Headbangers Open Air - Brande-Hörnerkirchen
11.08.2013 | 21:2125.07.2013, Garten
HOA Festival 2013
Traditionell feiert die nordische Tiefebene am letzten Wochenende im Juli die größte Metal-Garten-Party der Welt. Was in diesem Jahr weniger traditionell ausfällt, ist das Wetter. Während man in den vergangenen Jahren immer mal wieder mit Feuchtigkeit von oben zu kämpfen hatte, ist es dieses Mal die Feuchtigkeit, die aus allen Poren der Besucher austritt. Der Grund: Temperaturen bis an die 40 Grad Celsius und ein Klima, in dem sich Geckos wohl fühlen würden. Da kam der kleine Schauer am Samstagnachmittag sehr gelegen. Traditionell mit an Bord waren die Herren Frank Jäger, Rüdiger Stehle und Holger Andrae, die in diesem Jahr von den beiden neuen Kollegen Raphael Päbst und Arne Böwig tatkräftig unterstützt wurden. Auffällig in diesem Jahr: Sehr viele Besucher kommen extra wegen OVERKILL, was den Donnerstag würdig abschließt. Aber auch das restliche Programm ist wieder bärenstark, sodass wir von einem rundum gelungenen Wochenende berichten können. Nicht unwesentlich beteiligt an diesem Resümee ist wie immer die extrem gute Laune, die auf dem gesamten Gelände herrscht. Da die Verpflegungspreise noch immer moderat sind, kann man beim kühlen Blonden mit lange nicht gesehenen Bekannten aus der ganzen Republik nach allen Regeln der Kunst fachsimpeln, sodass es außer Frage steht, ob wir im nächsten Jahr wieder mit von der Partie sein werden.
Die Jungs haben auf jeden Fall genug Feuer im Hintern, rackern und ackern und sind auch die richtige Beschallung zum Auftakt, aber teilweise ist das schon so nah an AC/DC, dass man auch eine Coverkapelle hätte spielen lassen können, dann hätte man wenigstens mitsingen können. Wäre eigentlich gar keine so schlechte Idee. Hey, Organisatoren, wie wäre es denn, wenn man jeden Donnerstag von einer AC/DC-Coverband einläuten ließe? Oder ist das jetzt eine doofe Idee? - [FJ] - Das ist keine doofe Idee, lieber Frank, eine solche Band war aber vor ein paar Jahren mit BON SCOTT schon am Start. [RS]
Viel Potenzial steckt auch in den jungen Schwaben Kissin' Dynamite, allerdings präsentiert sich mir die Band als zweischneidiges Schwert: Einerseits ist man 'Addicted to Metal' und nennt seinen Sound "Steel of Swabia", aber bei aller Liebe zu Spandexhosen haben die Jungs doch etwas zu tief in den Schminktopf gegriffen, um von Szenewächtern als "true" durchgewunken zu werden. Den zahlreich erschienenen Fans ist dieser Zwiespalt aber herzlich egal und so wird die tight spielende Band beim Posen abgefeiert was das Zeug hält. Mit Recht, denn in Kissin' Dynamite steckt durchaus Explosionspotenzial. Ich persönlich würde den "Steel of Swabia" aber gern noch etwas auf dem Amboss bearbeitet haben und die Band die Entscheidung zwischen Haarspray und Stahl zugunsten einer klaren Linie treffen lassen.
Ja, die Buben sehen wirklich hübsch aus, aber an der Performance allgemein gibt es doch nichts zu meckern. Die flotten Songs, das übertriebene, aber ansteckende Bühnengehabe, das macht genauso viel Laune wie die spanischen AC/DC-Verehrer zuvor. Die richtige Musik zum Ankommen, begrüßen, erstes Bier trinken und gelegentlich einen Refrain mitsingen. Wie sagt man im Süden: Passt scho! [FJ] - Bassd scho! [RS]
Habe ich schon erzählt, dass ich FORTÉ anfangs, also als ich mir "Stranger Than Fiction" zugelegt hatte, für eine französische Band hielt? Wegen des doofen Accents. Macht ja kein Ami. Also nix "bon jour" und so, stattdessen Amerika-Power. FORTÉ (nur echt mit dem Accent!) ist eigentlich mein heimlicher Headliner am Donnerstag, denn OVERKILL habe ich schon mehrfach gesehen, und bei der VENOM-Kapelle nachher bin ich nicht sicher, ob das wirklich sehenswert wird. Aber schneller Metal, Flitzegitarren, gepaart mit so einigen Merkwürdigkeiten und Industrial-Parts, das klingt doch mal richtig spannend. Wie mir Kollege Andrae sagt, singt da obendrein der ex-OLIVER-MAGNUM-Frontmann James Randel. Da kann ja wohl nicht viel schief gehen. Und dann passiert eine erwartete Sache