Hole In The Sky - Bergen
18.09.2004 | 11:3825.08.2004, Hulen/ Garage/ USF Verftet
Wie soll das nur weiter gehen? Das HITS 2004 hat ja jetzt schon den Charakter olympischer Spiele des Metals. Eine Band besser als die andere, dazu perfekte Festivalorganisation und punktgenaues Timing. Nicht nur Olympia 2004 hatte eine grandiose Lightshow, auch das Hole In The Sky macht Fotographen und Visionäre glücklich. Dazu wird auch noch auf die Wünsche der Fans eingegangen, was das Line Up angeht. Die haben unter anderem nach MANES verlangt und auch bekommen, mit rosa Lichtkegeln und neongelben Elypsen-Scheinwerfern - passend zum neuen "Evil Disco"-Image der Band aus Trondheim. Ihnen gebührt der Preis für die bizarrste Musikmischung dieser Tage. Da ist es nur natürlich, dass sich nicht jeder mit elektronischen Beats und schleppenden Trip-Hop-Einlagen zwischen den fetten Metal-Gitarren anfreunden kann. Mancher hat zudem Probleme mit den zwei Sängerfiguren, die nach Ansicht einiger nicht so recht in die Band passen. Aber mal abgesehen von optischen Widrigkeiten (der eine ist dick und dunkelhäutig, der andere dünn und trägt "Pure Fuckin Evil"-T-Shirts), die eigentlich jeder Kritik spotten, machen beide ihre Sache verdammt gut! Denn Körperfülle ist hier gleich bedeutend mit Stimmvolumen und Evilness steht in diesem Falle für abgrundtiefe Leidenschaft vor allem bei den hohen Tönen. Zumindest die Hälfte des Publikums bläst der Auftritt von MANES sichtlich weg. Da wird abgetanzt auf einem Metal-Festival! Und die anderen freuen sich eben über die nächste Band: AURA NOIR. Schon bei den ersten Riffs wird klar: Jetzt ist erst mal Schluss mit Melodie und Harmonie. Dieser Verein verbreitet schlichtweg Chaos und Verderben. Automatisch schaltet das von MANES noch so gut gelaunte Hirn um auf Paranoia, Angst und Schrecken. Yeah! Genauso wollen Appollyon und Co auch wirken. Allerfiesester und vor Dreck nur so triefender Thrash macht den aus allen Nähten platzenden Saal glücklich! Da kehrt wieder Ordnung ein, die vorrangige Bewegungsform kehrt zum klassischen Headbangen zurück. Nur am Fotograben herrscht jetzt Verwirrung. Plötzlich darf nach dem zweiten Lied keiner mehr rein und die drinnen sind, bleiben auch da. Wer sich diese Ungerechtigkeit ausgedacht hat, bleibt leider ein Rätsel. Nach dem dritten Song müssen dann alle raus, keine weiteren Bilder! OK, da sind AURA NOIR wohl konsequent. Sie wollen nur die Fans im Auge haben und nicht irgendwelches Blitzlichtgewitter. Für die spielen sie auch das 'Flag Of Hate'-Cover in einer ganz besonders rauen Version. In Sachen Aggressivität kann man's auch übertreiben! Gäb's dafür ne Goldmedaille, sie wäre ihnen sicher. Ich kann nur noch staunen über den Höllenkrach, der hier fabriziert wird und darüber, welchen Kultstatus AURA NOIR in Norwegen genießen. Hierzulande laufen sie ja eher als Randerscheinung.
