Enslaved - Darmstadt
12.12.2008 | 11:4703.12.2008, Steinbruch Theater
Die Wikinger fallen ein: gleich drei Bands aus Norwegen mischen den Steinbruch auf. Allen voran die großartigen ENSLAVED.
"Vertebrae" nennt sich bekanntlich die aktuelle ENSLAVED-Scheibe, und wer bisher keine Möglichkeit hatte, dieses Meisterwerk des progressiven Black beziehungsweise Viking Metals anzutesten, dem sei dies an dieser Stelle erneut ans Herz gelegt. Am heutigen dritten Dezember stehen ENSLAVED also im Darmstädter Steinbruch-Theater, und meiner Wenigkeit widerfährt die Ehre, nicht nur einen großartigen Gig mitzuverfolgen, sondern vorher noch mit Ivar ein wenig über "Vertebrae" zu quatschen. Das Resultat dieses Gesprächs findet ihr natürlich bei uns in der Interview-Sektion. Bevor die sympathischen Norweger aber die Bühne betreten, bekommt das Publikum zwei weitere Auftritte zu sehen, mit von der Partie sind zusätzlich KRAKOW und AUDREY HORNE.
Das schwere Los des Openers liegt auf den Schultern der ebenfalls aus Norwegen stammenden KRAKOW, die es leider nicht schaffen, das Publikum näher als drei oder vier Meter an die Bühne zu locken. Dabei weiß die Musik der Jungs eigentlich ganz gut zu gefallen. KRAKOW passen mit ihrer Mischung aus progressivem und psychedelischem Stoner-Metal kombiniert mit selten aufblitzenden Death- und Black-Metal-Einflüssen eigentlich recht gut zu der Musik, die ENSLAVED zelebrieren.
Soundtechnisch liegen KRAKOW im akzeptablen Bereich, gerade im Steinbruch habe ich das Mixing schon sehr viel schlechter erlebt. Leider gelingt es den Jungs auch über die ersten paar Songs hinweg nicht, das Publikum von sich zu überzeugen. Sehr schade, denn KRAKOW besitzen meiner Meinung nach durchaus Potential, wie beispielsweise der recht coole Song 'Firefly' beweist. Allgemein ist der Steinbruch aber an diesem Abend nur spärlich gefüllt, so fällt es den Bands natürlich noch ungleich schwerer, die Meute zum Abgehen zu überreden.
Ähnlich sieht es bei AUDREY HORNE aus, die ja bekanntlich die zweiten Arbeitgeber von ENSLAVED-Gitarrist Arve Isdal sind. Den Jungs gelingt es aber wenigstens, ein paar der Anwesenden zum Kopfnicken zu animieren, was nicht zuletzt an der Performance von Sänger Toschie liegt, der wirklich alles gibt. So nutzt dieser einfach den Freiraum vor der Bühne für die ein oder andere abgedrehte Tanzvorführung, um den Abstand zwischen Band und Publikum zu verkleinern.
Musikalisch sind AUDREY HORNE in einer Mischung aus Rock 'n' Roll, Hardrock und Alternative gewürzt mit der ein oder anderen melancholischen Melodie angesiedelt. Wie KRAKOW wissen die Jungs durchaus zu überzeugen. Wir hören Songs wie 'Confessions In Alcohol', 'Deadly', das coole 'Jaws' oder das anfangs ruhigere und gegen Ende ziemlich energiegeladene 'Bright Lights', welches Toschie mit dem Spruch "The next one is a power ballad. Obviously we are the inventors of power ballads!" ankündigt.
Der Sound ist einen Tick besser als bei KRAKOW. Alles in allem bieten AUDREY HORNE durchaus eine gelungene Performance. Wieder einmal denke ich mir, wie schade es ist, dass sich im Steinbruch nur so wenige Fans eingefunden haben, da mehr Publikum diesen Gig sicherlich zu einer richtig coolen Show gemacht hätte.
