FIFTH ANGEL und TRAGEDIAN - Hamburg
28.09.2024 | 14:5219.09.2024, Bambi Galore
From the 80ies to the present day, the "Angel" has landed again.
Es ist Donnerstag, die Woche also schon bald wieder geschafft, und (fast) pünktlich zum Wochenendstart ruft das mittlerweile legendär gewordene Bambi Galore seine Jüngerinnen und Jünger, öffnet pünktlich um 19 Uhr seine Pforten und bittet eine weitere Stunde später zum musikalischen Tanztee, ähh, Tanzbier.
Gut achtzig Nasen werden sich heute hier wohl eingefunden haben, um die ebenso legendären amerikanischen Heavy Hard Rocker FIFTH ANGEL gebührend und standesgemäß abzufeiern. Bevor es aber so weit ist, heizen erst einmal die Hamburger Lokalmatadoren von TRAGEDIAN entsprechend ein. Melodiösen Power Metal der europäischen Schule, zuweilen mit einer ganz leichten Speed-Note versehen, haben sich die fünf Herren auf die Fahnen geschrieben. Soundtechnisch ist das allerdings leider nicht so ganz einhundert Prozent, Gitarre und Keyboard sind mitunter leider nur zu erahnen. Vielleicht ist es aber auch nur meinem Standort geschuldet, man weiß es nicht genau. Heutzutage muss man zu Konzertbeginn ja eigentlich erst einmal alle neun Planquadrate einer Venue akkurat abgeschritten haben, um den optimalen Klangplatz für sich aufspüren zu können, aber wer tut das schon wirklich?
Anyway, ganze fünf Studioalben hat die Band, in der Mastermind und Gitarrist Gabriel Palermo das einzig verbliebende Urmitglied seit der Gründung im Jahr 2002 darstellt, schon auf der Habenseite, ohne dass ich bislang Notiz von der Kombo genommen habe. Liegt aber wohl auch daran, dass ich dem Power Metal amerikanischer Prägung eben deutlich mehr zugetan bin. Trotz allem liefern die Jungs hier einen vernünftigen Job ab. Der Sänger segelt zwar in den sehr hohen Tonlagen gelegentlich ein bis zwei Halbtöne am Zielton vorbei, versprüht aber darüber hinaus ansonsten beste Laune pur und ist um keinen Spruch verlegen, um die anwesende Meute hier bei der Stange zu halten. Und, wie ich nach kurzer Recherche feststelle, das scheint noch nicht einmal der etatmäßige Sänger zu sein, sondern lediglich ein netter Mensch, der den Hauptsänger hier zu vertreten scheint. Nur Eingeweihte und sachkundige Freunde und Bekannte der Band werden wohl wissen, ob der hier anwesende Vokalist mit den Texten grundsätzlich auch vertraut ist. Aber für den Fall, dass der gute Mann sich das hier wirklich kurzfristig draufgepackt hat, würde ich sagen: Chapeau, dafür ist es dann wirklich eine höchst respektable Leistung!
Nach anderthalb Zigaretten und einer Knollenlänge Astra-Bier an der frischen Luft geht es dann pünktlich zu FIFTH ANGEL wieder in die heiligen Katakomben. Die erste Viertelstunde führt uns sogleich ins Jahr 1986, sprich: Es wird dem selbstbetitelten Debüt in Form dreier Göttergaben namens 'The Night', 'In The Fallout' und 'Shout It Out' gefrönt. Perfekter Einstieg, würde ich sagen, zumal ich es stets begrüße, wenn Live-Bands immer erst einmal geschmeidig mit alten Klassikern in den Abend starten, anstatt gleich mit neuen Nummern um die Ecke zu kommen. Auch das Soundgewand präsentiert sich nun eindeutig besser und transparenter als noch kurz zuvor bei den Hamburger Power Metallern. Hatte ich 2019 beim Rock Hard Festival noch ein wenig mit dem neuen Sänger Steven Carlson gefremdelt, hat sich meine Meinung zwischenzeitlich nun doch zum Positiven gewandelt, denn der Mann, beziehungsweise sein Stimmorgan, passt perfekt zu den wunderbar progressiv-melodiösen Klängen der US Heavy Hard Rocker.
Weiter geht's nun mit zwei Songs des zweiten Albums "Time Will Tell" aus dem Jahr 1989: 'Midnight Love' und eben 'Time Will Tell' itself, seinerzeit ein nicht selten gespielter Video-Hit bei MTV, wie der junge Live- und Aushilfsgitarrist Ethan Brosh der versammelten Hörerschaft zu berichten weiß. Der Refrain von 'Midnight Love' wird hier indes aus gefühlt hunderten Kehlen inbrünstig mitgesungen, herrlich!