Da hätte sich also fast ein Schatten über das jeder Kritik strotzende Festival der Superlative gelegt. Bisher wollte man ja auch gar nichts Böses finden, aber langsam schleicht sich doch das Bedürfnis einmal rumzumäkeln. Allein es fehlt der Anlass. Denn bevor sich richtig negative Gedanken manifestieren können stehen auch schon VADER auf der Bühne und gegen die kann man ja überhaupt nichts sagen. Jung, dynamisch, voller Power - wie man die Polen halt kennt sorgen sie mit Death Metal von der spritzigsten Sorte für gute Laune (falls sie einem bei AURA NOIR mal kurz vergangen sein sollte). Auch bei den Norwegern sind sie ein echter Publikumsliebling, stecken an mit Spielfreude, technischer Brillanz und neuem Material vom kommenden "The Beast"-Album. Außerdem ist es phänomenal, dass die einzelnen Bandmitglieder gerade mal so alt aussehen wie VADER an Jahren auf dem Buckel hat. Ob sie vor der Show heimlich Tran getrunken haben, dass sie immer noch wie 18jährige anmuten? Schließlich hilft das norwegische Nationalgetränk ja gegen alle Krankheiten dieser Welt ausgenommen Mundgeruch. (Jetzt wisst ihr warum die Norweger alle nach Fisch schmecken. Die trinken das Zeug wirklich pur zum Frühstück, direkt aus der Flasche. Oaahh!) Na ja, vielleicht hat sie auch der Karsk (95% Alkohol plus Kaffee) konserviert. Das ist ein spezielles Gemisch aus Trondheim. Nachdem sich dieses Jahr immerhin 5 Bands aus der Region beim HITS eingefunden haben, war's ja kaum möglich einem solchen Umtrunk zu entgehen. Das führt schon mal bei manchem Musiker zu Verwirrungszuständen, nicht aber bei VADER. Die ziehen ihre Show mit bester Kondition durch und schneiden heuer neben den zwei MANES-Kampfhunden als athletischste Gruppe ab.
Schwindelgefühle erregt das nun anstehende Ereignis, voll spannender Erwartung stehen die Fotographen am Graben Schlange, wartet ein prall gefüllter Saal auf den Aufmarsch der tollsten Künstler des Black Metal-Genres, welche da nun ehrerbietig ihrem großen Vorbild Thomas "Quorthon" Forsberg Tribut zollen wollen. Alle sind dabei: Samoth (ZYKLON/ ex-EMPEROR), Faust (ex-EMPEROR/ THORNS), Grutle und Ivar (ENSLAVED), Abbath (ex-IMMORTAL), Nocturno Culto (DARKTHRONE), Gaahl (GORGOROTH), Apollyon (AURA NOIR) und Satyr (SATYRICON). Bei dieser Ansammlung droht Sprachlosigkeit sowohl auf journalistischer Seite als auch bei den Musikern.
Zur eigens für dieses Event einberufenen Pressekonferenz haben sich zwar alle eingefunden, den verschüchterten Schreiberlingen gegenüber sitzend an einem langen Tisch. Nur fehlt es an Fragen und folglich auch an Antworten. Den Quorthon haben sie eh alle nicht so gut gekannt, aber natürlich in ihrer Jugend gehört. Keiner hier wäre, was er ist, ohne den Einfluss von BATHORY. Er habe sich rausgehalten aus der Szene, in seiner Freizeit lieber Eishockey gespielt. Viel mehr gibt es nicht zu erfahren, außer einigen persönlichen Motiven an diesem Tribut teilzunehmen. Spokesman Satyr bekennt sich immerhin zu seinem persönlichen Kontakt mit Thomas, hält sich aber bedeckt. Wohl gilt es hier die Mystik einer Legende aufrecht zu erhalten. Soll doch die Musik für sich sprechen. Letzten Endes erfüllt sich jeder Protagonist hier und heute wohl einen großen Traum damit seinen persönlichen BATHORY-Favouriten live auf die Hole In The Sky-Bühne zu bringen. Da ist man voller Anspannung und wenig heiß drauf über einen Toten zu schwätzen, der in Valhalla seinen Frieden finden soll.
Apollyon macht den Anfang mit 'Equimanthorn', gefolgt von dem feurigen Auftritt Grutl's, der 'Call From The Grave' zum besten gibt. Dann bringt Satyr mit dem sinnschweren 'Raise The Dead' die Menge zum Kochen. Als nächster ist Nocturno Culto dran mit 'Total Destruction'. In goldenes Licht getaucht singt er engelsgleich (zuviel Bewegung liegt ihm fern) seine Zeilen. Dunkel wird's mit dem Auftritt von Abbath: Zwischen Nebelschwaden und schimmelig grünem Licht entert er kreideweiß einem Gespenst gleich das "Eternal Fire", bis er im Boden versinkt. Irgendwie verblassen aber mal wieder alle Darbietungen gegen den Höllenschrei, welchen Gaahl loslässt: Sein 'A Fine Day To Die' schließt die rund vierzigminütige Ehrenveranstaltung eindrucksvoll ab. Was hat die Community da gelitten! Ein Zuschauer bringt das Gefühl auf den Punkt: "That has been the nearest thing to experiencing BATHORY live!" Bleibt nur zu hoffen, dass die Veranstalter ihre Ankündigung wahr machen, und eine DVD zu dem Tribute veröffentlichen.
