Euroblast-Festival 2013: The Ninth Coming - Köln

21.10.2013 | 22:17

11.10.2013, Essigfabrik

Unter dem Motto "The Ninth Coming" lockt das Euroblast-Festival mit allem, was im Djent, Progressive- und Tech-Metal angesagt ist und angesagt sein wird in die Essigfabrik. Und schreibt Geschichte.

Das Euroblast-Festival 2012 war für die Redakteure das beste Wochenende des Jahres. Was wird Das Euroblast 2013 - The Ninth Coming - bringen? Das Line Up verspricht einiges und funktioniert der Wechsel vom Underground/Live Music Hall zur Essigfabrik? Auf den folgenden drei Seiten könnt ihr uns durch ein Wochenende voller überwältigender Ereignisse begleiten.

Es berichten: Oliver Paßgang
Christian Stricker (danke an dieser Stelle für deine Unterstützung!)
Jakob Ehmke
(+ Fotos)

Freitag

NO CONSEQUENCE musste ich verpassen, erst gab es Stau und dann gleich das erste Interview für mich auf dem Programm. Schade, aber ich wette, dass die Südengländer mit ihrem neuen Album "IO" im Gepäck ordentlich abgeräumt haben.
[Jakob Ehmke]

Mit leicht zittrigen Händen öffne ich nun die Tür zur Essigfabrik - was mich wohl alles erwarten wird an den folgenden Tagen? Werde ich ähnlich oder gar mehr umgehauen werden als letztes Jahr? Abgedrehter Tech-Metal steht mit ALIASES auf dem Programm. Die Essigfabrik ist schon ordentlich gefüllt, primär mit staunenden Zuschauern. Auf Aufforderung des Sängers Joe Rosser trauen sich die ersten Leute zu bewegen. Aber wie? Einen klaren Rhythmus gibt es nämlich nicht. Hallo Euroblast, schön, wieder da zu sein!
[Jakob Ehmke]

Im letzten Jahr Special Guest, dieses Jahr regulär dabei: B3AR aus Belgien. Und auch wenn ich bereits im letzten Jahr über diese Band geschrieben habe, bin ich erneut ziemlich überrascht und angetan, was für eine Energie die vier Herren in Weiß mit ihrem Mathcore-Metal-Gebräu auf die Bühne bringen. Einzig der Sound sorgt dafür, dass der Funke nicht eins zu eins aufs Publikum überspringen kann. Das hält B3AR jedoch nicht auf: Sie geben auch trotz lediglich kleinen Pits alles und erschaffen mit ihren Groove-Lead-Monstern eine dichte Atmosphäre, die bemerkenswert ist. Und mit steigender Auftrittszeit wird das Songmaterial gefühlt immer besser. Am Ende des Gigs steht die scheinbar obligatorische Verwüstung der Bühne. In einer Zeit, wo Metal so friedlich und zahm ist wie kaum eine andere Musikrichtung, wirkt eine derartige Aktion schon ziemlich rebellisch. Auch wenn am Ende – wie immer – nur liebe Typen hinterstecken. Wenn B3AR fleißig arbeiten, können sie es noch weit schaffen. Mindestens das hat der heutige Auftritt gezeigt.
[Oliver Paßgang]

Beim Erstkontakt mit BENEA REACH wird man förmlich von den komplexen Songstrukturen erschlagen. Zum Glück hat man die Soundprobleme auf der Hauptbühne inzwischen relativ gut in den Griff bekommen. Das ist auch absolut notwendig, denn die Norweger präsentieren beim Euroblast einen breiten Sound, der von melancholischen, vom Post Rock angehauchten Momenten, bis hin zu Meshuggah-typischen Rhythmus- Exzessen reicht.  Über all dem thront das Organ von Ilkka Viitasalo, dessen Stimmspektrum von Clean Vocals über Growls bis hin zu keifenden Shouts reicht und sich somit perfekt in dieses Soundgeflecht einpasst. Die sechs Bandmitglieder bringen die ganze Halle zum Kochen, obwohl es schier unmöglich ist, den Songstrukturen zu folgen, geschweige denn einen Takt zum Headbangen zu finden. Zum Glück versteht es die Band immer, auch eingängige und atmosphärische Parts in ihre Songs einzubauen und das Ganze so etwas aufzulockern. Nach viel zu kurzen 40 Minuten Spielzeit qualmt der Schädel und das erste Highlight des Euroblast steht für mich fest.
[Christian Stricker]

