Keep It True 14 - Lauda-Königshofen

16.05.2011 | 13:50

29.04.2011, Tauber-Franken-Halle

Zum vierzehnten Mal gibt sich der traditionell-metallische Untergrund ein Stelldichein in Tauberfranken.

Das "Keep It True" ist nicht nur das Mekka des traditionell-metallischen Untergrunds, sondern auch eine Art Familientreffen für weite Teile der Szene und eben auch für unserer Redaktion. Man trifft viele Bekannten, die man über all die Jahre kennen gelernt hat, aber sonst nur selten sieht. So ist die Vorfreude stets dreifacher Art, wenn es zum KIT geht: Tolle Bands, entspannter Betriebsausflug und das Treffen guter alter Bekannter. Wenn das mal nichts ist? Natürlich fördert das auch den Aspekt des Genießens, und so ist es den Herren Loga, Andrae, Kubaschk, Schaich, Rohrer, Jaeger und Stehle eine echte Freude, euch einmal mehr aus Königshofen berichten zu dürfen.

Dabei plagen Julian und mich bei der Anreise bereits einige lästige und schlecht beschilderte Umleitungen im lieblichen Taubertal, so dass wir bei unserer Ankunft zwar gleich die tolle Neuerung bei Ein- und Auslass begrüßen können, welche den traditionellen Stau beim Bandwechsel zuverlässig beseitigt und für mehr Frischluft in der Halle sorgt. Dafür stellen wir aber auch gleich fest, dass die Alphatiger schon fast fertig sind, mit ihrem Auftritt. Zum Glück ist Kollege Martin Loga aber schon früher zur Stelle gewesen, so dass er euch erzählen kann, wie sich der Festival-Opener so angestellt hat:

[Rüdiger Stehle]


Eine größere Traube von Menschen wartet bei meinem Eintreffen bereits vor dem Eingang der Tauberfrankenhalle und auch ich reihe mich - wie sich das gehört - brav in dieselbe ein. Doch leider zieht sich der Einlass etwas hin, so dass ich zwei Songs der vielbeachteten Newcomer ALPHA TIGER nicht wirklich mitbekomme. Drinnen angelangt, kredenzen die Senkrechtstarter aus deutschen Land knackigen Heavy Metal alter Schule, der Einflüsse von JUDAS PRIEST, IRON MAIDEN und auch eine Prise QUEENSRYCHE aufweist. ALPHA TIGER sind heiß und die Band rückt sich in ein absolut positives Licht. Spielfreudig wie die jungen Herren sind, schaffen sie es im Handumdrehen, das Publikum für sich zu gewinnen. Für Begeisterung sorgt insbesondere Frontmann Stephan Dietrich, der mit seinem hohen, sehr gut dargebotenen Gesang wie ein um 25 Jahre verjüngter Geoff Tate von QUEENSRYCHE klingt. Insofern verwundert es auch nicht, dass die Band einem ihrer wichtigsten Einflüsse in Form einer Zugabe noch Tribut zollt. Mit dem bockstark umgesetzten 'Queen Of The Reich' treffen ALPHA TIGER genau den Nerv des Publikums. Angesichts des höchst beeindruckenden Gesangs von Stephan Dietrich ist der entbotene Applaus auch mehr als stattlich. Ergo: Ein Toller Opener, den man gesehen haben sollte. Und ich muss mir nun das Debütalbum "Man Or Machine" zulegen.

Setlist: Martyr's Paradise, Crimson Desert, Against The Time, Men Or Machines, Karma, Exit Night, Queen Of The Reich

[Martin Loga]


