Kaltenbach Open Air - Spital am Semmering (AT)

13.08.2006 | 20:35

15.07.2006, Festivalgelände

Samstag, 16.07.

INZEST sind heute mein metallisches Frühstück und während sich Rouven auf die Suche nach einem Geldautomaten in der Stadt macht, wippe ich das müde Genick zu den brachialen Klängen der Tiroler. In der Tat ist es schwer bei der energiegeladenen Show still zu stehen, und vor allem Sänger Maggu beeindruckt mit wildem Rumgehüpfe und einer scheinbar endlosen Motivation, die noch etwas spärliche Meute zu animieren - mit Erfolg! Zwar ist die Musik, die man irgendwo zwischen Metalcore und Death Metal einordnen könnte, nicht so ganz mein Ding, aber live kann man sich der Energie, die von diesen Jungs ausgeht einfach nicht entziehen, und spätestens nach dem dritten Song haben INZEST das Publikum fest im Griff. Respekt für dieses Beispiel an brachialer, moderner Metalkunst am frühen Nachmittag!
[Caroline Traitler]

So. Halb ausschlafen, lecker Frühstück und dann langsam aber sicher ab aufs Festivalgelände. Leider muss ich noch ein bisschen durch's Dorf irren, da meine Bargeldvorräte zur Neige gehen. Leider zieht sich meine Odyssee etwas länger hin als geplant (inklusive einiger Treffen mit bekannten Gesichtern, und wenn man schon ein leckeres Stiegl angeboten bekommt, dann kann man sooo schlecht nein sagen ;-)), so dass ich erst bei den Ungarn von CASKETGARDEN wieder vor der Bühne stehe. Schade, denn EMPYRE hätte ich gerne gesehen.
Die Osteuropäer machen ihre Sache jedoch sehr fein, auch wenn hier mal wieder die stilistische und kompositorische Eigenständigkeit zu Wünschen übrig lässt. Denn irgendwie klingen die Songs entweder nach AT THE GATES oder eben nach DISMEMBER - und manchmal sogar nach beiden Schwedenhelden gleichzeitig. Seufz. Unterhaltsam ist das allemal, zum Rübenicken animiert es ebenso, aber mehr als 'ne halbe Stunde muss dann (noch) nicht sein.

Den ersten Vogel des Tages schießen dann ASMODEUS ab: Die österreichischen Blackies kommen mit einer ganzen Armada an Corpsepaint, Nieten, Leder und Stacheln auf die Bühne, was in der prallen Nachmittagssonne dann doch etwas albern wirkt. Scheint so, als habe die Preisung des Gehörnten immer noch kein Einfluss auf die Wetterlage. Musikalisch hatte ich jedoch erwartet, dass wir hier Highspeed-Schwarzkittelmucke in the vein of DARK FUNERAL geboten bekommen würden, was sich jedoch als Trugschluss herausstellt. Meine Herren! Viel mehr als Proberaum-Black-Metal ist das hier nicht. Keine Ahnung, ob es auf der Bühne Probleme mit dem Sound gab, aber selbst das könnte nur schwerlich die teilweise recht dilletantische Bedienung der Instrumente erklären. Oh, und es ist durchaus auch von Vorteil, wenn die gesamte Band in einem (!) Takt spielt. Nee, das musste echt nicht sein. Bisher hatte ich von ASMODEUS nur Gutes zu Ohren bekommen, jedoch beschränkte sich das auf Mundpropaganda. 'Ne Hörprobe wäre vorher doch vielleicht gescheiter gewesen...
Danach geht's mit UNLEASHED auf zur Fotosession in den umliegenden Wald, weshalb SCORNAGE und DAVIDIAN leider auf meine Anwesenheit vor der Bühne verzichten müssen.

Pünktlich zur Abrissbirne namens WASTEFORM sind wir wieder vor Ort - was für ein Auftritt! Passend zu den Anselmo-Ansagen gibt's das volle Brett, die Amis machen hier mächtig Stimmung und zeigen den US-Todesblei-Nachahmern mal, wie das richtig geht. Originalitätspreise gibt's hier natürlich auch nicht, wobei die Jungs auf der Bühne aber so viel Charme und Energie versprühen, dass das auch schon fast egal ist.
Ähnlich DISASTROUS MURMUR, die einen absolut perfekten Auftritt, untermalt vom bis dato besten Sound des Tages, auf die Bretter legen. Dabei gefällt mir besonders, dass die Jungs teils unheimlich unberechenbar und sehr breakorientiert zu Werke gehen, was dem Gig nochmals einiges an Potential und Klasse beschert. Bisher das absolut beste und perfekteste Death-Doppelpack des Festivals!

