IN EXTREMO / EXILIA - Speyer

04.01.2004 | 02:20

17.12.2003, Halle 101

Eigentlich müsste die Geschichte von IN EXTREMO irgendwo im achten Jahrhundert beginnen, so alt ist nämlich der älteste Text, den die Herren vertonen - der jüngste floss irgendwann im 15. Jahrhundert aus unbekannter Feder. Die Bandgeschichte beginnt dennoch erst im Jahre 1996 und das letzte Studioalbum “Sieben“ steht für sieben Musiker, sieben Jahre IN EXTREMO und letztendlich für das siebte Album.

Doch bevor das Mittelalterspektakel beginnen sollte, durften sich die italienischen Newcomer EXILIA dem Publikum präsentieren. Das Quartett um Sängerin Masha hat sich seit ungefähr fünf Jahren dem Crossover verschrieben und versucht seit Kurzem auch international Fuß zu fassen. Mit ihrer aktuellen EP “Underdog“ und der Unterstützung eines großen Majorlabels (Supersonic, BMG) soll der nun Durchbruch geschafft werden. Stilistisch mögen die Mailänder jedoch nicht so recht zum heutigen Abend passen. Der dargebotene Hüpfmetal entlockt nur Wenigen irgendwelche Regungen ab und wird von den meistern Besuchern mehr oder weniger teilnahmslos zur Kenntnis genommen. Trotzdem absolvieren EXILIA ihr Programm engagiert und agieren kraftvoll. Insbesondere Frontfrau Masha steht mit ihrer räudigen Stimme und auffälligen Haarpracht im Mittelpunkt der Show. Nach einer guten halben Stunde hat der Zauber dann sein Ende und die Italiener werden doch noch mit Applaus zum Duschen geschickt. Dass es nicht mehr war, lag wohl daran, dass nahezu alle Besucher nicht mit dem Material vertraut waren.

Doch nun zum eigentlich Anliegen unseres Besuches: IN EXTREMO. Noch vor ein paar Jahren bedurfte es dem Rat eines Linguistikers um die Texte von IN EXTREMO zu übersetzen und zu verstehen. Doch spätestens seit “Sünder ohne Zügel“ gelingt es auch Nichtakademikern die Botschaften der Texte zu erkennen. Man bedient sich häufiger der deutschen Sprache und ist auch musikalisch ein wenig eingängiger geworden, ohne sich jedoch irgendwelchen Trends anzupassen. Keineswegs geht hierdurch das Flair einer Zeitreise durch die verschiedenen Epochen der deutschen und europäischen Geschichte verloren. Im Gegenteil, IN EXTREMO sind durch die Öffnung seitdem einer breiteren Masse zugänglich, was wiederum von alten Fans argwöhnische beäugt wurde.

Ein erster Blick auf die Bühnendekoration lässt Altbekanntes wie den obligatorischen Galgen erkennen. Die sieben überwiegend aus dem östlichen Teil unserer Republik stammenden Musiker sind für ihren Hang zu mittelalterlichen Instrumenten und Feuerspielen hinreichend bekannt. Bereits zur Eröffnung des Sets mit ’Küss mich’ - der ersten Singleauskopplung des letzten Albums “Sieben“ - versprüht besonders Sänger Micha alias “Das letzte Einhorn“ eine gewisse Magie und hat das Publikum von Anbeginn auf seiner Seite. Dies sollte sich bis zum Verstummen der letzten Klänge an diesem Abend nicht mehr ändern.

Es ist nicht leicht dem dargebotenen Spektakel zu folgen, da die sieben Musiker unentwegt auf der Bühne unterwegs sind und ständig mit einem anderen mittelalterlichen Instrument wie zum Beispiel der Sackpfeife, Harfe, Cyster oder Drehleier aufkreuzen. Bei ’Wind’ setzen dann die ersten Pyros ein und das Spektakel nimmt seinen Lauf. Das Publikum geht förmlich auf und feiert IN EXTREMO begeistert ab. Im Mittelpunkt steht immer wieder “Das letzte Einhorn“ der zu den meisten Stücken eine Geschichte parat hat. Bei ’Erdbeermund’ wird “Flex dem Biegsamen“ zu seinem Geburtstag gratuliert, sein großer Bruder “Yellow Pfeiffer“ wurden bei dieser Gelegenheit noch nachträglich die besten Wünsche übermittelt, da dieser zwei Wochen zuvor seinen Jahrestag feiern durfte. Das Stück ’Segel setzen’ wird zum Lied für alle Aussteiger erklärt, die die Schnauze vom Leben voll haben und sich am liebsten auf eine weite Reise begeben würden.

Die Spielmänner IN EXTREMO machen zwei Tage Rast in der historischen Kaiserstadt Speyer und möchten nach alten Bräuchen feiern und suchen hierfür noch nach einer Feier in der näheren Umgebung. Ob dem Wunsch der Band entsprochen werden konnte, entzieht sich meinen Kenntnissen. Zumindest waren am ersten Abend 800 und am zweiten 1100 Leute zum Feiern in die Halle 101 gekommen. Das Treiben auf der Bühne wurde durch effektvolles Licht und Spielereien unterstützt, so dass sich der Besucher immer wieder auf einen mittelalterlichen Marktplatz zurückversetzt fühlte. Die Musiker bewiesen allesamt ihre technische Fertigkeiten und musikalische Fähigkeiten beim Spielen der verschiedensten Instrumente, von denen ein Großteil selbst gebaut wurde. Nach gut zwei Stunden hatte das Mittelalterspektakel dann mit ’Madre Deus’ und ’Mein Kind’ sein Ende.

Es war eine Show, die der Band und dem Publikum jede Menge Kraft abverlangte, aber auch eine befriedigende Wirkung erzielte. Ein gelungener Abend, der noch lange im Gedächtnis haften bleiben wird. Überraschenderweise bestand nahezu das gesamte Programm - bis auf vier Stücke - aus Liedern der letzten zwei Alben “Sünder ohne Zügel“ und “Sieben“. Womit ich persönlich überhaupt keine Probleme hatte, da mir diese Alben am besten gefallen. Alte Fans konnten die Programmzusammenstellung jedoch nicht ganz nachvollziehen und reagierten nach dem Konzert etwas enttäuscht ob des Fehlens mancher Perlen wie z.B. dem ’Palästinalied ’.

Setliste IN EXTREMO:

Küss Mich
Hiamali Tempore
Krummavisur
Wind
Sefardim
Merseburger Zaubersprüche Teil 2
Erdbeermund
Herr Mannelig
Segel Setzen
Ai Vis Lo lop (Feuerstab)
Ave Maria
Spielmannsfluch
Melancholi
Omnia Sol Temporat
Nymphenzeit
Sagrada Trobar
Vollmond
Albtraum
Villeman og Magnhild
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Lebensbeichte
Die Gier
Madre Deus
Mein Kind

Redakteur:
Frank Hameister

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