JGTHM on tour - Ludwigsburg

30.04.2003 | 03:01

20.03.2003, Rockfabrik

"Heavy Metal kann man lieben oder hassen - dazwischen gibt es nichts, denn für ein "mir doch egal" ist das Zeug einfach zu laut: Röhrende Gitarren und wehende Haare, schwingende Äxte und wilde Tattoos, Alkohol bis zum Abwinken, Groupies, Schweiß, Blut, Tod und Teufel - wenn die ganz bösen Jungs zum Tanze bitten, dann bleibt kein Auge trocken."

Diese Sätze stammen von Till Burgwächter, dem Autor der Heavy-Metal-Satire "Juhr Gait Tu Hewi Mettäl". Und diese Worte umschreiben nicht nur dieses Buch hervorragend, sondern auch jenen Abend im März, an dem sich der Till höchstpersönlich in der Ludwigsburger Rockfabrik die Ehre gab. Auf einer kleinen Tour durch das Schwabenländle - weitere Stationen waren Schorndorf und Tübingen - machte er nämlich auch in DER süddeutschen Metal-Disco halt, um der "Hail-and-kill-Metal-Gemeinde", aber auch den Posern sein Werk näher zu bringen.

Dass dieser Donnerstag Abend ein wenig anders verlaufen würde als sonst, wurde eigentlich jedem sofort klar, der in die Rockfabrik kam, denn die Tanzfläche war als solche nicht wirklich zu erkennen. Direkt vor der DJ-Kabine war eine kleine Bühne aufgebaut, auf der ein Sessel und ein kleines Tischchen standen (für den Till), und die übrige Tanzfläche war mit Biertischgarnituren zugestellt (für das Metal-Volk). Diese Möbel waren den RoFa-Gästen aber wohl nicht so ganz geheuerlich, da sie sich zunächst an die gewöhnlichen Tische setzten, und erst, als dann die Musik ausging, bequemten sich einige, doch auf diesen Bänken Platz zu nehmen. Auch der Till nahm seinen Platz ein, und mit einer kurzen Begrüßung stieg er auch gleich in die Materie ein.

Wie es sich gehört, gab der Till zunächst eine Definition von Heavy Metal - schließlich sollte ja jeder Anwesende wissen, wovon an diesem Abend gesprochen wird. Und so umschreibt der Heavy Metal als Oberbegriff laut dem Till "so ziemlich alles, was nicht nach Heino klingt. Unbedingte Bestandteile sind verzerrte Gitarren, verzerrte Gitarren und natürlich verzerrte Gitarren. In den Texten geht es hauptsächlich um Satan, das Böse, Verwendungsmöglichkeiten für Jungfrauenblut und die Preispolitik von Aldi". Auch auf die Herkunft des Begriffs wird natürlich eingegangen, wobei der Till hier seine ganz eigene Theorie hat: "Ein gewisser Rotzlöffel namens Götz K. lag im Alter von 12 Jahren in seinem Kinderzimmer und träumte von Mamas Schweinebraten, als eine Horde Zwerge sein Bett enterte und ihm die beiden magischen Worte ins Ohr flüsterten."

Nach diesen doch eher oberflächlichen Erklärungen über den Heavy Metal im Allgemeinen wurde es anschließend dann aber etwas spezieller, denn der Till ging auf die verschiedenen Stilrichtungen ein. Exemplarisch hatte er sich hier den Progressive Metal ("Progressive Metal beinhaltet komplizierte Songstrukturen, Melodien, die kein Mensch als solche erkennt und Gitarren mit sieben Saiten aufwärts. Eisernes Gesetz dieser Szene: Ein Song von unter zehn Minuten Dauer ist kein Song, sondern eine Fingerübung.") und den Gothic Metal ("Schwarzgekleidete Musikanten, gerne um einen weiblichen Trauerkloß verstärkt, sind der festen Überzeugung, dass die Welt an ihrem Schmerz teilhaben sollte.") herausgesucht.

Anschließend wurde es dann noch eine Stufe spezieller, denn der Till klärte über ein paar verschiedene Metal-Bands auf. So bekamen in kurzen Texten Bands wie MR. BIG oder PARADISE LOST ihr Fett weg, wohingegen METALIUM richtig ausführlich auf die Schippe genommen wurde. Der Höhepunkt in diesem Teil der Lesung war aber natürlich die Glosse über die Lokalmatadore von SACRED STEEL, da mit Sänger Gerrit ("Dagegen röhrt KING DIAMOND wie ein waidwunder Hirsch mit Asthma.") und Schlagzeuger Mathias zwei der Musiker anwesend waren. Dass die beiden jede Menge Spaß verstehen, bewiesen sie, indem sie auch über Formulierungen wie "Denn mal unter uns, wie viel Metal ist die bereits erwähnte 2-Millimeter-Matte vom Mutze-Gerrit? Wie viel Metal ist der Nachname des Gitarristen Knittel? Sollte man mit so einem Namen nicht lieber bei Penny den Joghurt ins Kühlregal sortieren?" kräftig mitlachten.

