JAG PANZER und RUTHLESS - Düsseldorf
13.12.2024 | 14:5003.12.2024, Pitcher
40 Years Of Destruction im Rheinland.
Gastspielreisen von Mark Briody, Harry Conklin und Co. sind in den letzten drei Jahrzehnten eine besondere, vor allem aber auch seltene Angelegenheit gewesen, weil es bei JAG PANZER in Sachen Stabilität und Beständigkeit gerne mal gehapert hat und die Band nach ihren furiosen Live-Auftritten auf dem Bang Your Head Festival zur Jahrtausendwende auch im Studio nicht mehr regelmäßig gastierte. Als die Herren aus Colorado im vergangenen Jahr unverhofft einen neuen Meilenstein namens "The Hallowed" veröffentlichten und anschließend auch auf gefeierte Europatour aufbrachen, war die Befürchtung daher wieder groß, dass es sich hier um ein weiteres dieser einmaligen Ereignisse handeln würde, von denen es seit der Veröffentlichung von "The Fourth Judgement" schon so einige gegeben hatte. Doch die treibenden Kräfte in der Band hatten offenkundig wieder Blut geleckt, und als JAG PANZER schließlich ankündigte, anlässlich des 40-jährigen Jubiläums zu "Ample Destruction" ein weiteres Mal auf der hiesigen Seite des großen Teichs aufzutreten, war die Begeisterung grenzenlos.
Nachdem im vergangenen Jahr die etwas größeren Clubs beackert werden konnten (u.a. sicherlich auch, weil mit RIOT CITY eine richtig starke Newcomer-Truppe den Support gab), muss sich das Quintett heuer wieder mit den kleineren Läden arrangieren, was insofern traurig ist, als dass JAG PANZER durchaus immer noch das Potential mitbringt, auch eine große Halle in Schutt und Asche zu legen. Zur "40 Years Of Destruction"-Tour hat die Band jedoch mit RUTHLESS einen langjährigen Weggefährten mitgebracht, der ungefähr zur gleichen Zeit wie die Herren aus den Nordstaaten gestartet ist und neben einem bärenstarken neuen Album mit "Discipline Of Steel" eine Kultscheibe im Gepäck trägt, deren Release sich ebenfalls jüngst zum 40. Mal jährte – was kann man als Liebhaber klassischen US Metals also mehr erwarten?
Nun, vielleicht einen etwas größeren Zuschauerzuspruch? Denn mit ca. 150 Nasen ist die mittlerweile immer stärker frequentierte Metal-Kneipe in Düsseldorf zwar zum Bersten gefüllt, allerdings scheint dieser Zulauf immer noch ausbaufähig für ein Doppel von diesem Format. Dass aber die vergleichsweise reduzierte Menge den Pitcher in den immerhin drei Konzertstunden ordentlich zum Kochen bringt, dürfte für eine gewisse Grundenttäuschung ob der immer noch stark vernachlässigten Huldigung dieser Legende mächtig entschädigt haben. Denn rein musikalisch ist das hier heute ein echtes Fest!
Als RUTHLESS sich schließlich zu einer ordentlichen, einstündigen Performance auf die Bühne quetscht, hat die bereits 1982 in Los Angeles gegründete Truppe sofort die Sympathien auf ihrer Seite. Das Quintett nutzt vor allem die Gelegenheit, das Material ihrer neuen Langrille "The Fallen" auf die Bühne zu bringen. Obschon in den ersten Reihen immer lautere Rufe nach den Songs von "Metal Without Mercy" und "Discipline Of Steel" durch den pickepacke vollen Club hallen, arbeitet sich die Truppe konsequent durch ihr gemischtes Programm und bringt die Klassiker erst zum Ende des Sets.
RUTHLESS mag zwar kein regelrechtes Feuerwerk abgebrannt haben, noch so starke Hymnen in der Hinterhand bewahren wie der spätere Headliner, doch mit einer leidenschaftlichen Darbietung, versierter Gitarrenarbeit und der unverkennbaren, markanten Stimme von Frontmann Sammy DeJohn und dessen vielseitiger Röhre kann RUTHLESS die Gunst der Stunde nutzen und auf der ersten längeren Tour auf dem alten Kontinent auch in Düsseldorf einen klaren Akzent setzen. Die fünf Musiker bedanken sich recht herzlich beim stetig lauter klatschenden Publikum, scheinen sichtlich bewegt und feuern mit dem Titelsong ihres Klassikers schließlich diejenige Hymne zum Finish in die Menge, auf die viele Anvertraute die ganze Zeit gewartet haben. Toller Gig einer bescheidenen, vielseitigen und immer noch sehr agilen US-Metal-Combo!
Setliste: Gates Of Hell; Soldiers Of Steel; Betrayal; Sign Of The Cross; Defender; Dead Fall; Run For Your Life; The Fallen; Bury The Axe; Metal Without Mercy; Discipline Of Steel
Knappe 20 Minuten später bewegtn sich die Herren von JAG PANZER schließlich durch den Fronteingang bis zur Bühne, atmen noch einmal tief durch und verwandeln den Abschnitt vor der Bühne sofort in ein Tollhaus. 'Chain Of Command' direkt als Einstieg? Hätte man besser und fulminanter in einen Gig starten können? In den ersten Reihen ist man sich jedenfalls schnell sicher, dass die Party jetzt erst richtig losgehen würde und begleitet den Tyrant lautstark beim Refrain, aber auch in den Strophen.
