Fuck The Commerce VI - Neiden bei Torgau
12.06.2003 | 08:0629.05.2003, Crossstrecke
Mittwoch, 28.05.2003
Wenn es einen Gott gibt, dann ist dieser sicherlich der Ober-Häuptling der IG-Metal. Pünktlich zum Fuck The Commerce-Anreisetag scheint dem Himmel wahrhaft die Sonne aus dem Arsch. Für alle, auch die bis dato noch nicht recht aus ihrem Winterschlaf erwacht sind, ist es jetzt amtlich: die Festival-Saison ist eröffnet. Fuck The Commerce, das Sechste, lädt ein zum feucht-fröhlichen Verweilen mit alten und neuen Bekannten. Vertont wird dieser (Familien-) Reigen von einem Bandaufgebot, das abermals dem Hartwurstfan das Herz im Stakkato-Dreivierteltakt mit Tempo 300 durch den Brustkorb schießen lässt. Verdammt! Ist das geil wieder hier zu sein, auf der vertrauten, herrlich staubigen Motocrossstrecke nahe Neiden.
Im Laufe seiner nunmehr siebenjährigen Geschichte hat sich das anfängliche Sauf-Lärm-Fest(chen) zum Mekka-Festival für den Liebhaber grindig-brutal-hingekotzter Klänge gemausert. 3000 bis 4000 Fans lassen es sich auch in diesem Jahr nicht nehmen, von der ultrafetten (Metal)Dampfwalze "Fuck the Commerce" weggeblasen zu werden. Wenn das Motto Sex, Drugs & Rock'n'Roll (noch) existiert oder jemals existierte: Hier ist es zu Hause. Dreieinhalb Tage voller (An)Spannung für den Körper und (Ent)Spannung für die Seele. 36 Bands, die den Knüppel aus dem (musikalischen) Sack auf die tobende Masse loslassen. Die Veranstalter offerieren eine gigantische sächsische Schlachtplatte mit herrlich sicken Schmankerln für den ganz normal, unnormalen Geschmack. [Micha]
Nur ein Fakt bleibt tragisch in Erinnerung, trotz eines der krassesten und schönsten Festivals meines Lebens: David Rairan, Gitarrist der Kolumbianer PURULENT, stirbt nach dem Gig am Donnerstag bei der Heimreise - der Tourbus verunglückt. R.I.P. Metalbrother!
Doch weiter im Text... Bereits zur Warm Up Show am Vorabend des ersten Festival-Tages rocken mit ABSORBED, HATESPHERE und HOLY MOSES drei Hartwurst-Geschosse durch die Betonwände des legendären FTC-Bierzeltes. Besonders ABSORBED scheinen Kollegen Dirk zu bewegen :-) [Henri]
Ich weiß nicht, ob der ABSORBED-Sänger vor dem Gig saure Gurken gefuttert hat, anders kann ich mir jedoch sein katastrophales Rumgejauner nicht erklären. Dieser Sänger gehört auf den Mond! Hochgeschossen auf nimmer Wiedersehen!! [Dirk]
Death-Thrash der Marke "Immer feste druff" liefern danach die fünf Mannen um Frontgrunzer Jacob Bredahl von HATESPHERE. Die Dänen brechen ein Gewitter los, das dem anwesenden Moshpit von circa 200 Mann (und Frau) Hören und Sehen vergeht. Pfeilschnelle Thrash-Attacken und tonnenschwere Midtempo-Nummern werden der Metalcrowd während des etwa einstündigen Gigs um die Ohren gehauen. Mit den bisher zwei erschienenen Langrillen "Hatesphere" und "Bloodred Hatred" rocken die Skandinavier immer voll auf die Zwölf. Soundwalzen wie das obergeile 'Hate' heizen der Meute kräftig ein. Jetzt gibt es keinen Halt mehr, und neben den japanischen Jungs von BATHTUP SHITTER auf der Bühne mosht der gesamte Saal, was die Haare hergeben. [Micha]
Nein, das war kein Kindergeburtstag, dieses Fuck The Commerce: Dies merkt schon, wer es am Mittwochabend zu HATESPHERE vor die kleine Bühne in der Bierhalle schafft. Plötzlich fliegt ein unheimliches intensives musikalisches Brett gegen die Kauleiste und spielt perfekte Melodien auf den ausgebrochenen Beißerchen. Wahnsinnig aggressiver Schweden Death, eine fast schon überirdisch spielfreudige Gitarrenfraktion und HATESPHERE-Sänger Jacob Bredahl, der alk- und stimmenmäßig abgeht wie ein durchgeknallter Elch - eine unglaublich wilde und hungrige dänische Band schüttelt die Fan-Köpfe samt angeschlossener Nackenmuskulator schon einmal warm. Es ist schön, von einer unbekannten Combo noch so positiv überrascht zu werden. Und auch Kollege Dirk war geplättet. [Henri]
Meine neuen, absoluten und ungeschlagenen Festival-Winner sind HATESPHERE. Die Dänen sind sichtlich gut aufgelegt und holzen von der ersten Sekunde an wie von einer anderen Welt. Die Jungs, deren Sänger Jacob übrigens auch schon mit ILLDISPOSED den ein oder anderen Gastauftritt absolvierte, treibt seine Mannschaft immer weiter an, heizt dem Publikum mit einer gnadenlos agilen Show ein und zeigt unmissverständlich, wo der wahre Death Metal Hammer hängt! In Dänemark! HATESPHERE mixen, just von ihrer Tour mit THE HAUNTED wiedergekehrt und hörbar von ebendiesen beeinflusst, Death Metal Götheborg´schen Ausmasses mit einer satten Kante Thrash, welcher frisch aus der Bay Area kommen könnte. Der Gesang, ganz klar Hardcore beeinflusst, passt sich dem völlig eigenständigen Gesamtbild genial an, so dass hier eine echte Perle herangewachsen zu sein scheint, die ohne Probleme zu späterer Stunde auf die Hauptbühne gehört hätte! [Dirk]
Bei HOLY MOSES hält sich der Überraschungseffekt dagegen in Grenzen, nach der überragenden Show von HATESPHERE ist das kein Wunder. Dennoch lässt der herrlich altmodische Thrash Metal von HOLY MOSES den Unterhaltungslevel im oberen Bereich einpegeln, zumal auch der restliche Pegelstand inzwischen ordentlich hoch ist - die Verbindung aus Thrash und Bier führt bei den noch anwesenden Fans zu ekstatischem Haareschütteln. Ergo: Auch mit wenig musikalischen Überraschungseffekten knallt der Teutonen-Thrash der Mannen um Frontröhre um Sabrina Classen ordentlichst. Die restliche Nacht versinkt dagegen lieber unter einem Mantel des Schweigens - mehr und krasser ging noch nie, und das ist auch gut so! [Henri]
- Redakteur:
- Henri Kramer