Fury Fest - Le Mans/ Frankreich

01.07.2004 | 04:27

25.06.2004, Circuit des 24h

Ihr kennt es doch auch, dieses "Wohlfühl-obwohl-Matsch"-Gefühl nach längeren Festivals?! Also die minimal zwei Tage nach der herrlichen Sause, in denen sich der Körper wieder langsam tastend an die komplexen Alltagsabläufe der "Normal"-Welt gewöhnen muss, in einem Leben, in dem es auch andere Werte außer der Herkunft des nächsten Biers, dem weniger dreckigen Dixie und der Lieblingsband spät am Abend gibt. Nach solchen Open Airs verschwimmen die zwei bis drei Tage zu einem ganzen Wirrknäuel aus erlebten Abenteuern zwischen Kopf wegbangen, Birne vollpilsen und als "Friend Of The Harder Gangway" durch die staubige Gegend brüllen. Genau solche Zustände könnt ihr nun auch wunderbar in Frankreich erreichen. Das Zauberwort für die totale Selbstdemolation mittels Hardcore, Grindcore und Death Metal heißt Fury Fest und findet im rund 100 Kilometer westlich von Paris gelegenen Le Mans statt - genau dort, wo auch die 24-Stunden-Autorennen über die Piste gehen. KRAWUMM!!! machte es also vom 25. bis zum 27. Juli in des Autors Kopf - hier die wichtigsten Eindrücke, fein säuberlich in der ABC-Grundschul-Variante geordnet.

A wie Ankommen. Das geht von Deutschland aus ganz billig. Mit Eurolines vielleicht sogar direkt von eurem Kaff ins nicht minder unattraktive Le Mans. Was ihr braucht: Zeit. Vierzehn Stunden dauert die Fahrt im Bus von Leipzig, von Frankfurt am Main aus rund acht. Dann seid ihr zu zweit je nach Fahrlänge mit bis zu 250 Euro in Paris. Dazu kommen noch einmal 35 Euro fürs Zugticket nach Le Mans. Das Festival kostet zusätzlich für drei Tage pro Karte 70 Euro, wer kürzer bleibt, zahlt pro Tag 25 bis 40 Euro. Doch Geld ist ja zum Ausgeben da. Habe ich mal gehört. Damals, in einer fernen Zeit...

Ä wie Ääähhhh, wo sind die denn alle? Ja wo nur? In Deutschland fangen erste Party-Tiere ja schon immer am Tag vor dem Festival mit dem Betanken ihrer oberen Körperöffnungen an. In Le Mans ist dagegen 24 Stunden vor dem Tag X jeder "gemeine" Metal-Head noch ein echtes Ereignis zum Umdrehen und mal pro forma Nase rümpfen. Das Gelände liegt etwas außerhalb des Städtchens. Schweres Gepäck im Anschlag und wieder ab in einen Bus... Dann Suche. Hier müssen doch wenigstens ein paar Typen sein?! Fast noch auf eine Schnellstraße gerannt... Warm. Heiß. Ahh, dort ein Fan mit verlumptem Iro. Aus Portugal. Spricht so undeutlich englisch, dass ihn hier garantiert niemand versteht. Im Prinzip will er doch auch nur Party und Mugge, hat aber weder Tickets noch sonstige Pläne. Die Veranstalter verweisen ihn auf den noch leeren Campingplatz. Ohne zu murren stiefelt er los.

B wie Baaaaaaahhhrty, jetzt!!! Noch einmal Glück gehabt. Wenigstens die späteren Festival-Bierverkäufer und Essensmacher saufen! Party goes on - was für eine sehr gute strategische Entscheidung! Da kann man schon einmal wichtige zwischenmenschliche Kontakte aufbauen, die in den nächsten Tagen mit vielen, vielen kalten Freibier belohnt werden. Voll nett, es lebe die Gruppendynamik! Zwar sind die Catering-Leute durchweg eher auf der klassischen Harcore- und Rasta-Schiene unterwegs, sie mögen die Metal-Köpfe aus Deutschland aber trotzdem. Nur mit der Verständigung ist das so eine Sache - Englisch ist eben nicht sehr gebräuchlich im Franzen-Land. Dafür gibt es Rotwein aus braunen Plastik-Kanistern. YEAH!!!