Die beiden Demos, respektive die herrliche Zusammenstellung eben jener auf Silberscheibe, sind in meinen Ohren wundervoll knusprige Bay-Area-Thrashhäppchen, die sowohl in den 80ern, als auch in der letzten Zeit recht häufig bei mir liefen. Daher ist meine Erwartungshaltung vor dem Auftritt von HELLHOUND (US) ziemlich hoch. Okay, die Besetzung ist leicht verändert, denn aktuell sind lediglich Rich Pelletier (Bass) und Rob Edwards (Gitarre) aus alten Tagen im Kader der Höllenhunde zu hören. So bin ich in erster Linie gespannt, ob der zweite Gitarrist Joe Liszt mit der Doppelbelastung als Sänger zurecht kommt. Gleich der erste Song 'Flee The Bomb' belegt, dass zwar die hohen Kiekser von Original-Shouter Mike Wallish fehlen, dies der Sache an sich allerdings wenig schadet. Mein Kopf beginnt zu rotieren. Allerdings begeht die Band danach den Fehler, zu viele neue und damit unbekannte Songs zu spielen. Obwohl diese Nummern - allen voran 'Circle Of Trust' - ebenfalls amtlichen Thrash bieten, hätte ich gern noch ein paar alte Granaten gehört. Lediglich 'Killing Spree' wird aus der Mottenkiste gezogen und sorgt für entsprechend gute Reaktionen. Hier sehe ich etliche Matten kreisen. Das abschließende 'Kill The King'-Cover ist dann ein feiner Abschluss eines guten, aber leider nicht sehr guten Auftrittes. Vielleicht war meine Erwartung einfach zu hoch. Da das neue Material etwas mehr vom Groove als von knackigen Bay-Area-Riffs getragen wird, bleibt abzuwarten, wie sich das Quartett auf dem nächsten Demo präsentieren wird.

Setlist: Ice Age (Intro); Flee The Bomb; Red Sun, Black Sand; As The Needle Drips; Circle Of Trust; Blood Feud; Killing Spree; The Bleeding Edge; Kill The King (RAINBOW-Cover in honor of Dio)

[Holger Andrae]

Der von Holger bei HELLHOUND angeführte Kritikpunkt lässt sich auch auf die nachfolgende Band DAMIEN THORNE übertragen. Denn auch das Quartett aus Chicago macht den "Fehler", dass es bei der Songauswahl in erster Linie auf das neue Album zurückgreift. Da "End Of The Game" aber erst eine Woche vor dem Festival erschienen ist, sind die neuen Nummern beim Publikum kaum bis gar nicht bekannt. Dementsprechend mag eine wirkliche Stimmung erstmal auch nicht aufkommen. Die Band um den neuen Sänger Martin DeBourge startet nämlich mit dem "End Of The Game"-Opener 'The Clincher' und lässt das ebenfalls neue 'Indulgence' folgen. Die durchaus recht guten Songs werden zwar von den Fans wohlwollend aufgenommen, aber insgeheim erhofft sich doch fast jeder vor der Bühne möglichst viele ältere Songs. Kurzzeitig wird dieser Wunsch auch erhört, denn es gibt 'Damien's Procession' vom Debüt "The Sign Of The Jackal" zu hören. Der Stimmung in der Halle tut das natürlich nur gut, doch es soll bei diesem kurzen Ausflug in die Bandhistorie bleiben. In der Folge werden nämlich gleich drei weitere neue Stücke gespielt, und zwar 'Psychosis' und 'Fire' sowie dazwischen der Titelsong. Die Band und vor allem Martin DeBourge geben sich große Mühe, auch mit ihren neuen Kompositionen das Publikum zu erreichen, aber ganz gelingt ihnen das leider nicht. Sie wirken zwar spielfreudig und bestens gelaunt, aber die Fans vor der Bühne haben sich von den alten US-Metal-Haudegen etwas anderes erwartet. Nach der 2005er-Nummer 'Raise Your Horns' gibt es zum Abschluss zwar mit 'Escape Or Die' noch einen alten Song, doch dieser wird nicht im bekannten Stil, sondern in der neuen Version gespielt, die ja auch auf dem neuen Album zu finden ist. Insgesamt liefern die US-Amerikaner einen durchaus ordentlichen Auftritt ab, der jedoch vom angesprochenen Interessenkonflikt geprägt ist. Ich kann hier sehr wohl beide Seiten verstehen: Die Fans wollen bei einem Festival wie dem "Keep It True" natürlich die alten Klassiker hören, aber die Band ist auf der anderen Seite von ihrem neuen Songmaterial überzeugt und möchte dieses präsentieren. Nur leider ist das Ergebnis schlussendlich für beide Seiten nicht befriedigend. Schade eigentlich.

