HEAVEN SHALL BURN, PARKWAY DRIVE - Offenbach
09.12.2014 | 14:1903.12.2014, Stadthalle
Ausführlicher Konzertbericht zur "Tour Of The Year" mit den beiden Metalcore-Giganten
Was haben die beiden Headliner und ihre Promo-Agenturen nicht alles getan, um die Erwartungen im Vorfeld anzuheizen: Als "Tour of the year" wurde das Doppel-Headliner-Package der australischen Metalcore-Institution PARKWAY DRIVE und des Thüringer Schlachtschiffs HEAVEN SHALL BURN beworben, Gewinnspiele um einen Coversong-Contest ausgerufen, zudem "einige Überraschungen" für die Shows angekündigt. Die beiden unbestrittenen Meister der todesmetallischen Körnermucke moderner Prägung beschworen in Interviews und unterhaltsamen Video-Battles ihre Freundschaft, die ihren Ursprung in der gemeinsamen Südamerika-Tour im Frühjahr 2014 hat. Dabei wäre all dies nicht einmal notwendig gewesen. PARKWAY DRIVE! HEAVEN SHALL BURN! Gemeinsam auf der Bühne!! Hierzulande leckten sich Heerscharen von Fans die Finger nach diesem fantastischen Lineup, das da südwestlich des Atlantiks die Hallen zerlegte – und nur wenige Monate später sollte der Traum hierzulande wahr werden! Wieso dieser zusätzlich Hype im Vorfeld? Trugen etwa die beiden Bands selbst dafür die Verantwortung, hatten sich da tatsächlich Brüder im Geiste gefunden, die nun ihren Anhängern etwas ganz Besonderes bieten wollten? Oder ging es den Konzertagenturen darum, die Kuh nur noch fester zu melken, in freudiger Erwartung satter Gewinne? Wie dem auch sei – zahlreiche Konzerte waren ausverkauft, in Hallen, die oft mehrere Tausend Zuschauer fassen. Hier ist entweder eine Marketingstrategie aufgegangen oder es sind schlicht zwei der besten und beliebtesten modernen Metalbands der zweiten Dekade des 21.Jahrhunderts unterwegs.
Ich für meinen Teil kann letzterem auf alle Fälle zustimmen. Die jungen Herren um die unbestrittenen Elite-Schreihälse Winston McCall und Marcus Bischoff begeistern schon seit etlichen Jahren mit qualitativ hochwertigen Veröffentlichungen, kraftstrotzenden Liveshows und sympathischem Auftreten die Massen. Hat denn schon irgendwer einen lustlosen Auftritt des Fünfers aus Byron Bay erlebt? Irgendjemand einem HEAVEN SHALL BURN-Konzert beigewohnt, bei dem nicht anschließend das Publikum völlig zerstört, aber freudestrahlend den Kampfplatz verließ? Eben. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass zum nahezu ausverkauften zweiten Deutschland-Termin dieser Tour etwa 3000 Menschen in die Stadthalle Offenbach strömen. Der PARKWAY DRIVE-Auftritt 2012 im berstend vollen Schlachthof von Wiesbaden ist noch unvergessen, und wieder kann eine Schippe draufgelegt werden?! Nun gut. Was erwartet also den gespannten Fan auf dieser Tour des Jahres?
Früh am Abend, bereits um halb sieben fällt der Startschuss. Einen recht kurzen, aber sympathischen Auftakt legt NORTHLANE hin. Die Stadthalle ist schon ordentlich gefüllt, und der atmosphärisch angehauchte Metalcore der PARKWAY DRIVE-Landsmänner scheint zumindest beim jüngeren Publikum gut anzukommen. Die ersten überschaubaren Moshpits werden aufgemacht, und Sänger Marcus Bridge, der mit seiner Emo-Frisur und dem knielangen T-Shirt aussieht, als sei er gerade aus der Schlafkoje des Tourbusses gefallen, macht dem Publikum ordentlich Dampf. Teils störe ich mich an den gelegentlich weinerlichen Passsagen, doch immer wieder holt der sympathische Fünfer die Konzertbesucher mit knallharten Moshpassagen aus ihren Träumen zurück. Für einen Einheizer auf alle Fälle eine gute Wahl.
