IN FLAMES / KILLSWITCH ENGAGE - Berlin

09.12.2009 | 20:40

06.12.2009, Columbiahalle

Die "Taste Of Chaos"-Tour bläst zum Angriff. Free Drinks und jede Menge Energie für die Ohren.

Ein klebrig-süßer Wachmacher hat sich auf die Fahne geschrieben, mit fetten Rockbands ordentlich Promotion zu machen und dadurch den Verkauf ihrer Dosen anzukurbeln. Na, viel Glück Jungs – ihr werdet es brauchen. Aber das erstmal nebenbei, denn in die Berliner Columbiahalle haben sich heut gleich fünf Bands angemeldet, die im Rahmen der "Taste Of Chaos"-Tour das Brandenburger Tor zum Wackeln bringen wollen. Natürlich thronen über allen IN FLAMES und KILLSWITCH ENGAGE, doch auch das Rahmenprogramm sollte es in sich haben. Gegen 19.20 Uhr ist die Halle erst zu zwei Drittel gefüllt als MAYLENE AND THE SONS OF DISASTER die Bühne entern. Den Fotograben spar ich mir, da das Licht eher zum Gruseln als zum Fotografieren einlädt. Ehrlich gesagt, hätte ich eine typische Metalcore-Kapelle erwartet, aber was MAYLENE AND THE SONS OF DISASTER hier abziehen, ist viel mehr als das. Das ist eine wunderbare Melange aus old-schooligem Southern Rock, gewürzt mit schmissigen Jimmy-Page-Riffs. Nur Sänger Dallas Taylor erinnert leider daran, dass wir es hier mit Metalcore zu tun haben. Jungs, nehmt euch einen echten Sänger und ihr werdet die Stadien zu Tode rocken – garantiert! Denn neben seinen pubertären Shouts ist er auch noch wahnsinnig breit. Daher singt er ca. 50 Prozent in Richtung Drummer und nicht zu den zahlenden Gästen.  Egal – die Musik ist vom Feinsten und die Menge wird richtig heiß gemacht. Optimaler Opener!

Nach nur zehn Minuten hat die mordsmäßige Crew bereits das Feld geräumt und alles für den nächsten Act vorbereite: EVERYTIME I DIE. Ich hab nicht viel erwartet – und wurde doch enttäuscht. Die Jungs aus Buffalo, NY präsentieren diese Sorte Metalcore, die wirklich ohne jegliche musikalische Finnesse auskommt – Respekt. Sinnfreies Auf-Die-Fresse-Hauen für Fünfzehnjährige. Hart, hart und noch mal hart. Ich bekomm Kopfschmerzen und verzieh mich ganz schnell. Über Geschmack lässt sich eben nicht streiten – aber diese Art von Musik hat mit Metal beziehungsweise Kunst nichts mehr zu tun. Das sehen anscheinend recht viele Besucher so, denn so voll hat man den Raucherbereich am ganzen Abend nicht gesehen.

Doch jetzt sollte es wieder besser werden. Für die deutschen Stopps der "Taste Of Chaos"-Tour wurde mit den Saalfelder Jungs von HEAVEN SHALL BURN wirklich ein gutes Händchen bewiesen. Bereits vor dem Rambo-Intro ("Das ist blaues Licht. Und was macht es? Es leuchtet blau.") hat sich vor der Bühne ein großes Loch breit gemacht. Rings herum warten die Fans auf den Startschuss und die Lizenz zum Blaue-Flecken-Holen. Als die Band die Bühne entert, das blaue Licht leuchtet und plötzlich die Gitarren loslegen, brechen alle Dämme. Die Security kommt aus dem Schwitzen nicht mehr heraus. Panik in ihren Gesichtern – dabei will die Metalcore-Meute doch nicht Zärtlichkeiten austauschen. Ein fetter Circle Pit wütet – Neid an all die Fans, die es geschafft haben, auf den großen Balkonen einen feinen Sichtplatz zu erhaschen. Das müssen wahnsinnige Bilder gewesen sein. Auch wenn offiziell das Crowdsurfen und Moshen verboten wurde, hält sich hier heute niemand dran. Auch Sänger Marcus peitscht die Menge immer weiter an – hier soll heute kein Stein auf dem anderen bleiben. Die Balkone ächzen unter der Meute, die wie ein wildes Tier die Bühne ankeift. So muss das sein. Ach so – Musik gab es im Übrigen auch. So wurde natürlich in erster Linie ein buntes Best-Of–Programm heruntergezockt, wobei vor allem 'Voice Of The Voiceless' (inklusive schöner Wall Of Death) zu überzeugen wusste. Mit 'The Weapon They Fear' und 'Black Tears' beenden die Jungs ein mehr als überzeugendes Set. Ob da KILLSWITCH ENGAGE mithalten können?