und gleich zwei unverhoffte Dinge: Erwartungsgemäß machen die Buben keine Gefangenen. Es geht gleich mit einem Song vom Debüt los, und offensichtlich ist die HOA-Crowd mit dem Album gut vertraut, auch wenn es Anfang der Neunziger in eine bekanntermaßen schwierige Welt hineingeboren worden ist. Mit 'Time And Time Again' wird zwar ein eher vertrackter und nicht so schneller Opener ausgepackt, aber das mundet natürlich allen Anwesenden. Dazu kommt, dass Randel seine Sache sehr gut macht. Bühnenerfahrung ist ihm anzusehen, und er passt auch ausgezeichnet zu der Musik. Allerdings, und das ist jetzt die erste Überraschung, kann er machen, was er will, ich schaue gar nicht zu ihm hin. Denn was bitte macht denn Ghames Jones, genannt "Rev", da? Rev spielt nicht Bass bei FORTÉ, Rev macht eine Soloshow mit Hintergrundgehampel der anderen Musiker! Ich stehe da mit offenem Mund. Der Mann ist der Inbegriff von Perlen vor die berühmten Säue. Ich könnte mir jetzt locker einfach mal eine Viertelstunde lang anhören, was der auf dem Bass veranstaltet. Und es geht nicht nur mir so, völlig perplexe Gesichter um mich herum von Metallern, die glotzend das Bangen vergessen, deuten an, dass der Rev gerade ungeplant seinen Fanclub gründen lässt. Dass FORTÉ gleich vier Tracks vom Debütalbum zocken, merke ich fast gar nicht. An 'Coming Of The Storm' habe ich tatsächlich keine Erinnerung, erst beim Titelträck von "Stranger Than Fiction" habe ich mich etwas gefangen. Und jetzt kommen wir zur zweiten unerwarteten Wendung, nämlich die Setlist. Es ist ja schön, dass fast das ganze Debüt gespielt wird und mit zwei Songs das neue, großartige "Unholy War"-Album gewürdigt wird. Aber nur ein einziger Song aus den drei Alben "Division", "Destructive"und "Rise Above"? Nein, nicht jeweils, zwei Alben werden komplett ignoriert. Wer mich kennt, weiß, dass mich so etwas immer gehörig irritiert. Nichts da mit Industrial-Einflüssen, das wird einfach ausgeklammert. Schade eigentlich. Damit lassen die Jungs auch ihre eigene Note daheim. Das empfinde ich als fast schon ärgerlich, allerdings gehöre ich da möglicherweise auch zur Minderheit. Da ich aber auch gleichzeitig zum großen, neuen Club der Rev-Verehrer gehöre, der sich hier spontan formiert, bin ich für heute nicht allzu enttäuscht. FORTÉ ist ein echter Renner, aber mindestens die Hälfte der Ehre gebührt dem Mann am Viersaiter. Einfach unglaublich.
(Das wäre eine weitere Option für eine kommende Tradition beim HOA: Jeweils eine Band, mit so einem unfassbaren Bassisten. Dann könnte man CULPRIT noch einmal einladen. Oder BLIND ILLUSION. [HA])
Setlist: Time And Time Again, Coming Of The Storm, Stranger Than Fiction, The Inner Circle, Unholy War, Inhuman, Dead To Me, The Last Word, Digitator, Mein Madness
Würde ich nicht eh jedes Jahr aus Gründen der guten Kameradschaft und wegen eines rundum gemütlichen Festivals nach Brande-Hörnerkirchen pilgern, und hätte ich wirklich noch eine einzelne Band als Anreiz gebraucht, die 800 Kilometer lange Reise anzutreten, dann wäre das dieses Jahr definitiv MPIRE OF EVIL gewesen. Seit ich 1990 zum ersten Mal "Prime Evil" gehört und einen Liveclip zu diesem Album gesehen habe, wollte ich VENOM mit Tony Dolan live sehen. Das ist jetzt 23 Jahre her, und es hat nie geklappt, denn zu jener Zeit kam die Band nicht zu uns auf Tour und danach kam ja dann auch schon bald die Reunion mit Cronos. Die Tatsache, dass das HOA die Band mit einem "Special Venom Set" ankündigt, macht mir dann allerdings ein wenig Sorgen dahingehend, dass das Trio seinen Schwerpunkt ganz auf die frühe Phase der Band mit den Kultalben der ersten Cronos-Ära legen würde, und dass meine Lieblingsalben "Prime Evil", "Temples Of Ice" und "The Waste Lands" (1989-1992) unter den Tisch fallen würden. Klar, das durchschnittliche Festivalpublikum will natürlich die Welthits hören und nicht das Liebhaber-Zeug aus der relativ unbekannten und sträflich unterschätzten Spätphase, und die Musiker wären schlecht beraten, auf diese Klassiker aus der ersten Hälfte der