CARNIFEX dürfte dem Publikum schon eher ein Begriff sein. Der ultrabrutale moderne Death Metal der Kalifornier sorgt für deutlich mehr Bewegung und Hunderte gereckter Hörner in der sich stark füllenden Halle. Mir ist dieses gewalttätige Geballer irgendwie zu stumpf, und ich nutze die Zeit, um diverse Kameraperspektiven im Raum zu testen, während sich Fronter Scott Lewis auf der Bühne die Seele aus dem Leib brüllt. Eine Band, der man nicht im Dunkeln begegnen will. Es ist noch früh, doch angesichts der plumpen Hassattacke da vorne steigt meine Vorfreude auf die beiden Headliner ins Unermessliche. Hinter den Schlächtern von CARNIFEX türmt sich ein riesiger, stoffverhangener Berg auf der Bühne. Was hat die Modern-Death-Allianz von PARKWAY DRIVE und HEAVEN SHALL BURN da vorbereitet?
Dann räumt CARNIFEX das Feld. Bekanntermaßen sollen sich die beiden befreundeten Mainacts bei jedem Auftritt in Deutschland abwechseln. Wer würde heute beginnen? Der T-Shirt-Vorteil im Publikum liegt klar bei den Australiern. Aber auch ein HEAVEN SHALL BURN-Gig dürfte in jedem Ort der Republik ein Heimspiel sein. Nun, die Bühne wird vorbereitet, der Vorhang gelüftet: Ein riesiger, stilisierter Trümmerhaufen, eingerahmt von zwei mächtigen Flaggen, bildet die Mitte des Podiums – und obendrauf thronen zwei Schlagzeug-Sets! Sieht äußerst vielversprechend aus!
Und dann, hell yeah, geht es endlich los – mit HEAVEN SHALL BURN! Zu dem mittlerweile obligatorischen "Das Boot"-Intro betritt das ostdeutsche Revolutions-Kommando die Bühne. Mit 'Voice Of The Voiceless' wird gar nicht lange gefackelt und ein Klassiker abgebrannt, der die erwartungsvolle Meute sogleich ekstatisch durchdrehen lässt. Herrschaftszeiten, welch ein Fest! Was die Thüringer hier bieten, ist musikalisch einmal mehr einwandfrei und energieintensiv bis zum Bersten. Auch haut mich jedesmal aufs Neue um, wie Fronter Marcus Bischoff – standesgemäß im Hemd auf der Bühne – auch live sein vernichtendes Geschrei präsentiert, ohne Abstriche gegenüber den Albumaufnahmen! Auch an diesem Abend beweist er, dass er mit seinem Organ aus einem Meer an grölenden, grunzenden oder rotzenden Schreihälsen beinahe konkurrenzlos hervorsticht. Einer der wenigen ernstzunehmenden Mitstreiter ist Winston McCall, aber dazu kommen wir gleich. Unterstützt von Papierkanonen und Flammenwerfern gibt es hier die absolute Vollbedienung. 'Land Of The Upright Ones', 'The Omen', 'Black Tears', eine ausgewogene Setlist – und zwischendrin wird offen die Freundschaft mit den Australiern beschworen. Da gibt es seit der letzten Tour "ein Band zwischen uns", er wisse auch nicht so recht warum, jedenfalls sei es eine große Ehre und zugleich etwas ganz Besonderes, mit den Freunden von PARKWAY DRIVE die Bühne teilen zu dürfen, erzählt Bischoff. Als erstes Schmankerl wird daher mit 'Unrest' nun ein PARKWAY DRIVE-Song gecovert – mächtig, betont langsam und schwerfällig, gerade im stampfenden Schlussteil. Und dann – ist Schluss, und die Band verlässt nach sechs Stücken ohne große Reden die Bühne. So langsam dürfte es auch dem letzten in der Halle dämmern...