C wie Crash-Cash oder ein anderes Wort für Riesen-Verlust... Den Schuldenberg können die Veranstalter beim Fury Fest schon vorher einplanen. Einer der Organisatoren, der nicht allzu große und kurzhaarige Olivier Lehuby erklärt, dass die "Super Suckers" von Geländebesitzern so fies waren, und einfach mal die Miete erhöht haben. Er denkt, dass die Fury Fester deshalb 100.000 Euro Miese machen werden - die Karten sind wohl auf 10.000 Leute begrenzt. Daran glaubt zwar am dritten Festival-Tag nur noch er, aber wer kann das den Organisatoren verdenken, dann ein paar Leute mehr reinzulassen. Trotz permanenter Überquell-Gefahr am letzten Tag ist ja zum Glück nichts passiert, keine Panik ausgebrochen... Und lieb sind die Leute vom Fury Fest, besonders der immer etwas nervös wirkende Olivier - "Olivier, wo können wir unsere Taschen abstellen?" - "Packt das Zeug in mein Auto, der Schlüssel liegt auf dem Bürotisch..."

D wie Day After Ankunft - noch etwas verpennt. Zum Glück gibt es hier an jeder Straßenecke einen Bäcker mit Baguettes. Die sind billiger als zum Beispiel der Normal-Döner für 3,50 Euro im Straßenverkauf. Das Essen auf dem Festival ist ebenfalls ganz okay. Doch vor dem Mampfen haben die Franzosen den Bon-Stand gesetzt - erst müssen Schein in blau (= 2 Euro) oder rot (= 2,50 Euro) abgeholt werden. Die große Schale Paella kostet dann zwei blaue Scheine. Und ein Bier kostet einen roten Schein - und ist erbärmliche null komma drei Liter klein. Härteren Alk gibt es auf dem Gelände nicht zu kaufen. In den beiden Konzert-Hallen bekommt der "Fan" gleich gar nichts für seine Sauf- und Fress-Bons. Hallen? Ja, das Fury Fest ist ein reines Drinnen-Festival, draußen gibt's nur die Stände und Märkte. Dafür ist der Sound überwältigend, der Sonnenbrand bleibt aus und soooo sauna-heiß wird es vor der riesigen Main Stage zum Glück meistens auch nicht. Für's Weichkochen ist da die kleinere Velvet Stage zuständig...

E wie Englisch. Entwickelt in Frankreich ein lustiges Eigenleben, vor allem wenn es um Bands geht. Wenn Franzosen über Bands wie SAHFOKATION oder SE HAUHNDED sprechen, klingt das Ergebnis immer völlig harmlos, wie ein kleines Frühlingslüftchen. Selbst wenn es tausende Fans auf einmal brüllen. Zum Rumschreien haben die tobenden Jugendlichen am Freitag gleich am Anfang einen Grund. Die Jungs von GRONIBARD stehen auf der Main Stage, kommen aus Frankreich und zeigen ihre in Frauenkleidern steckenden Ärsche zu donnerndem Grindcore. Außerdem hat der Sänger öfters eine wuschelige Perücke in schwarz über den Kopf gestülpt - bei soviel Schwachsinn machen sich schon die ersten Diver flugfertig. Der extreme Sport klappt hier in Le Mans ganz gut, dass mit dem Tragen geht wegen des Hartplastik-Bodens auch bei plötzlichen Abstürzen ganz glimpflich ab. Leider ist die Halle bei GRONIBARD erst halb voll...

F wie Füllstation. Bei der nahe gelegenen Tankstelle passieren jeden Tag zwei Wunder. Nummer Eins: Es gibt noch Bier. Sogar kalt! Wunder Zwei: Es liegen keine hilflosen Betrunkenen vor der Tanke. Das ist schon ganz schön anders als in Deutschland. So ist auch Mister oder Misses Tankstellenwart regelmäßig über den deutschen Besuch überrascht, der da einfach mal den Kühlschrank ausräumt, dann wieder neues Bier zum Vorkühlen einfüllt und mit immer breiterem Grinsen seinen Euro pro Dose bezahlt... Hach, in diesem Land ist Metal-Prolo-Sein noch echte Rebellion!!!

G wie Gut-Band und Nicht-Gut-Band... Eine Gut-Band ist am Freitag auch BANANE METALIK. Es klingt nämlich schon einmal sauwitzig, wenn Franzosen "Metalik" sagen. Um bei den deutschen Lachmuskeln erst gar nichts anbrennen zu lassen, singen BANANE METALIK auch gleich durchweg französisch. "SEX, BLOOD and GORE'N'ROLL !!!", so beschreiben sich diese Kunden auf ihrer überaus aussagekräftigen Homepage. Und so klingen diese sicken Brüder zum Glück auch - eine völlig abgefahrene Mischung aus Rock, Psychobilly, Death Metal, Grindcore und Täterätätä... Dazu tragen die Jungs noch knallig bunte Priesterkostüme an ihren Leibern. Da sind die Hardcore-Kunden von IGNITE das kompletten Gegenteil: political correctness bis zum allerletzten Atemzug und dem U2-Cover 'Sunday Bloody Sunday', dazu musikalisch ganz schön langweilig und insgesamt voll zum "Straight Edge"-Wegkotzen. Da können die Jungs noch so gegen Mr. Bush in den USA wettern - das geht einfacher als coole Musik zu schreiben.

