Katatonia - Essen

12.05.2006 | 15:48

11.05.2006, Zeche Carl

Die Sonne knallt unbarmherzig, das Thermometer zeigt Temperaturen jenseits von 25 Grad an. Grillgeruch in der Luft und ein kühles Bier im Anschlag. Ideale Vorraussetzungen für einen gemütlichen Konzertabend. Allerdings passt das heitere Wetter nicht so recht zu den ganz und gar nicht heiteren KATATONIA-Melodien.

So verwundert es auch nicht groß, dass bei den Italienern NOVEMBRE, die als Support mit dabei sind, erst ca. 50 Leute in der Zeche Carl anwesend sind. Die Anderen vergnügen sich derweil im angrenzenden Biergarten oder sind auch ganz weggeblieben, denn auch beim Hauptakt später ist die Halle alles andere als komplett ausgefüllt. Auf dem Papier ist das Trio aus Rom eine ideale Besetzung, da es mit seinem melodischen Doom/Death Metal vor allem die älteren KATATONIA-Anhänger da abholt, wo sie von den Schweden nach "Brave Murder Day" sitzen gelassen wurden. Und so gibt es auch durchaus wohlwollenden Beifall nach jedem Song, den die Doomster in ihrem 45minütigen Set abfeuern. Es fällt jedoch mit wachsender Spielzeit auf, dass Songwriting wohl nicht so das Ding der Jungs ist. Zu ähnlich und gleichförmig klingen die Kompositionen, da sollte man gerade in diesem Genre darauf achten, etwas mehr Abwechslung zuzulassen. Zumindest macht es die Band durch ihr sympathisches Auftreten halbwegs wett, vor allem Sänger Carmelo Orlando freut sich sichtlich über den Beifall der Fans und genießt seinen Auftritt.

Irgendwann kommt dann aber wirklich der letzte Song und in der anschließenden Umbauphase strömt alles nach draußen, um noch ein wenig Sonne zu tanken, bevor es die depressiven Schweden endlich auf die Bühne drängt.

Los geht's mit 'Leaders', dem Opener des aktuellen Albums "The Great Cold Distance". Die fünf Schweden gelten ja nun nicht gerade als begnadete Liveband aufgrund einiger unmotivierter Auftritte in der Vergangenheit. Heute aber scheinen sie einen guten Tag erwischt zu haben, vielleicht stehen die Düsterheimer ja doch auf Sonne...?
Natürlich darf man kein wildes Propellerbanging erwarten, aber zumindest Gitarrist Anders Nyström post wie ein Großer und hat ordentlich Spaß inne Backen. Das komplette Gegenteil dagegen bei Gitarrist Fredrik und Bassist Mattias. Sehr konzentriert und eher in sich gekehrt absolvieren die beiden ihr Set. Tja, und dazwischen steht dann Pausbäckchen Jonas Renkse, der sich die meiste Zeit über hinter seiner Mähne versteckt und den Mikrofonständer fest umklammert hat. Gesanglich ist er heute aber grandios. Keine Spur von Unsicherheit in seiner Stimme, er bringt die fantastischen Gesangslinien genauso klar und verzweifelt rüber wie auf den Alben.

Die Setlist präsentiert sich als bunter Mix aus allen Alben ab "Discouraged Ones". So wird Hit an Hit gereiht. Der erste Höhepunkt ist das todtraurige 'Deadhouse', inbrünstig gesungen und druckvoll gezockt. Wobei man sagen muss, dass generell alle Lieder live deutlich mehr Wumms haben als auf Platte, so werden selbst ruhige Nummern wie das anschließende 'Teargas' bangkompatibel, was von den anwesenden Metallern auch dankend angenommen wird. Die Gothicfraktion steht da schon etwas emotionsloser in der Gegend rum, aber man muss ja auch darauf achten, dass die Schminke nicht zu sehr verläuft. Die neuen Songs passen herrvoragend zum älteren Material, auch wenn sie deutlich härter und hoffnungsloser daher kommen. A propos härter, "Ghost Of The Sun" wird fast schon brutal runtergezockt, vor allem Drummer Daniel Liljekvist gibt hier alles, soviel dazu, dass KATATONIA kein Metal seien. Nach ca. siebzig Minuten beenden die Fünf ihr reguläres Set mit dem Doppel 'July' und 'In The White' vom aktuellen Album, doch die Menge hat noch lange nicht genug. So lässt sich die Band auch nicht lange bitten und gibt als Zugabe das massiv geforderte 'Evidence' zum besten. Der Song gehört mit seinen extrem eingängigen Melodien sicherlich zum Besten, was die Band zu bieten hat und wird begeistert mitgesungen. Und danach Ende? Denkste, denn jetzt kommt das eigentliche Highlight. Die Jungs kramen tief in der Schatztruhe und packen 'Murder' aus, den Klassiker vom "Brave Murder Day" Album, das damals von OPETH-Sänger Mikael Åkerfeldt eingesungen wurde. Den Job übernimmt diesmal also Herr Renkse - und wie! Klar, Åkerfeldt ist nicht zu toppen, aber auch Jonas grunzt sich achtbar aus der Affäre. Hätte man dem Frontmann gar nicht mehr zugetraut, so aggressiv und sicher zu growlen. Kollektives Ausrasten ist jedenfalls angesagt, vor der Bühne sowieso, aber auch die Band zeigt sich bei diesem Monster von einem Song deutlich agiler.

Das war's dann leider auch schon, nach etwa 85 Minuten ist Schicht im Schacht und die Meute geht freudestrahlend hinaus in die laue Sommernacht. KATATONIA haben alles richtig gemacht und nach dem gelungenen Album einen tollen Liveauftritt nachgelegt. Die Band ist zur Zeit einfach in einer kreativen Hochphase und perfekt eingespielt, und das merkt man ihr an. Jederzeit wieder!

Setliste:
Leaders
Wealth
Soil's Song
Deadhouse
Teargas
Deliberation
Ghost of the Sun
My Twin
Criminals
The Future Of Speech
I Am Nothing
Sweet Nurse
Tonight's Music
Sleeper
July
In The White
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Evidence
Murder

Redakteur:
Kilian Fried

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