... denn ohne Zeit mit einem Intro zu verlieren, intoniert nun eine Gitarre 'Wild Eyes', Ben Gordon nimmt das andere Schlagzeug-Set ein, und schon stehen die Australier auf der Bühne. Die Halle kocht völlig über – solch ein munteres Wechselspiel erlebt man schließlich nicht alle Tage. PARKWAY DRIVE lässt die Fans zu 'Wild Eyes' standesgemäß mitsingen – doch was heißt "lässt", es bedarf da keinerlei Aufforderung, die Meute gröhlt vom ersten Ton an einstimmig mit. Und spätestens das furiose 'Sleepwalker' verwandelt die Stadthalle Offenbach endgültig in einen Hexenkessel. "At waaaar, with an enemy, who does not rest, who will never relent..." - Winston McCall ist am Dauergrinsen, teilweise verschlägt es ihm völlig die Sprache, kopfschüttelnd kommentiert er die Leistung des Publikums nach jedem Song mehrfach mit "Holy Shit, this is insane!". Auf das rasante 'Karma' folgen mit 'Dream Run' und 'Idols And Anchors' zwar zwei Songs, die nicht zu meinen persönlichen Favoriten zählen – doch als nun die Australier ihrerseits einen Song von HEAVEN SHALL BURN covern, bin ich selig und versöhnt: 'The Weapon They Fear' wird ebenfalls auf schwergewichtige Weise wiedergegeben, und die Nummer kommt live einfach brutal gut, ob sie nun die Thüringer oder ihre kürzlich gewonnenen australischen Freunde darbieten. Nach dieser Ehrerbietung an "the incredible HEAVEN SHALL BURN" treten die Herrschaften von PARKWAY DRIVE ab und räumen die Bühne nochmal –
- für HEAVEN SHALL BURN. Mit dem taufrischen Klassiker 'Hunters Will Be Hunted' (der kultige Titel, der "Skandal" um die BILD-Story und die musikalische Qualität legen diese frühe Festlegung einfach nahe) starten unsere Landsmänner nahtlos in die zweite Hälfte. Wer auf den erhöhten Sitzplätzen im hinteren Bereich der Halle Platz genommen hat (wie kann man bei einem derartigen Testosteron-Feuerwerk eigentlich auch nur eine Sekunde lang stillsitzen???) hat einen wunderbaren Überblick über das tobende Publikum und auf das meisterhaft gestaltete Bühnenbild. Ich selbst bin kein Freund von großen Showeffekten bei einem Metalkonzert, aber hier haben die Setdesigner ganze Arbeit geleistet – und zu welcher Musik würde ein apokalyptisches Bühnenbild und bedrohliche Flammenwerfer besser passen als zum sozialkritisch bis nihilistischen modernen Todesstahl von HEAVEN SHALL BURN und PARKWAY DRIVE? Übrigens erweisen sich unsere Landsleute bei aller musikalischer Härte immer als fürsorglich, weisen mehrfach darauf hin, dass "wir alle am Ende heil nach Hause gehen" wollen und erkundigen sich nach dem Wohl der Konzertbesucher, weil einmal die Sanis im Publikum gesichtet wurden. Dennoch wird natürlich gefeiert und gemosht was das Zeug hält. Und leider geht das Ganze nun viel zu schnell seinem Ende entgegen. Nach weiteren Klassikern wie 'Counterweight' und dem an das wirklich fabelhafte Publikum gerichtete 'Like Gods Among Mortals' wird ohne Umschweife schon die 'Endzeit' eingeläutet. Es sind wahrhaft Gänsehautmomente, wenn dreitausend Kehlen dieser phänomenalen Band entgegen brüllen "Nothing! Just Nothing! Nothing will wipe this heart out!" Der Weltuntergang beim "With Full Force 2012" kommt einem da wieder in Erinnerung, doch auch in der kuscheligen, überdachten Stadthalle Offenbach verfehlt dieser Übersong seine Wirkung nicht. Die Meute tobt, Bischoff brüllt gemeinsam mit den Zuschauern noch einmal "We are the final resistance!", und dann ist schon Schluss für die Thüringer. Ohne Umschweife wird die Bühne geräumt...