MOONSORROW sind die erste richtig große Band am Samstag und werden entsprechend auch von einer riesig anmutenden Meute vor der Bühne erwartet. Unter dieser befindet sich auch ein fein kahlrasierter Herr in dunkelblauer Bomberjacke, der mit seiner unheimlich arisch aussehenden Freundin und den BURZUM-Patches so ziemlich jedes Klischee erfüllt. Schade nur, dass auf dem gesamten KOA so einige zwielichtige Gestalten ihre Kreise ziehen und dies niemanden so wirklich zu stören scheint...
Doch zurück zum Wesentlichen: für die Finnen von MOONSORROW ist dieser Gig ein einziger Triumphzug, scheinbar gibt es in Österreich eine Menge Leute, die ebenso auf BATHORY-mäßigen, epischen und dennoch folkloristisch angehauchten Metal stehen. Kein Vergleich zu den Kindermelodien von ENSIFERUM, kein Vergleich mit den pseudofolkloristischen Passagen bei eben jenen, kein Vergleich zur erhabenen Stimmung, die bei MOONSORROW vorherrscht. Bangen, abgehen und grölen ist ebenso passend wie still genießen und sich innerlich freuen, ein Blick über das weite Rund offenbart, dass sich die meisten für die erste Variante entschieden haben. Sehr zur Freude von Fronter Ville, der zwar immer noch etwas schüchtern und reserviert dort oben wirkt, aber schon etwas aufgetauter rüberkommt als beispielsweise noch auf der Tour mit PRIMORDIAL und MOURNING BELOVETH. Schließlich sind MOONSORROW eine absolut tolle Liveband - nur muss ihnen das definitiv noch jemand sagen. Wäre im Übrigen ja auch schön, wenn "richtige" finnische Folklore mehr Zuspruch bekäme als die kitschige Vier-Minuten-Version. Auch wenn das Wort "erwachsen" eigentlich stinkt, so ist es bei MOONSORROW und deren Kompositionen gerade im Vergleich zu dem, was aktuell noch so den Markt überschwemmt, doch irgendwie passend. Alternativ schlage ich noch "erhaben", "elegisch" und "traumhaft" vor. Humppa? Ruhe jetzt!
[Rouven Dorn]

Eigentlich schade, dass es am Samstag kaum eine Pause gibt. Denn nach MOONSORROW sind gleich die holländischen Todesblei-Überflieger von GOD DETHRONED an der Reihe, auf deren Auftritt in der Alpenrepublik ich sehr gespannt war. Schließlich ist das KOA ein absolutes Mekka für alle Freunde der etwas heftigeren metallischen Gangart - und siehe da, GOD DETHRONED werden von Beginn an abgefeiert als gäbe es kein Morgen mehr, als wären sie die Headliner des Festvials und nicht eine Institution wie SODOM. Heftig! Allerdings auch verständlich: Wer mit Granaten wie 'Nihilism', 'Stigma Enigma', 'Villa Vampiria', 'The Tombstone' oder 'The Warcult' aufwartet, der hat es auch redlich verdient, nach allen Regeln der Jubelkunst abgefeiert zu werden. Dazu gibt's noch einen neuen Song vom im Oktober erscheinenden "The Toxic Touch" zu hören, der gleich mal alles killt. Was für ein Teil! Scheint so, als wären die Jungs ihrem Versprechen treu geblieben, sich in Zukunft noch mehr auf den Song als auf Blasts zu konzentrieren. Fein. Übrigens immer wieder herrlich anzusehen, wie gut der Truppe der Zugang von Arien an den Drums und ganz besonders Isaac an der Klampfe getan hat - einen besseren Gegenpart zu Henris Rifforgien und quietschigen SLAYER-Soli kann es gar nicht geben. War "The Lair Of The White Worm" bereits ein kleiner Quantensprung, so bin ich mir sicher, dass uns das neue Album kollektiv das Fürchten vor einer perfektionierten, heftigen aber stets auch noch melodieverliebten Death-Metal-Mannschaft lehren wird. Sehr beeindruckend!