Exklusiv aus Indien eingeflogen kommt die Band SKYHARBOR, die einen vom ersten Moment an, entsprechend ihres Namens, mit schwebenden Linien auf die Reise nimmt. Die instrumentale Basis ist schon mehr als gut. Und wenn dann noch Daniel Tompkins Gesang hinzukommt, fliegt man. Weit weg. Jedenfalls mindestens auf Höhe der Domspitze. Die Zuschauer lassen sich mittreiben, zeigen der Airline auf den Brettern jedoch immer wieder, wie schwer einverstanden sie mit der Reise bis dato sind. Die Musik ist bemerkenswert klar, rein und pur, was natürlich auch einer makellosen Darbietung bedingt, welche die Band hier allerdings fast spielerisch aufs Parkett zaubert. Die wenigen klagenden Momente, die man zu Ohren bekommt, wirken heute umso packender. Zum Ende hin gibt es noch neues Material zu hören, welches Lust auf den Zweitling der Band macht. Wundervoller Auftritt!
[Oliver Paßgang]

THREAT SIGNAL fegt als nächstes über das Euroblast hinweg. Mit gewaltigem Sound und Stakkato-Gewitter haben die Kanadier die Menge schnell im Griff. Äußerst gelungen ist es auch, wie THREAT SIGNAL immer wieder auf einen roten Faden zurückkommt, 'A New Beginning' bezeugt dies. 'The Beginning Of The End' hingegen lässt mit großen Circle Pits die Essigfabrik erschüttern, auch 'Through My Eyes' lädt nicht zum Stillstehen ein. Definitiv eine Band, die mich live mehr überzeugt als auf Platte. Und ich habe das Gefühl, dass das Euroblast so langsam erst richtig Fahrt aufnimmt.
[Jakob Ehmke]

THE AGONIST um Front-Dame und -Röhre Alissa White fegt mit einem Sturm aus Metalcore, Tech-Metal und eingängigen Refrains über die musikhungrige Meute. Erstaunlich, was der bunte Haarschopf ins Mikro schreit, grunzt und singt. Alissa kündigt die Arbeit an einem neuen Album an, was viele natürlich mit Jubel begrüßen. Wer THE AGONIST kennt, dreht zu den quirligen Rhythmen voll ab, alle anderen gucken verdutzt aus der Wäsche. Die Band ist perfekt aufeinander eingespielt, da sitzt jeder Break, jedes Solo und jede Knüppelpassage wie angegossen. Cool.
[Jakob Ehmke]

TEXTURES... Was war das denn bitte für ein atemberaubender Gig? Nach zwei Jahren Abstinenz vom Euroblast kehrt mit TEXTURES ein würdiger Headliner des ersten Tages zurück. Der Sound erreicht nun endgültig die Brillanz des Euroblast 2012 und bläst mich zusammen mit der unglaublichen Performance TEXTURES' einfach komplett weg. Fans und Band freuen sich gleichermaßen, wieder an einem Ort gemeinsam zu sein, und feiern die Party des Tages. Stillstand ist unmöglich, wirklich Jeder bewegt sich irgendwie. Die Band spielt sich quer durch die Diskographie, selbst Songs, die länger nicht mehr gespielt wurden, werden zum Besten gegeben. Zu 'Awake' wird lauthals mitgesungen, zu großen Circle Pits und sogar Walls Of Death fliegen die Menschen nur so durch die Halle und wenn 1000 Menschen gleichzeitig Headbangen, ist das Ziel wohl erreicht. Wow!
[Jakob Ehmke]

 

Überraschung! Spontan wurden die australischen Alternative-Proggies DEAD LETTER CIRCUS bestätigt, da ist die Freude natürlich groß. Nach dieser umwerfenden Show von TEXTURES ist es allerdings auch keine leichte Aufgabe noch zu überzeugen. Denkste! Super professionell, mit einem fantastischem Kim Benzie am Gesang, erfüllt das Quintett die Aufgabe superb. Auf einem Festival wie dem Euroblast finden sich natürlich auch genug Kenner und Musikjunkies, die den Auftritt auch nach einem ereignisreichen Tag gebührend abfeiern. Viele können mitsingen, andere tanzen. Ihr erfrischender, auflockernder Prog-Cocktail ist genau das Richtige, um den Abend ausklingen zu lassen.
[Jakob Ehmke]

Und auf der Side Stage?

Auf geht es in den "Keller", zur Side Stage des Festivals und zu GRAND EXIT. Im Vergleich zur großen Bühne lebt die Side Stage vom Underground-Flair. Auch hierhin haben einige Besucher den Weg gefunden und feiern den Death Metal mit starkem Heavy- und Progressive-Metal-Einfluss der Schweden in bester Underground-Manier ab. Mit dabei ist auch neues Material vom aktuellen Album "The Dead Justifies The Means". Der im Vergleich zur Hauptbühne schwache Sound und die minimale Lichtshow sind allerdings etwas gewöhnungsbedürftig.
[Jakob Ehmke]

