FRAMES - München

06.12.2010 | 22:13

02.12.2010, Glockenbachwerkstatt

Intimes Post-Rock-Spektakel im Zentrum der bayrischen Landeshauptstadt.

Dieser Abend ist einmal mehr ein Beweis dafür, dass instrumentaler Post-Rock eine vielfältige Spielart ist, die vor allem live zu ihrer vollen Entfaltung kommt. Gigs von Bands wie OSTINATO, CASPIAN, LONG DISTANCE CALLING, 65DAYSOFSTATIC und MONO werden mir sicher noch lange in Erinnerung bleiben, und so freue ich mich sehr über das Konzert der neuen deutschen Nachwuchshoffnung auf diesem Gebiet: FRAMES. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich mich bislang zu wenig mit ihrem aktuellen Album "Mosaik" beschäftigt habe. Trotzdem aber habe ich keinen Zweifel, dass mich an diesem Winterabend ein weiteres Konzerthighlight erwartet.

Doch zunächst zum Vorprogramm: Es geht los mit der jungen Band FIRE WALK WITH ME aus Regensburg. Natürlich haben sich die Jungs auch dem Instrumentalrock verschrieben. Ganz in der Tradition der ungeschriebenen Genrevorschrift werden die Songs langsam und unhektisch aufgebaut, und man kann versuchen, sich voll in die Musik hineinzulegen und die Spannungsbögen mitzugehen. In Wellen kommen harte, fast hardcoreartige Ausbrüche, die aber wieder heruntergefahren werden, um sie wieder von vorne aufzubauen. Post-Rock eben. Das ist schön, aber da liegt auch die Kritik an dieser in jedem Falle talentierten Band. Um es mit den Größen des Genres aufnehmen zu können, sollten FIRE WALK WITH ME versuchen, etwas aus dem Schema F auszubrechen, die Arrangements etwas zu straffen und mal was Ungewöhnliches in die vom Ansatz her sehr schönen Kompositionen einfließen zu lassen. Das Konzept mit dem "Gesang" sollte man auch mal überdenken, ich empfinde das an ISIS erinnernde Gebrüll eher als störend. Ist aber Geschmackssache.

Dann kommt die Überraschung des Abends, VERSTÄKER. Dass AMPLIFIER eine gute Band ist, weiß ich schon, die deutsche Ausgabe ist aber auch nicht zu verachten. Es handelt sich hier um Lokalmatadoren, die wohl auch schon ein paar Jährchen Bühnenerfahrung auf dem Buckel haben müssen, denn im Kontrast zu FIRE WALK WITH ME machen VERSTÄRKER einen perfekt eingespielten und souveräneren Eindruck auf der Bühne. Wie man schon aus den riesigen Effektpaletten der Gitarristen erahnen kann, geht es bei VERSTÄRKER weitaus unkonventioneller, psychedelischer und entrückter zu als bei der ersten Band. Ich liebe es, den drei Gitarristen dabei zuzusehen, wie sie ständig während des Liedes irgendwas an ihrem Gewirr aus Pedalen und Reglern verdrehen/verändern und damit wabernde, außerirdische Sounds kreieren, die an- und abschwellen und einen völlig in den Bann ziehen. Ein vierter Mensch bedient einen seltsamen Holzkasten, der auch voll mit Tönen ist und teilweise den Bass ersetzt.

Nach einigen Minuten Klingklöng wird es irgendwann auch mal lauter, heftiger, grooviger, und ich fange an, mich zu bewegen. Immer mehr und immer mehr. Intensiv, meine Herren, wirklich intensiv. Der Sound ist sehr eigen, die Akkorde oft jazzig, manchmal erinnert mich die Musik an Krautrock mit vielen Drogen und extatischen postrockigen Ausbrüchen gepaart. Geil! Ach, Gesang gibt es auch ein paar Mal. Der ist aber eher überflüssig, genauso wie die Ansagen. Irgendwas mit Bergsteigen und Luis Trenker soll in einem der Songs vermittelt werden. Wirr. Trotzdem will ich VERSTÄRKER wiedersehen.

Nun aber zum Hauptact: Leider sind einige der sehr wenigen Menschen an diesem Abend wohl nur wegen VERSTÄRKER da. Schade, und irgendwie macht mich das auch wütend, dass diese Leute lieber in der gegenüberliegenden Cafeteria sitzen oder vor der Toilette ratschen, als sich sie wundervollen FRAMES anzuhören. Was seid ihr nur für Musikfans?

So kommt es, wie es kommen muss, und FRAMES spielen vor zwanzig Leuten, von denen zehn Mitglieder der Vorbands sind. Aber sie spielen mit einer Freude und Leidenschaft, als wäre die Bude voll - zu Anfang aber nur als "Duo", weil Gitarre und Bass nicht zu hören sind. Das Problem wird allerdings durch Betätigung des On/off-Schalters (so was habe ich auch noch nicht erlebt) an den jeweiligen Verstärkern behoben. Tja, und dann wird "Mosaik" durchgespielt, in einem Zug, ohne Ansage oder sonstige Worte, einfach nur Musik, schöne Musik, manchmal zerbrechlich, manchmal gewaltig und immer gefühlvoll. Songtitel sind hier Schall und Rauch, alles ist in einem konstanten Fluss, man ist umspült von Musik, wie ein Traum, wie in Trance. Ich bedanke mich bei der Band für den famosen Gig und wünsche ihr für die nächsten mehr Zuschauer. Und wenn wegen dieses Reviews beim nächsten Mal nur einer mehr kommt, haben sich die Worte schon gelohnt.

Redakteur:
Thomas Becker

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