Kaum habe ich mir eine Pause herbeigesehnt, spielen auch schon LORD BELIAL. Gut für mich, denn die Schweden sind auf der Bühne nicht viel beeindruckender als auf Platte. Soll heißen: gehobenes Mittelmaß, wobei dies allerdings erst mit den letzten beiden Scheiben erreicht wurde. Immerhin stehen die Jungs ohne Corpsepaint auf der Bühne - das hätte ihnen vermutlich keiner mehr abgekauft. Aber auch zur "neuen" musikalischen Ausrichtung passt der Verzicht, denn die arg HYPOCRISY-lastigen Kompositionen haben mit Black Metal nicht mehr wirklich viel zu tun. Sei's drum, die recht melodieverliebten Kompositionen gehen gut ins Ohr, jedoch auch ziemlich schnell wieder aus eben jenem raus. Solider Gig, der den Daumen weder nach oben noch nach unten schnellen lässt. Feierlaune vor der Bühne? Natürlich trotzdem da. Und dem Lautstärkepegel nach zu urteilen haben eben mindestens MANOWAR wenn nicht sogar IRON MAIDEN gespielt. Heftig.

Aller guten Dinge sind drei? Na, aber hallo! Eine ganze Stunde UNLEASHED, das wäre selbst zum ersten Mal in diesem Jahr eine Offenbarung - zumal Johnny und seine Mitstreiter auch dem österreichischen Publikum ihren neuen Song 'New Dawn Rising' vorstellen wollen. Ansonsten gibt es - wie sollte es anders sein - natürlich wieder die absolute Vollbedienung mit sämtlichen Klassikern, Evergreens und Soon-to-be-classics der sympathischen Truppe. Egal ob 'The Longships Are Coming', 'Neverending Hate', 'The Defender' und 'Death Metal Victory' mitsamt Mitsingspielchen oder 'To Asgaard We Fly', die Meute ist wie meine Wenigkeit absolut nicht zu bremsen und verausgabt sich bei den unverschämt rock'n'rolligen Kompositionen der Mannen aus Stockholm bis aufs Letzte. Hechel!
Ich weiß nicht direkt woran es liegt, aber UNLEASHED sind für meine Wenigkeit innerhalb der geschichtlichen Zusammenstellung DISMEMBER-ENTOMBED-GRAVE-UNLEASHED meine absoluten Lieblinge. Ich kann mich einfach nicht entscheiden: Ist es Johnny, der über die Jahre zu einem souveränen, sympathischen und mitreißenden Fronter geworden ist, die unvergleichlichen Riffs im typischen UNLEASHED-Rhtyhmus oder gar doch Fredriks Soli, die ich mittlerweile trotz viel Genörgel in den vergangenen Jahren in mein Herz geschlossen habe? Vermutlich an einer Mischung aus allen genannten Dingen. Und eines steht fest: Selbst bei zehnmaligem Anschauen verliert diese Truppe nicht an Attraktivität und Mitgehpotential. Death Metal Victory!
[Rouven Dorn]

Als letzte Band stehen SODOM auf der Liste und man wartet gespannt auf die Band während hinter der Absperrung einige Paletten Bier postiert werden.
Noch vor SODOM kommt das Kaltenbach-Team auf die Bühne und lässt sich zu Recht von dem schon geschlauchten Publikum feiern. Dann ist es endlich so weit, und die drei aus Gelsenkirchen kommen auf die Bühne und legen sofort mit dem Opener der neuen Scheibe los. Obwohl diese relativ neu ist, können die meisten schon beim Chorus mitsingen. Es geht dann auch gleich passend weiter mit dem zweiten Lied auf der neuen Platte; bei diesem rasenden Song merkt man schon, wer sich die Kräfte richtig einteilt.
Der Klassiker 'Outbreak Of Evil' ist wohl jedem SODOM-Fan bekannt und dementsprechend laut singt das Publikum mit. Bei 'Napalm In The Morning' wird die Band gehörig angefeuert und es wird kräftig mitgesungen. Der SODOM-Song schlechthin, der darauf folgt, wird dafür von den Fans gehörig zelebriert und so sind die Leute am toben als Tom 'Die stumme Ursel' ankündigt. Leider ohne Gummipuppe aber dafür mit echtem Fleisch auf der Bühne. Die vier zierlichen Damen die sich auf die Bühne wagen, folgen zwar nicht den Forderungen der Fans ("Tepf her heit gibts Nudeln") aber sie versuchen zumindest zu dem punkigen Lied zu bangen. Bei 'The Saw Is The Law' geht's dann auf der Bühne richtig zur Sache und so ziemlich jeder mit Backstage-Ausweis steht auf der Bühne rum.
Bei 'Der Wachturm' und dem folgenden 'Ausgebombt' geht's wieder punkig zu und die Fans strapazieren ihre Stimmen bis zur Heiserkeit.
Zwischendurch lässt Tom die Fans der teutonische Thrash-Dreifaltigkeit huldigen ("Wir lieben SODOM und KREATOR und DESTRUCTION") und gibt drei bewährte Livesongs zum Besten. Mit 'Axis Of Evil' steht dann wieder ein neuer Song auf dem Plan, der bei den Leuten gut ankommt und teilweise schon mitgesungen wird. Bei 'Ace Of Spades' ist die Stimmung dann am Höhepunkt, was wohl auch daran liegt, dass Bier ausgeteilt wird.
Und am Schluss dieses gelungenen Festivals gibt Tom den Fans das, was sie den ganzen Auftritt lang gefordert haben: 'Bombenhagel' in einer etwas abgeänderten Version ohne deutsche Nationalhymne. Einziger Wehrmutstropfen: Herr Angelripper kommt, obwohl er es ankündigt, nicht nochmals raus um mit den Fans ein paar Bier zu trinken. Schade.
[Gastautor Thomas Mühlehner]

