EXODUS, SACRED REICH und BATTLECREEK - Hamburg
30.06.2025 | 13:5410.06.2025, Markthalle
Wundervolles Alte-Schule-Thrash-Paket in der ebenso altehrwürdigen Markthalle zu Hamburg.
Es ist ein warmer Dienstagabend in Hamburg. Zu Gast in der altehrwürdigen Markhalle sind die beiden Thrash-Legenden SACRED REICH und EXODUS. Es ist wie ein kleine Zeitreise in die 80er Jahre, als man mit diesem wohligen Gefühl in der Magengegend wöchentlich diese Örtlichkeit ansteuerte um dort solche Bands zu bewundern. Okay, 40 Jahre später ist man halt auch ebenso viele Jahre älter, aber die Glückshormone gibt es immer noch, wenn solche Truppen in dieser Lieblings-Location zum Tanz aufspielen. Als ich dort eintreffe, erfahre ich, dass es zusätzlich mit den süddeutschen BATTLECREEK noch eine dritte Band im Paket gibt und da die Zeit auch schon etwas fortgeschritten ist, geht es nach einem ersten Beruhigungsschluck auch gleich in die Halle.
Das Quartett aus dem Süden der Republik ist bereits mächtig am Einheizen und gerade im vorderen Bereich der Halle sieht man einige steppende Bären. Nachdem ich mich an den ungewöhnlichen Bühnenaufbau gewöhnt habe und verstanden habe, dass der Drummer mangels Platz nicht hinter den drei anderen Akteuren, sondern rechts daneben seine Felle weich klöppelt, beginne ich den Auftritt zu genießen.
Mit schmissigen Ansagen und einer mitreißenden Bühnenperformance unterstützt BATTLECREEK ihr wunderbar mitreißendes Material. Als dann auch noch die Luftballons und anderer aufgeblasenes Allerlei ins Publikum geballert wird, ist im Moshpit ziemlich die Hölle los. Offenbar sind die Jungs gerade bei den jüngeren Semestern im Publikum recht hoch angesehen. Bei 'Knockout In The First Round' gibt es dann sogar erste Stagediver und bei 'Kill Or Be Killed' werde ich daran erinnert, viel zu lange weder TYRANTS REIGN noch BLESSED DEATH gehört zu haben. Das abschließende 'Redneck Riot' ist dann nicht nur titeltechnisch ein absoluter Abriss und belegt, dass ich mich wohl auch mal konserventechnisch mit dieser Band beschäftigen sollte. Schöner Auftakt!Nach einer fluffig-kurzen Umbaupause ertönt das gern genommene 'The Boys Are Back In Town' bevor das Arizona-Geschwader um Phil Rind mit dem ersten Klassiker ihren Auftritt maßgerecht einläutet. 'The American Way' lässt sofort alle Anwesenden rhythmisch im Takt wackeln und man merkt SACRED REICH unwillkürlich an, wieviel Bock sie mal wieder hat. 'Dive & Conquer' und 'One Nation' steigern die Intensität noch und es ist einfach eine Wonne, Phil Rind mit seinem ultra-sympathischen Grinsen beim Spielen zu beobachten. Während bereits bei der Eröffnungsnummer die halbe Halle begeistert den Chorus mitsingt, ist nun kein Entkommen aus der Euphorie-Kommune mehr möglich, überall begeisterte Ohren und offene Münder.
Diesen Zustand kann auch das neuere 'Salvation' nicht ändern und erneut bestaune ich die Präzision von Dave McClain, der sein Schlagzeug nach allen Regeln der Kunst vermöbelt. Aber das habe ich ja bereits vor knapp sechs Wochen bei KIT und seinem Auftritt bei SA SLAYER geschrieben. Dass dieser Name nur selten unter den großen Namen der Metal-Drummer genannt wird, ist schon erstaunlich. Meine Lieblingsnummer 'Who's To Blame' folgt und auch dieser Song hat nichts an seiner Durchschlags- und Aussagekraft verloren. Die Ansagen von Phil sind natürlich wie immer geprägt von pazifistischem Gedankengut und können nur aus tiefstem Herzen beklatscht werden.
