Eläkeläiset - München

09.04.2001 | 07:37

30.03.2001, Backstage

ELÄKELÄISET! Muß man zu dieser Band noch viel sagen? Nein, muß man nicht. Die durchgeknallten Finnen sind live immer ein Erlebnis und können ein bunt gemischtes Publikum mobilisieren. So tummelten sich dann auch die unterschiedlichsten Leutchen im gut gefüllten Backstage, vom Humppa!-freudigen Metaller bis zum intelligenzunterstreichungsbebrillten Berufsstudenten waren die unterschiedlichsten und teilweise gar drollig anzuschauenden Gestalten versammelt, um sich von den kuriosen Polkaklängen der trinkfesten Skandinavier erheitern zu lassen.

Zunächst allerdings galt es, die Bemühungen der Vorgruppe über sich ergehen zu lassen. DIE ZWANGSVERSTEIGERTEN DOPPELHAUSHÄLFTEN, so der eigenwillige Name der Truppe, boten rein musikalisch gesehen belanglosen Pop-Punk, garniert mit stellenweise infantilen Blödel-Texten. Dennoch, als unterhaltsam konnte die Chose durchaus durchgehen, wenngleich sich die Publikumsreaktionen sehr in Grenzen hielten. Mir jedenfalls wusste es zu gefallen, mit welchem Spaß die Franken bei der Sache waren.
Begleitet von allerlei selbstironischen Sprüchen intonierten die Schluckspechte aus Nordbayern Nummern wie \"Die Kleine Yvonne\", \"Er Nimmt Sie Ran Im Klärwerkschlamm\" oder das poetische (*g*) \"Leck Mir Die Sacknaht, Du Alte Drecksau\" genauso inbrünstig wie diverse haarsträubende Cover-Versionen mit eigenen Texten. Da wurde aus \"Mendocino\" kurzerhand \"Pornokino\", funktionierte man \"Twist And Shout\" in \"Würscht und Kraut\" um, bei welchem die Truppe ein Sauerkraut-Bombardement auf die Zuschauer hernieder gehen liessen.
Eine stolze Dreiviertelstunde lang durfte das um einen ziellos auf einem (die meiste Zeit nicht angeschlossenen) Minimalst-Keyboard herumklimpernden Vollalkoholiker verstärkte Quintett mit einem guten Sound auf der Bühne herumkaspern, dann war nach einer haarsträubenden Version von \"You´ll Never Walk Alone\" Schluß.
Kam wie gesagt nicht wirklich gut an, unterhielt mich persönlich aber zumindest eine gewisse Zeit lang ganz nett. Das Highlight der Show allerdings bot ein besonders wagemutiger oder, um der Wahrheit die Ehre zu geben, brunzblöder Stagediver, der zielsicher in die so ziemlich einzige Lücke in der Menschenmasse hüpfte und eine astreine Bruchlandung hinlegte, was die Herren Musiker zur allgemeinen Erheiterung mit hämischen Kommentaren quittierten.

Über den Headliner des Abends müsste man eigentlich nicht mehr viele Worte machen. 4 Herren mit Sakko und Krawatte, die auf der Bühne Platz nehmen, Unmengen alkoholischer Getränke auf kleinen Beistelltischchen drapieren und sich mit legendär spartanischem Schlagzeug (1 Bassdrum, 1 Tom, Snare, 2 Becken), Baß, Quetschkommode und Heimorgel über allerlei populäre Pop- und Rock-Songs hermachen, welche in beschwingte Polka-Rocker verwandelt und mit in Finnisch gehaltenen Sauf-Texten \"veredelt\" werden. Das ist schlicht und ergreifend ein Brüller und sorgt bei so ziemlich jedem halbwegs humorbegabten Menschen für königliches Amüsement.
Nach anfänglichen technischen Schwierigkeiten zockte sich das Quartett mit einem exzellenten Sound durch eine schier endlose Reihe von Fremdkompositionen, darunter Klassiker wie \"Sunday Bloody Sunday\" (U2), \"Zombie\" (CRANBERRIES) und \"Right Here In My Arms\" (H.I.M.), \"Wind Of Change\" (SCORPIONS) oder \"Jump\" (VAN HALEN). Dabei beeindruckten die Skandinavier einmal mehr mit dem organisierten Chaos, das sie auf der Bühne veranstalteten. Es ist schon eine Kunst für sich, zum Beispiel gleichzeitig Schlagzeug zu spielen, zu rauchen, mitzusingen und nebenher am Wodka-Gläschen zu nippen!
Nun ist es ja eine hinlänglich bekannte Tatsache, daß im Backstage, fraglos der beste und coolste Live-Club Münchens, stets eine ausgezeichnete Stimmung herrscht; an diesem Abend aber erreichte das Stimmungsbarometer einen Rekordpegel. War es zu Beginn des ELÄKELÄISET-Auftritts wie üblich die vordere Hälfte der Halle, die begeistert mitging und dieses mal eine Art \"Pogo Light\" veranstaltete, humppafizierten die Finnen peu á peu das komplette Auditorium. Ein Bild für Götter, wie buchstäblich jeder der Anwesenden sich in einen wahren Rausch tanzte, schunkelte und groovte. Erstaunlich dabei, daß während der insgesamt zweistündigen Show kaum Verschleißerscheinungen festzustellen waren, das restlos elektrisierte Publikum keinerlei Ermüdungserscheinungen zeigte.
Um es abzukürzen, die verrückten Skandinavier kredenzten im Zugabenteil u.A. noch ihre gewohnt einmaligen Versionen von \"Nice Boys\" (ROSE TATTOO), \"Run To The Hills\" (IRON MAIDEN), \"Livin´ On A Prayer\" (BON JOVI) und \"No Limit\" (2 UNLIMITED), ehe dieses erstklassige Konzert dann schließlich doch noch sein Ende fand. Mit verklärtem Gesichtsausdruck taumelten die Anwesenden aus der Halle und begaben sich rundum zufrieden auf den Weg nach Hause bzw. in andere Etablissements, um dort weiter zu feiern.
Kurz und bündig: Humppa as Humppa can! Geil, geil, geil.

Redakteur:
Rainer Raithel

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