Full Rewind Festival 2025 - Roitzschjora

12.08.2025 | 11:17

31.07.2025, Flugplatz

Der härteste Acker und die entspanntesten Menschen.

Samstag:

Nach ausreichend Schlaf geht es am Samstagnachmittag erneut bei bestem Festivalwetter zurück auf den Acker. Viele Gäste nutzen noch einmal den Badestrand zur Erfrischung und wir lassen uns als erstes von der ungarischen Band EKTOMORF musikalisch erfrischen und so richtig wachmachen. Die Band war bereits 2024 hier zu Gast und steht für solide Qualität. Mit dem dargebotenen Thrash Metal kann man nie etwas falsch machen. Eine feste Größe also. Das ist heute nicht viel anders und der Platz vor der Bühne ist rappelvoll. Sänger Zoltán ist bestens gelaunt und stachelt die Menge zu diversen Circle Pits an. So fliegen Haare, Arme und Beine durch die Luft und jeder kommt auf seine Kosten. Erbarmungslos prügelt die Band ihr Set auf die Besucher ein, die sich über 'Die' oder 'I'm Against' freuen. Natürlich darf am Ende 'Fuck You All' nicht fehlen, bei dem lautstark mitgesungen wird.

Im Anschluss spielt mit der Kasseler Hardcore-Band RYKERS eine Formation, die quasi mit zum Inventar des Full Force gehörte. Die Mannen um Sänger Kid-D freuen sich sichtlich, dass sie mit dabei sein können und legen sofort unerbittlich los. Das Publikum dreht ebenfalls durch und feiert ab. Selbst vorn im Graben gibt es beim Securitypersonal Fans, denn hier wird ebenfalls fleißig mitgemacht, so es die Situation zulässt. Beim zweiten Song versucht der Sänger, sich über die Besucher zu werfen und möchte dabei weiter singen. Das gelingt jedoch nicht so ganz, denn zu weit kommt er nicht in die Menge. Für ein Beweisfoto von der Bühne reicht es jedoch allemal. Bei dessen Kampfgewicht ist das auch nicht so ganz verwunderlich. Doch er trägt es mit Humor, macht gut gelaunt einfach weiter und präsentiert beispielsweise 'Hard To Core', was die Menge toben lässt. Was für eine Wucht im Zelt.

Mal schauen, ob danach auch WALLS OF JERICHO so ein Brett abliefern kann. Die Band um Candace Kucsulain, die heute Geburtstag hat, zieht erneut eine Menge Leute vor die Hauptbühne. Die liefert mit ihrer Crew eine harte und energiereiche Show ab, die das Fanherz erfreuen lässt.

Vor der Bühne geht es wieder rund, so natürlich auch bei 'All Hail Dead' oder 'Playing Soldier Again'. Wir betrachten das Geschehen von weitem, da es nicht so ganz unser Ding ist und sich alte Männer auch mal setzen müssen. Aber die Fans sind begeistert und so steht der Gig dem von RYKERS in nichts nach.

Wir wollen ja danach HYPOCRISY unsere Aufwartung machen und dabei fit sein. Aber was ist denn jetzt auf einmal vor der Bühne los? Die Menge ist sichtlich geschrumpft und wir fragen uns warum. Doch die Stimmung ist gut, als die Band mit 'End Of Disclosure' startet, das ist ja die Hauptsache. Die Besucher, die jetzt da sind machen ordentlich Stimmung und freuen sich wie wir, Peter Tägtgren und seine Mitstreiter mal wieder auf der Bühne zu sehen. Die zocken sich munter durch ihr Set und die Leute freuen sich über 'Chemical Whore' oder 'Eraser'. 

Natürlich lässt es sich der Frontmann nicht nehmen, die personelle Veränderung zu erwähnen. Am Schlagzeug sitzt sein Sohn Sebastian, der für den pausierenden Henrik eingesprungen ist. Irgendwann während des Gigs entdeckt der Sänger einen als Alien verkleideten Besucher. Was für eine Vorlage für ihn. Da er ihn von nahen sehen möchte, fordert er die Menge auf, den Alien via Crowdsurfen nach vorne zu bringen. Das klappt problemlos und so gibt es neben einigen Sprüchen noch ein Erinnerungsfoto. 

