FINNTROLL - Leipzig

13.12.2010 | 12:53

03.12.2010, Hellraiser

Mit dem Geisterzug geht's in die eisige Metalnacht.

Bei dem Billing der Co-Headliner-Tour von FINNTROLL und SAMAEL ist es durchaus angebracht, pünktlich zu sein. Neben den beiden Bands sind schließlich noch die griechischen Veteranen von ROTTING CHRIST am Start. Als weiteren Support hat man sich die Esten METSATÖLL und NOTHNEGAL von den Malediven an Bord geholt. Da ist die Vorfreude groß, der Musik von ein paar Formationen zu lauschen, die man nicht alle Tage zu Gesicht bekommt. Und schon gar nicht an einem Abend.

Dummerweise sieht das die Bahn nicht so. Da ist man einmal im Jahr auf dieses Unternehmen angewiesen und wird bitter enttäuscht. Fünf Minuten Verspätung zeigt die Tafel an. Na, das geht ja bei dem Wetter. Doch schnell werden daraus zehn, und kein Zug ist in Sicht. Der ist später laut Anzeige durch und wird gar nicht mehr erwähnt. Komisch, es ist doch nichts vorbeigefahren? Auf Nachfrage kann uns keiner Auskunft geben. Jedenfalls ist der Zug erst einmal verschollen. Ganz toll. Nach gut einer Stunde naht er aus der Dunkelheit, und es kann endlich losgehen. Okay, wenn jetzt alles gutgeht, schaffen wir es wenigstens noch zur zweiten Band. Doch bei der Bahn arbeiten wohl keine Metalfans. Unterwegs gibt es einen längeren Zwischenstopp, da irgendwas nicht funktioniert. Hallo? Wir haben doch keine Zeit! Die Fahrt wird wohl in die Geschichte eingehen. Gut zwei Stunden später als geplant ist das Ziel erreicht. Franziska war zum Glück nicht auf den Zug angewiesen und schlug pünktlich im Hellraiser auf.
[Swen Reuter]

Um kurz vor 19 Uhr ist dieser noch immer recht mager gefüllt, so dass der Opener NOTHNEGAL vor nicht einmal hundert Besuchern spielen muss. Die 2006 auf den Malediven gegründete Death-Metal-Band hat erst im vergangenen Jahr ihre erste EP "Antidote Of Realism" veröffentlicht und scheint hierzulande noch recht unbekannt zu sein. Die Jungs haben es also doppelt schwer, genug Leute vor die Bühne zu ziehen. Trotz der härteren Melodien mit epischen Parts und den rhythmischen Keyboard-Klängen stehen die Zuschauer weit über zwei Meter vom Bühnenrand entfernt. Aufrufe vom Sänger fehlen am Anfang völlig, entweder weiß er einfach nicht damit umzugehen oder ihm fehlt jegliche Star-Attitüde.

Die beiden Gitarristen und Bassisten hingegen geben sich da schon mehr als Entertainer, bewegen sich flott über die Bühne und versuchen, hier und da zu posen, auch wenn nicht alle Versuche zu zweit glücken. Unbeirrt erfreuen sich NOTHNEGAL an den oftmals längeren und ähnlich klingenden Melodien. Gegen Ende spielen sie etwas vom kommenden Debüt-Album, welches im Frühjahr 2011 erscheinen soll: Es ist härter, episch, hat wieder Keyboard-Klänge, was ein wenig an NIGHTWISH und CO. erinnert. Hinzu kommen das tiefe Gegrowle und harte, schnelle Gitarrenriffs, zu denen das Lichtergewitter wunderbar passt. Kurz vor Schluss gibt es dann doch vom Sänger ein paar "Hoi"-Rufe. Die Animierungsversuche scheitern. Nach 'Web Of Deceit' verlassen die Jungs die Bühne und erhalten dennoch etwas Applaus.

