HEXVESSEL und ELLEREVE - München
26.04.2024 | 13:4122.04.2024, Feierwerk
Ein zerbrechliches Akustikset und eine blaurosa Black Metal-Show - Polarlichter überziehen München.
Der Winter hält München überraschend hart in seinem eisernen Griff. Eine Kälte, die Überwindung kostet, wenn man sich nach draußen begeben will. Lädt allerdings eine Band zum Ritual, die mein Album des Jahres 2023 veröffentlicht hat, fällt der Gang ins Hansa39 im Münchner Feierwerk geradezu leicht. Zumal Bandkopf Mat McNerney in unserem Interview angedeutet hatte, dass Touren in Westeuropa für ihn nur eingeschränkt vorstellbar seien. Vielleicht hat ihn auch der gute Verkauf des Albums "Polar Veil" zu einem Umdenken angeregt. Nach einem netten Plausch, unter anderem mit Kollegin Susanne Schaarschmidt, und bevor der feinsinnige Ritualist mit seinen Finnen auf die Bühne darf, startet pünktlich um 20 Uhr eine Künstlerin aus der Münchner Umgebung.
Eigentlich hätte ich ELLEREVE dieses Jahr schon auf dem Ragnarök Festival sehen können, wenn nicht die frühe Platzierung in der Running Order und persönliche Zeitpläne dummerweise kollidiert wären. Umso mehr freue ich mich auf den Auftritt der stimmgewaltigen Sängerin Elisa Giulia Teschner. Um dann überrascht festzustellen, dass sie nur mit einem Cellisten und einem Akustikgitarristen auf Barstühlen auf der Bühne Platz nimmt. Schnell wird klar: Die Band spielt heute ein ganz besonderes Akustik-Set.
Zerbrechliche Melodien, melancholische, kunstvolle Texte und eine Stimme, die den Raum füllt - wer Zweifel hat, ob ein Akustik-Set heute Abend funktioniert, wird schnell eines Besseren belehrt. Elisa Teschner schafft es, mit der zurückgenommenen Instrumentierung eine zwingende Tiefe zu erzeugen, in die sich das vielleicht 50-köpfige Publikum gerne fallen lässt. Das freut auch die Künstlerin, die sich sympathisch beim "achtsamen Publikum, das so aufmerksam zuhört", bedankt.
ELLEREVE nimmt uns mit auf eine Reise durch ihr Debütalbum "Reminiscence" (hier die Rezension von Susanne), verweist auf die kürzlich aufgenommenen Akustik-Sessions, die ebenfalls bald veröffentlicht werden, und präsentiert mit 'The Funeral' sogar einen neuen Song. In Erinnerung bleiben vor allem ihre Authentizität und ihre sympathische Art, die in spannendem Kontrast zu der emotionalen Tiefe stehen, die sie in ihren Songs und auf der Bühne präsentiert. Ein toller Auftritt, der vom Publikum mit tosendem Applaus honoriert wird.
Gut 20 Minuten später wird es neblig. Schwaden ziehen über die mit Ästen und Knochen stimmungsvoll geschmückte Bühne. Die Scheinwerfer erzeugen eine geisterhafte Atmosphäre - es ist alles vorbereitet für HEXVESSEL.
[Julian Rohrer]
Bereits seit September vergangenen Jahres treibt mich nun schon die Frage um, wie die Band aus Finnland mit dem prägnanten Namen HEXVESSEL ihr mit Freuden willkommen geheißenes Album mit dem schmucken Cover-Artwork namens "Polar Veil" live auf der Bühne verkörpern will. Als dann also endlich die Tour dazu angekündigt wurde und ich gleich mehrere für mich erreichbare Termine auf dem Tourplan entdeckte, freute ich mich riesig, nach 'zig Durchläufen des gelungenen Werkes in meinem Player endlich eine Antwort darauf zu erhalten. Die Wahl fiel letztendlich auf das Feierwerk in München, da auch mehrere Freunde sowie mein geschätzter Kollege Julian Rohrer Interesse an exakt dieser Veranstaltung bekundeten.
Folgerichtig war meine Vorfreude am Wochenende vor dem Konzert bereits ins Unermessliche gesteigert. Meine anfänglichen Zweifel, wie die Musiker wohl in der Lage sein würden, den metallischen Ansatz des Albums auf der Bühne umzusetzen, wichen meinem Urvertrauen, dass die erfahrene Band es schon wuppen werde, andernfalls wäre sie dieses Unterfangen sicherlich nicht angegangen.
