Festival des Artefacts 2000 - Strasbourg
28.10.2000 | 10:3602.06.2000,
Das \"Festival des Artefacts\" gehört wohl zu den eher unbekannten Festivals, die Europa zu bieten hat. Dadurch, daß die Veranstalter jedoch mit Iron Maiden eine absolute Metalgröße als Headliner gewinnen konnten wurde dem Festival gleich eine andere Beachtung zugespielt und so entschloss auch ich mich, die Reise zu unseren französischen Nachbarn anzutreten.
Stattgefunden hat das Festival im schönen Straßburger Stadtteil Wacken (!!!), genaugenommen am \"Parc du Rhin\", welcher sich perfekt für ein derartiges Event eignet. Innerhalb von knapp 10 Minuten ist man vom naheliegenden Campingplatz zum Festivalgelände gelaufen, was durchaus seine Vorteile hat. Um 12 Uhr mittags hätte Einlass sein sollen, dank einiger Organisationsschwierigkeiten verzögerte sich das ganze jedoch um eine halbe Stunde, was zur Folge hatte, daß die erste Band Nightmare bereits spielte während die meisten Leute noch auf den Einlass warten mussten. Da es nur zwei Eingänge gab um die Unmengen an Leuten reinzubringen war also ein gewisses Chaos vorprogrammiert. Somit wurde es auch mir nicht gegönnt, die eher unbekannten Franzosen von Nightmare zu sehen. Das was ich jedoch hören konnte hat mich ohne weiteres überzeugt. Nightmare spielen ehrlichen, sauberen Heavy Metal, der sehr stark an Iron Maiden angelehnt aber nicht ohne eigene Einflüsse ist. Mehrere angereiste Fans von ihnen gröhlten ihre Lieder von draussen mit und liessen sich nicht dadurch stören, daß sie ihre Lieblingsband nicht sehen konnten sondern nur hören
Da nun immer mehr Leute anströmten und die Organisation sich bei weitem nicht besserte verpasste ich leider auch die Hälfte von dem Auftritt der Spiritual Beggars. Bei diesen Punkten sollten sich die Veranstalter dringend etwas einfallen lassen, denn es stand offensichtlich nicht in ihren Möglichkeiten mehrere tausend Leute einigermaßen schnell einzulassen. Den Rest den ich jedoch noch von den Spiritual Beggars mitkriegen war auch mehr als überzeugend. Professionelle Musiker, eine überaus gelungene Live-Umsetzung und begeisterte Fans machten diesen Auftritt aus.
Nun folgte eine wirklich sehr kurze Umbaupause von ca. 15 Minuten und dem Auftritt von Mystic Circle stand nichts mehr im Wege. Die umstrittenen und auf diesem Festival vollkommen deplazierten Black-Metaller haben es doch tatsächlich wieder einmal geschafft, die gesamte Band durch ihre Vorführungen ins Lächerliche zu ziehen. Anscheinend hat man den Musikern verboten, irgendeine Miene zu verziehen und so standen die drei ach so bösen Buben auf der Bühne und spielten stur ihren Set herunter. Man wusste teilweise nicht, ob man über die Unfähigkeit der Herren Musiker lachen oder den Kopf schütteln soll, denn was hier geboten wurde war mit Abstand das Lächerlichste, was ich jemals erlebt habe. Der Keyboarder wirkte die ganze Zeit so, als ob er mal dringend auf die Toilette müsste, es ihm aber irgendjemand verboten hat. Sänger/Bassist Graf von Beelzebub, der offenbar eine verdammt schwere Kindheit gehabt haben muss, verbreitete auf eine unfreiwillig komische Art ein paar satanistisch Botschaften und bemühte sich dabei selbstverständlich so böse wie möglich zu gucken. Dieser Auftritt hinterlies die Angereisten mit geteilten Meinungen. Ein paar wenige Fans waren von dieser Band begeistert, die meisten gingen genervt weg um sich die überteuerten Merchandising-Stände einmal anzusehen und der Rest blieb mit einem breiten Grinsen vor der Bühne stehen und lachte sich schlapp über diese Band, die die Klischees des Black-Metals wie keine andere Band pflegt ohne dabei zu merken, daß ihr aufgesetztes Verhalten vollkommen lächerlich und einfach nur peinlich ist. Erwähnenswert wäre hierbei, daß die Jungs auf einen Drummer verzichtet haben und dafür eine verdammt schlecht programmierte Drummachine ihres Amtes haben walten lassen. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge stand ich dieser Erscheinung gegenüber und war froh, als nach eine Spielzeit von knapp 40 Minuten dem Ganzen ein Ende gesetzt wurde. Diese einfach nur grottenschlechte Band konnte in keinerlei Hinsicht überzeugen, dieses Urteil ist zwar hart, entspricht aber den Tatsachen.