KARITKEYA hat den weiten Weg aus Russland auf sich genommen, um uns mit ihrem vom Hinduismus geprägten Ethnic Metal zu begeistern. Leider sollen sie damit auf ganze Linie scheitern. Das Soundgerüst besteht aus einem relativ unspektakulärem Djent-Sound, der nicht selten in den Death Metal abdriftet. Das Gitarrenspiel wirkt nicht wirklich ausgereift. Die ganzen indisch angehauchten Synthieklänge, sowie der Percussionist, der wild auf zwei Bongos herumtrommelt, gehen im Gitarren- und Schlagzeuggewitter total unter. Die Band verliert sich immer wieder in endlosen Songstrukturen. Dazu kommt noch ein recht mittelmäßiger Sound, so dass nicht wenige Besucher das Spektakel recht schnell verlassen.
[Christian Stricker]

Die vorletzte "Keller-Band" ist heute DAWN HEIST, die nicht gerade einen auffällig spektakulären, dafür jedoch ziemlich kurzweiligen Auftritt einleiten. Primär grooveorientert prügelt sich die Truppe durch ihr Set und vermengt ihren Ursound dabei auch immer wieder mit atmosphärischen und elektronischen Parts. Die Menge scheint es zu mögen und feiert mit DAWN HEIST, einzelne gehen sogar richtig steil. Förderlich ist da sicher der dicke Sound und das grundsätzlich sympathische Auftreten der Australier, die am Ende sichtlich zufrieden die Zugabe-Rufe zur Kenntnis nehmen. Definitiv eine der besseren Bands auf der Side Stage!
[Oliver Paßgang]

Headliner der Side Stage ist heute XERATH, die mit der Ansage "Circle pit right away!" auch gar keine Zeit verschwenden wollen. Der sehr technische Sound, der mich das eine ums andere Mal an SCAR SYMMETRY erinnert, findet im Keller direkt Freunde, die mit dem Groove gehen und die Band kopfschüttelnd begleiten. Die seltenen Soli sind in Klangbild eine angenehme Auflockerung, welches ich ansonsten als nicht wirklich spannend betiteln muss. Die Symbiose verschiedener technischer Elemente hat man schon besser erlebt, das ist der feiernden Menge aber ziemlich gleich, die zum Ende hin vollkommen in Ekstase verfällt. Es erscheint fast unverhältnismäßig, wie sehr XERATH hier abgefeiert wird; gegönnt sei es ihnen aber. Eine bessere Band hätte man wohl nicht finden können, um die Side Stage (vorerst) zu beschließen!
[Oliver Paßgang]

Blastnight

Aufgrund diverser Zeitverschiebungen verpassen wir HUMANITY'S LAST BREATH leider vollständig, so dass MORS PRINCIPUM EST im relativ gut gefüllten Bunker unsere erste Band der Blastnight ist. Diese bescheren den Anwesenden eine ordentliche Headbang-Party zu später Stunde; mehr allerdings auch nicht. Ihr moderner, ich möchte fast sagen "abartiger", Death Metal wird von den Unverwüstlichen vor der Bühne, die jetzt noch Lust auf Geknüppel haben, gut aufgenommen. Teilweise wartet die Band mit einem schicken Drive auf, teilweise geht die Musik aber auch zum einen Ohr hinein und zum anderen wieder hinaus. Da erwarte ich von DER WEG EINER FREIHEIT schon mehr, da die Würzburger in meinen Augen viele Alleinstellungsmerkmale besitzen. Bis man diese auf die Ohren bekommt, vergeht jedoch gefühlt ein kompletter Tag, weil der Aufbau bzw. Soundcheck schlichtweg ewig dauert. Das ist gerade für die 70 Nasen, die hier noch ausharren, eine besonders bittere Angelegenheit. Und die nächste Ernüchterung folgt dann während des Auftritts selbst: Trotz allem ist der Sound so verwaschen, dass die Feinheiten, welche die Musik von DER WEG EINER FREIHEIT zu etwas wirklich Besonderem machen, nahezu gar nicht zur Geltung kommen lässt. Es bleibt somit eine nette, jedoch relativ dumpfe Knüppelorgie, die zwar Spaß macht und das Potenzial erahnen lässt, hier und heute jedoch weit von seiner eigentlichen Qualität entfernt ist. Die Band, welche eine ordentliche Performance abliefert, kann da wenig zu; manchmal gibt es einfach solche Tage. Da von Zeitplan nicht mehr die Rede sein kann, es mittlerweile unglaublich spät geworden ist und noch zwei komplette Euroblast-Tage auf uns warten, schenken wir uns FUCK YOU AND DIE, die Death-Metal-Band mit unter anderem DER WEG EINER FREIHEIT-Mitgliedern.
[Oliver Paßgang]

HIER geht es zum Samstag!

Redakteur:
Jakob Ehmke

Login

Neu registrieren