Jetzt könnte eigentlich Schluss sein, das Festival hat seinen Höhepunkt erlebt. Der Meinung sind aber nicht alle und so setzt es noch einen extravaganten Auftritt oben drauf: DANZIG lässt sich seit zwölf Jahren zum ersten Mal wieder in Norwegen blicken. Und es sind nicht wenige, die sehnsüchtig auf diesen Augenblick gewartet haben, da der eigentümliche "Elvis des Metal" seinen schweren Fuß auf eine norwegische Bühne setzt und die Krallenhandschuhe nach den gierigen Fans ausstreckt. Im Gepäck hat er das neue DANZIG-Album "Circle Of Snakes", dass es schon vor der Veröffentlichung exklusiv hier beim Festival zu kaufen gibt. Davon spielt er vier Songs, unter anderem das Intro zur Show: 'Wotan's Procession'. Die neuen Stücke 'Skin Carver', 'Skull Forest' und 'Circle Of Snakes' fallen eindeutig härter und metallischer aus, klingen, als ob Hr. Danzig mächtig Wut gehabt hätte beim Schreiben. Dagegen sind Klassiker wie 'How The Gods Kill', 'Until You Call On The Dark' und natürlich 'Mother' reinste Rock'n Roll-Granaten. Dazu gebiert sich der durchtrainierte Mann im schwarzen Nylon-Netzhemd wie beim morgendlichen Workout. Das ist echte Massenarbeit, was er da auf der Bühne leistet! Was für ein Mann, was für eine Show! Auch benimmt er sich gar nicht so arrogant, wie man's nach diversen Spirenzchen bei anderen Festivals in diesem Sommer vermuten müsste. (Beim Summerbreeze wurde ja beispielsweise der komplette Backstagebereiche für ihn abgesperrt, sodass andere Bands im Regen stehen durften, bis DANZIG endlich auf der Bühne waren.) Beim Hole In The Sky jedenfalls war er Feuer und Flamme für seine Fans, teilte so manche klare Flasche mit ihnen und warf sogar sein Eisenkreuz in die feiernde Menge. Glücklich der Fänger! Der Rest muss sich mit dem Plektrum-Regen zufrieden geben, der nach der hitzigen Show auf das Publikum niedergeht. Und noch etwas ist positiv zu bemerken: Die Miezekätzchen hat er im Stall gelassen und den Auftritt voll auf die Musik fokussiert. Das heißt im Klartext: One hour of pure evil hard'n heavy rock music taking controll of your genitals! Ließ einem das BATHORY-Tribute noch das Blut in den Adern gefrieren und das Herz zerspringen, sorgten DANZIG für den musikalischen Orgasmus dieses Samstagabends.
Setlist Danzig:
Intro (Wotan's Procession)
Skin Carver
Satans Child
I Luciferi
Black 'Mass
Circle Of Snakes
It's Coming Down
Do You Wear Mark
How The Gods Kill
Black Wings
Skull Forest
Until You Call On The Dark
Bringer Of Death
Twist Of The King
Mother
Am I Deamon
Dirty Black Summer
She Rides
Was bleibt? Jetzt (7.30 Uhr am Morgen, das Bier ist leer, der Letzte hat seinen Weg zurück ins Hotel gefunden) ist das Fest tatsächlich zu Ende. Man kann sich nur bedanken bei den Veranstaltern Martin Kvam und Torgrim Øyre, die seit fünf Jahren das Hole In The Sky organisieren und immer größer werden lassen. Es treibt einem die Tränen in die Augen zu sehen, wie diese Szene wächst und neuen Bands beneidenswerte Möglichkeiten gibt sich vor einem anspruchsvollen und dennoch offenen Publikum zu etablieren. Das ist der Vorteil, wenn Musiker untereinander zusammenhalten, wissend, dass sie ja selber als unbeschriebenes Blatt angefangen haben, in ihrem Kinderstübchen METALLICA, SLAYER, KREATOR und BATHORY hörend.
- Redakteur:
- Wiebke Rost