Iced Earth - New York
22.10.2008 | 13:0316.10.2008, Nokia Theater
Ein feines Paket fährt das Nokia Theater heute auf: Die stetig stärker werdenden INTO ETERNITY eröffnen für die wiedererstarkten ICED EARTH! Ein Pflicht-Termin für jeden Freund anspruchsvoller Musik. Sollte man zumindest annehmen, doch leider habe ich diese Konzerthalle nie zuvor so spärlich gefüllt gesehen. Wobei es kein Geheimnis ist, dass zumindest der Headliner in Europa größere Massen zieht als im eigenen Land.
Bei SAVIOURS ergattere ich mühelos einen Platz in den vorderen Reihen und bedaure ein wenig, gerade noch eineinhalb Songs der Kalifornier mitzubekommen, denn schon zum zweiten Mal in dieser Woche beginnt ein Konzert früher als angekündigt - in New York nach meinen bisherigen Erfahrungen eigentlich ein Unding. Die Gitarrenarbeit dieser Heavy-Metal-Band ist nämlich absolut top, melodisch und doch vielschichtig, und auch wenn ich den Gesang vergleichsweise dürftig finde (zu rau für diese Art von Musik), hätte ich gerne mehr gehört.
Also gibt es halt einen Kaltstart in die düstere Extrem-Metal-Welt von INTO ETERNITY. Zum vierten Mal innerhalb eines Jahres darf ich die Kanadier heute genießen, und doch ist der Gig eine Premiere. Bandgründer, Songwriter und somit Mr. INTO ETERNITY himself, Tim Roth, ist nämlich nicht mit von der Partie. Stattdessen hat sich Sean Maier von BLESSED BY A BROKEN HEART die Riffs innerhalb von fünf (!) Tagen draufgeschafft und vertritt Tim zumindest als Gitarrist durchaus würdig. Singen tut der "Shredder" aber nicht, was bei den klaren Passagen einerseits die Gänsehaut-Harmonien der Herren Block und Roth vermissen lässt, andererseits aber Stu als Solo-Künstler mehr Spielraum gewährt. Der Fronter lässt zwar leichte Unsauberkeiten erahnen (seine Stärke sind die Screams, nicht die Melodien), aber dank seiner Vielseitigkeit verleiht er auch den sonst von Tims Stimme unterlegten Gesangslinien genügend Ausdruckskraft.
Bei dem Opener 'Diagnosis Terminal' - meinem absoluten Lieblings-Track des "The Incurable Tragedy"-Albums, dessen 'Prelude To Woe'-Instrumental übrigens das Intro bildet - klappt das allerdings noch nicht ganz ausfallfrei. Es scheint, als hätte Stu Block Probleme, sich selbst zu hören, und so kämpft er sich mehr schlecht als recht durch diesen Göttersong, der, gerade weil er neu und entsprechend noch wenig erprobt ist, weiter hinten im Set besser aufgehoben gewesen wäre. Doch zum Glück bleibt INTO ETERNITY das Schicksal des EDGUY-Gigs vor auf den Tag genau einem Jahr erspart, und der Sound bessert sich bereits zu 'Beginning Of The End' hörbar, weshalb dem Genuss der weiteren Extrem-Prog-Death-Werke in Form von 'Severe Emotional Distress', 'Splintered Visions' und 'Nothing' nichts mehr im Wege steht.
Passend zur Thematik des aktuellen Werkes fordert Stu die Fans dazu auf, 'Time Immemorial' mit einem lautstarken "Fuck cancer!" einzuleiten (übrigens auch die Rückenaufschrift der derzeitigen Tourshirts). Wobei der musikalische Schwerpunkt immer noch auf "The Scattering Of Ashes" liegt, wie die finalen Titel 'Pain Through Breathing' und 'Timeless Winter' beweisen.
Plötzlich kommen sie doch noch aus den Löchern gekrochen. Vorher gut versteckte ICED EARTH-Fans nehmen den Raum vor der Bühne in Anspruch und feiern die Rückkehr von Matt Barlow. Die wohl beste Power-Metal-Stimme Amerikas präsentiert sich nicht nur körperlich (die Muskeln zeugen von konsequentem Krafttraining) in Hochform, auch sein Gesang war nie besser. Und auch wenn ich persönlich nur wenige Songs aus dem umfangreichen Backkatalog der Formation so richtig klasse finde, an Barlow kann ich mich nicht satthören.
Das neue, etwas umstrittene Werk 'The Crucible Of Man' läutet den (zu erwartenden) Triumphzug der Florida-Herren in Gestalt von 'Behold The Wicked Child' ein, doch das Set bewegt sich zum Glück quer durch alle Alben. Sei es das zu Recht besonders stark vertretene "Something Wicked This Way Comes" ('Burning Times', 'The Coming Curse', 'My Own Savior' sowie die beiden wunderbar emotionalen Halbballaden 'Watching Over Me' und 'Melancholy (Holy Martyr)'), seien es die live erstaunlich starken Vertreter des ersten Ripper-Albums "The Glorious Burden" (das hymnische 'Declaration Day' und das von ohrenschmeichelnden Gesangsharmonien eingeleitete 'High Water Mark') oder die einzige "Horror Show"-Kostprobe 'Dracula', seien es Uralt-Hits der Sorte 'Night Of The Storm Rider' (mit einem überzeugenden Jon Schaffer am Gesang) oder 'Iced Earth' plus etliche andere Titel anderer Alben, die ich nicht (er-)kenne - ICED EARTH beherrschen das Haus und melden sich eindrucksvoll auch auf amerikanischen Bühnen zurück. Einziger Wermutstropfen ist, dass die Setliste im Vergleich zum Auftritt auf dem Rock Hard Festival mindestens einen "Schunkelsong" weniger bietet. Die ruhigen Werke der Band haben mir halt stets am besten gefallen.
- Redakteur:
- Elke Huber