Egal welche Band nun spielen würde, es kann einfach nur besser werden. Nach einer wiederum sehr kurzen Umbauzeit kamen unter großem Jubel die Jungs von Edguy auf die Bühne. Spielfreudig wie eh und je begeisterten sie nun das Publikum mit ihrem unvergleichlichem Auftritt. Mit \"Headless Game\" oder \"Vain Glory Opera\" hatten sie die Leute schnell auf ihrer Seite und Mystic Circle waren schnell vergessen. Tobias Sammet verzichtete diesmal auf seinen berühmten Postfrosch-Witz, nicht jedoch auf seine zahlreichen Publikums-Animationen, mit der er die Anwesenden zu Bestleistungen anspornte. Sämtliche Lieder vom \"Vain Glory Opera\" und \"Theater of Salvation\"-Album wurden mitgesungen, man feierte Edguy regelrecht ab. Alle Musiker spielten ohne Probleme und sehr professionell ihre Parts, der Sound war glasklar und die Stimmung bestens. Leider war auch hier nach ca. 45 Minuten das Ende erreicht, doch das bisherige Highlight des Festivals wurde gesetzt und dieser erfolgreiche Auftritt überzeugte auch problemlos die Leute, die Edguy noch nicht kannten. Songs wie \"Fairytale\" und \"Wake up the king\", bei dem Frontman Tobias einige Textzeilen kurzerhand durch \"Paperlapapp\" ersetzte werden hierbei zu den unvergessenen Momenten des Auftrittes gehören.
Und wieder war eine Umbauzeit angesagt, in der sich die Fans auf Mayhem vorbereiteten (die meisten taten dies, indem sie schleunigst verschwanden...) Es dauerte nicht lange und der erste Song der zweiten BlackMetal-Band des Abends ertönte. Billige Riffs wurden heruntergeschraddelt, ein zwar schnelles, aber eintöniges Drumming von dem angeblich so tollen Hellhammer sowie die äußerst unprofessionelle Stimme von Maniac trugen reichlich zum Stirnrunzeln meinerseits bei. Um es kurz zu machen: Nachdem ich gemerkt hatte, daß die folgenden Songs nicht im geringsten voneinander abwichen, sondern komplett gleich klangen, fragte ich mich ernsthaft, ob die Herren Musiker auf Grund eines zu hohen Drogenkonsums eventuell eine Art Repeat-Modus eingestellt hatten und nun ein und dasselbe Lied bis zur Vergasung spielten. Der Leser möge meine Ignoranz entschuldigen, aber ich zog es vor, zu testen, was die französische Küche auf dem Festivalgelände zu bieten hat.
Nach ca. 45 Minuten entfernten sich Mayhem und die Bühne wurde für Samael frei gemacht. Hierbei gab es leichte Enttäuschungen in punkto Sound, die musikalisch anfangs auch nicht wettgemacht wurden. Zwar war den Jungs um Vorphalack eine gewisse Spielfreude nicht abzustreiten (insbesondere der Bassist Masmiseim stach hierbei hervor) aber überzeugen könnten sie mich noch nicht. Natürlich wurde eine Steigerung im Vergleich zu den gar schrecklichen Mayhem geboten, was aber auch keine große Kunst war, denn um einen besseren Gig als Mayhem zu spielen hätte man auch eine Klospülung auftreten lassen können. Zurück aber zu Samael. Mit der Zeit besserte sich der Sound und auch mein Gefallen an der Band wuchs allmählich, aber mehr als Durchschnittsware kann ich Samael nicht attestieren. Der Drumsound stammte bekanntlich größtenteils von einer Drummachine, allerdings hatte Keyboarder Xytras auch einige Schlagzeug-Accesoires neben sich stehen gehabt, auf denen er sich austoben konnte. Um es auch hier kurz zu machen: Die Samael-Fans haben bekommen was sie wollten und konnten zufrieden sein mit dem Auftritt. Samael boten zugegebenermaßen einen akzeptablen Auftritt, der mir aber wohl nicht länger in Erinnerung bleiben wird.