Nach etwas längerer Umbaupause verdunkelt sich der Steinbruch, und wir bekommen ein atmosphärisches Keyboard-Intro zu hören. Inzwischen haben sich doch eine ganze Menge Menschen vor der Bühne eingefunden, auch wenn der Bruch sicherlich noch etwas an Fassungsvermögen geboten hätte. Fließend geht das Intro in die Keyboardklänge des Openers vom aktuellen Album "Vertebrae", nämlich 'Clouds', über, während die Jungs um Sänger und Basser Grutle Kjellson die Bühne betreten und ordentlich vom Publikum gefeiert werden. Als 'Clouds' richtig aufdreht, kennen die ersten Reihen kein Halten mehr und gehen sofort mit. Sehr zur Atmosphäre tragen dabei die Videoclips bei, die per Beamer an die Rückwand der Bühne geworfen werden und ziemlich gut die Lyrics und die Stimmung der Songs wiedergeben. So sehen wir viele Clips über Naturgewalten wie Stürme oder Vulkanausbrüche, aber auch Szenen aus dem Zweiten Weltkrieg wie Bomberstaffeln oder feuernde Haubitzen.
Schon beim ersten Titel von "Vertebrae" fällt mir auf, dass die Songs live noch um einiges mehr kicken als auf Scheibe. Ich weiß noch, dass ich bei den ersten Hördurchläufen der Platte damals immer wieder das Gefühl hatte, "Vertebrae" sei softer ausgefallen als "Ruun", doch gerade live wirken die Songs doch ähnlich hart wie auf dem 2006er Output. Die Setlist hat ganze fünf Lieder der acht Titel auf "Vertebrae" und besteht auch sonst in erster Linie aus Tracks der neueren Schaffensperiode der Norweger. Trotzdem spielen die Jungs meinen absoluten ENSLAVED-Lieblingstitel 'As Fire Swept Clean The Earth' vom "Below The Lights"-Album und machen mich damit noch glücklicher, als ich sowieso schon bin.
Der Sound ist sehr gut, alle Instrumente sind gut herauszuhören, und auch die doppelläufigen melancholischen Gitarrensoli in 'As Fire Swept Clean The Earth' funktionieren so gut wie auf Platte. Großartig! Dem Titel folgt der neue Song 'Ground', der ebenfalls hervorragend dargeboten wird und mir besonders aufgrund der immer wieder aufblitzenden PINK FLOYD-Einflüsse recht gut gefällt. Etwas flotter zeigen sich ENSLAVED später beim absolut geilen 'Eld' sowie dem Track 'Allfadr Odin', der schon auf dem '92er Demo "Yggdrasil" enthalten war. Als letzten Titel bieten die Jungs den Fans 'The Watcher', welches sich live zum absoluten Nackenbrecher entwickelt und beim Publikum noch mal die letzten Kraftreserven mobilisiert, bevor sich die Skandinavier unter lauten "Zugabe!"-Rufen verabschieden. Nach einem kurzen Drumsolo legen ENSLAVED dann noch 'Isa' nach, bevor der Abend endgültig vorbei ist.
ENSLAVED sind live eine Macht, der komplette Gig war definitiv ein Highlight meiner Konzertsaison 2008. Es macht mich ziemlich traurig, dass diese großartige und innovative Band trotzdem solche Schwierigkeiten hat, eine kleine Location wie den Steinbruch zu füllen, wohingegen andere, wesentlich weniger einfallsreiche Kapellen ohne Probleme Hallen füllen. Sollten ENSLAVED bei euch in der Nähe eine Show spielen, kann ich euch nur nahelegen, dort aufzukreuzen. Einmal im Leben muss man ENSLAVED einfach gesehen haben!
Setlist:
Clouds
Fusion Of Sense And Earth
New Dawn
Ruun
As Fire Swept Clean The Earth
Ground
To The Coast
Eld
Allfadr Odin
The Watcher
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Isa
- Redakteur:
- Hagen Kempf