Setlist: The Clincher; Indulgence; Damien's Procession; Psychosis; End Of The Game; Fire; Raise Your Horns; Escape Or Die (2012)

[Martin Schaich]

Als Vierter im Bunde klinke ich mich an dieser Stelle in die Berichterstattung vom "Keep It True" ein, wird mir doch die Ehre zuteil, euch vom Auftritt einer in die Jahre gekommenen Dame zu berichten, die einst im Mai das Roaster von Metal Blades Records mit ein wenig SM-Erotik und Frivolität anreichern sollte. Damit, und natürlich mit eingängigen, knackigen Metalhymnen der rockigen Art hat sich Betsy Bitch zwar keinen übermäßig großen, aber im Untergrund durchaus bekannten Namen erspielt, was dann auch diesen Comeback-Auftritt beim "Keep It True" rechtfertigt, gleichzeitig aber auch den Grund dafür liefert, warum es nicht übermäßig voll ist, vor der Bühne. Es gibt eben nur wenige Leute, für die Betsy Bitch "Hymnen fürs Leben" geschrieben hat, und auch der früher vielleicht ziehende Gaffer-Effekt hat sich relativiert. Sieben Jahre nach meinem letzten BITCH-Gig beim "Bang Your Head!!!" fällt zunächst einmal natürlich eines auf: Es ist für eine Lady mit ziemlich genau dreißig Jahren Bühnenerfahrung natürlich nicht mehr ganz so einfach, mit den Reizen zu spielen, die sie vielleicht in den goldenen Achtzigern einmal versprüht haben mag. Das ist indes ganz normal und dürfte aus weiblicher Sicht auch für die zahlreichen glatzköpfig, faltig und in der Mitte breit gewordenen Herren der Schöpfung im Business gelten. Also müssen wir dieses Thema an dieser Stelle nicht über Gebühr strapazieren, auch wenn es beim von Betsy selbst weiterhin mit Wonne gepflegten Image des Männer verschlingenden Lack-und-Leder-Vamps natürlich schwieriger ist, diese Frage auszublenden. Nun denn, wollen wir uns dennoch in erster Linie der Musik widmen, und die passt nicht nur, sondern ist heute auf den Brettern richtig gelungen. Warum sollte das auch anders sein, wenn an Betsys Seite kein Geringerer als Meister Steve Gaines als Saitenmann und Hintergrundsänger steht? Nachdem dieser erst vor zwei Jahren der KIT-Geschichte als Frontmann von ABATTOIR ein weiteres Highlight hinzu gefügt hat, ist es kein Wunder, dass die Band ihr Material in überzeugender Weise unter die Leute bringen kann. Dabei rocken sich die vier US-Amerikaner durch eine kurzweilige Setlist, deren Schwerpunkt auf den Stücken vom ersten Studioalbum "Be My Slave" liegt. Kein Wunder, denn in Bälde möchte Metal Blade Records exakt dieses als schmucke Rerelease-Box neu auflegen, der im Übrigen die Debüt-EP "Damnation Alley" sowie eine DVD mit dem heutigen Gig beigefügt werden soll. Zum Glück ist dieser Auftritt hierfür auch geeignet, denn sowohl Sound als auch Performance passten, und mit der Ballade 'Save You From The World', die Betsy ihrem leider im vergangenen Jahr an Leukämie verstorbenen Schwager und BITCH-Schlagzeuger Robby Settles widmet, zeigt die Band neben zotigem Rock auch ihre gefühlvolle Seite. Mit dem Klassiker 'Live For The Whip' und dem Lutscher-Song 'Skullcrusher' wird es dann gegen Ende noch mal härter, und es kommt auch noch das zweite Album "The Bitch Is Back" zum Zuge. So bleibt ein kurzweiliger BITCH-Auftritt, der zwar nicht zu den KIT-Sternstunden gehört, der aber durchaus für gute Laune sorgt.