Nach dieser musikalischen Durststrecke, die immerhin fast 2 Stunden angedauert hat wurde es doch wieder Zeit für einen Klassiker in Sachen melodischer Metal. Kein geringerer als Stratovarius, die zuvor ihre äußerst erfolgreiche Deutschland-Tournee beendet hatten, versammelten sich auf der Bühne und liessen den Stimmungspegel wieder enorm hochfahren. Die Band um die beiden Timos war wie immer in spielerischer Höchstform und liess sich vom Publikum abfeiern. Kaum ertönten die erste Takte von \"Hunting high and low\", so waren die Fans nicht mehr zu bremsen und sangen euphorisch alle Textzeilen mit. Die Band hatte sichtlich ihren Spaß daran und einem durchschlagenden Auftritt stand nichts mehr im Wege. Die Setlist zeigte eine gut gelungene Mischung aus alten Klassikern wie \"Father Time\", \"Forever\" oder dem unvermeidlichen \"Black Diamond\", sowie den besten Songs von ihrem letzten Album \"Infinite\". Hierbei erwies sich jedoch das Lied \"Infitiny\" als etwas störend, da es in keinster Weise festivaltauglich ist. Trotz des schönen Solos von Timo Tolkki hätte ich doch lieber zwei Klassiker anstelle dieses überlangen \"Infinity\" gehört. Aber bekanntlich kann man es eh nicht allen rechtmachen und durch die enorm schnelle Version von \"Black Diamonds\" vergaß auch ich meine Bedenken. Interessant war vor allem Drummer Jörg Michael, der es sich nicht nehmen liess, während des Konzertes ca. 30 Drumsticks ins Publikum zu schmeissen, was seinem Drumming nichts ausmachte, denn Sekundenbruchteile nach dem Abwurf des Drumsticks hatte er bereits den nächsten in der Hand, der auch kurz danach seinen Weg ins Publikum fand. Eine Zugabe mussten die spielfreudigen Finnen noch abliefern, nach der das Publikum auch noch gezwungen wurde auf finnisch zu zählen (und ich behaupte immer noch, daß es sich dabei um Schimpfwörter und nicht um Zahlen handelte, die Timo Kotipelto ins Publikum rief...)
Insgesamt also ein typischer Stratovarius-Auftritt. Alle Musiker agierten perfekt und mit viel Spielfreude und das Publikum feierte alle Lieder mit Begeisterung ab. Das genau ist es, was von doch im Endeffekt von einem Konzert der Finnen erwartet wird und bisher haben sie mich die Garanten für klasse Live-Auftritte auch noch nie enttäuscht.