Achtziger zu verzichten, aber andererseits kann man die ja auch von Cronos und seiner VENOM-Auflage bekommen, nicht wahr? Sei es, wie es wolle, genug des Vorgeplänkels, denn nach so langer Wartezeit auf diesen Auftritt ist es für mich doch irgendwie magisch, zu sehen, wie Mantas, der Demolition Man und ihr junger Drummer Jackson die Bühne betreten, um selber ihr Equipment vorzubereiten. Und dann ist es soweit, der Autor dieser Zeilen steht mit dem Foto im Anschlag im Bühnengraben, es wird dunkel, der Nebel kommt, und platsch, erst einmal bekomme ich eine ordentliche Ladung Kunstblut auf die Linse ... Ja, der Tony Dolan ist eben nicht nur ein musikalischer Feingeist, sondern auch ein passionierter Schauspieler, der den ganzen Abend über eine Mimik an den Tag legt, die einem Klaus Kinski zu "Nosferatu"-Zeiten gut zu Gesicht gestanden hätte. Also auf, das Blut aus dem Gesicht und von der Kamera gewischt, geknipst und gelauscht, und ich bin von Beginn an genau da, wo ich mich hin geträumt hatte: Mitten drin in meiner kleinen Metalwelt, die ich mir malen würde. Da ist es mir eigentlich ziemlich egal, dass der Soundmann den Bass bis zum Anschlag aufreißt, dass weniger Eingeweihte je nach Standort Probleme haben, die Songs zu erkennen, und dass die Tightness unter der enormen Brachialität des Trios mächtig leidet. Zum einen war es auch zu VENOM-Zeiten niemals anders, und zum anderen ist halt die Präsenz der Herren Mantas und Demolition Man einfach toll. Erwartungsgemäß legt die Songauswahl den klaren Schwerpunkt auf diverse Hits der VENOM-Frühphase, und so werden 'Countess Bathory', 'Black Metal', 'In League With Satan' und 'Witching Hour' ebenso erwartungsgemäß ausgiebig abgefeiert und mitgesungen. Die bange Frage nach den Songs aus meiner bevorzugten Ära stelle ich, und ich bekomme eine knappe, aber in Anbetracht der Veranstaltung durchaus legitime und zufrieden stellende Antwort: 'Blackened Are The Priests', das völlig genial-aggressive 'Carnivorous' oder auch 'Need To Kill' und 'Temples Of Ice' machen mich glücklich und lassen mich verklärt strahlen, wie der glänzende Christbaum ein kleines Kind. Abgerundet wird der Gig von einigen eigenen MPIRE-Songs der letzten drei Jahre, wie etwa der aktuellen Single 'Demone' und der Bandhymne 'Hellspawn', sodass sich am Ende ein rundes Bild bietet. Jedenfalls bin ich mehr als nur zufrieden, habe bereits jetzt mein erstes ganz großes Highlight des Festivals und freue mich auf die hoffentlich bald anstehende Tour der Herren aus dem Norden Englands.
Dass OVERKILL eine der größten Bands im Musikbusiness ist, die bislang auf dem Headbangers Open Air gespielt hat, zeigt sich bereits vor dem Konzert an ihren Tontechnikern. Die machen nämlich zwanzig Minuten länger Soundcheck als geplant, trotzdem ist der Sound zu Beginn matschig. Dieses Manko renkt sich glücklicherweise zügig ein, sodass der Zerlegung des Gartens nichts mehr im Wege steht. An diesem livehaftigen Triumphzug haben aber nicht nur die beispiellose Bühnenenergie der Band und Bobby Blitz' Charisma einen maßgeblichen Anteil, sondern auch die großartige Setlist. Man mischt die großen Klassiker mit neuzeitlichen Hits, darunter zum Beispiel 'Electric Rattlesnake', und mit 'Coma' und 'Who Tends The Fire' werden auch selten gespielte Perlen ausgiebig vom Kernpublikum der Band beklatscht. OVERKILL ist immernoch über alle Genregrenzen hinweg eine der besten Livebands dieser Welt, denn von solchem Charisma und dieser Energie wird wirklich jeder mitgerissen, sodass man allerorten headbangt oder mit seinem Nachbarn im Duett Luftgitarre spielt – 'In Union We Stand'! Da sich die Soundprobleme nach dem ersten Song in Wohlgefallen auflösten, kann man von einem perfekten Headliner-Gig sprechen und mit Fug und Recht behaupten: OVERKILL made the garden burn!
Setlist: Come and Get It; Rotten To The Core; Wrecking Crew; Bring Me The Night;Electric Rattlesnake; Hello From The Gutter; Ironbound;Old School; Who Tends The Fire; In Union We Stand; Elimination;Fuck You- Redakteur:
- Holger Andrae