Setlist:
Right From The Start, Damnation Alley, Be My Slave, Riding In Thunder, Leatherbound, Save You From The World, Live For The Whip, Skullcrusher

[Rüdiger Stehle]

Mit dem Auftritt von SLAUTER XSTROYES haben die Veranstalter des KIT einmal einen Traum der Underground-Gemeinde erfüllt, denn die US-Metaller zählten in den Achtzigern rückblickend sicher zu den stärksten Vertretern der US-Metal-Szene mit progressiver Färbung. Wesentliches Merkmal der Band war vor allem der sirenenartige, aggressive Gesang von Originalsänger John Stewart. Nach der Reunion von SLAUTER XSTROYES konnte John Stewart jedoch nicht mehr zu einer Mitarbeit bewegt werden, weshalb seit etwa zwei Jahren Steven Reimer als Sänger von SLAUTER XSTROYES fungiert. Würde es dem Nachfolger gelingen, eine ebenso starke gesangliche Performance wir der Originalshouter hinzulegen? Das Unerwartete geschieht. Und wie! Angetrieben durch eine perfekt eingespielte Instrumentalfraktion mit Paul Kratky an der Gitarre, dem bulligen Frickel-Gott Brent Sullivan am Bass und Rik Kroll am Schlagzeug agiert Steven Reimer am Mikro wie ein wahrer Sangesgott. Spitze Eierschneider-Vocals im besten Sinne durchdringen die Tauberfrankenhalle. 'Winter Kill' vom gleichnamigen Debütalbum wird instrumental extrem tight dargeboten und das Publikum singt sogar Instrumentallinien im Anfangsteil mit! Besonders Basser Brent Sullivan liefert hier eine Performance zum Niederknien ab. Das Publikum ist vom Fleck weg begeistert, besonders als 'Wicked Bitch', das vermutlich stärkste SLAUTER XSTROYES-Stück, der gierigen Meute präsentiert wird. Ungehemmt wird in den vorderen Reihen gebangt, als gäbe es kein Morgen. Die Band genießt die begeisterte Resonanz des KIT-Publikums. "SLAUTER XSTROYES!"-Zwischenrufe erfüllen den Raum und man kann schon zur Halbzeit des Auftritts feststellen, dass SX kommen, spielen und begeistern! Mit dem packend dargebotenen 'Saints Revenge' sowie 'Living In Peace' spielt die Band im Folgenden auch zwei alte Demotracks, die bislang noch nie offiziell veröffentlicht wurden. Die versammelte Bangerschaft ist euphorisch. Alles in allem übertrifft diese markerschütternde Performance voller musikalischer Leidenschaft und ausgezeichnetem instrumentalen Können die Erwartungen des Rezensenten beim Weitem. Nun ist es endlich an der Zeit, der Metalwelt ein neues Album zu präsentieren!

Setlist: Winter Kill, The Stage, Charlotte, Wicked Bitch, Living In Peace, Saint's Revenge, Black Rose, Glacier

[Martin Loga]