Gegen Ende sind doch wieder ein paar mehr Leute zum Gig gekommen und genießen unter anderen 'Adjusting The Sun'. Zum Schluss wird noch das obligatorische Bandfoto von der Bühne aus gemacht und Peter verabschiedet sich mit den Worten: "MINISTRY will kick your fucking ass to Jupiter!" Na mal schauen ob das später gelingt. Die Besucher jedenfalls sind mit dem HYPOCRISY-Gig hochzufrieden und bedanken sich lautstark bei der Band.

Bevor wir die Aussage überprüfen können, geht es noch für einen kleinen Abstecher zu PERKELE ins Zelt. Auch die Schweden kennen den Acker bereits und freuen sich auf den Gig. Mit guter Stimmung starten die ihr Set mit 'Me', die Fans machen sofort mit und natürlich singen sie gemeinsam mit dem Trio aus Göteborg. So kurz vor Feierabend so viele Fans noch einmal die Kräfte mobilisieren. Respekt! Sie dürfen sich unter anderen noch über 'What Have I Done' oder 'Miss U' freuen.

Langsam aber sicher nähert sich das Full Rewind 2025 seinem Ende. Darüber weint sogar der Himmel, denn in der Pause zwischen HYPOCRISY und MINISTRY fängt es noch einmal an zu regnen. Doch pünktlich zu Beginn ihres Auftrittes haben sich die Wolken verzogen und es ist wieder trocken. Vor der Bühne ist es mäßig gefüllt, als die Industrial-Metal-Legende um Frontmann Al Jourgensen die Bühne erklimmt. Seiner Rastas scheint er sich entledigt zu haben. Zumindest blitzt unter dem Hut nichts hervor. 

Los geht das Set mit 'Thieves' und vor der Bühne kommt allmählich Bewegung in die Sache. Auffällig ist, dass das Gesicht des Sängers so gut wie nicht angeleuchtet wird und damit größtenteils im Verborgenen bleibt. Hat er etwas zu verbergen? Musikalisch gesehen macht die Band ordentlich Druck und hat Spaß. Aber Al kommt lange nicht so wütend daher, wie noch vor einigen Jahren. Zugegeben, der Mann ist 67 Jahre alt und absolviert gerade eine extreme Tour. Aber so richtig gefällt er mir heute nicht. Auch die Tatsache, dass sehr viele Vocals von ihm vom Band kommen und er nur ab und zu singt, finde ich beängstigend. Keine Frage, er macht keinen unmotivierten Eindruck, vielmehr schleicht er manchmal über die Bühne.

Als er selbst zur Gitarre greift, da fällt nichts Negatives auf. Hat man sich mit den Umständen halbwegs arrangiert, dann ist es trotzdem schön, die Helden der Jungend und ihre Songs wieder einmal Live zu hören. Hoffentlich nicht zum letzten Mal. 'Deity' oder 'Stigmata' aus dem Jahre 1988 knallen noch immer ganz gut um die Ohren. 

Zum Gassenhauer 'Jesus Built My Hotrod' wippt auch die Security ordentlich mit und kann den Gig ebenfalls recht gut genießen, da jetzt aus dem Publikum relativ wenig Leute angespült werden. Vom relativ ruhigen und aktuellen Album "The Squirrely Years Revisited" erklingt heute kein einziger Song. Da ist 'Alert Level' vom 2021er Album "Moral Hygiene" noch einer der neuesten Tracks in der Setliste. Dennoch geht die Spielzeit rum wie nix und das letzte Stück 'So What' lädt alle noch einmal zum Mitsingen ein. Mit den letzten Tönen winkt der Sänger den Fans zu und verschwindet von der Bühne. 