Einen weiteren kurzen Teil widmete der Till dann "Bands, die nicht Metal sind". Unter diesem Stichwort lassen sich "alle möglichen Gruselrotten, Schmierlappen und designierten Pornodarstellerinnen zusammenfassen, die das Mikro allesamt nur aus einem Grund in die Hand nehmen: Heraufbeschwörung des Jüngsten Gerichts". Da der Till wohl schon damit gerechnet hatte, dass die Zuhörerschaft nun unter anderem eine Abrechnung mit METALLICA zu hören bekäme, wiegelte er gleich ab: "Auf die Nennung des Namens Metallica wird im Übrigen verzichtet, da sich Metaller unter 28 Jahren schon nicht mehr an diese Band erinnern können." Dafür zog er dann aber beispielsweise mit HIM ins Gericht: "Diese düster angehauchte Hintergrundbeschallung einer Realschulabschlussparty erinnert doch nun wirklich mehr an Möbelhauseröffner der Marke Bernhard Brink als an saftigen Rock. Wäre Musik was zum Essen, wären HIM ein depressives Sülzkotelett."

Da heutzutage jede(r), der/die etwas auf sich hält, eine eigene Homepage hat, hat sich der Till natürlich auch einige Metal-Seiten etwas näher angeschaut. Zum einen hat er an der offiziellen Seite des Wacken Open Airs kein gutes Haar gelassen, aber zum anderen ging es hier dann vor allem um die Seite von MANOWAR: "Die Page ist keinesfalls Durchschnitt, sondern über die Maßen lustig. Das war wahrscheinlich nicht beabsichtigt, aber das ist für die Herren ja nichts neues. Nichts neues erfährt man übrigens auch auf der Page."

Danach wollte der Till eigentlich seine Lesung beschließen, doch da er genau merkte, dass die Leute von seinen satirischen Ergüssen gar nicht genug bekommen konnten, wandelte er den Schlusspfiff in einen Pausenpfiff um, und so ging es nach einer kurzen Pause mit einer "Zugabe" weiter. Hierfür hatte er sich eine wirklich amüsante Geschichte über eine Deutschland-Tour von einer Horde Metaller einfallen lassen. So beginnt die Reise - wie könnte es anders sein - in Wacken, bevor es nach Hamburg weitergeht, genauer gesagt in den Hafen, "wo die Jolle Jolly Roger ziemlich einsam in einer Ecke vor Anker liegt. Kapitän Rolf hat natürlich alle anderen Schiffe ge- oder befeuert. Mit einem heiseren "Moin, Moin" begrüßt er die Interessierten, führt sie auf seinem Kahn herum und lässt abschließend zwei Reisegruppenmitglieder über die Planke gehen, weil sie über seinen Klamotten-Stilmix aus Napoleon (Hose), Dschingis Khan (Unterhose), Batman (Maske) und Heidi Kabel (Frisur) geschmunzelt haben."

Danach war dann aber endgültig Schluss, und das Publikum ließ sich zu wahren Beifallsstürmen hinreißen. Während der Till nämlich gelesen hatte, waren die meisten Anwesenden eher ruhig, und nur hin und wieder konnte man ein herzhaftes Lachen hören. Doch ich hatte deshalb keineswegs das Gefühl, dass es den Leuten nicht gefallen hat - ganz im Gegenteil. Ich denke eher, dass das daran lag, dass viele nicht so recht wussten, was denn da überhaupt auf sie zukommt. Und das Buch, um das es ging, kannten wohl sowieso die Allerwenigsten. Dementsprechend groß war dann auch der Ansturm auf das Podium, wo der Till signierte Exemplare zum Verkauf anbot. Und nachdem alle ihre Kauflust gestillt hatten, wurden Podium und Biertische zur Seite geräumt, und der reguläre Donnerstags-Disco-Betrieb konnte beginnen...

Unter dem Strich war diese Veranstaltung für alle Beteiligten ein Erfolg - zum einen natürlich für das Publikum, das für den "normalen" Eintrittspreis ein sehr amüsantes 'Special' geboten bekam, und zum anderen natürlich auch für den Till, der sein Buch vor einem recht kompetenten Publikum vorstellen konnte und auch ein paar Exemplare verkaufen konnte. Sogar für Leute (wie mich), die das Buch bereits kannten, hat sich der Abend gelohnt, denn etwa die Hälfte der Texte, die der Till vorgetragen hat, war neu und noch gar nicht in "JGTHM" berücksichtigt.

Wenn sich der Till also mal in eure Gegend verirren sollte, dann schaut doch einfach vorbei - wenn ihr nur ein bisschen Sinn für Humor und Satire habt, dann werdet ihr es nicht bereuen!!!

Redakteur:
Martin Schaich

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