In eine völlig andere Richtung gehen METSATÖLL. Die 1998 in Estland gegründete Band spielt Folk Metal. Erst in diesem Jahr erschien ihr fünftes Album "Äio". Selbstverständlich dürfen bei einer Folk-Band Instrumente wie Dudelsack oder Flöte nicht fehlen. Mit schwungvollen Melodien und genügend leicht mitzusingenden Parts wie das typische "hey hey" erfreut das Quartett das Publikum. Beim zweiten Song beginnen die Jungs rein akustisch, so dass einige Fans sogar mitsingen können. Insgesamt versprühen METSATÖLL einen ziemlich mittelalterlichen Flair, obwohl sie auf Grund ihrer Kleidung eher nach Gothics aussahen. Zu den animierenden Drums und dem lockeren Flötenspiel klatschen die Fans fleißig in die Hände. Es fehlt nur noch, dass einige anfangen, zu hüpfen. Am Ende wechselt die Melodie: Es wird härter, schlagzeuglastiger, metallischer. METSATÖLL wirken ziemlich authentisch, den Fans gefällt es. Heavy Metal und Folk funktioniert also auch in Leipzig.

Für die nicht so Folk-Begeisterten gibt es danach endlich ROTTING CHRIST. Griechischer Black Metal. Nach einigen Jahren kehren die Jungs wieder im Hellraiser ein. Klar, dass die Halle nun deutlich voller geworden ist, wer wollte die Griechen schon verpassen? Die Vorfreude ist groß, auch wenn man sie auf diversen Festivals in diesem Sommer schon sehen konnte. Bereits das Intro hört sich vielversprechend an. Vom ersten Moment an reagiert das Publikum allen Erwartungen nach gut auf ROTTING CHRIST, trotz der eher neueren Songs vom Album "Aealo" wie 'Aealo' und 'Eon Aenaos'. Schöne, mitreißende, rollende Drums, kräftige Gitarrenriffs und ein überraschend wacher Sänger: Sakis Tolis performt mit offenen Augen, vollführt kraftvolle Bewegungen und schlägt sich ebenso kraftvoll ab und zu auf seine Brust. Männlich und animalisch eben. Die Band scheint insgesamt gut drauf zu sein. Zu dem ordentlichen Geschrammel wird gleichermaßen auf der Bühne wie im Publikum die Mähne geschüttelt, besonders gerne auch zu älteren Songs wie 'Athanati Este'. Weitere neue Songs wie 'Kings Of A Stellar' oder 'Noctis Era' werden vertont, dann ist die relativ kurze Spielzeit von rund einer dreiviertel Stunde wieder vorbei. Für die ROTTING CHRIST-Fans ist das eindeutig viel zu wenig.
[Franziska Böhl]


Beim Eintreffen sind ROTTING CHRIST bereits zugange. Die Location ist zur Hälfte gefüllt, so dass man relativ flott in die vorderen Reihen durchkommt. Wenigstens etwas funktioniert heute. Die Griechen haben sich schon warm gespielt, und die Zuschauer sind auch ordentlich dabei. Und da diese Konzertreihe eine Art Promotion-Tour ist - schließlich haben fast alle Bands in diesem Jahr eine neue Scheibe auf den Markt geworfen -, wird bei den Griechen "Aealo" ausführlich beackert. Das ist auch gar nicht so schlimm, denn das Ethno-Gedudel des Albums hört man nicht wirklich, und die Jungs machen ordentlich Druck. Ihnen merkt man richtig an, dass sie allesamt mit großer Spielfreude dabei sind, was sich auf die Anwesenden überträgt. Sogar eine Griechenland-Fahne ist zu sehen. Da ist man vom Fußmarsch zum Hellraiser bei über minus zehn Grad fix wieder aufgewärmt! Als 'King Of A Stellar War' erklingt, sind die Strapazen vergessen, und alles ist gut. Leider ist die Zeit viel zu schnell vorbei. Als sich die Jungs verabschieden, danken ihnen die Fans mit viel Applaus. Und wieder einmal hat sich gezeigt, dass zu viel neues Songmaterial nicht unbedingt schlecht für die Stimmung ist. Für die hat allein schon Fronter Sakis bestens gesorgt.

Nach einer kurzen Umbaupause geht's weiter mit schweizerischem Dark Metal. Die Leinwand auf der Bühne in Form eines Fernsehtestbildes verrät allen, dass es Zeit für SAMAEL ist. Langsam wird es vorn neblig, als das Intro startet. Die Eidgenossen haben vor kurzem erst einmal eine EP herausgebracht. Mal sehen, wie das live ankommt.

