Gamma Ray - Langen

07.10.2001 | 04:10

05.10.2001, Stadthalle

Zwei Jahre ist es her seitdem GAMMA RAY die deutschen Bühnen das letzte Mal beehrten. Mit einer wahrlich bärenstarken Scheibe sowie den Melodic-Speedstern SONATA ARCTICA und den australischen Power-Proggies VANISHING POINT im Gepäck ging´s nun wieder auf Tour um der riesigen Fangemeinde ein weiteres Mal zu demonstrieren, wer die Macht im traditionellen Heavy Metal ist. Die schöne Stadthalle in Langen bei Frankfurt/Main erwies sich dabei als idealer Veranstaltungsort, zu dem sich zwischen 800 und 900 zahlende Nasen einfanden.

Die Sympathiebolzen von VANISHING POINT hatten nach ihrem Wacken-Auftritt 2000 nun endlich die Chance, ihr sehr melodisches, eingängiges und trotzdem reichlich progressives Material einer breiten Masse zu präsentieren - und die nutzte die Band sehr konsequent.
Es gab ausschliesslich Songs vom aktuellen Album "Tangled In Dream" zu hören, wovon sich die Aussies die besten Stücke ausgesucht hatten: "Closer Apart", "Surreal", der Überhammer "Never Walk Away" oder "Father (7 Years)" sind nur einige Beispiele, mit denen VANISHING POINT das langener Publikum schnell auf ihrer Seite hatten. Unterstützt vom druckvollen und glasklaren Sound und der immensen Spielfreude aller Bandmitglieder (die allesamt mit einem breiten Dauergrinsen über die Bretter hopsten) wurde dieser Auftritt zu einem kleinen Siegeszug - waren die Kanguruhreiter vor dieser Tour noch eindeutig unter "Geheimtipp" einzuordnen, so dürften sie sich nun über eine deutlich gewachsene Fangemeinde freuen. Hervorzuheben wäre neben der makellosen technischen Performance noch der klasse Gesang von Silvio, der es tatsächlich schaffte, noch einen Tick energetischer und leidenschaftlicher zu klingen als auf Silikon. Beide Daumen hoch!

SONATA ARCTICA sind mittlerweile sicherlich keine Unbekannten mehr, jedoch fand ich die bisherigen Darbietungen aus Suomi nicht sonderlich gelungen. Die Tour mit STRATOVARIUS im letzten Jahr bescherte der Truppe zwar eine Menge neuer Fans, zeigte allerdings auch, dass die blutjunge Band noch eine Menge zu lernen hat. Auch beim Wacken Open Air in diesem Jahr agierten die Nordmänner alles andere als auf der ganzen Linie überzeugend.
Diese Tour war nun also die Möglichkeit, den Beweis anzutreten, dass auf der Haben-Seite mehr steht als ein tolles Debutalbum und ein recht ordentlicher Zweitling.
Leider gelang das SONATA ARCTICA nicht ganz: Bei langsameren neuen Stücken wie "The End Of This Chapter" bot Sänger Tony eine tolle Gesangsleistung, offenbarte bei schnellen Songs wie "Weballergy" oder "Black Sheep" aber wiederum deutliche Defizite. Musikalisch ging der Auftritt allerdings wirklich in Ordnung, obwohl man zu Beginn mit einigen kleinen Soundproblemchen zu kämpfen hatte. Den Fans war´s egal, die Finnen wurden sehr ordentlich abgefeiert.
Man muss SONATA ARCTICA allerdings attestieren, dass sie mittlerweile trotz des recht niedrigen Durchschnittsalters einen professionellen Eindruck machen und deutlich erwachsener geworden sind.
Leider sind sie auch genau zu dem geworden, was sie nie sein wollten: Eine poppige STRATOVARIUS-Kopie.
Bloss mit dem Unterschied, dass trotz einer an Tolkki angelehnten Gitarrenarbeit und einem schräg gestellten Keyboard das Original diese Kopie noch um Längen schlägt.
Schade nur, dass die Originalität und der Spielwitz aus Debut-Zeiten fast völlig verschwunden sind.