H wie Halle, die kleine... Dort spielen über die drei Tage verteilt vor allem französische Bands. Dazu kommen noch hoffnungsvolle Newcomer. COMITY gehören definitiv dazu. Die Jungs spielen einen modernen Mix aus NEUROSIS, NASUM und CRYPTOPSY. Das Ergebnis bleibt noch nicht sofort im Ohr hängen, klingt aber auf jeden Fall sehr interessant. Außerdem ist dieses Örtchen namens Velvet Stage nur für rund 500 Leute ausgelegt, manchmal sind bestimmt noch mehr Leute hier drin. Ein Klimakollaps ist nichts dagegen. Deshalb wird auch der Auftritt von BENIGHTED eine Tortur. Zwar nicht wegen des bescheuerten Namens der Gruppe, sondern durch die Hitze. Die Jungs selber drücken mit einer unmenschlichen Cover-Version von NAPALM DEATHs 'Suffer The Children' die Temperaturen weiter nach oben - nach soviel Grindcore-Geballer muss erst einmal 'ne Pause her.
H steht aber auch für Hilfe bei so vielen geilen Bands. THE HAUNTED, HATEBREED, TESTAMENT und SOULFLY spielen noch an diesem ersten Abend. Die Stimmung ist gleichbleibend großartig. Punks, Hardcore-Fans, Metal-Heads und Psychobillies rennen zusammen nach vorn, bangen, springen umher, lassen die Moshpits zu völlig intensiven Schlachtfeldern werden. Die Soundanlage auf der Mainstage ist perfekt. Die Musik ist zwar ohrenbetäubend laut, aber klingt nicht so schädelspaltend tödlich wie auf anderen Festivals. Bleiben die Triumph-Züge von zuerst einmal THE HAUNTED und TESTAMENT. Die Leute hier gehen hier voll auf Thrash Metal ab. 'Bury Your Dead' und 'Hollow Ground' vom "... Made Me Do It"-Album sind die Übersongs einer göttlichen THE HAUNTED-Show. Am Ende grüßt Frontkreischer Peter Dolving noch TESTAMENT und HATEBREED - beide Bands nehmen die Begeisterung der französischen Fans auf und lassen sie weiter lodern. Bei beiden Shows entpuppt sich der kleine Platz zwischen Eingang zur Main Stage und eigentlichem Gelände als echtes Nadelöhr, ganz schön schieben muss, wer jetzt noch zeitig genug in die Halle rein will. HATEBREED verdreschen ihre Fans mit ihrer recht brutalen Hardcore-/Death-Metal-Mischung, doch wirklich abwechslungsreich klingen die Amis deswegen noch lange nicht. Da ist Chuck Billy und TESTAMENT schon um Längen sympathischer, hier malmt der Bass lauter. So liegen denn auch schon die ersten Fans völlig erschöpft in den Ecke - ansonsten ein recht seltener Anblick auf dem Fury Fest. TESTAMENT können bei ihrer Show aus ihrem riesigen Hitkatalog schöpfen, da geht es ihnen genauso wie SOULFLY am Ende. Max Calvalera und seine Jungs prügeln sich durch SEPULTURA-Classics wie 'Innerself' und moderne Hass-Pillen wie 'Eye For An Eye'. Fazit: Drei Stunden Banging mit einer Gruppe Portugiesen kostet Gehirnzellen, Haare und viel Kraft, besonders wenn dann Backstage der Schankschluss plötzlich schon um ein Uhr ist... Aber für Alkohol finden sich auf jedem Festival Mittel und Wege, selbst in Frankreich. Prost!!!

I wie in der Frühe schon kotzen: Das muss in Frankreich trotz allem nicht sein. Der schlichte Grund ist optischer Natur: Hier fehlen schwitzend-verklebte Zehn-Tonnen-Bierbäuche völlig. Behauptet zumindest die Gredel Of Filth aus unserer Reisegruppe. Und trifft damit den französischen Herren-Nagel auf den oftmals mit Rastas ausgestatteten Kopf. Nur die französischen Mädels sehen nicht so legendär sexy aus, wie es Legenden erzählen. Jenseits solch subjektiver Beauty-Diskussionen sorgen CALIBAN und ABORTED für die belebende Morgendusche. CALIBAN mit extremem Death Metal-Core in der Tradition von HEAVEN SHALL BURN, ABORTED mit ihrem die Luft zersägenden technischem Death Metal. Die Jungs und Mädels aus Frankreich sind allesamt begeistert und diven schon zur Mittagszeit - da bleibt die Figur auch weiter sportlich-knackig... Banging High Noon!!!