Als sich Frontmann Vorph seinen Fans im schicken weinroten Outfit zeigt, ist der Saal noch nicht wieder gefüllt. Davon unbeeindruckt starten die Jungs ihren Gig. Mit deutlich weniger Wucht treffen die Songs auf die Anwesenden. Natürlich ist der Klang bestens, doch nach ROTTING CHRIST wirkt der keyboardlastige Sound irgendwie ziemlich weichgespült. Das ist vermutlich auch der Grund, warum vom Publikum nicht viel Reaktion nach den Stücken kommt. Natürlich feiern die ersten Reihen mit, doch auf den Rest will der Funke einfach nicht überspringen.

Dabei wird ein toller Querschnitt geboten. Neben 'Rebellion' oder 'Into The Pentagram' gibt es auch das ältere 'Rain' auf die Ohren. Der neue Song 'Antigod' wird extra angekündigt und gut aufgenommen. Wenn der Rest des neuen Albums auch so gut ist, kann man sich jetzt schon freuen.

Bei dem Klassiker 'Jupiterian Vibe' sind wieder mehr Regungen im Publikum auszumachen. Trotzdem ernten Vorphs Ankündigungen relativ wenige Reaktionen. Irgendwann überträgt sich das auf die Band, die jedoch einen guten Job macht. Die Besucher scheinen wohl von der Kälte draußen gelähmt zu sein. Selbst als der letzte Song angekündigt wird, passiert nicht wirklich was. Und als logische Reaktion verlassen SAMAEL zu den letzten Keyboardklängen total unspektakulär die Bühne, und kaum einer hält es für nötig, mal zu applaudieren. Leipzig, das ist echt schwach!
[Swen Reuter]


Seit über 20 Jahren begeistern SAMAEL ihre Fans. An diesem Abend scheinen sie aber das Publikum zu teilen. Auf der einen Seite sind da die eher jüngeren Fans, die von den neuen Songs mit dem starken Elektro- und Industrial-Einfluss völlig mitgerissen werden, und auf der anderen Seite eben die älteren Fans, die wohl auf Lieder hofften, die mehr in die Black-Metal-Richtung gehen. Letztere wurden enttäuscht. Nach einer Band wie ROTTING CHRIST muss man sich auch erst einmal an die anderen Klänge gewöhnen, weil SAMAEL nun schon ein wenig "poppig" klingen. Sänger Vorphalack, der seine blonde Haare streng zum Zopf nach hinten gebunden hatte und mit langem roten Gewand die Bühne betrat, wirkt im Gegensatz zum Rest der Band ziemlich souverän. Ebenso streng wie sein Aussehen erscheint sein Gesang, kraftvoll und gerade hinaus, fast emotionslos.

Hingegen verbreiten die Gitarristen jede Menge Spielfreude, hüpfen auch gerne mal rum und gehen völlig aus sich heraus. Im Hintergrund steht ein großes Doppelkeyboard, dessen Spieler stets seine Haare Kreisen läßt. Einen guten Mix aus älteren und neueren Sachen spielen SAMAEL, darunter 'Rebellion', 'Jupiterian Vibe' oder 'Antigod'. Hinzu kommen immer wieder ein interessantes Lichtspiel, so wie bei 'Into The Pentagram': Zunächst ist die Bühne hell erleuchtet, geht am Ende aber ziemlich im Nebel unter und läßt folglich nur die Silhouette des Sängers erkennen. Doch trotz der recht melodiösen und eingängigen Songs mit teilweise epischen Parts überträgt sich die tolle Stimmung der vor allem jüngeren Fans nicht auf den Rest des Publikums. Doch denen es gefällt, die springen ebenso gut auf die "hoi"-Rufe an. Nach 'My Saviour' verlassen SAMAEL die Bühne. Die Reaktionen im Publikum ist darauf ebenfalls geteilt.
[Franziska Böhl]


Wenn diese lahme Stimmung bei FINNTROLL anhält, dann Prost Mahlzeit! Die Konzerte in Leipzig können dann demnächst auch bestuhlt stattfinden. Aber die Trolle werden den Anwesenden hoffentlich ordentlich einheizen. Als sie im März mit der Pagan-Tour hier spielten, klappte das zumindest hervorragend. Da war es auch so kalt wie heute. Vielleicht ein gutes Zeichen? In der Tat! Die Menge ist wie ausgewechselt, als die Finnen die Bühne entern. Jetzt ist der Saal auch besser gefüllt, was der Stimmung sehr dienlich ist.