Dann war es endlich so weit: Die ersten Klänge vom Intro "Induction" erklangen und GAMMA RAY betraten mit "Dethrone Tyranny" wie einem Paukenschlag gleich die Bühne. Nicht nur musikalisch, auch rein optisch besann man sich auf das Nötigste: Lediglich ein kleiner GAMMA RAY-Banner wehte vom Drumpodest, kein Vergleich zur pompösen ´99er-Tour.
Die versammelte Meute war erwartungsgemäß schnell auf der Seite der Hanseaten, und dass "No World Order" auch bei den Fans richtig gut ankam, zeigte die Tatsache, dass ausnahmslos alle Songs, neue wie ältere, mitgesungen wurden.
Kai stellte dann Markus Grosskopf vor, der die erste Hälfte der Show für den noch nicht ganz fitten Dirk Schlächter spielen sollte - und Markus machte seine Sache wirklich grossartig, insbesondere beim kurzen Bass-Intermezzo von "Follow Me". An neuen Tracks gab´s noch "New World Order", "Fire Below" und "Eagle" zu hören. Im Übrigen überbot Kai EDGUYs Tobi mit dem wohl schlechtesten Witz seit Menschengedenken: "Was ist klein, stachelig und kann nicht fliegen? Ein Eagle!"
"Short As Hell" war dann der einzige Beitrag vom "Powerplant"-Album, ansonsten wurde die Fangemeinde mit Standards wie "Man On A Mission", "Land Of The Free", "Rebellion In Dreamland" verwöhnt, bevor mit "Somewhere Out In Space" nach etwas mehr als einer Stunde der letzte Song angekündigt wurde. Hier gab´s natürlich mal wieder den ellenlangen Mitsingpart und einen kurzen Auftritt vom GAMMA RAY-Maskottchen Fangface, der die Menge animierte - naja.
Hansen & Co. hatten sich noch gar nicht richtig von der Bühne verabschiedet, da legten sie mit "Valley Of The Kings" schon wieder los. Kai kündigte danach den "Alptraum aller Gitarristen" an, während sich Markus Grosskopf und Dirk Schlächter gemeinsam mit je einem Viersaiter auf der Bühne postierten - geil! Das kurze "In der Halle des Bergkönigs"-Zwischenspiel schlug dann schnell in den HELLOWEEN-Gassenhauer "Future World" um, den die gesamte Halle noch lauter intonierte als die Herren auf der Bühne. Schade nur, dass diesem Doppel-Bassistenauftritt der Übersong "Heading For Tomorrow" zum Opfer fiel, aber man kann ja bekanntlich nicht alles haben.
GAMMA RAY zeigten an diesem Abend äusserst eindrucksvoll, dass mit ihnen noch lange zu rechnen ist und sie neben PRIMAL FEAR das absolute Maß der Dinge in Sachen traditioneller Metal sind - nicht nur national.
Henjo Richter und Kai Hansen duellierten sich auf ihren Griffbrettern wie selten zuvor, Kai´s Gesang kam dank des spitzenmässigen Sounds genauso klar und brilliant aus der P.A. gekrochen wie man es mittlerweile erwartet, und die Rhythmusabteilung um Dan "Dampfhammer" Zimmermann und das Bassduo Grosskopf/Schlächter spielte ihre ganze Klasse und Routine aus.
Das war wirklich ein energiegeladenes, beeindruckendes und vor allem ein von GAMMA RAY auf der ganzen Linie überzeugendes Konzert, welches die Messlatte für einheimische Acts um einiges höher legen dürfte. VANISHING POINT waren eine richtige Bereicherung, während sich SONATA ARCTICA leider selbst im Wege standen - trotz allem ein äusserst gelungener Abend!

Ein besonderes Dankeschön geht an dieser Stelle noch an die Soundtechniker in Langen, die endlich auch mal das Rhein-Main-Gebiet in den Genuss eines Klassesounds brachten, sowie an COURAGOUS-Gitarrero Gerd, der mir das Fotografieren auf und vor der Bühne ermöglichte.

Redakteur:
Rouven Dorn

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