J wie Jubelmut tut selten gut. Es ist nachmittags, mehrere Biere sind durch den Schädel gezischt. Der Körper ist enthemmt und will Spaß. Was gibt es da für ein besseres Accessoire als eine Wasserpistole aus dem Riesen-Supermarkt, nur 666 Blocks vom Festival entfernt steht so ein Ding. Leider währt die Wasser-"Jagd" auf Franzosen nicht lang: Ein gezielter Angriff führt zu plötzlichem Koordinationsverlust und einem spektakulären Seiten-Sturz in die Hecke. Beide Parteien sind nun geschlagen: der Franzose kann nicht mehr vor Lachen, des Autors Wasserpistole liegt auf dem Pflaster zerbrochen, er selbst im Lach-Koma. Peace Brothers!!!

K wie Killerbands, gleich drei Stück. Wenn da mal nicht der Nacken kollabiert! Die Ami-Fraktion von DYING FETUS, SKINLESS und SUFFOCATION legt die Hauptbühne samt den tausenden Zuschauern davor in Schutt und Asche. Klassenbester werden SUFFOCATION, niemand brüllt so irre und bösartig wie Frank Mullen. Da bangt sogar der Soundmann hinter seinem Mischpult - das darf er auch, der Sound ist bei allen drei Gruppen fabelhaft. DYING FETUS sind im internen Wettlauf zweiter Sieger, rufen ebenfalls völlig irre Reaktionen hervor. Ein durchdrehender Fan schreit immer wieder "Kill! Kill! Kill!". Unglaublich Hitze brütet da in der Halle, die Leute stapeln sich fast. Wasser! Bier! Diesel - oh, das kennen die Franzosen nicht, diese Mischung aus Cola und Bier. Egal, weiter. DYING FETUS-Sänger Vince Matthews: "Das war die beste Show bisher in Frankreich!" Dann grüßt er noch SKINLESS und SUFFOCATION. Es ist schon verrückt, dass SKINLESS da nur dritter Sieger sind, auch ihre wahnwitzige Death-Metal-Show hat das Zeug für einen Headliner-Posten auf einem kleineren Festival wie etwa dem Fuck The Commerce oder dem Obscene Extreme. Und SUFFOCATION: Ein Stück wie 'Deceit' vom neuen Album steht exemplarisch für all die Kraft und die 1000 Ideen in ihrem Todesblei - SAHFOKATION rules! Fast in Vergessenheit geraten da KILLSWITCH ENGAGE aus Massachusettes, die eine ordentlich brachiale Mischung aus Hardcore und Death Metal bieten - doch irgendwann braucht jeder Nacken eine Pause.

L wie Lieblings-Zerstörungs-und-alles-Plattmach-Band. Das sind für mich DILLINGER ESCAPE PLAN nach diesem Auftritt. Die Halle ist voll, logisch. Die fünf jungen Kerle kommen auf die Bühne. Eigentlich sehen sie voll harmlos aus, wie brave und liebe Geisteswissenschaftsstudenten. Doch diese Jungs studieren maximal Atomphysik. Denn was diese Chaostheoretiker musikalischer Sprengkraft nach ihrem Klavier-Intro tun, lässt den Fans vor der Bühne reihenweise die Sabber aus dem offenstehenden Maul tropfen. Wie Furien springen DILLINGER ESCAPE PLAN über die Bühne, die Sound-Anlage explodiert. Der Sound erinnert entfernt an ein bösartiges Geschwür aus Bands wie STRAPPING YOUNG LAD, MR. BUNGLE, NASUM und NEUROSIS. Doch DILLINGER ESCAPE PLAN klingen abgefahrener, extremer, unberechenbarer. Purer Krach? Ja! Und nein, weil es wohl keine andere Band gibt, die kontrollierter Hirn-Synapsen sprengen kann. Zum Kontrast haben sogar ruhig-manische Passagen im Sound von DILLINGER ESCAPE PLAN Platz. Einem Fan springt vor lauter Begeisterung mitten im Moshpit die Kontaktlinse aus dem vorquellenden Augen - er fängt sie auf und stopft sie wieder rein, grinst und bangt weiter. Was für ein Kunststück! DILLINGER ESCAPE PLAN machen eben nicht nur irrsinnigen Spaß, sondern verbessern sogar eure Reaktionsfähigkeit - schafft so etwas noch eine andere Band?!