Aus der Mottenkiste folgen nun 'Independent' und 'Ignorance' bevor man zur vollendeten Glückseligkeit im Doppelpack ausholt. 'War Pigs' ist heutzutage wohl von keiner anderen Band mehr in dieser Qualität zu bestaunen und das abschließende 'Surf Nicaragua' ist ein verdammter Thrash-Klassiker. Unverwüstlich. Dass hierbei Wiley und Joey nochmal unter kreisenden Matten ihre Mörderriffs in die Menge schleudern, ist zwar beinahe selbstverständlich, aber in Anbetracht des Alters einiger Beteiligter nicht mehr unbedingt so zu erwarten. Ganz großes Kino!
Setliste: Dived & Conquer; One Nation; Love ...Hate; Salvation; Who's To Blame; Independent; Ignorance, War Pigs; Surf NicaraguaNach dieser schweißtreibenden und Kehle-entfeuchtenden Szenerie ist der Drang nach einem Getränk und auch nach Frischluft sehr groß. Beides wird auf dem "Balkon" vor der Markthalle befriedigt und so geht es bestgelaunt zurück in die Halle, wo EXODUS bereits mit dem Titelsong ihres Fabeldebütalbums alles in Schutt und Asche legt. Ich begebe mich dieses Mal deutlich weiter nach vorne, ohne mich in die Gefahr des Moshpit-Strudels zu begeben. Der Sound ist zwar etwas matschig, was gerade den sensationellen Riff-Attacken der Herren Altus und Holt nicht gut steht, aber man merkt den Herrschaften auf der Bühne an, dass sie Bock haben.
Beim nachfolgenden 'Iconoclast' muss ich erstmal meine Lauscher arretieren und tatsächlich die Stöpsel ordentlich platzieren. Und höre da: Plötzlich klingt es deutlich besser. Da kann ein 'And Then There Were None' nur weiter Adrenalin in meinen Spiegel gießen. Onkel Dukes hält sich sogar beim textlich etwas schwierigen 'Children Of A Worthless' zurück und lässt Ansagen aus leider nicht vergessenen Zeiten etwas in den Hintergrund rücken. Heute stachelt er die Menge, die vor allem direkt vor der Bühne schon mächtig am Kochen ist, nur gekonnt an und nervt nicht mit politischen Komischheiten. 'Fabulous Desaster' und 'Braindead' folgen und gerade bei der zweiten Nummer bin ich jedes Mal erneut überrascht, weshalb dieser Stampfer so gern genommen wird. Gut, er stammt noch aus der Paule-Phase, aber gerade auf dem zweiten Album gibt es doch etlichen Nummern, die weitaus rattenschärfer wären. Nörgeln auf hohem Niveau, ich weiß. Sehr erfreut nehme ich 'Deathamphetaime' in mich auf und 'Blacklist' zeigt, wie ein erstklassiger Stampfer klingen muss. Hier stimmt einfach alles: Geiles Riffing, cooler Text, fiese Hookline. Das Ergebnis: Die ganz Halle singt mit. Nun folgen mit 'Prescribing Horror' und 'The Beating Will Continue' zwei Nummern des letzten Albums bevor die Band programmatisch betitelt mit 'A Lesson In Violence' ein vier Song langes Inferno lostritt. 'War Is My Sheppard' und 'Toxic Waltz' zerstören alles, was sich nicht die Ohren zuhält, bevor das unausweichliche Biest abschließend den finalen Todesstoß abschießt. Diese Nummer ist bis heute noch immer mein Lieblings-Thrash-Song.
Setliste: Bonded By Blood; Iconoclast; And Then There Were None; Children Of A Worthless God; Fabulous Disaster; Brain Dead, Deathamphetamine; Blacklist, Prescribing Horror; The Beatings Will Continue (Until Morale Improves); A Lesson In Violence; War Is My Sheppard; The Toxic Waltz; Strike Of The Beast
Wie man meinen Worten wohl anmerkt, gehe ich mit begeistertem Thräsheln auf den Mundwinkeln aus der Halle. So geht Thrash der alten Schule in der Neuzeit. Vielen Dank dafür!
Text: Holger Andrae
Photocredit EXODUS: Barbara Sopart
Photocredit SACRED REICH: Noah-Manuel Heim
- Redakteur:
- Holger Andrae