Über BROCAS HELM noch viele Worte zu verlieren, ist in KIT-Kreisen sicher nicht notwendig. Das schräge Trio aus San Francisco mit seinem ungewöhnlichen Stil ist zwar nicht jedermanns Liebling, aber doch weithin respektiert und bewundert. Wer aber einmal den Zugang zu den rasanten, wirren und nicht unbedingt immer eingängigen Kompositionen der Herren Schumacher, Wright und Hays gefunden hat, der kann sich dem Banne der Herren kaum mehr entziehen. So ist es auch heute pure Magie, welche die Ritter von der seltsamen Gestalt auf Königshofens Brettern zelebrieren. Wie immer mit Armeemütze und Schweißerbrille ausgestattet, ist Kult-Bassist Jim Schumacher einmal mehr Blickfang und rastloser Aktivposten auf der Bühne, dem in dieser Hinsicht nur ein Doug Keyser Konkurrenz machen kann. Frontmann Bobbie Wright, der im Vorfeld des Gigs seine grau-blonde Mähne komplett unter einer Mütze versteckt hat, meistert neben tollen Screams seine unnachahmlichen tiefen Vocals wie bei 'Cry Of The Banshee' mit Bravour und zockt nebenbei im wirren Duett mit Jim Schumacher seine ganz eigene, verdrehte Interpretation der Fuge. Dazu gibt Meister Hays hinter dem Drumkit den Takt an - zwischen tight und punkig, wild und wirr - einfach immer unvergleichlich. Die Setlist legt einen ganz deutlichen Schwerpunkt auf die Songs des dritten Studioalbums "Defenders Of The Crown", die aber bekanntlich zum größten Teil auch schon auf früheren Demos vertreten waren. Daneben kommen aber auch die beiden ersten Alben mit Klassikern wie dem Opener 'Black Death', 'Into Battle' und natürlich dem phänomenalen 'Ravenwreck' zum Zuge. Die besten Publikumsresonanzen gibt es jedoch bei 'Ghost Story' und 'Cry Of The Banshee', wo die Stimmung wirklich am Brodeln ist und selbst der sonst so zurückhaltende Rezensent sich nicht zurückhalten kann und ein bisschen ausflippen muss. Ja, das ist wirklich die ganz große Kunst, sich bei seinen Fans unsterblich zu machen. Umso härter trifft die Anwesenden dann der Schlag, den Jim Schumacher noch für das Auditorium bereit hält. Nachdem das Publikum stürmisch eine weitere Zugabe fordert, die Zeit aber leider unwiderruflich abgelaufen ist, kommt der ebenso sympathische wie charismatische Bassist nochmals ans Mikro und teilt kurz und knapp aber doch sichtlich bewegt mit, dass das die letzte Show gewesen sei, welche die drei Mitglieder von BROCAS HELM gemeinsam gespielt hätten. So aus dem Freudentaumel gerissen, beschleicht etliche Anwesende doch eine ziemliche Ernüchterung und die Frage nach dem "Warum?" wird oft geäußert aber nicht beantwortet. Hier und da wird berichtet, dass Jim erzählt habe, dass er mit einem neuen Projekt zurückkehren werde, doch Näheres bleibt vorläufig unbekannt. So bleibt es dabei, dass die Band einen denkwürdigen Abschiedsauftritt auf die Bretter gelegt hat, der aber gerne hätte doppelt so lang sein dürfen. Insbesondere eben in Anbetracht der Tatsache, dass es - für fast alle völlig unverhofft - ein Schwanengesang war. So bleiben dann auch zwiespältige Gefühle beim Verfasser dieser Zeilen, denn an sich möchte ich BROCAS HELM nicht missen müssen. Dennoch geht mein uneingeschränkter Dank an die Band für zwei der unvergesslichsten Konzerte meines Lebens und natürlich auch an das "Keep It True", das diese beiden Konzerte in den Jahren 2003 und 2011 ermöglicht hat.

Setlist:
Black Death, Drink & Drive, Defender Of The Crown, Time Of The Dark, Ravenwreck, Ghost Story, Drink The Blood Of The Priest, Into Battle, Cry Of The Banshee, Skullfucker

[Rüdiger Stehle]