M wie Mind-Bashing oder Gehirn-Weichschütteln. Der Abend ist noch lange nicht vorbei! Jetzt stehen nacheinander MALEVOLENT CREATION, MESHUGGAH und FEAR FACTORY auf dem unerbittlichen Programm. Bei MALEVOLENT CREATION steht schon im Programmheft folgender niedlicher Satz: "Un groupe de furieux qui maîtrise les riffs bestiaux et son tempo agaçant de technicité et de rapidité." Klingt doch voll niedlich... Furieux sind die Jungs allemal, sie entfachen einen Sturm mit vielen Songs der neuen Scheibe "Warkult". Dies alles passiert auf der kleineren Velvet Stage - das Tempo der stetig steigenden Körper-Ermattung zieht rapide an. Einem französischen Fan ist es schon so warm, dass er sich komplett auszieht und nackt durch den Pit springt. Die Amerikaner danken solche Leistungen mit einem großartigen Death-Metal-Set. Punkt.
Bühnenwechsel zu MESHUGGAH. Liedtitel werden langsam egal. Treiben lassen in einem Sound aus frickeligen Thrash-Parts, göttlichen Breaks und dem bedingungslosem Glauben an die eigene Mosh-Fähigkeit. Augen zu dabei... Bupp, und aus... Leider nur 45 Minuten MESHUGGAH. Diese Jungs müssen unbedingt auf eine Europa-Tournee! Nun: FEAR FACTORY. Kurzer Gedankenschwenker: Wie in jedem Land der Welt gibt es auch in Frankreich ein wirklich cooles Verkehrsschild. Auf diesem ist in einem roten Kreis ein Auto zu sehen, bei dem die Kühlerhaube rot explodiert. Dieses Schild steht exemplarisch für die Show von FEAR FACTORY. Die Fans sind allesamt schon vorher auf 180 Grad erhitzt, schließlich kommen jetzt die Erfinder des technisierten Industrial Death Metals. Und wie sie kommen. 'Dog Day Sunrise' reißt Löcher in den Kopf, Striemen an den Knien und macht alles weg. Im Hintergrund blinkt blaues und grünes Licht. Leider fehlt im Set der 'Self Bias Resistor', dafür krachen 'Scumgrief' und 'Mathyr' von der Debüt-Scheibe. Die neuen FEAR FACTORY-Sachen klingen ähnlich zermalmend. 90 Minuten lang brüllt und singt sich Burton C. Bell die Seele aus dem Leib. Dazu kann er noch allen Zuschauern seine neuen schwarzen Haare zeigen. Was für ein Auftritt, was für eine Band!!!

N wie Nichts geht mehr! Kurze Zusammenfassung des Samstags: Sieben potentielle Headliner so nah beieinander sind fast schon zu derb. Oder nein, eigentlich nicht. Denn die Weinproduktion in Frankreich ist ja auch noch aktiv. Das rote Gesöff killt schnell und wirksam jeden Nackenschmerz. Auffälligste Gemütsänderung im Vergleich zum vergangenen Abend: Die aktuellen Fußballergebnisse werden mit längerem Festival-Aufenthalt zunehmend unwichtiger. Eine große Leinwand für die Spiele gibt es nicht, den Besuchern scheint völlig egal, dass ihre Nationalmannschaft aus der EM gepurzelt ist. Fern solcher Gedanken ist bald auch die letzte Hirn-Synapse mit Wein beschwippst. Dann wäre ja alles geklärt, denkt da mancher. Nein! Denn nun lassen es sich es die Veranstalter nicht nehmen, die betrunkene Journalistenmeute höchstpersönlich ins Hotel zu fahren. Da gewinnt der Spruch "Leben wie Gott in Frankreich" völlig neue Dimensionen.

O wie Oh Gott, mein Auge. Irgendwie haben die widrigen hygienischen Bedingungen des Festivals zu einem roten Matsch-Bindehautsentzündungs-Auge beim Autor geführt. Macht nichts, Kontaktlinsen rein, Sonnenbrille auf und ab geht's zu NASUM. Deren neuer Bassist fängt wie schon beim Fuck The Commerce seine Rotze geschickt mit seinem verunglückten Vollbart auf und betrinkt sich nach dem Gig ganz furchtbar. Während des Auftritts wirken die Schweden aber immer auf der Grindcore-Höhe der Zeit und versprühen unbändige Gitarren-Stromschlag-Kraft. Leider dauert die Drescherei nur 30 Minuten, die Fans sind trotzdem begeistert. Da DEICIDE gleich gar nicht gekommen sind, verschiebt sich ab nun auf der Hauptbühne alles um eine Stunde, auf der Velvet Stage bleibt alles gleich. Leider steht diese Information nirgends. So verpasst man dann BURST. Gnarf!!! Ansonsten werden aber alle Spielzeiten sehr genau eingehalten, ein Umstand, der später nur noch von SLIPKNOT gebrochen wird...

