Hell Over Hammaburg - Hamburg

01.04.2016 | 15:08

04.03.2016, Markthalle

Neuauflage des vielseitigsten Hallenfestivals des Nordens!

Zum vierten Mal öffnen sich in Hamburg die Pforten zur Hölle: Das HELL OVER HAMMABURG Festival in der kultigen Markthalle bietet an zwei Tagen eine handverlesene Mischung aus allen möglichen Stilrichtungen der harten Stromgitarren-Musik. Wer es auf den ersten Blick etwas seltsam findet, traditionelle Bands der Marke ARGUS, RAM oder LETHAL STEEL  gemeinsam mit Black-Metal-Bombern der Sorte MGLA, WERDEGANGER und SULPHUR AEON auf einem Billing zu sehen, der ist noch nie auf diesem Event zugegen gewesen und der weiß auch nicht, wie gut dies alles zusammen passen kann.

Am Freitag eröffnet einer der großartigsten Traditions-Stahlisten der Neuzeit das Festival: ARGUS aus Franklin, Pennsylvania! Das Quintett um den ehemaligen PENANCE-Sänger Butch Balich gibt von Beginn an Vollgas und strotzt nur so vor Spielfreude. Ungeachtet der Tatsache, dass die Markthalle noch nicht einmal halb gefüllt ist, entfachen die Herrschaften ein musikalisches Feuerwerk der Sonderklasse. Allen voran Bassist Justin Campbell, der während der kompletten Spielzeit wie ein Hochleistungssportler mit genialen Gesichtsentgleisungen über die gesamte Bühne sprintet. So springt der notwendige Funke schnell auf die anwesenden Zuschauer über. Mit solchen Wundertüten wie dem rattenscharfen 'Durendal' oder 'Devils, Devils', dem heimlichen Hit des Debütalbums, ist das aber auch nicht sonderlich schwer. Die Band schafft es Gitarrenharmonien aus der Schule der dünnen Lizzy mit schweren Rhythmen verschmelzen zu lassen und diese Melange mit unter die Haut gehenden Melodien zu verzieren. Dazu der kraftvolle, tiefe Gesang von Mister Balich und fertig ist der Traditions-Gourmet-Schmaus. Die Anwesenden sehen dies alles ganz genauso und feiern die Band nach allen Regeln der Kunst ab. Dabei sinkt auch der Adrenalinspiegel nicht beim neuen Song 'We Are The Curse', welcher für ARGUS-Verhältnisse extrem schnell ausfällt. Ist das schlimm? Natürlich nicht, denn die Herrschaften zaubern auch bei durchgetretenem Gaspedal harmonische Kabinettstückchen aufs Parkett, die einem das Wasser in den Ohren zusammen laufen lassen. Für mich ist dieser Auftritt der erwartete Triumphzug und für viele sicherlich ein mehr als gelungener Auftakt in ein wundervolles Wochenende.

Als nächstes steht die iberische Band KORGÜLL THE EXTERMINATOR auf dem Programm. Ein spanisches Quartett, welches sich – hint: der Bandname! – an ganz frühen Voivod-Kunstwerken orientiert. Dass hier nun keine Feingeist-Kost zum Tanze serviert werden würde, war im Vorfeld klar, aber ich bin als großer Liebhaber von "War And Pain" schon mächtig gespannt auf den Auftritt der Band um Sängerin Lilith Necrobitch. Die rothaarige Frontfurie fegt auch von Beginn an wild Mikrofonständer schwingend über die Bretter und scheint mächtig angepisst zu sein. Dagegen wirken ihre Mitmusikanten fast schüchtern. Optischer Hingucker ist neben der Madame terrible herself der besagte Mikroständer, den ein übergroßes, silbernes, gehörntes Köpfchen schmückt. So ungestüm wie sie mit dem Teil herum wirbelt, hat man Angst um ihre Mannschaft, denn ich möchte dieses Teil nicht in die Moppe bekommen. Nicht mein Problem, denn ich möchte ungepflegten, räudigen Thrash genießen. Das gelingt mir leider nicht, denn die Band klingt furchtbar unsortiert und unsauber. Im Gegensatz zu ihren großen Vorbildern – das zweite Album der Band von 2010 heißt übrigens "War Of The Voivodes" – klingt dieses musikalisches Chaos aber leider ungewollt rumpelig. So verziehe ich mich nach 15 Minuten aus der großen Halle, um kommunikativen Pflichten nachzukommen.

Weiter im Text geht es mit den finnischen Black Metallern von ARCHGOAT. Wenn ich der Festivalhomepage Glauben schenke, handelt es sich hierbei um eine echte Institution in Sachen "Schutt, Asche, Feuer und Kotze".  Die extrem gut gefüllte Halle scheint dies zu bestätigen, denn ganz offenbar zähle ich zu der anwesenden Minderheit, die mit dieser Art von Musik nicht sonderlich viel anfangen kann. Hatte mich vorher eine Runde schlau gehört, ohne dass irgendein bleibender Eindruck geblieben wäre. Als die finsteren Gestalten beginnen, dreht die halbe Halle unwillkürlich am Rad. Offenbar machen die altgedienten Rabauken auf der Bühne irgendwas richtig, das ich nicht verstehe. Ich versuche drei Songs lang, irgendetwas in dem stumpfen Gerumpel zu hören, das mich anspricht, und verziehe mich leicht desillusioniert wieder in die auch noch gut gefüllte Vorhalle. Eine bange Frage kommt auf: Was passiert, wenn alle eine Band sehen wollen? Mir schwant Böses. Wie ich im Nachhinein von Bekannten erfahre, haben die Herren Lord Angelslayer, Ritual Butcher und VnoM amtlich abgeliefert. So unterschiedlich können Eindrücke sein.

