelegt hat, ist wirklich bemerkenswert! Diese Truppe ist einfach ein unfehlbarer Party-Garant, ihre Spielfreude ist geradezu legendär. GLORYHAMMERs Burg wird von den versierten Stage-Hands zügig wieder abgebaut (vermutlich lag auch gar keine Baugenehmigung seitens der Stadt vor) und durch einen großen Biestkopf mit leuchtenden Augen sowie das höchste Schlagzeug-Podest aller Zeiten ersetzt. BEAST IN BLACK-Drummer Atte hatte wohl um mehr Aussicht gebeten. Das wahre "Biest" thront heute also noch über dem zähnebleckenden Schädel. So kann heute zum Glück jeder in der Halle das berühmte, dämonische Dauer-Grinsen des Weltklasse-Drummers sehen. Die Finnen eröffnen ihr Set mit dem dynamischen 'Blade Runner' und 'Bella Donna' (beide vom aktuellen Album), und gehen dann gleich zum Signature-Song 'Beast In Black' über. An dieser Stelle muss ich einmal lobend erwähnen, dass bemerkenswert wenig Handys in der Luft sind. Es wurde viel geschrieben über diese in den letzten Jahren aufgekommene Unsitte, große Teile von Konzerten mitzufilmen und so der Stimmung nachhaltig zu schaden.
In Roskilde hingegen sieht man einen sehr großen Teil der Zuhörerinnen und Zuhörer ganz den Moment leben, und in der "Epicness" des massiven Soundgewitters baden, ohne sich dazu hinreißen zu lassen, verwackelte Handy-Aufnahmen anzufertigen, die sich eh niemand jemals wieder ansehen würde. Große Klasse und Respekt ans Publikum! "Good evening, Epic Fest and welcome to this big part of our "Glory And The Beast"-Tour. Thanks for partying with us", begrüßt Yannis an den Vocals die Menge, und nimmt Bezug auf die nun gestartete gemeinsame Europa-Tour mit GLORYHAMMER und BROTHERS OF METAL. Schnell schafft es BEAST IN BLACK, die Stimmung wieder ordentlich hochzufahren. Becher fliegen gemeinsam mit Einhörnern durch die Luft, und es bilden sich immer wieder kleine Mosh Pits, anders können viele Fans ihre Energie und Freude bei 'From Hell With Love' gar nicht mehr kanalisieren. Die anhaltenden "Beast in Black!"-Sprechchöre gefallen der Truppe auf der Bühne auch sichtlich. "We have something to say, Denmark. Have you ever imagined how it would be to live disconnected with reality and go to a different dimension?", fragt der Sänger schließlich. "Still unaffected in your real body? All that is happening right now in the best possibly way!". Solche Gedanken treffen bei dem rollenspielaffinen und fantasievollen Publikum auf genau die richtigen Empfänger. Der Song 'Hardcore' wird frenetisch gefeiert, genau wie das bombastische 'Moonlight Rendezvous'. Mit 'Ghost In The Rain' zeigt aber auch BEAST IN BLACK, dass die Band Balladen genauso draufhat wie schnelle Nummern. Natürlich darf auch der Über-Hit 'Blind And Frozen' mit einer der epischsten Bridges des Genres keineswegs fehlen. Die Bühnenaufbauten sind übrigens recht Japan-lastig. Als jemand, der dieses traditionsreiche Land bereits besucht hat, habe ich gemischte Gefühle, als ich die links und rechts des Biest-Schädels aufragenden, roten Tore sah. Diese "torii" genannten Durchgänge markieren in Japan eigentlich den Eingang zu einem heiligen Ort. Oft findet man sie im Eingangsbereich zu einem Schrein, als Bühnendeko finde ich sie eher unpassend. Leider habe ich keine Gelegenheit mehr, dies mit dem aus Japan angereisten Besucher mit der Flagge zu besprechen. Denn zu diesem Thema müsste man einen Angehörigen der japanischen Kultur befragen, meine subjektiv empfundene Dissonanz ist eher weniger ausschlaggebend. Wie auch immer, der Top-Qualität des Konzertes tut das Ganze natürlich keinen Abbruch, der Auftritt von BEAST IN BLACK ist der beste, den ich jemals gesehen habe. "Thank you so much everybody", zeigt sich auch der Fronter dankbar. "In music there's always a room for interpretation and imagination! You can always translate a song in the way you like! And sometimes you can be your own best friend or your own worst enemy", leitet er den Song 'Die By The Blade' vom 2019er Album "From Hell With Love" ein. Auch hier öffnet sich wieder der Mahlstrom des Moshpits. Das Publikum zeigt in Roskilde weiterhin ein beeindruckendes Energielevel und lässt nicht nach.