Ö wie ölige Piss-Spuren im dreckigsten Klo Frankreichs Ja, hier ist es. Auf dem Zeltplatz mit rund 10.000 Leuten ist auch heute nur ein Klo-Container zu finden. Der besitzt zwar Wasserspülung, doch welche Haut-Schwären man sich hier trotzdem holen kann, will eigentlich niemand so genau wissen. Im Gelände gibt es dann nochmal einen Klo-Container, außerdem sind neben der Mainstage noch fest verankerte Toiletten. Trotzdem will ich hier keinen Durchfall haben. Langes Klogesitze würde auf dem Fury Fest bestimmt zu Verätzungen und anderen schlimmen Erscheinungen führen. Die Nasenreizung durch stinkende Brühe reicht schon. Da vergiften wir uns doch tausendmal lieber mit Alkohol.

P wie Power oder Kraft. Das haben die fünf Jungs von CARNAL FORGE auf jeden Fall. Pfeilschneller Thrash Metal mit schwedischem Anstrich - so etwas macht Laune und verursacht wiederum ein komplett wechselfähiges Schweiß-Shirt. Wenigstens schwitzen die Musiker auf der Bühne genauso: Es ist schon ein Wunder, dass die CARNAL FORGE-Jungs ganz schöne Wonneproppen sind, so wie sie live über die Bühne hetzen und ohne Unterlass bangen. Der Sänger übt sogar Seilhüpfen mit dem Mikrokabel. "Aren't You Dead Yet?" fragt die neue Platte der Schweden. Antwort nach diesem Hammer-Gig: "Fast!" Für sich selber wollen es CARNAL FORGE nach dem Gig auch wissen: Sie helfen kräftig mit, das gesamte Bier im Backstage-Bereich zu vernichten und haben daran auch sichtlich Spaß. Echte Rocker, diese Jungs...

Q wie Quark machen. Dazu gehört der Festivalsport Nummer Eins: Leute anbrüllen. Am Anfang scheinen viele Franzosen ein bisschen pikiert über die deutsche Sittenlosigkeit, später machen sie gern und oft selber mit. Das ist echte Völkerverständigung: Globales Niveau-Senken auf breiter Basis. Außerdem ist den meisten Franzosen-Jungs und Mädels langsam sowieso alles egal. Der Lack ist ab...

R wie richtig Posen. Sich blöde vor irgendeinen Fotoapparat stellen, das Fury Fest hat ein ideales Gelände dafür. Denn dieses Festival versteht sich ja neben den ganzen Death-Metal-Sachen als echtes Alternative-Festival. So gibt es eben auch eine Wand, an der sich Graffiti-Künstler austoben können. Dort sind fantasievolle Figuren im Überfluss hingemalt. Der Ober-Poser kann sich nun daneben stellen und sich in völlig kranken Gesichtswendungen ergehen - dann nur noch knipsen und fertig ist das Schockbild für jeden Fotoladen. Wer nicht so albern sein will, geht in den Metalmarkt.
Der steht auch für R wie richtig Geld ausgeben. Puh, der Markt ist groß und teuer, dafür gibt es hier auch ein paar richtige geile Krach-Scheiben. Von Hard Rock und ähnlichen Krankheiten hat hier noch niemand etwas gehört, dafür stapeln sich Scheiben von NEUROSIS, DILLINGER ESCAPE PLAN oder Bands mit DIS am Anfang... Außerdem zeigt der Laden, warum es in Frankreich kaum Leute mit Aufnäher-Kutten gibt: Ein Patch kostet lockere vier Euro.

S wie Soccer oder Football am nachmittag. Hier eignen sich diese allgegenwärtigen fünf-Liter-Kanister mit rotem Landwein sehr gut. Ist ein solcher Kanister erst geleert, entwickelt er nach dem Anstoß die netten aerodynamische Flugeigenschaften einer aufgeschreckten Henne und rappelt kurz über dem staubigen Boden dahin. Auch hier sind die Franzosen erst skeptisch: Was machen die denn, warum sind die so laut? Doch bald kommen sie und die Dinge geraten in eine gewisse Eigendynamik. Am Ende spielen schon 15 Leute Fußball. Trainieren die nun weiter für eine spätere Karriere in der französischen Nationalmannschaft? Wenn ja, dann wird Deutschland auch wieder gegen Frankreich siegen. Mission completed...

T wie Terminatoren des Death Metal. MORBID ANGEL gehören dazu. Eindrucksvoll zeigen sie warum. Ein Song wie 'Chapel Of Ghouls' knallt noch in hundert Jahren. Trey Azagthoth wickelt sich auch in Frankreich wie ein besenkter Turbo-Kaugummi um seine Gitarre, trägt immer noch diese tollen weißen Turnschuhe und diese unsagbar engen Leder-Hosen. Und Pete Sandoval ist zwar nicht mehr der jüngste Drummer, auch nicht mehr der beste, aber immer noch Lichtjahre von 90 Prozent der Konkurrenz entfernt. Das wackelnde Drumkit sieht man schon von Weitem. Steve Tucker ist stimmlich wieder voll auf gewohnter Brüllhöhe - alles perfekt, 45 Minuten formidables Death-Metal-Entertainment von der ehrlichen Sorte.

