FISH, DORIS BRENDEL - Augsburg

18.11.2018 | 14:16

04.11.2018, Spectrum

Tolle Pop-Rock-Abendunterhaltung!

Es geht dem Ende entgegen. FISH hat angekündigt, seiner Karriere eine neue Wendung zu geben und als Musiker von der Bühne zu gehen. Es ist zwar noch etwa zwei Jahre Zeit bis dahin, aber natürlich hat jeder Auftritt des Schotten bereits so etwas wie eine Abschiedsstimmung.

Doch bevor FISH auftritt, darf erst einmal Doris Brendel als Anheizer fungieren. Mit ihrem langjährigen musikalischen Weggefährten Lee Dunham darf sie eine Dreiviertelstunde aus ihrem umfangreichen Schaffen vortragen, natürlich mit einem leichten Fokus auf ihrem neuen Album "Eclectica". Doris singt und spielt Flöte, Lee ist an der Gitarre zu hören und eine junge Restband unterstützt die beiden Hauptprotagonisten in ihrer vielfältigen musikalischen Reise durch Pop, Folk und Rock. Dabei hat die Band ein Steampunk-Outfit als Bühnenkleidung, das der Darbietung einen ungewöhnlichen Touch gibt. Das Publikum ist noch etwas reserviert, aber Doris macht ihre Späßchen und fordert alle Anwesenden auf deutsch auf, bei der kommenden Ansage des jungen zweiten Gitarristen vernehmlich zu gähnen. Der verstehe nämlich kein Deutsch und könnte so auf die Rolle genommen werden. Gesagt, getan, gegähnt. Das verdutzte Gesicht bringt den Saal zum Lachen und fortan ist das Publikum intensiver bei der Sache. Doris erinnert auch noch einmal daran, dass sie vor fast dreißig Jahren im Vorprogramm von MARILLION spielte, damals mit ihrer Band THE VIOLET HOUR, und jetzt für FISH eröffnet. Es schließt sich ein Kreis. Aus dem Set ragt für mich 'Slap Me And You Die' heraus, das ein kleiner, verkappter Ohrwurm ist und von der Sängerin intensiv vorgetragen wird, sowie das lange erste Lied mit dem Titel 'Losing It', das vom letzten Album stammt und mir leider noch nicht bekannt ist. Das muss ich aber ändern, denn hier wird die Band der Bezeichnung Progressive Pop gerecht.

Nach einer recht kurzen Umbaupause geht es mit dem Hauptact des Abends weiter. Auf dieser aktuellen Tour wird FISH das gesamte "Clutching At Straws"-Album spielen, das das letzte vor seinem Abschied von MARILLION war. Durch die im Raum hängende Drohung des Karriereendes wird es für die meisten, wenn nicht sogar alle Lieder dieses Albums das letzte Mal sein, dass Derek Dick, wie Fish mit bürgerlichem Namen heißt, sie vortragen wird, im Hintergrund unterstützt von Doris Brendel. 'Slainthe Mhath' startet den Reigen. Das Album "Clutching At Straws" wird nicht in der korrekten Reihenfolge dargeboten, sondern kreiert einen eigenen Spannungsbogen, wobei natürlich eine Kombination wie 'Hotel Hobbies', 'Warm Wet Circles' und 'That Time Of The Night' nicht auseinander gerissen wird. Fish ist zwischendurch der gewohnte Entertainer, hält sich aber mit politischen Botschaften heute etwas zurück, zumindest für seine Verhältnisse. Stattdessen witzelt er über sein Alter und seine Wehwehchen und stellt auch fest, dass das Publikum mit ihm altert. Es sähe fast aus wie eine buddhistische Versammlung, so viele Glatzköpfe wären von der Bühne aus zu sehen, was zu einem lauten Lacher führt.

Gleich als zweiten Song platziert der Schotte das neue Lied 'Man With A Stick', das von der EP "Parley With Angels" stammt, die pünktlich zur Tour erschienen ist. Das lange Lied entfaltet seine Wirkung und gehört aufgrund seines doch recht progressiven Charakters auf jeden Fall zu den Topsongs des Barden. Auch wenn es außer mir wahrscheinlich nur eine Minderheit im Saal kennt. So lässt die Stimmung zwar nach, aber kommt nicht zum Erliegen. Klar, die MARILLION-Klassiker wollen sie alle hören und mit einer guten Auswahl aus FISH-Stücken hätte er sicher auch punkten können, sagen wir 'Vigil', 'Tongues', 'Fortunes Of War' und 'Feast Of Consequences', aber für mich als Fan ist es eine Freude, die Lieder der neuen EP live zu hören, gehört doch "Parley With Angels" meiner Meinung nach zu dem Besten, was Fish komponiert hat. Ähnlich ist die Reaktion auch bei 'Little Man What Now', beruhend auf einem Roman von Hans Fallada, das als nächstes in die "Clutching At Straws"-Phalanx einbricht. Auch hier hört das Publikum interessiert zu, aber bei neuen Liedern geht eben keiner aus sich heraus. Doch der Applaus ist mehr als nur Höflichkeit. Ich denke, am Ende des Abends dürften so einige EPs, die mit vier Live-Songs auf Albumlänge gemotzt wurden, über den Merchandise-Tresen gegangen sein.

Ein weiteres Highlight ist das ganz neue und mir völlig unbekannte Lied 'C-Song', der mit einem sehr melancholischen, um nicht zu sagen resignierten Text aufwartet. Auch eine Tanzeinlage kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es bei dem großgewachsenen Sänger keine einfachen Gute-Laune-Lieder gibt. Dass das Lied in 'Going Under' mündet, macht das emotionale Lied nur noch intensiver. Kurz danach gibt es mit meinen Favoriten von "Parley With Angels" noch ein echtes Highlight, denn 'Waverly Steps' ist trotz seiner Prog-Länge ein ganz großartiger Song. Ich bin gespannt, wie er sich noch verändern wird, bis das dazugehörige Album "Weltschmerz" erscheinen wird.

Im Zugabeteil folgt dann mit 'Tux On' noch ein ungewöhnliches Lied, mit dem kaum zu rechnen gewesen wäre – wenn ich FISH nicht bereits im Sommer auf dem ROCK OF AGES-Festival gesehen hätte, wo er ebenfalls diesen alten MARILLION-Klassiker zum Besten gegeben hatte. Zum Abschluss gibt es mit dem letzen Song des "Clutching At Straws"-Albums 'Incommunicado' nochmal eine heitere Note und einen schnellen, energetischen Song, der das Publikum froh in die Nacht entlässt.

Ein rundum gelungener Abend, der allerdings mehrere Dinge gezeigt hat. Zum einen ist es offensichtlich, dass Fish eine lange Tour, wie er sie aktuell auf die Bretter bringt, physisch durchaus anstrengt. Früher schon hatte er immer mal wieder Probleme mit der Stimme und brauchte seine Pausen. Aber da kommen wir zum zweiten: Wie kann es sein, dass ein Künstler wie FISH in einem kleinen Club wie dem Spectrum in Augsburg spielt und nicht vor Tausenden in einer großen Halle? Seinem musikalischen Schaffen ist das nicht angemessen.

Redakteur:
Frank Jaeger

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