Nach fünfzehn Minuten Umbaupause und wenigen Minuten Musik kann ich sofort sagen – Nein! Die Stimmung ist immer noch prächtig aber bei Weitem nicht so ausgelassen wie bei ihren Vorgängern. Ihr letztes (und zweites) selbstbetiteltes Album konnte mich nicht wirklich überzeugen. 08/15-US-Metalcore, wie man ihn heut in jedem gitarrenlastigeren Club hinterher geschmissen bekommt. Neben dem Outfit sorgt vor allem Gitarrist Adam für Kopfschmerzen. Ich mein, soll dieses Gehampel lustig oder unterhaltsam sein? Es ist einfach nur peinlich wie sich ein erwachsener Mann selbst zum Eimer macht. Dumme Witze gepaart mit Schmalspur-Gesten Marke "Ich streck einfach mal den ganzen Fans drei Minuten lang den Mittelfinger entgegen" sind einfach lächerlich. Zum Glück bin ich nicht der Einzige mit dieser Meinung. So fassen sich im Laufe der Show vermehrt die über Fünfzehnjährigen an den Kopf. Ja, der tut bei so was ganz schnell ganz doll weh. Selbst Sänger Howard Jones schaut des Öfteren irritiert aufgrund der seltsamen Darbietung seines Kollegen. Nun ja – auch hier gab es zur Überraschung aller sogar Musik. So wurden unter anderem die ganz geschmeidigen 'Reckoning' und 'My Last Serenade' aus den Boxen gepumpt, was selbst bei mir zu teils heftigem Kopfnicken geführt hat. Also Jungs – macht Musik und kein Kasperletheater. Dann wird das vielleicht noch was mit uns. Zum Schluss folgt der vielleicht emotionalste Moment des Abends, als Adam 'Holy Diver' ihrem guten Freund Ronnie James Dio widmen. Werd bald wieder gesund Dio! Wir vermissen dich jetzt schon!



Nach etwa zwanzig Minuten Pause (Kompliment an die komplette Crew – das war den ganzen Abend über ein Hammerjob) ist es dann endlich soweit: IN FLAMES. Ein Männchen erscheint auf der Leinwand, dreht sich und dreht sich und... Bäm!  Plötzlich stehen die Schweden auf der Bühne, die Crowd bekommt kollektiv einen Orgasmus und 'Cloud Connected' schießt aus den Boxen. So muss ein Einstand sein. Die Menge tobt, auf den Balkonen herrscht Partystimmung und ich kämpf im Fotograben – Gemeinheit. Mit 'Embody The Invisible' und 'Pinball Map' geht man sogar noch ein Stück weiter zurück, was gerade die alten Fans (icke jetze) völlig begeistert. Während die Leinwand schicke Bilder und Anders seine SCORPIONS-Sprüche zum Besten gibt, kämpfe ich mich schweißtreibend auf die Tribüne, um das bunte Spektakel aus der Vogelperspektive zu bewundern. Lecker! Es folgt ein kleiner Schwenk zum aktuellen Album "A Sense Of Purpose", wobei vor allem 'The Chosen Pessimist' (akuter Feuerzeug-Alarm) heraussticht.

Anders schiebt ein paar lockere Sprüche hinterher und lockt einen Typen im "Reroute To Remain"-Outfit auf die Bühne, um ein paar schicke Impressionen der Crowd mit seiner Kamera für die Nachwelt festzuhalten und auf YouTube hochzuladen - hier ist es (Ohren bitte zuhalten). Während 'Trigger' von der Meute abgefeiert wird, springt der Bub über die Bühne und filmt fleißig die Action. Schöne Aktion! Die nächsten Höhepunkte gibt es bei 'Only For The Weak' (Hopsen bis die Schwarte kracht) und bei 'Artifacts Of The Black Rain' (wie sagte es Anders so schön: Als der Song geschrieben wurde, konnten einige Fans hier in der Halle noch nicht mal Kacken). Die Schweden haben alles unter Kontrolle. Zwar lässt die Energie der Fans im Laufe der Show etwas nach, was aber bei fünf Bands keine Überraschung ist. So herrscht dann gerade bei den Balladen wie 'Come Clarity' die beste Stimmung. Berlin will kuscheln und Anders gibt den Takt vor. Ein letztes Mal flippt die Hauptstadt bei 'The Quiet Place' so richtig aus und klingelt sogar die Kanzlerin aus dem Bett, um gemeinsam mit den Schweden die Sau rauszulassen. Wie wir es von den Schweden oft gewohnt sind, wird auch heut auf den Zugabeblock verzichtet und die Zeit lieber direkt in Live-Musik investiert. Das ist zwar ungewohnt, aber eigentlich auch nur fair. So schließen IN FLAMES mit 'Take This Life' und 'My Sweet Shadow' 90 Minuten pure Ekstase und einen rundum gelungen Abend ab. Was bleibt zu sagen – Taste Of Chaos = Taste Of Good Music Babyyyyyyyy!!!  

Setlist IN FLAMES:
01.    Cloud Connected
02.    Embody The Invisible
03.    Pinball Map
04.    Delight And Angers
05.    Disconnected
06.    The Chosen Pessimist
07.    Trigger
08.    I’m The Highway
09.    Only For The Weak
10.    Artifacts Of The Black Rain
11.    March To The Shore
12.    Come Clarity
13.    Leeches
14.    Alias
15.    The Mirror’s Truth
16.    The Quiet Place
17.    Take This Life
18.    My Sweet Shadow

Redakteur:
Enrico Ahlig

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