Der Cleveland-Fünfer BREAKER hat es am frühen Abend natürlich nicht gerade einfach, denn sowohl SLAUTER XSTROYES als auch BROCAS HELM haben (jeweils auf ihre Art) einen fulminanten Auftritt hingelegt. Sorgen macht sich die Band aber deswegen nicht, und ich ebenso wenig. Denn als Don Depew & Co. vor drei Jahren in Balingen beim "Bang Your Head!!!" gespielt haben, wussten sie auch schon zu überzeugen. Und das soll heute nicht anders sein. Im Gegensatz zu ihren Landsmännern von DAMIEN THORNE weiß die Band aus Ohio nämlich, was die Leute vor der Bühne hören wollen. Apropos "hören": Beim Opener 'Manifesto' ist das Quintett noch ein Quartett, da Sänger Greg Wagner noch fehlt - wieso auch immer. Man hört ihn jedenfalls schon mal, und irgendwann sieht man ihn dann auch, und der Auftritt kann ganz regulär seinen Lauf nehmen. Mit den beiden "Get Tough"-Nummern 'Lie To Me' und 'Blood Money' geht es jedenfalls ausgesprochen alt-schulisch weiter, und die Fans vor der Bühne sind sichtlich und hörbar zufrieden. Aber auch Greg Wagner und seine Mitstreiter haben viel Spaß an ihrem Auftritt, und der nachfolgende Song 'Action' beschreibt das Geschehen auf der Bühne sehr treffend. Die Musiker sind sehr beweglich, und immer mal wieder wird ihnen sogar die Bühne zu klein. Ein erster Höhepunkt ist sicherlich das großartige 'Ten Seconds In', doch es geht auch danach munter mit Klassikern weiter ('From The Heart', 'Afraid Of The Dark'). Mit 'I Destroy' hat die Band zwar auch einen nagelneuen Song im Gepäck, der auf dem nächsten Album erscheinen soll. Doch über die beiden 2008er-Nummern 'Luck And Gasoline' und 'Black Light Ark' landet der Fünfer wieder bei seinem 1987er-Album, von dem es noch den Titelsong 'Get Tough' zu hören gibt. Mit 'Still Life' beendet BREAKER dann einen Auftritt, den man nur als gelungen bezeichnen kann. So kann's weitergeh'n, und so geht's weiter - wie Holger zu berichten weiß ...

Setlist: Manifesto; Lie To Me; Blood Money; Action; Ten Seconds In; From The Heart; Afraid Of The Dark; I Destroy; Luck And Gasoline; Black Light Ark; Get Tough; Still Life

[Martin Schaich]

Der Weinsheimer-Oliver zaubert ja jedes Jahr irgendwelche verschollenen Legenden aus dem Hut. Und auch wenn ihm dieses Jahr ein völlig verpeilter Sänger auf einem Heuschreckenschwarm davon geritten ist, ist ein anderer, für mich noch essentiellerer Sangeskünstler tatsächlich anwesend: William Rodrick McKay, Wunderstimme auf den beiden wundervollen GRIFFIN-Alben, steht am Freitag Abend tatsächlich auf der Bühne und präsentiert sich in Bestform. So viel gleich vorweg. Man kann sich jetzt streiten, ob man da tatsächlich GRIFFIN sieht oder ROXXCALIBUR mit dem Sänger eben jener Helden, mir ist das völlig wumpe, denn den Jungs um Trommelkönig Neudi gelingt es immer wieder, den Charme der originalen Musik zu reproduzieren. Das klingt eben nicht genau wie SAVAGE GRACE, da hört man die detailliert ausgearbeiteten Feinheiten und auch das Klangbild ist dicht am Sound des Löwenvogels dran. Im direkten Vergleich zu MALICE ist dies hier mehr GRIFFIN als MALICE MALICE zu sein scheinen. Klingt wirr? Nach so einem Wochenende darf es das wohl auch. Die Sinne sind noch benebelt. Zurück zum Flatterkönig. Schon der fulminante Einstieg 'Hunger' macht klar, dass Mister McKay nichts verlernt hat. Das klingt auf den Punkt genau so hektisch und leicht schrill, wie man sich das wünscht. Die unnachahmliche Phrasierung ist vorhanden, die nach oben gezogenen Endnoten, alles, was das Herz des Fans sich wünscht. Dazu natürlich eine Setlist, die mich niederknien lässt. Aber das war auch nicht so schwer, denn den schlechten GRIFFIN-Song muss man erst noch komponieren. Bei 'Heavy Metal Attack' schnellen ein paar Hundert Fäuste in die Höhe und bei den epischen Wunderwerken scheint die Halle ein bisschen zu schweben. Unfassbar, mit welcher Leichtigkeit hier deratige Songmonstren aus der Hüfte geschossen werden. McKay ist offenbar völlig in seinem Element und wirkt überhaupt nicht hüftsteif. "Where am I? What is this place? What is this thing that draws me?" Mehrfach stellt William diese Frage. Die Antwort wird nur er selber wissen. Ebenso, wie die Antwort auf die Frage nach dem polnischen König. Das Mysterium wird nicht aufgeklärt. Oder vielleicht auf einem weiteren Album? In dieser Form darf das gerne geschehen.