... und eine stumpfe Glocke läutet 'Dark Days' ein, mit dem PARKWAY DRIVE wiederum das Podium entert. Wenn überhaupt, dann haben die Australier hier vielleicht in Nuancen beim Publikum die Nase vorn. Die Band wird dermaßen beständig abgefeiert, dass auch Winston McCall immer wieder ins Staunen gerät: "You guys have been moshing the last two hours, and you still keep going on – this is unbelievable!" Ich muss ihm allerdings recht geben. Was hier in Offenbach los ist, ist dem phänomenalen Wiesbaden-Gig vor zwei Jahren mindestens ebenbürtig. Endlich bringt die Band nun mit 'Romance Is Dead' auch einen Song von "Killing With A Smile". Mit 'Home Is For The Heartless' folgt wiederum eine astreine Mitsing-Nummer. Ich begrüße diese Wohoo-Gangshouts ja an sich nicht, da sie ein aktuell viel zu häufig verwendetes Stilmittel sind, die den Härtefaktor zahlreicher Bands schon deutlich verwässert haben. Andererseits vermag ich mich ja selbst nicht zurückzuhalten, und stimme in den begeisterten Chor mit ein. Und am Ende des Songs, als das Schlagzeug aussetzt und nur dezente Gitarrenakkorde im Hintergrund echoen, singt die ganze Halle so laut und geschlossen mit, dass es Winston McCall gänzlich die Sprache verschlägt – er bricht ab, taumelt verblüfft, grinsend, kopfschüttelnd zurück und drückt dem Publikum seine aufrichtige Anerkennung aus, bedankt sich mehrfach und ist ehrlich erstaunt darüber, wie eine einst unbekannte Metalband aus Down Under auf der anderen Seite der Erde nunmehr abgefeiert wird. "We’re still a bunch of boys from Australia..." Ja, aber eben sympathisch, authentisch, und musikalisch beinahe einsame Spitze. Wen wundert's also? Mit 'Swing' folgt "the last fast song" des Abends, und schließlich geht ein in mancherlei Hinsicht außergewöhnliches Konzert mit dem obligatorischen 'Carrion' zu Ende. Und dann? Kommen die Bands vielleicht noch einmal gemeinsam auf die Bühne? Ein Großteil des Publikums bleibt noch erwartungsvoll in der Halle. Doch die Lichter gehen an, die Techniker entern die Bühne. Das war’s wirklich.
Fazit? Was soll man sagen? Sind die Erwartungen erfüllt worden? Größtenteils, ja. Zwei der besten modernen Metalbands der Welt haben einen Auftritt hingelegt, der die Erde zum Beben gebracht hat. Ein großartig aufgelegtes Publikum. Eine tolle Location. Eine der schönsten Bühnen die ich seit langem gesehen habe. Und mit den gegenseitigen Covers, und dem zweifachen Wechsel wurden zudem ungewöhnliche Akzente gesetzt. Andererseits, ja, ganz ehrlich – nach all dem was im Vorfeld an "Überraschungen" angekündigt wurde, hatte ich tatsächlich mehr erwartet. Da thronen zwei Drumsets nebeneinander auf der Bühne – ein gegenseitiges Schlagzeug-Battle wäre irgendwie naheliegend gewesen. Oder ein Musikerwechsel, zumindest ein gemeinsamer Auftritt beider Sänger während eines Songs. Beide Bands gaben sich wie immer publikumsnah und authentisch, und so kauft man ihnen auch ihre mehrfach beschworene Freundschaft ab. Wieso sie dann am Ende eines solch besonderen Abends nicht noch einmal gemeinsam auf die Bühne kommen, erschließt sich mir nicht. Dass ich daneben vor allem bei PARKWAY DRIVE Songs der älteren Alben vermisse (ein Set ohne 'Gimme A D'? Ohne 'Boneyards'??) hat dagegen mehr mit persönlichem Geschmack zu tun.
Als Fazit lässt sich also festhalten: PARKWAY DRIVE und HEAVEN SHALL BURN in Offenbach, das war ein wirklich unvergessliches, geniales, beeindruckendes Konzerterlebnis, eine metallische Offenbarung, während der aber die eine oder andere kleine Möglichkeit, zusätzliche Akzente zu setzen, verpasst wurde. Wir können alle nur hoffen, dass das Band zwischen diesen beiden überragenden Kapellen so stark und die Resonanz der Europa-Tour so überwältigend ist, dass sich die Herrschaften bald zu einer gemeinsamen Rückkehr entscheiden.
SETLIST:
HEAVEN SHALL BURN – Teil 1:
Voice Of The Voiceless
Land Of The Upright Ones
Combat
The Omen
Black Tears
Unrest
PAKRWAY DRIVE – Teil 1:
Wild Eyes
Sleepwalker
Karma
Dream Run
Idols And Anchers
The Weapon They Fear
HEAVEN SHALL BURN – Teil 2:
Hunters Will Be Hunted
Trespassing The Shores Of Your World
The Disease
Counterweight
The Worlds In Me
Like Gods Among Mortals
Endzeit
PARKWAY DRIVE – Teil 2:
Dark Days
Deliver Me
Romance Is Dead
Home Is For The Heartless
Swing
Carrion
- Redakteur:
- Timon Krause