Mit den ersten Klängen von 'Joy Of Sacrifice' wird meine Aufmerksamkeit reflexartig gen polarblau-nordlichtrot-vernebelter Bühne gezogen. Schnell finde ich Zugang zu dem mir bislang unbekannten Song, was ebenfalls auf den Nachfolger 'Black Mountain Poet' zutrifft. Was mir wieder einmal verdeutlicht, dass meine drei bisherigen Alben der Band bei weitem nicht auszureichen scheinen.
Mit einem meiner Lieblingstracks vom aktuellen Album "Polar Veil" (hier meine Rezension) mit dem Titel 'The Tundra Is Awake', wird auch der Letzte im Publikum voll von der von HEXVESSEL erschaffenen Atmosphäre eingenommen. Nicht wenige wippen mit, teilweise sogar mit geschlossen Augen, um dem Wohlklang aus Mat McNerneys charismatischer Stimme zu urtypischem norwegischem Black-Metal-Sound noch intensiver lauschen zu können. Nach 'Listen To The River' kündigt der Sänger und Gitarrist 'Eternal Meadow' mit den Worten an, der Song sei verstorbenen Freunden und Angehörigen gewidmet. Zu diesem Zeitpunkt ahne ich noch nicht, dass mir diese Worte und dieses Lied schon kurz darauf für immer im Gedächtnis eingegraben sein werden. Doch dazu später!
Im Anschluss präsentiert die Band mit 'Spirit Mask Wolf' einen neuen Song, der sich gut in das Konzept von "Polar Veil" einfügt. 'Phaedra' trägt zur kreierten Stimmung bei. Somit schon bestens in die Musik eingesogen, setzt die finnische Gruppe dem Ganzen mit der Abfolge aus 'Crepuscular Creatures', 'Older Than The Gods', 'Ring' und 'A Cabin In Montana', meinem Favoriten des letzten Albums, die Krone auf. Die Gitarren fördern einen runden Sound zutage, das Schlagzeug wird spielfreudig bedient und Mats Gesang, stellenweise kongenial untermalt von seinen Begleitern, ertönt emotional, doch lautstark durch die Lautsprecher. Selbst während ich mich durch den Raum bewege, denn Stillstehen ist bei dieser schroffen, lyrisch und emotional aufgeladenen Soundkulisse schier unmöglich, leidet der Klang, der meine Ohren erreicht, keine Sekunde. Das ist pure Vollbedienung, wofür ich sowohl HEXVESSEL, als auch dem Soundtechniker für ihre Leistungen meinen Dank aussprechen möchte.
Verdientermaßen wird von den Konzertbesuchern begeistert reichlich Beifall gespendet. Daraufhin lässt sich die Band auch nicht lumpen und beschenkt uns mit einer Zugabe in Form von 'Homeward Polar Spirit', worauf das Publikum freudig reagiert. Bei einem Besuch am Merchstand hat man die Möglichkeit, kurz mit den Musikern ins Gespräch zu kommen und sich nach Wunsch mit Gaben für Ohren, Augen sowie Nase zu versorgen - zu äußerst fairen Preisen. Auch ein Poetrybook des Sängers hat die Gruppe mit im Gepäck. Beseelt von hervorragender Livemusik verlasse ich die Location, nur um kurz darauf zu erfahren, dass ein befreundeter Musiker, welcher ebenso wie HEXVESSEL das folkloristische Musizieren in der Natur zu schätzen weiß, seinen letzten Atemzug in dieser Welt getan hat. Von nun an wird 'Eternal Meadow' für mich wohl auf ewig mit diesem Augenblick verknüpft und das Konzert unvergesslich in meiner Erinnerung verankert sein.
Trotz der Tragik des Moments, die das Schicksal mir bescherte, lege ich dem geneigten Zuhörer den Besuch eines HEXVESSEL-Konzerts dringendst nahe. Diesen Ohrenschmaus sollte man sich nicht entgehen lassen! Hierzu besteht deutschlandnah noch in Zürich die Chance sowie bei mehreren Festivals, wie beispielsweise House Of The Holy, Brutal Assault Festival, 20 Years New Evil Music Festival und Samhain Festival. Ich werde diese Gelegenheit jedenfalls mit Sicherheit nochmals ergreifen!
[Susanne Schaarschmidt]
Ganz herzlichen Dank an Afra Gethöffer-Grütz von metal1.info für die wunderbaren Fotos! Hier könnt ihr die Eindrücke von metal1.info-Chefredakteur Moritz Grütz zu diesem Abend lesen.
- Redakteur:
- Susanne Schaarschmidt