Überhaupt: Nicht, dass der Anfang hier in irgendeiner Weise hüftsteif oder holprig über die Bretter gegangen wäre, aber im zweiten Teil des Sets spielt sich die Band sukzessive doch langsam in einen kleinen Rausch, sicherlich auch getragen durch das heute bestens aufgelegte Hamburger Publikum. Von wegen unterkühlt, reserviert, distanziert und so. Heute werden die Klischees, das nordische Publikum betreffend, aber mal ganz sportlich ad absurdum geführt. Nach einem weiteren kurzen Abstecher Richtung Debütalbum ('Cry Out The Fools') wird nun auch dem aktuellen Werk aus dem letzten Jahr "When Angels Kill" mit drei Stücken ('When Angels Kill', 'We Are Immortal' und 'Resist The Tyrant') gehuldigt. Diese Scheibe hat es bisher als einziger Release noch nicht in mein heimisches CD-Regal geschafft, aber auch da muss ich nach dem live Gehörten wohl doch noch mal ein wenig intensiver mit meinem Herz und meinen Lauschern ins Gericht gehen, denn hier und heute flutschen mir die Stücke auf einmal unverhofft gut durch die stählernen Gehörgänge. Gerade 'We Are Immortal' wird hier nach kurzer Publikumsanweisung von Seiten des Sängers dezibeltechnisch noch mal eine Spur lauter durch das weite Rund gepoltert als noch 'Midnight Love' zuvor. Rekordverdächtig!
Generell muss man sagen, dass Steven Carlson außerordentliches Charisma besitzt und über enorme Frontmann-Qualitäten verfügt, was sowohl seine Ansagen als auch seine ganze Bühnenpräsenz betrifft. Dafür, dass er trotz seines nicht mehr ganz jugendlichen Alters anscheinend noch nicht wirklich Banderfahrung mitbringt (wenn man den 'Metal Archives' Glauben schenken darf), ist das schon aller Ehren wert, was er hier aufs Parkett legt. Das wird unter anderem auch dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er seinen glitzernden Mikrofonständer einmal guten Gewissens nach hinten Richtung Mischpult und wieder zurück crowdsurfen lässt. Aber auch die alten Recken, Ed Archer an der Gitarre und John Macko am Tieftöner, zeigen sich hier von ihrer allerbesten Seite und lassen spieltechnisch keine Wünsche offen. Nach ein bisschen Gitarrensologniedelei geht es nun aus dem regulären Live-Set bis auf eine Ausnahme ('Stars Are Falling') wieder für fünf Songs Richtung 80er und bei 'Fifth Angel' darf sich dann TRAGEDIAN-Gitarrist Gabriel Palermo einen vorher bereits geäußerten Kindheitstraum erfüllen und von Stolz erfüllt die zweite Gitarre bedienen. Immer wieder schön zu sehen, wenn erwachsene Männeraugen auf einmal glitzern können wie Kinderaugen bei der ersten Weihnachtsbescherung.
Viel mehr geht heute eigentlich auch nicht mehr, ach doch: Eine UFO-Coverversion kann man doch eigentlich immer noch gefahrenlos als Zugabe bringen, ohne dass das umliegende Rund genervt mit den Augenpaaren rollt. Vor allem, wenn sie 1:1 und völlig uneitel und ohne jeglichen Schnickschnack vorgetragen wird. Hier ist es der Klassiker und Gassenhauer 'Lights Out', der den Stimmbändern der versammelten Schar ein drittes und letztes Mal an diesem Abend alles abverlangt. Es ist der berühmte Sahneschlag auf einen rundum fantastischen Liveabend. So dürfen die Herren gerne noch einmal wiederkommen. Ach ja, auch wenn es das Wort "Tour" vielleicht ein wenig überspitzt. Aber da die Band einige Festivals spielt, hat man drumherum kurzerhand einfach noch ein paar Einzel-Gigs hier und da zwischengeschoben. Wie man es am Ende auch nennen mag: Es ist die erste kleine Tournee auf dem alten Kontinent seit der Bandgründung vor genau vierzig Jahren. Geschichten, die der Heavy Metal eben so schreibt...
Setliste: The Night; In The Fallout; Shout It Out; Midnight Love; Time Will Tell; Cry Out The Fools; When Angels Kill; We Are Immortal; Resist The Tyrant; Guitar Solo; Wings Of Destiny; Call Out The Warning; Cathedral; Fifth Angel; Stars Are Falling; We Rule; Zugabe: Lights Out (UFO Cover)
Photo Credit: Haye Graf
- Redakteur:
- Stephan Lenze