Auf die anschließenden US Metaller von DAWNBRINGER bin ich sehr gespannt. Haben wir es hier doch mit der Band von Hansdampfinallengassen Chris Black (PHARAOH, HIGH SPIRITS, AKTOR etc.) zu tun, die in ihrem 20-jährigen Bestehen zum ersten Mal in Deutschland spielt. Ganz offenbar bin ich mit einer Erwartungshaltung nicht alleine auf weiter Flur, denn die Halle ist erneut pickepacke voll und ich ergattere nur noch mit aller Mühe einen Platz dicht vor der Bühne. Von Beginn an merkt man den Beteiligten an, mit welcher Spielfreude sie agieren. Man hat den Eindruck, an einer öffentlichen Bandprobe teilnehmen zu dürfen, denn nichts an dem Auftreten den Vollblutmetaller wirkt aufgesetzt. Vier Typen in Jeans und T-Shirt spielen sich die Finger blutig und zeigen durch ihre Gestik und Mimik, dass sie jede Sekunde ihrer Musik leben. Das ist ansteckend und hochgradig sympathisch. Klar, dass der Funke sofort auf die Menge überspringt und die Band frenetisch abgefeiert wird. Der extrem gute Sound addiert sich zum großartigen Gesamtpaket, und als die Band mit 'Old Wizard' ihren wohl bekanntesten Song auspackt, drehen die ersten Reihen völlig durch.  Professor Black und seine Mannen haben sichtlich Spaß in den Backen und als ich während des Auftrittes beschließe, meine erheblichen Lücken im Tonträgersortiment des Quartetts durch einen Einkauf am Merchandise-Stand zu schließen, muss ich feststellen, dass ich nicht alleine bin mit meiner Begeisterung für die Band. Sämtliche Silberlinge sind vergriffen. Wenig erfreulich für mich, umso schöner für die Band. Ein Gutes hat die Sache: So habe ich weiterhin beide Hände frei zum Luftgitarre spielen. Gut so, denn der Griff nach jenem imaginären Instrument wird quasi automatisch vollzogen, als ich wieder in der Halle ankomme. Ohne viel Gelaber, aber immer mit einem fetten Grinsen auf den Backen, zockt sich die Band durch ihren recht umfangreichen Katalog und zaubert auch den einen oder anderen Song der aktuellen EP "XX" aus dem Handschuhfach. Großartig ist die Ansage zu 'Into The Maze' von eben jener, bisher nur digital erhältlichen Veröffentlichung:"I hope some of you have a computer." What have we laughed.

Weniger lustig endet der Abend mit der Cthulhu-Lobpreisung von SULPHUR AEON. Das deutsche Death-Metal-Kommando ist mit seinem letzten Album "Gateway To The Antisphere" in allen relevanten Publikationen abgefeiert worden und gilt wohl als die größte deutsche Hoffnung in diesem Sektor. Daher ist es wenig überraschend, dass ihr als einzige Band die Ehre zuteil wird, bereits zum zweiten Mal in der Hammaburg auftreten zu dürfen. Da ich den Rundling ebenfalls sehr schätze, bin ich gespannt, ob es der Band gelingt, mich auch in einer Liveperformance zu erreichen. Von Beginn an bin ich völlig fasziniert von Durchschlagskraft der Musik und der Präzision der Musiker. Da sitzt jede Note und jedes Break. Die – wie auch bei allen anderen Bands – exzellente Lichtgestaltung unterstreicht die thematische Ausrichtung der Truppe und taucht die Bühne in eine blau/grüne Lichterwelt. Das wirkt schon alles ganz schön mystisch, modrig und schauerlich. Dazu die optische Erscheinung von Fronter M, dessen Haarpracht mächtig Eindruck hinterlässt. Allerdings lässt meine ursprüngliche Begeisterung nach einer Weile nach, denn der Aktionsradius der einzelnen Musiker ist gleich Null. Wahrscheinlich bin ich da zu altmodisch gepolt, aber ich mag es, wenn sich Musiker auch mal bewegen. Sicherlich gehört es zum Konzept der Band, dass die Musik für sich sprechen soll, aber nach einer guten halben Stunde beginne ich mich etwas zu langweilen. Es mag daran liegen, dass ich die Scheiben der Band nicht rückwärts mitsingen kann und mich die Musik nicht komplett fesseln kann oder auch daran, dass ich grundsätzlich kein Freund von Death Metal bin. Wenn ich auf die Hundertschaften vor mir schaue, sehe ich nämlich überall fliegen Mähnen und ekstatisch wild verbogene Körper. Ganz offensichtlich stehe ich mit meiner Meinung hier allein auf weiter Flur. Ich kann der Band auf jeden Fall bescheinigen, dass sie die Perfektion des Albums auch live grandios umsetzen kann und weiß, dass ich sie mir auch erneut anschauen werde. Dies aus meinem weichgespülten Munde sollte schon Auszeichnung genug sein. SULPHUR AEON wird seinem Headlinerstatus jedenfalls mehr als gerecht und so können wir alle entspannt ins Nachtleben entschwinden, denn das morgige Programm wird dem Körper einiges abverlangen. Dagegen hilft nur rechtzeitige Flüssigkeitszufuhr.

Hier geht es zum zweiten Tag...

Redakteur:
Holger Andrae

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