Setlist: Eulogy of Sorrow / Awakening, Hunger, Infinite Voyage, Heavy Metal Attack, Tame The Lion, Hawk The Slayer, Flight Of The Griffin, Entity / Watching From The Sky, Poseidon Society, Hell Runneth Over

Thorpe, Howe, McGee, Sisco, Albert - das legendäre Line-up von VICIOUS RUMORS für einen Gig wiedervereint. Und im Grunde sind die folgenden 75 Minuten eine Demonstration, warum diese Formation Maßstäbe in Sachen POWER(!) Metal gesetzt hat. Klar, am Mikro ist "nur" Kevin Albert, der Sohn des vor fast exakt 16 Jahren verstorbenen Carl Albert zu hören, doch wenn man bei 'Abandoned' die Augen schließt, hört man quasi keinen Unterschied zu seinem Vater. Ich denke nicht, dass ich ein größeres Kompliment machen kann. Und offensichtlich sehe und höre das nicht nur ich so. Ob sich meine Euphorie auf die Halle überträgt oder umgekehrt, ist dabei ungeklärt, aber Hits wie der gigantische Doppelschlag 'Digital Dictator' und 'Out Of The Shadows' gleich zu Beginn lassen den Glückshormonpegel in schwindelerregende Höhen steigen. Das Gitarrenduo Thorpe/McGee harmoniert wie in besten Tagen, Larry Howe ist an den Fellen eh ein Tier und Tommy Sisco hat am Bass augenscheinlich mächtig Bock auf diese kurze Reunion. Kevin Albert hingegen singt sich nicht nur grandios durch eine famose Setlist, sondern macht als Frontmann auch eine wirklich gute Figur. Er animiert, erwürgt Geoff Thorpe, kuschelt mit Mark McGee und wirkt jederzeit absolut souverän. Keine Spur von Nervosität. Super.

Als bereits nach dem vierten Song 'Dust To Dust' die Herren Albert, McGee und Sisco die Bühne für die aktuelle Besetzung räumen, ebbt die Stimmung kurzzeitig etwas ab, was aber vor allem daran liegt, dass noch nicht so viele Fans mit dem starken neuen Album "Razorblade Killers" vertraut sind. 'Murderballs' und 'Let The Garden Burn' sind zumindest auch echte Granaten, die einen Vorgeschmack auf die just startende und von POWERMETAL.de präsentierte Tour geben. Auch der neue Sänger Brian Allen überzeugt voll und so werden auch sie nach dem kurzen Intermezzo gebührend verabschiedet. Dann ist wieder Klassikerzeit und es folgt ein einziges Freudenfest: 'Abandoned', 'You Only Live Twice' (völlig göttlicher und aus tausenden Kehlen mitgesungener Höhepunkt der Show!), 'The Voice' (widmet Kevin seinem Vater), 'Lady Took A Chance', 'Worlds & Machines' (einziger Song mit leichten vokalen Schwächen), 'Ship Of Fools' (Melodieoase!), 'Hellraiser', 'Ministry Of Fear' und das abschließende 'Don't Wait For Me' werden komplett durchgebangt und durchgesungen. Keine Zeile wird ausgelassen, der Schweiß fliesst, die Stimme geht flöten. So soll das sein.

Keine Frage, das hier ist der Höhepunkt des Tages und schlägt die starken Gigs von SLAUTER XSTROYES, BREAKER & ALPHA TIGER um Längen. Längen. Superb.