Wer die Band im März nicht gesehen hat, kann sich von der tollen Live-Qualität überzeugen und vielen Songs des aktuellen Albums "Nifelvind" lauschen. Bei den schnelleren Stücken steppt regelrecht der Bär in den ersten Reihen. Die Haare fliegen, es wird zünftig gemosht, wie sich das gehört. Die Feierhymne 'Trollhammaren' wird begeistert aufgenommen, jetzt hält es kaum noch jemanden an Ort und Stelle. Doch so schnell die Begeisterung da war, ist sie auch wieder verflogen. Dabei ist Sänger Vreth ein passabler Entertainer.

Nachdem der letzte Song verstummt ist, bekommen die Jungs noch einmal viel Beifall, zu dem sie erst einmal verschwinden. Das tun auch viele im Publikum, und niemand kommt auf die Idee, "Zugabe!" zu rufen. Erst als sich jemand erbarmt, machen mehr Leute mit. Wahrscheinlich haben die Finnen schon hinten darauf gewartet und waren total deprimiert, dass sie keiner mehr sehen will. So schnell lassen die sich ihre Laune nicht verderben und überspielen den Fauxpas der Leipziger.

Es gibt noch zwei Songs auf die Ohren, darunter 'Jaktens Tid', ehe die Show sich dem Ende neigt. Ein letztes Mal raffen sich die Besucher auf, die Trolle zu feiern, die wohl ganz froh darüber sind, dass sie doch noch einmal gesehen und gehört werden möchten.
[Swen Reuter]


Mit FINNTROLL geht es laut und mächtig weiter. Das Jungvolk, das seit SAMAEL so gut drauf ist, versprüht auch hier die gleiche Leidenschaft und macht von Anfang an bei den "hu-ha"-Rufen gut mit. Bewegung herrscht also bereits ab dem Intro 'Blodmarsch' vom aktuellen Album "Nifelvind". Aber wer kann bei diesen schnellen und rhythmischen Drums auch widerstehen, wenigstens den Kopf zu den schwungvollen Melodien und mitreißenden Texten zu bewegen? Da hebt man ebenso gerne die Flasche Bier nach oben und feiert ein wenig mit. Als Frau gibt es auf der Bühne auch kleine Leckerlis zu sehen: Wie es sich für eine gute Folk-Band gehörte, stehen auch die Finnen mit ihren langen blonden Haaren oberkörperfrei mit schwarzen Bemalungen auf der Bühne. Hin und wieder macht Sänger Vreth Zeichen, dass das Publikum etwas mehr Krach machen sollt. Solche Aufrufe sind bei FINNTROLL aber nicht vonnöten. Die Stimmung im Hellraiser ist so gut, dass bei dieser Band alles von alleine funktioniert.

Wahrscheinlich liegt es auch an dem guten Musikmix: Es werden Songs wie 'Skogens Hämnd', 'Den Frusna Munnen', 'Solsagan' oder 'Trollhammaren' gespielt. Wild werden auf der Bühne die Haare geschüttelt, was das Publikum ebenso nachahmt. Genauso fleißig werden die einfacheren Textpassagen mitgesungen. Es ist aber auch gute Trink- und Schunkel-Musik. Kurzgesagt: FINNTROLL machen ihre Sache als Headliner wirklich gut. Sie überzeugen mit ihrem guten Gespiele. Der Sänger wirkt sehr authentisch, macht viele Ansagen und schreit andererseits aus voller Brust. Es ist so, als genössen FINNTROLL die Freude im Publikum sehr. Kein Wunder, dass Vreth gegen Ende hin sagt, dass es schön sei in Leipzig zu sein. Außerdem will er beim letzten Song einen großen Moshpit sehen. Diesen Wunsch erfüllen ihm die Fans prompt. Ganz vorbei ist es danach aber nicht. Eine kurze Zugabe spielen FINNTROLL noch, dann ist für alle kurz vor Mitternacht Schluss. Besonders für die Folk-Freude hat sich dieser Abend im Hellraiser gelohnt.
[Franziska Böhl]

Damit geht ein durchwachsener Konzertabend zu Ende. Die drei gesehenen Bands konnten alle begeistern, auch wenn SAMAEL musikalisch nicht so recht in das Line-up passten. Auch die wenigen Besucher waren wohl ein Grund dafür, dass es mit einer tollen Konzertatmosphäre bis in die hinteren Reihen nicht so richtig klappte. Die niedrige Besucherzahl ist wohl dem Wetter geschuldet, denn das Preis-Leistungsverhältnis stimmte.

Redakteur:
Swen Reuter

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