In der nun folgenden Umbaupause stieg die Spannung ins Unermessliche. Ca. 7000-8000 Besucher warteten auf niemanden geringeren als auf die wohl größte Metalband aller Zeiten... Iron Maiden. Nico McBrain\'s Schlagzeug wurde enthüllt und ein Gerüst aus Eisenstangen wurde aufgebaut. Spätestens jetzt bemerkte man auch die enorme Lichtanlage und es war klar, daß nun ein Hammer von einem Konzert folgen würde. Die eisernen Jungfrauen liessen jedoch noch ein wenig auf sich warten, da die Umbauarbeiten viel Zeit in Anspruch nahmen. Doch schließlich war es soweit. Das Riff von \"The Wicker Man\", der Single- Auskopplung des neuen Albums \"Brave New World\", ertönte und die Begeisterung der Anwesenden kannte keine Grenzen mehr. Jedes einzelne Wort wurde mitgesungen während man wie gebannt auf Bruce Dickinson starrte, als wäre er der Messias persönlich, der sich entschlossen hat, nach 2000 Jahren mal wieder vorbeizuschauen. Aber was soll man über die Live-Qualitäten einer Band wie Iron Maiden denn noch sagen ? Sie hatten einen erstklassigen Sound, alle Musiker zeigten ihr Können auf beeindruckende Weise und Bruce zeigte allen, wo sein Platz ist. Steve Harris hüpfte standig auf der Bühne herum und zeigte dabei stolz sein Iron Maiden-Trikot, wobei er jedoch der einzigste auf dem gesamten Festival war, der es trug, denn bei einem Verkaufspreis von fast 200 Mark hört der Spaß auf. Die drei Gitarreros alberten herum und waren immer zu Späßen mit dem Publikum aufgelegt, Mister McBrain ging zwar hinter seinem enormen Schlagzeug unter, zeigte sich aber ab und zu einmal und wurde dabei mit begeisterten \"Nico\"-Rufen gefeiert. Während des gesamten Konzertes lief Bruce Dickinson wie von der Tarantel gestochen von einem Ende der Bühne zum anderen, auf das Gerüst hinauf, dann wieder auf eine Ebene über dem Drumkit und schließlich wieder frontal auf die Bühne. Falls es also aus irgendeinem Grund einmal die Kategorie \"Sportlichster Sänger aller Zeiten\" geben sollte, stände meine Nominierung fest.
Doch nun zur Setlist: Es wurden sechs Lieder vom neuen Album gespielt, als da wären \"The Wicker Man\", \"Ghost of the Navigator\", \"Brave New World\", \"The Mercenary\", \"Dream Of Mirrors\" und \"Blood Brothers\". Das ganze musste selbstverständlich auf Kosten einiger Klassiker gehen, was man jedoch angesichts des unglaublich starken Materials auf der neuen Scheibe mit Leichtigkeit verschmerzen konnte. Weiterhin zeigten die Metal-Götter, daß sie ohne weiteres zu den letzten beiden Alben mit Blaze Bayley stehen und sie nicht verteufeln. \"The Clansman\" und \"The Sign of the Cross\", welches mit einem wunderbaren Bühnenbild daherkam zeigten dies überdeutlich. Und die unvermeidlichen Klassiker dürfen natürlich auch nicht ungenannt bleiben. \"The Trooper\", \"Iron Maiden\", \"The Number Of The Beast\", \"2 Minutes To Midnight\" und \"Fear of The Dark\" zu denen wohl nichts mehr hinzuzufügen ist. Jedem Metaller muss einfach eine Gänsehaut beim Erklingen der ersten Töne von \"Fear Of The Dark\" bekommen, die dann noch verstärkt wird, wenn die ca. 7000-8000 anderen Besucher Zeile für Zeile mitsingen. Iron Maiden live zu sehen ist ein Ereignis, an das kaum etwas anderes herankommt. Es sind nicht nur die geilen Songs, sondern auch die unvergleichliche Atmosphäre, die man erleben darf, wenn die wohl größte Metalband aller Zeiten vor einem grandiosen Publikum ihre Bestes gibt. Lasst uns hoffen, daß die eisernen Jungfrauen in dieser Hammer-Besetzung noch lange zusammenbleiben und uns den einen oder anderen Auftritt schenken werden. Unnötig zu sagen, daß Iron Maiden zu den Bands gehört, die man in seinem Leben wenigstens einmal live gesehen haben muss.
Bleibt abschliessend also nur noch zu sagen, daß die Veranstalter trotz einigen (anfänglichen) Schwächen in der Organisation ein verdammt geiles Festival hingelegt haben, welches absolut friedlich verlief; ich bin auf jeden Fall schon einmal gespannt, was die Jungs und Mädels vom \"Festival des Artefacts\" für ein Billing hinbekommen, denn dieses Festival könnte schon innerhalb der nächsten Jahre zu den \"Großen\" dazugehören.
- Redakteur:
- Christian Debes