Wer derweil einen Blick auf die kleine Bühne wagt, sieht ein relativ komisches Bild: der ruhige, stets professionelle Mark Briody in seiner ganze Routine, der inzwischen in Griechenland beheimatete Frontmann Harry Conklin in Jogginghose und merkwürdigen Leder-Crogs, der vollends in Leder eingepackte, ebenfalls eher ruhige Bassist Aric Avina, ein liebevoll posender, extrem versierter und stets in Bewegung befindlicher Leadgitarrist Ken Rodarte und ein ganz junger Schlagwerker als Ersatz für Rikard Stejrnquist. Als Gemeinschaft erst einmal nicht von einer visuellen Homogenität gezeichnet, als echte musikalische Einheit aber eine echte Wucht, die mit besagtem Opener ein Feuer entfacht, das sich am heutigen Abend von Song zu Song zu einem echten Flächenbrand ausdehnt.
Der Schwerpunkt des 90-minütigen Sets liegt dabei ganz klar auf dem Jubiläumswerk, das über den Abend verteilt sogar in Gänze dargeboten und von einigen Songs der frühen und späten Bandgeschichte ergänzt wird. Conklin erklärt hierbei, dass beim Erstellen der Setliste hin und wieder auch einige Klassiker verschwinden müssen, um alle Wünsche zu erfüllen. Daher wird heute unter anderem auch auf den Dauerbrenner 'Shadow Thief' verzichtet, aber auch große Teile von "The Hallowed" sind nicht mehr im Set, weil diese Tour ganz im Zeichen des frühen Kultalbums steht, aus dem 'The Watching' und 'Licensed To Kill' schon früh die ersten Ausrufezeichen setzen. Als die Band 'Harder Than Steel' anstimmen möchte, tritt überaschend der sonst eher schüchterne Mark Briody ans Mikrofon, erinnert daran, dass am heutigen Abend der Geburtstag von Mark Shelton gewesen wäre, und widmet dem verstorbenen MANILLA ROAD-Mastermind diese besondere Hymne – eine tolle Hommage, bei der man fast schon erste Tränen vergießen mag.
Doch es sind eher Tränen der Freude, die fließen, als JAG PANZER mit 'Symphony Of Terror' und dem noch recht frischen 'Stronger Than You Know' auf die Zielgerade einbiegt und die letzten Reserven herausholt. Selbst die Tatsache, dass der junge Schlagzeuger immer wieder Schwierigkeiten mit seinem In-Ear-System hat, bringt die Herren nicht aus der Ruhe. Rodarte und Brody nutzen die Gelegenheit stattdessen zu einem kurzen Jam, in dem einige Songs von ACCEPT und BLACK SABBATH kurz angeteasert werden. Als Briody anschließend bekannt gibt, dass Wolf Hoffmann und BLIND GUARDIAN-Gitarrero André Olbricht zu seinen größten Einflüssen gehören, bringt ihm das auf deutschem Boden natürlich noch einmal zusätzliche Sympathien ein.
Nach dem epischen 'Take To The Sky' soll eigentlich der Zugabenteil eingeläutet werden, aufgrund der verpassten Zeit und der technischen Schwierigkeiten in der Mitte des Sets lässt sich JAG PANZER auch gar nicht erst ein weiteres Mal auf die Bühne bitten, sondern brennt mit 'Cardiac Arrest', 'Warfare' und dem unvermeidlichen 'Generally Hostile' ein finales Feuerwerk ab, bei dem sich sogar unsere Fotografin zu einem lautstarken 'No Mercy!' hinreißen lässt – episch und letztlich phänomenal. Gerade deshalb ist auch gut zu verkraften, dass der Sound im Pitcher nicht optimal ist, Stage Action aufgrund des begrenzten Platzes kaum möglich erscheint und vielleicht auch nicht jeder Wunsch erfüllt werden kann (mir fallen neben 'Take Away The Pain', 'The Fourth Judgement' und 'The Age Of Mastery' noch mindestens ein Dutzend Songs ein, die ich gerne gehört hätte...). Denn JAG PANZER ist immer noch in Höchstform unterwegs, hat richtig Bock auf diese Tour und lässt eine Platte wie "Ample Destruction" nicht nur zeitlos erscheinen, sondern setzt ihr mit dieser Performance die goldene Krone auf. Genau das habe ich mir für heute erhofft, und genau das haben die Zuschauer heute bekommen!
Setliste: Chain Of Command; Licensed To Kill; The Watching; Black; Iron Eagle; King At A Price; Onward We Toil; The Mission (1943); Harder Than Steel; Symphony Of Terror; Reign Of The Tyrants; Dark Descent; Stronger Than You Know; Take To The Sky; Cardiac Arrest; Warfare; Generally Hostile
Um dem Ganzen noch einen draufzusetzen, verteilen die Musiker im Anschluss an ihre Show reichlich Plektren, Schweißbänder und Dog Tags, nehmen sich ausgiebig Zeit für einen Plausch mit ihren Fans, signieren jeden noch so kleinen Fetzen und geben sich einmal mehr als extrem sympathische Zeitgenossen, denen die Nähe zu ihrer Anhängerschaft immens wichtig ist. Dies macht sich dann auch in den Preisen für das Merchandise bemerkbar. Die beiden unterschiedlichen Tourshirts kosten gerade mal schlappe 20 Euro und werden daher auch umgehend verpflichtet. Dass sich hier unzählige Kollegen mal ein Beispiel nehmen könnten, muss wohl nicht mehr gesondert erwähnt werden...
Ja, liebe Leute, so soll Heavy Metal einfach sein: ein toller Support, ein umwerfend starker Headliner, außergewöhnlich faire Preise und das Gefühl, einfach mittendrin und nicht nur dabei zu sein. JAG PANZER hat auf dem europäischen Teil der "40 Years Of Destruction" erneut die Messlatte angehoben, und das in wirklich jeglicher Hinsicht. Danke für diesen tollen verschwitzten Abend!
Fotocredit: Barbara Sopart
- Redakteur:
- Björn Backes