Setlist: Digital Dictator, Out Of The Shadows, Down To The Temple, Dust To Dust, Murderball, Let The Garden Burn, Abandoned, You Only Live Twice, The Voice, Lady Took A Chance, Worlds & Machines, Ship Of Fools, Hellraiser, Ministry Of Fear, Don't Wait For Me

[Peter Kubaschk]


Die Aufregung war groß, als es hieß der Ufo-Commander John Cyriis wäre aus seinem schwarzen Loch gekommen und würde uns ein Ständchen bringen. Die livehaftigen Beweise seiner ungebrochenen Gesangsqualitäten konnte der Europäer anhand diverser Mitschnitte einiger Asiengigs bewundern und so schien alles in Butter zu sein. Aber John Cyriis wäre nicht John Cyriis, wenn alles so laufen würde, wie man sich das vorstellt. Also heißen AGENT STEEL heute Abend - Kindergarten, sei Dank! - MASTERS OF METAL und werden von STEEL-PROPHET-Sänger Rick Mythiasin durch die Weiten des Speedmetaluniversums kutschiert. So sehr ich mich über Cyriis gefreut hätte, ich mag auch alle Alben mit Bruce Hall und halte Rick für eine ziemliche perfekte Alternative. Und als der gute Mann im Alien-Shirt und mit Alien-Brille (sic!) auf die Bühne tänzelt und die ersten Linien des Knallers 'Agents Of Steel' intoniert, weiß ich, dass ich mir zumindest über die gesangliche Darbietung keine Sorgen machen muss. Das passt! Beim alles zerstörenden 'Never Surrender' kreiselt der Schädel und der Titel des nach folgenden 'Unstoppable Force' wirkt programmatisch. Es scheint fast eine "Jetzt erst recht!"-Stimmung auf der Bühne zu herrschen, denn in Sachen Geschwindigkeit scheinen die Stahlagenten noch ungezügelter zu musizieren als sonst. Und wer sich ein bisschen mit der Materie auskennt, der weiß, wie furios die Kompositionen eh schon klingen.

Erst mit dem sphärischen 'Traveller' darf man einen Moment durchatmen, nur um im direkten Anschluss den besten Song aus der Hall-Phase vor den Latz geschmettert zu bekommen. Bei der Bridge von 'Ten Fists Of Nations' verliere ich meine Stimme, was meine Umwelt sicherlich toll findet. Im langen, aber sehr coolen Solospot zeigt Bernie seine Qualitäten und verzaubert die Halle mit atmosphärischem Saitenspiel. Und während man beschwingt mit Maulsperre dem kleinen Hexenmeister zuschaut, holt die Band mit einer Dio-Gedächtnis-Keule zum finalen Sci-Fi-Partyschlag aus: 'Children Of The Sea', 'The Last In Line' und das rasante 'Stand Up And Shout' bilden ein grandioses Medley, welches von beinahe der der ganzen Halle mitgesungen wird. Toll! Wie auch das anschließende Instrumental 'The Day At Guyana'. Noch immer ein Klassiker in Sachen Spannung ohne Lunge. Nach dem ultracoolen 'Guilty As Charged' bekommen wir mit 'Tomb Of Ra' einen brandneuen Song geboten, der Appetit auf mehr macht. Auf viel mehr! Danach ist erstmal Schluss. Zur Zugabe stapft dann James "heller Stern" Rivera auf Bühne, um gemeinsam mit Rick des Priesters 'The Ripper' zu intonieren. Feine Sache. Mit Rübenabreißer 'Bleed For The Godz' klingt der erste Tag fulminant aus und man kann glücklich und völlig ausgelaugt in Waagerechte fallen. Fazit: AGENT STEEL werden in Zukunft auch mit Rick superbe Musik und Shows abliefern, denn dafür, dass dies sein erster kompletter Auftritt im Alleingang war (die vorherigen Shows ohne Cyriis hat er sich mit James geteilt), darf man von einer beachtlichen Leistung reden. Er tritt in große Fußstapfen, aber er hat auch große Füße.


Setlist: Agents Of Steel, Never Surrender, Unstoppable Force. Nothin' Left, Children Of The Sun, Know Your Master, Traveler, Ten Fists Of Nations, Rager, Children Of The Sea / The Last In Line / Stand Up And Shout, The Day At Guyana, Guilty As Charged, Tomb Of Ra - Encore: The Ripper (JUDAS PRIEST-Cover, feat. James Rivera), Bleed For The Godz

[Holger Andrae]

 

Redakteur:
Rüdiger Stehle

Login

Neu registrieren