Setlist:
Blood On Your Lips
Wanted Dead
Outbreak Of Evil
Napalm In The Morning
Silence Is Consent
Sodomy And Lust
Die stumme Ursel
The Saw Is The Law
Sodomized
Der Wachturm
Ausgebombt
Blasphemer
Among The Weirdcong
Remember The Fallen
Axis Of Evil
Ace Of Spades
Bombenhagel

Randnotizen:

SKYFORGER in Zivil:
So beeindruckend und imposant die Letten in voller Gewandung auf der Bühne wirkten, so lustig war ihre zivile "Gewandung": Man fühlte sich fast direkt in einen beliebigen Ostblock-Staat Mitte der 80er-Jahre versetzt, als kurze Hosen noch knapp unter dem Schambereich endeten und Tennissocken in Kniestrumpflänge zusammen mit Ledersandalen der letzte Schrei waren. Eigentlich fies, darüber zu lästern, aber dennoch höchst amüsant anzusehen.

Ein schottischer Finne:
Normalerweise sind Finnen des Englischen zwar mächtig, verraten sich aber durch einen charismatischen Akzent. Nicht so MOONSORROW-Klampfer Henri, der sich mit dem Rest der Truppe zu uns und Ville gesellte, bereits deutlich in bierseliger Laune. Kurz darauf blökt der Gute in einem derart perfekten Englisch mit schottischem Akzent los, so dass ich im stande pede einen Vertrag für "Braveheart" angeboten hätte - das kann selbst Mel Gibson nicht besser! Schade nur, dass er nicht auch leckeren schottischen Whiskey dabei hatte...

UNLEASHED und das Bier:
Selig grinsend, schon gut dabei und mit einer Bierdose an den Arm "gekettet" (wofür Absperrband doch gut sein kann) begrüßt uns UNLEASHED-Klampfenmeister Fredrik bereits am frühen Nachmittag. Es steht noch eine Fotosession mit der ganzen Truppe an, was angesichts des Alkoholpegels der Schweden ein lustiges Unterfangen wird. Schließlich ist es schwer, in Bierlaune auch noch ernst dreinzuschauen. Kuschelig wird's dann in einer kleinen Pause: Drummer Anders und Gitarrist Tomas finden die Almweide so gemütlich, dass sie händchenhaltend (!) ein kleines Nickerchen in der Sonne machen. Süß!

Campen in den Bergen:
Eigentlich hätte ich es kaum geglaubt, hätte ich es nicht selbst gesehen - beim KOA campt man tatsächlich auf den Skipisten des Wintersport-Ortes; und dass diese eine gewisse Neigung besitzen, dürfte bekannt sein. Möchte nicht wissen, wie es sich dort ab einem Promille so läuft, campt und vor allem schläft. Allerdings sehr idyllisch mit der grasenden Kuhweide im Hintergrund. Wer keinen Bock auf schiefes Campen hat, der konnte sein Zelt auch unten am Hang aufschlagen. Insofern man damit leben kann, dass einem von weiter oben Leute aufs Zelt pullern...;-)
[Rouven Dorn]

Redakteur:
Rouven Dorn

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