Green Carnation - Glauchau
10.12.2003 | 10:2507.11.2003, Alte Spinnerei
GREEN CARNATION & MÖRK GRYNING & SUIDAKRA & AEVERON
7.11. Glauchau, Alte Spinnerei
Fünf Männer sitzen zu nachmitternächtlicher Stund um einen hölzernen Tisch und singen norwegische Volkslieder. Unter ihnen der vielleicht wichtigste Mann dieses Abends: Terje Vik Schei, alias Tchort. Der CARPATHIAN FORREST-Gitarrist, früher bei EMPEROR und SATYRICON beschäftigt, gründete 1990 die Band GREEN CARNATION und legte sie bereits 1991 wieder auf Eis. Aus einem Alptraum erwacht taute er sie 1998, nachdem seine Tochter gestorben war, wieder auf. In Originalbesetzung wurden 1999 „Journey To The End Of Night“ und das 60 minütige Meisterwerk „Light Of Day, Day Of Darknesss“ aufgenommen, von dem GREEN CARNATION an diesem Abend eine halbe Stunde lang verschiedene Themen zu einem musikalischen Traum verschmelzen. Eingetaucht in rotes, grünes und blaues Licht verausgaben sich die sechs Musiker bis zum klanghaften Orgasmus. Hinter ihnen laufen Bilder von Wellen aus Wasser in allen Farben, die miteinander spielen, verschmelzen und sich wieder trennen. Wie bei Pink Floyd vermag diese Band Frequenzen zu einem organischem Ganzen zu vereinen, so intensiv, dass es fast wehtut. Dabei haben die norwegischen Düstermusiker riesigen Spaß am Spiel. Besonders Roger Stein am Bass spielt so exzessiv, dass er plötzlich vor Anders Kobro am Schlagzeug zu liegen kommt und trotzdem weiterspielt. Eher bedacht lauscht das Auditorium dem Gesang von Kjtel Nordhus. Für die einen besitzt er eine opernhafte Stimme, für die anderen bedeutet sein lautstarkes Organ Kopfschmerz. Diese Migräne geplagten Herren ziehen sich denn auch bei GREEN CARNATION an die Bar zurück, während andere Musikliebhaber auch zum gar nicht schwarzmetallischen sondern eher arschrockenden Sound der Norweger ihre Haare kreisen lassen. Darunter könnten sich sogar ein oder zwei Jazzfans befinden, die dank der 30 minütigen Session heute Abend verzückt nach Hause gehen können. Die andere Hälfte des Konzerts bestreiten GREEN CARNATION mit Hits vom preisgekrönten aktuellen Album „A Blessing In Disguise“. Gesegnet ist diese Band auf ihrer Tour von einem eher auserlesenen Publikum, das die Spielstätten recht locker füllt. Runde 250, darunter Kommer und Geher, sind heute Abend in der Spinnerei versammelt. Viele von ihnen möchten nur die schwedischen MÖRK GRYNING erleben, welche sich vor GREEN CARNATION die Ehre geben. Die spielen immer noch relativ echten Black Metal und zwar mit atemberaubender Geschwindigkeit. Frostig, rau und winterwäldlich wechseln sturmhaftes Riffing und Drumming mit beinahe zarten Leadparts bis sich wieder eiskalt technoide Frequenzen ins Spiel mischen. Die Schwarzmäntel- und Sternträger im Publikum danken es ihnen.
Für Bewegung sorgen auch die zwei deutschen Bands SUIDAKRA und AEVERON. Als zweite Band betreten SUIDAKRA die Bühne. Sehr verspielt und trotzdem hart überraschen die vier Musikanten mit Schwedentod und folkigen Untermalungen. Damit bringen sie eine Leichtigkeit in ihr Spiel, die den Zuhörern offensichtlich gut gefällt. Die Mannen aus dem Ruhrpott sind sogar zu Scherzen aufgelegt: „Was haben eine 20jährige und eine 60jährige zwischen ihren Brüsten? Die 20jährige nichts, die 60jährige ihren Bauchnabel.“
AEVERON meistern ihre Aufgabe als erste Band an diesem Abend, nämlich möglichst viele Leute an die Bühne zu ziehen, ebenfalls. Zwar findet sich an ihrem Death-Metal kaum etwas besonderes, doch bohrt sich die Kreischstimme von Sänger Thomas recht teuflisch ins Ohr und die neueren Stücke der Zwickauer lassen immerhin ein wenig den Atem BORKNAGAR’s spüren. Nach ihrem Auftritt leistet die Band harte Überzeugungsarbeit und verteilt Demo-CD’s. Das Material darauf lässt auf höheres musikalisches Potential schließen! Das scheinen die Zwickauer Fans auch so zu sehen und applaudieren für den Sechser, der als Lokalmatador die Bühne betritt. Im hinteren Raum der Alten Spinnerei warten unterdessen die anderen Musiker entspannt auf ihren Auftritt. Neun Konzerte der insgesamt 13 Gigs umfassenden „Darkness in Disguise“-Tour haben sie schon hinter sich und laut Kjtel Nordhus jeden Tag gute Reaktionen im Publikum gehabt. Ausverkaufte Konzerte wären wünschenswert, aber unverhüllte Dunkelheit verkauft sich wohl derzeit besser. Dafür erfreuen sich Genies erfahrungsgemäß dann eines späten und langen Ruhms. Geduldig packt der GREEN CARNATION-Sänger die Merchandise-Artikel wieder ein, bis morgen Abend in Münster.
Gastautorin: Wiebke Rost
- Redakteur:
- Henri Kramer