Yannis bedankt sich am Schluss noch für den warmen Empfang durch die Gastgeber und das Publikum und auch bei seinen Tourbuddys GLORYHAMMER und BROTHERS OF METAL. Leider gibt es gegen Ende noch einen Zwischenfall im Publikum, als der Alkohol wohl allmählich seinen Tribut fordert. Zwei Männer geraten in den vorderen Reihen aneinander. Aber kaum hat der erste den anderen geschubst, als blitzschnell zwei Security-Leute eintreffen und die Streithähne sofort trennen. Man kann nur sagen: Hut ab vor der exzellenten Übersicht der Wachhabenden, die die Gefahr sofort erkannt und gehandelt haben. Währenddessen präsentiert BEAST IN BLACK noch den Schlusssong 'End Of The World' und die Menge gibt noch einmal alles. Auch hier wieder muss ich konstatieren: Der Sound ist einfach nur großartig! Diese Band verdient aber auch 100% geilen Sound. So ist der Headliner des Tages einfach nur ein Hochgenuss und der Inbegriff dessen, was modernen Power Metal ausmacht. Aber das ist noch nicht der Schlusspunkt, denn das Gimle hat noch ein Dessert vorbereitet. Also pilgern wir durch die Nacht, um dort noch IRON FIRE zu sehen.
Der Schlusspunkt des ersten Tages gebührt den Veteranen aus Kopenhagen, die schon seit 1997 die skandinavischen Lande unsicher machen. Auch solche Acts braucht es im Line-up. Während keine der vorherigen Bands des Freitags älter als 13 Jahre gewesen war, kommen hier nun auch die "alten Hasen" zu Wort, die zudem mehr für traditionelleren Metal mit reichlich True-Einschlag stehen. Man merkt im Gimle auch an den Reaktionen der Fans, dass hier eine echte Homebase besteht, IRON FIRE hat auch schon auf der ersten Ausgabe des "Epic Fest" 2023 hier gespielt.
Nun aber soll eine spezielle Show folgen, denn die Band präsentiert im Set fast ausschließlich Songs des Debutalbums "Thunderstorm" aus dem Jahr 2000. Dass das Liedgut bestens in den Köpfen der Dänen verankert ist, zeigt sich, als Sänger Martin Steene immer wieder Textzeilen vom Publikum ergänzen lässt. Mit dem Ergebnis ist er sichtlich zufrieden: "Fucking great, Gimle!". Mehr verstehen wir aber nicht von den Ansagen, denn die local heroes lassen es sich natürlich nicht nehmen, mit ihrem Heimatpublikum auf Dänisch zu kommunizieren. IRON FIRE spielt das Debutalbum komplett, ergänzt um zwei Songs späterer Veröffentlichungen. Es ist ein gemütlicher Ausklang ohne Überraschungen, der eins zeigt: Es braucht nicht immer Innovation und viele überraschende Wendungen oder Experimente. Wenn der Mond aufgegangen ist und sich Eiskristalle auf den Dächern von Roskilde bilden, schwelgt man gerne in der satten Erfahrung eines handgemachten Heavy-Metal-Konzerts, dargeboten von altgedienten Recken, die ihr Handwerk mehr als verstehen und einem zeigen, was alles in einer E-Gitarre stecken kann. Danke für diesen fulminanten Schlusspunkt. Wer jetzt noch will, kann natürlich die Aftershowparty in der "Wizards' Hut" (obere Ebene mit Bar in der "King Roar's Hall") besuchen. Da wir hauptsächlich zum "Arbeiten" hier sind, machen wir uns aber, rundum angefüllt mit schönen Erfahrungen, auf den Weg in unsere Unterkunft, bereit für die "Epicness" des zweiten Festivaltages.
Text: Marvin Römisch
Photo Credit: Andre Schnittker
- Redakteur:
- Andre Schnittker