U wie Unterricht in Blödsinn. Mampfen, diesmal backstage. Dort gibt es für die Bands und Mitarbeiter Garnelen, Lasagne und noch viel mehr. Sogar ganze Flaschen Wein stehen im Angebot. Doch zurück zu den Garnelen, diese kleinen Krebse mit den putzigen Knopfaugen. Ist einmal das Fleisch herausgepult, steckt ihr eure nun körperlosen Freunde einfach auf die Fingerkuppen. So habt ihr ganz schnell fünf Garnelenköpfe an jeder Hand. Und Simsalabim, nun habt ihr auf einmal das am meisten nach Fisch stinkende Puppentheater der Welt in euren Griffeln. Lernt dazu noch Bauchreden, dann werdet ihr damit noch reich... Oder ihr führt eure Garnelen-Theater-Stücke beim Fury Fest in Frankreich auf und zieht mehr als verwunderte Blicke auf euch.

Ü wie Überquellen. Es quillt. Die Massen wollen am Ende SLIPKNOT sehen. Rückblickender Gedanke: Hier war einfach mal niemand unsympathisch, hier in Frankreich. Zwar sind insgesamt auch viele andere Subkulturen auf dem Fury Fest vertreten, doch alle waren saumäßig freundlich zum typisch deutschen Metal-Head. So ist es nur logisch, dass der einzige Unsympathling aus good ol' Germany ist, vom OX Fanzine kommt und politisch korrektes Gesabbel von sich gibt. Uaaaaargghh... Zurück in die Halle, die ist immer noch mehr als randvoll. Selbst davor stehen Leute. 23.30 Uhr ist es schon, es fängt nichts an... Zeit für ein Bier. Backstage - dort herrscht ebenfalls schon eine ganz schön laute Geräuschkulisse.

V wie volle Rage. Der Sänger der französischen Death-Trasher SCARVE, Guillaume Bideau, ereifert sich über SLIPKNOT. "Was für ein Dreck!" Außerdem findet er den eigenen Backstage-Bereich der Maskenträger zum Kotzen, vor allem, weil der nur von irgendwelchen Groupie-"Bitches" genutzt wird. Und dann weiß er noch etwas: Laut Vertrag darf man SLIPKNOT nicht in die Augen schauen. Als er das alles erzählt, ist er allerdings nicht mehr ganz nüchtern... Doch die Groupie-Dichte im Backstage-Bereich hat sich just an diesem Abend tatsächlich stark erhöht. Auf der nebenstehenden Main Stage tut sich immer noch nichts. Nächstes Bier und dann hin...

W wie Wichser. Mit einer guten dreiviertel Stunde Verspätung kommen SLIPKNOT auf die Bühne, ohne Entschuldigung. Die Fans sind sauer. Tagsüber liefen noch viele Leute in T-Shirts ihrer Masken-Helden umher, jetzt nachts ist nicht mehr viel davon zu spüren. Sprechchöre. "SLIPKNOT, enculé" rufen sie alle. Auch das klingt völlig harmlos, heißt aber: "Fickt Euch, SLIPKNOT". Flaschen fliegen, Plastik-Becher. SLIPKNOT-Sänger Corey gießt weiter Öl ins Feuer und meint: "We don't care what you want to hear." Selbst eingefleischte Fans samt "Maggots"-T-Shirts schütteln da wütend ihre Fäuste. Trotzdem lassen sich SLIPKNOT nicht beirren. Aber der Becherhagel wird immer größer, die Chöre lauter - die Sache entwickelt wiederum eine gewisse Eigendynamik. Auch dann, wenn man sich ganz am Ende der Halle kurz hinlegt und seinen Kopf an eine vibrierende Art von Garagentür hält. What for a FeEeEeEeEeEeEeling! Schließlich hauen SLIPKNOT nach 45 Minuten ab und sagen artig "Fuck You!" Ein Freudenfest wäre das gewesen für so viele SLIPKNOT-Hasser in der Welt...
Aber es ist auch irgendwo gerecht: Nach einem göttlichen und ehrlichen Drei-Tage-Krach-Marathon ein solch arrogante, unmotivierte und lächerliche Posing-Crew auf der Bühne zu haben, da rupfen selbst dem friedlichsten Franzosen die Nervenstränge. Pech gehabt, ihr Maskenträger, die ihr eure Gesichter nicht einmal den Fans zeigen wollt - Selbstgefälligkeit und Starallüren gehören eben zu BON JOVI und Co. und nicht auf ein Hardcore-Death-Metal-Festival. Da kann eure Musik und die neue Platte noch so außergewöhnlich sein und in allen Metal-Blättern gelobt werden.