Nach und nach legen die Musiker ihre Instrumente zur Seite und gehen, bis nur noch der Drummer da ist. Der wird langsamer und leiser und irgendwann ist auch er ruhig. Die Gäste bedanken sich mit viel Applaus. An sich ist dieser Abgang der Mannschaft nicht schlecht, aber leider lassen sich die Musiker nicht noch einmal gemeinsam als Band blicken. Die Zugabe!-Rufe verhallen im Nichts. Für die Headliner-Position ist dieses Ende, beziehungsweise dieser Abgang ziemlich traurig. Die Gründe dafür kennen wir nicht. Doch bis zum Jupiter hat uns das Konzert leider nicht befördert.

Setliste: Thieves; The Missing; Deity; Rio Grande Blood; Lies Lies Lies; Goddamn White Trash; Alert Level; Burning Inside; Stigmata; N.W.O.; Just One Fix; Jesus Built My Hotrod; So What

Damit ist das Full Rewind 2025 Geschichte. Aus den Lautsprechern erklingt das erzgebirgische Volkslied 'Feieromd' von Anton Günther. Wir machen uns langsam auf den Heimweg und ziehen ein Resümee. Kurz gesagt: Wir sind nächstes Jahr wieder dabei!

Laut Veranstalter waren es so um die 6.000 Besucher. Also rund 1.000 Gäste mehr als im ersten Jahr des Festivals. Das ist erst einmal erfreulich, dass das Festival so gut angenommen wird. Zugegeben, anfänglich war ich skeptisch zur Aussage: "Ein Festival von Fans für die Fans." Marketing eben, so dachte ich. Doch im Nachhinein betrachtet ist es das ganz einfach. Alles drum herum wird klein gehalten und es wird sich auf die Musik konzentriert. Es herrscht wirklich das viel gepriesene freundliche und friedliche Miteinander. Die Preise für die Verpflegung und auch Merch des Festivals gehen absolut in Ordnung.

Wo wird einem heute noch ein Platz vorn in der ersten Reihe angeboten, damit man das Geschehen besser sieht? Wo kann es sich die Security erlauben, auch mal unter die Crowdsurfer zu gehen? Wo hat das Personal immer ein freundliches Wort für die Besucher auf den Lippen? Wo werden die Fotografen nach ihrem letzten Dienst von allen Crewmitgliedern im Graben herzlichst verabschiedet? Die Antwort ist ganz einfach. Beim Full Rewind!

Von diesen Gesten und Situationen sind wir beide schwer beeindruckt und hätten das ehrlich gesagt auch so nicht erwartet. Was auch eher unüblich bei einem Festival ist, dass Bands nach einem Gig gleich im nächsten Jahr noch einmal auftreten. Vergleicht man das Programm von 2024 mit dem diesjährigen, so findet man einige Doppeltbelegungen. Die Tatsache, dass zur gleichen Zeit das Wacken Open Air stattfindet, ist Vor- und Nachteil zugleich. Auf die Besucherzahlen wird es sich sicherlich negativ auswirken. Doch was das Booking der Bands anbetrifft, da ist durchaus das eine oder andere Schnäppchen zu machen. Denn die Zeiten, wo Bands exklusiv nur beim Wacken spielen, die sind vorbei und das kann sich auch kaum noch ein Musiker leisten. Da die hiesigen Veranstalter alte Hasen im Geschäft sind, werden sie diesen Spagat schon meistern. Ein paar mehr Besucher für 2026 sind wünschenswert, doch die aktuelle Größe hat auch seine Annehmlichkeiten. Relativ kurze Wege und ein entspanntes Durchqueren des Innenbereiches sind das zum Beispiel.

So stehen die Zeichen für die dritte Auflage in 2026 durchaus gut. Schließlich ist mit IN FLAMES schon der erste Hochkaräter an Bord. Wir werden die Sache jedenfalls im Auge behalten und freuen uns jetzt schon auf das Full Rewind 2026!

Text: Swen Reuter

Foto Credits: Norman Wernicke
Foto Credits: MINISTRY: Christina Gaudlitz - Black Label Pictures
Foto Credits: PERKELE: Swen Reuter

Redakteur:
Swen Reuter

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