Europe - Innsbruck

04.02.2007 | 16:19

27.01.2007, Hafen

Wer bei EUROPE an die Europäische Union denkt, glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten. Spaß beiseite - EUROPE haben mit "Secret Society" den Spagat zwischen Tradition und Moderne souverän geschafft. Das zweite Album nach der Reunionscheibe "Start From The Dark" verbindet treibende Riffs mit Mörderhooklines. Und so ist es kein Wunder, dass sich das Quintett mit so einem starken Album im Gepäck auf "Dienstreise" begibt.

Heute (passenderweise ein Samstag) steht der Innsbrucker "Hafen" auf dem Programm. Kurz nach 20 Uhr kommen meine Kollegin Caroline und meiner einer an der Halle an. Die Eingangskontrolle haben wir schnell hinter uns gebracht und an der Garderobe geht es auch recht fix. Eine Vorgruppe ist nicht geplant, weshalb wir auf eine umso längere Spielzeit hoffen. Das Publikum ist bunt gemischt. Von Teenagern, die bei Veröffentlichung vom 85er-Werk "The Final Countdown" noch nicht mal ansatzweise geplant waren, bis hin zu etwas betagteren Herren und Damen ist das Publikum bunt gemischt. Fönwellen und Vokuhilazombies sind weit und breit nicht in Sicht.

Gegen 20.20 Uhr betreten die "Men In Black" die Bühne und legen mit 'Love Is Not The Enemy' vom aktuellen "Secret Society"-Silberling einen fulminanten Start hin. Alle Bandmitglieder sind in Schwarz gekleidet und wirken wie ein verschworener Clan. Allen voran Drummer Ian Haughland wirkt mit seiner Glatze und Sonnenbrille hinter der Schießbude wie ein Cyborg. Joey Tempest singt während dem kompletten Konzert wie ein junger Gott, Mic Michaeli bearbeitet seine Keys mit Filigranität und Hingabe, Bassist John Leven hält den Sound mit seinem treibenden Bassspiel zusammen und John Norum entlockt seiner Axt himmlische Soli und knackige Riffs. Die Stimmung im Hafen kann mit "überwältigend" umschrieben werden. Natürlich ist das Publikum im gut gefüllten aber nicht ausverkauften Club bei den älteren Songs textsicherer, doch das tut der guten Laune absolut keinen Abbruch. Joey ist mit seiner Rolle als Sänger leicht "unterfordert" und reckt nach jedem Song seinen weißen (!) Mikroständer in die Menge, um den Beifall wie einen Staubsauger ins Mikro aufzusaugen. Die Setlist ist sehr ausgewogen, was allein dadurch unter hörbaren Beweis gestellt wird, dass jedes Album berücksichtigt wird. Klar, der Schwerpunkt liegt eindeutig bei "Secret Society", aber auch Songs vom Debüt ('Seven Doors Hotel') und der Titeltrack des zweiten Albums "Wings Of Tomorrow" kommen zum Zuge. Wenn Joey mal nicht mit dem Mikroständer spielt, kommt sein Megafon zum Einsatz, das mit seinem Glitzerlookdesign her an die Siebziger Jahre erinnert.

Wenn das hier eine "Aprés-Ski-Party" (O-Ton Joey) ist, dann wenigstens eine mit verdammt guter musikalischer Untermalung. Einer von meinen persönlichen Gänsehautmomenten ist die Unplugged-Version vom Klassiker 'Carrie', bei der Joey, mit einer akustischen Klampfe bewaffnet, lediglich von Mic und dem Publikum unterstützt wird. Dieses zeigt sich vor allem bei den Klassikern der Band textsicher und feiert diese nach allen Regeln der Kunst ab. Natürlich dürfen bei einer Band, welche die Achtziger maßgeblich beeinflusst hat, Soloparts nicht fehlen. Und so bekommt jedes Bandmitglied die Möglichkeit, sich im Spotlight dem Publikum zu präsentieren. Während John Levin während seinem Basssolo von einem gelben Lichtkegel angeleuchtet wird, ist Mics Solo eher sphärisch (blaues Licht), John Norums bluesig (violettes Licht) und Ians Drumsolo das Ende des Tunnels (weißes Licht). Alle Soloparts sind sehr kurz, bis auf John Norums, da daraufhin noch ein bluesiges Instrumentalstück gezockt wird. Ein weiteres Highlight ist das "Duell" zwischen Joey und John. Während Joey in sein Megafon unverständliche Töne reinbrabbelt, versucht John diese auf seiner Gitarre nachzuzocken. Und wie man sich vorstellen kann, geht John aus diesem Rennen als Sieger hervor, was Joey dazu veranlasst, in bester "Wayne's World"-Manier auf die Knie zu gehen und dem Saitenhexer zu huldigen.

EUROPE schaffen es, eine routinierte Show abzuliefern, ohne es dabei an Spielfreude und Spontaneität vermissen zu lassen. Nach dem obligatorischen 'Final Countdown', bei dem wirklich jeder im Publikum alle Reserven rausholt und wie ein Gummiball auf und ab hüpft, ist nach 100 (!) Minuten Schluss.

Wer die "alten Hasen" abgeschrieben hat, sollte ich auf der aktuellen Tour eines besseren belehren lassen. Was die Spielzeit angeht, so können sich viele jüngere Bands eine Scheibe davon abschneiden. Es bedarf keiner großen Lightshow und viel Brimborium drum herum. Einfach nur eine schnörkellose Rockshow. Ich persönlich hoffe ja, dass EUROPE für einige Festivals (z.B. BANG YOUR HEAD!!!) gebucht werden. So gut WHITESNAKE letztes Jahr auf ihrer Tour auch waren, aber rumgezicke wie auf dem letztjährigen BANG YOUR HEAD!!! werdet ihr von EUROPE nicht bekommen. Dafür eine ehrliche, handgemachte und schwitzige Show mit jeder Menge Spaß und Mitsingparts.

Setlist:
Love Is Not The Enemy
Always The Pretenders
Superstitious
Seven Doors Hotel
Let The Children Play
The Getaway Plan
Basssolo
Flames
Sign Of The Times
Keyboardsolo
Carrie (Unplugged)
Brave And Beautiful Soul
Wings Of Tomorrow
Gitarrensolo
Girl From Lebanon
Start From The Dark
Yesterday's News
Gitarren/Megafon-Duell
Drumsolo
Rock The Night
Got To Have Faith
Cherokee
The Final Countdown

Redakteur:
Tolga Karabagli

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