X wie Xtra-krasse Penis-Spiele nach dem Alkbad am Backstage-Tresen. Kein Bier mehr backstage. Dafür holen die Jungs am Tresen jetzt Jack Daniels gleich flaschenweise raus. SLIPKNOT sind nirgends zu sehen, die Groupies dafür noch da. Die Verarztung mit Jackie Cola bringt den gewünschten Erfolg. Im Hotel geht es weiter... Franzosen kommen ins Zimmer, fünf Stück. Wer bis jetzt noch dachte, dass Franzosen brav sind: Nicht weiterlesen!!! Irgendwann in einer langen Nacht holt, nennen wir ihn Pierre, seinen Schwanz heraus. Dort hält er ein Feuerzeug ran. Nur kurz, aber zumindest ein paar Haare in Penis-Mann Pierres Körpermitte sind abgesengt. Tstststs - Sitten sind das hier im Franzen-Land...

Y wie Y als Zeichen für den Weg nach Wohin... Wohin? Würg! Vorbei! Sterben! Langsam! Wo ist der Bahnhof? Links oder rechts? Der Zug kommt erst später. Liegen im Dreck. Sterben. Dort sitzen die dreckigsten französischen Punks überhaupt und wollen gebrauchte Melodic-Rock- und FEAR FACTORY-CDs verkaufen. Da fühlt man sich trotz des eigenen Alk-Katers noch voll elitär. Nur die Hunde der Punks verstehen nicht, dass sie endlich abziehen sollen: "Go away, Hund! Sonst Kochtopf!"

Z wie Zoshhh (!) in der Pariser Metro oder Zoing-Boing (!) im Langstreckenbus. Paris - Stadt der Liebe. Und der dreckigen Metro. Da fällt man wenigstens nicht auf. Aber Vorsicht: Dort gibt es schmale Durchlässe mit Türen, die "Zoshhh" machen und zuknallen. Mit viel Gepäck macht es dann auch ganz fix "Zoshhh" und euer Rucksack ist gefangen, ihr hängt in der Falle wie in einem Spinnennetz. Und das mit 1,0 Rest-Promille. Die Befreiung gelingt zum Glück. Odysee. Endlich im Bus - wieder mit Eurolines. Ein Kinder-Computer macht mindestens eine Stunde lang "Zoing-Boing". Da nervt selbst die Eigenwerbung per eingebautem Bus-Fernseher kaum noch. Wir sitzen nämlich in einem "Setra"-Bus, und was der alles kann, verrät der Film: "vielfältige Ausstattungsmöglichkeiten", "neue Maßstäbe der Wasserspülung", "nur 0,5 Liter Diesel pro Person auf 100 Kilometern" und "die Fahrgäste kommen entspannt an". All das gipfelt in einem finalen Satz: "Das Erlebnis Omnibus, in einem Setra wird es wahr." Letzter Gedanke vor dem Einschlafen: Setra, in dir will ich ewig wohnen. Grunz...

PS: Die komplette Band-Reihenfolge vom Fury Fest noch einmal im Überblick...

Freitag - Mainstage:

Soulfly
Testament
Hatebreed
Dropkick Murphys
The Haunted
Ignite
Blood for Blood
Banane Metalik
Gronibard

Freitag - Velvet Stage:

Shai Hulud
Give Up The Ghosts
The Hope Conspirancy
Born from Pain
Curl Up And Die
Benighted
Comity
8 Control
Ftx

Samstag - Mainstage:

Fear Factory
Meshuggah
Chimaira
Suffocation
Killswitch Engage
Dillinger Escape Plan
Skinless
Funeral for a Friend
Dying Fetus
Caliban
Paint the Town Red
Transmission 0
Korum
Jetsex

Samstag - Velvet Stage

Peter Pan Speedrock
Malevolent Creation
E Town Concrete
Aborted
Throwdown
Deadline
Sworn Enemy
Walls of Jericho
I Defy
Defdump
Morgue
Doggystyle
Life kit
No Compromise

Sonntag - Mainstage

Slipknot
Morbid Angel
Agnostic Front
Discharge
Loudblast
Mad Sin
Unsane
Nasum
Terror
Dew Scented
Scarve
Tantrum
Disturb

Sonntag - Velvet Stage

Eletrika
Ackercoke
Zeke
Stampin Ground
Jr Ewing
Carnal Forge
Street Dogs
Burst
Do or Die
Vitamin X
Textures
Eradicate
Imply in All
Actions Fall Short

Redakteur:
Henri Kramer

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