Keep It True 14 - Lauda-Königshofen

16.05.2011 | 13:50

29.04.2011, Tauber-Franken-Halle

Zum vierzehnten Mal gibt sich der traditionell-metallische Untergrund ein Stelldichein in Tauberfranken.

Der zweite Festival-Tag beginnt pünktlich zur Mittagszeit mit SIGN OF THE JACKAL. Den italienischen Fünfer um Sängerin Laura Coller, der sich wohl nach dem am Vortag sträflich vernachlässigten DAMIEN THORNE-Album benannt hat, gibt es erst seit 2008, und dementsprechend hat er es auch erst zu einem Demo (2008) und einer EP (2011) gebracht. Die EP "The Beyond" wird auch gleich zu Beginn bemüht, denn die Band startet mit dem Opener 'Hellhounds' auch den heutigen Auftritt. Obwohl SIGN OF THE JACKAL noch eine recht junge Band ist, treten die Italiener sehr selbstbewusst auf und können schon den einen oder anderen "Keep It True"-Besucher vor die Bühne locken. Ob nun alle nur wegen der Musik ganz vorne stehen wollen, oder ob da nicht auch die schnucklige Sängerin ihren Teil dazu beigetragen hat, lassen wir mal dahin gestellt. In jedem Fall hat das Quintett schon mal ein ganz ansehnliches Publikum, und Laura kann durchaus auch stimmlich überzeugen. Beim anschließenden 'Head Over Heels' fühlt man sich zwar stark an Doro Pesch erinnert, aber das muss ja nix Schlechtes heißen. Weiter geht es - nach einer kurzen Ansage, sogar auf deutsch - mit den Songs der EP, und wie auf dem Silberling folgt nun das flotte 'Heavy Metal Demons' sowie das Instrumental 'Paganini Horror'. Die Italiener haben aber nicht nur die EP im Gepäck, sondern auch das 2008er-Demo, und so werden nun die beiden Stücke 'Fight For Rock' und 'The Sign Of The Jackal' zum Besten gegeben. Den Schlusspunkt bildet dann aber wieder eine Nummer von der EP, nämlich 'Night Of The Undead', und dann war's das auch schon. Nach etwa 35 Minuten verlassen Laura & Co. die Bühne, obwohl sie noch ein bisschen mehr Spielzeit gehabt hätten. Aber sie hatten wohl keine weiteren Songs mehr. Das lässt sich in der Zukunft sicherlich ändern, denn Potenzial hat diese Band allemal. Für mich jedenfalls ein gelungener Auftakt!

Setlist: Hellhounds; Head Over Heels; Heavy Metal Demons; Paganini Horror; Fight For Rock; The Sign Of The Jackal; Night Of The Undead

[Martin Schaich]


Obwohl bereits der Vortag der versammelten Bangerschaft einiges an Energie abverlangt hatte, so steht doch eine sehr große Anzahl von Leuten bereits um die Mittagszeit herum auf der Matte, um ENFORCER live zu erleben. Mehr noch: Die Tauberfrankenhalle ist zu dieser frühen Festivalzeit proppenvoll. Leider ist es auch schon ungewöhnlich warm in der Halle. Im Gegensatz zum Auftritt der Band auf dem "kleinen" Keep It True IX am 03.11.2007 in Dittigheim haben sich die prächtig aufgelegten Schweden spielerisch erheblich gesteigert. Auf der Bühne wuselt es gehörig und die Fäuste der Fans fliegen in die Höhe. Die Band führt durch ein abwechslungsreiches Set, das beide Studioalben gleichermaßen berücksichtigt. Besonders der Uptempo-Feger 'Mistress Of Evil', das unwiderstehlich eingänige 'High Roller' sowie 'Midnight Vice' sorgen für starke Publikumsreaktionen. Bandgründer und Frontmann Olof Wikstrand, der seit diesem Jahr auch die Rhythmusgitarre übernommen hat, kommt mit der Doppelbelastung Gesang/Gitarre gut klar und spornt das Publikum mit seiner beachtlichen Bühnenenergie immer wieder an. Mit 'Take Me To Hell' vom aktuellen Werk "Diamonds" beenden ENFORCER ihren Set, der mit massivem Applaus des Publikums quittiert wird. Völlig zurecht, ist hier hinzuzufügen.

Setlist: Roll The Dice, Mistress From Hell, On The Loose, Katana, High Roller, Diamonds, Scream Of The Savage, Midnight Vice, Running in Menace, Take Me To Hell

[Martin Loga]

Ich bin skeptisch, ob die pompösen Kompositionen der britsichen SARACEN auf ein Festival wie dieses passen, freue mich allerdings wie ein kleines Kind auf die Band. Und vom ersten Ton des gigantischen 'Crusader' an, wird die einzige Band, die an diesen beiden Tagen ein Keyboard als Melodieinstrument einsetzt, abgefeiert wie kleine Götter. Dabei sehen die gereiften Herren überhaupt nicht nach Heavy Metal aus. Freundlich grinsend singt Sänger Steve Bettney, der als einziger noch aus damaligen Zeiten über geblieben ist, mit glockenklarer Stimme seine Weisheiten über Illuminaten und Kreuzzüge. Dabei werden weder Schwerter gezückt, noch kommt ein Reiter auf die Bühne. Alles konzentriert sich auf die musikalische Darbietung, und diese ist wundervoll. Man spielt außer dem instrumentalen 'Dolphin Ride' und der leicht schmalzigen Hitsingle 'No More Lonely Nights' klugerweise den kompletten 83er Geniestreich "Heroes, Saints & Fools" durch und ergänzt die Angelegenheit mit dem flotten 'Follow The Piper' (vom "Red Sky" Album) und dem hitverdächtigen 'Meet Me At Midnight' (von "Vox In Excelsis"). Dabei dreht die Halle kollektiv am Mitsingrad und versetzt offensichtlich auch die Band selbst in Erstaunen. Ich könnte der Band jetzt eine etwas statische Darbietung vorwerfen, aber wäre der Auftritt noch sensationeller geworden, wenn die Herrschaften ihre nicht vorhandenen Matten hätten kreisen lassen? Wohl kaum. So und nicht anders hatte ich mir im Vorfeld den optimalen SARACEN-Auftritt vorgestellt. Es war ein siegreicher Überraschungsmarsch ganz nach vorne an die Spitze der besten Bands des Festivals, was vorher so nicht absehbar war. Obendrein ist der Auftritt auch noch vom besten Sound des Wochenendes gesegnet gewesen. Mehr will man gar nicht.

Setlist: Crusader; Rock Of Ages; Horsemen Of The Apocalypse; Follow The Piper; Meet Me At Midnight; Heroes, Saints & Fools; Ready To Fly

[Holger Andrae]

Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude. Vor allem dann, wenn sich die japanisch-deutsche Kollaboration METALUCIFER anschickt, das KIT zu rocken. Seit dem Auftritt auf dem Wacken-Open-Air 2002 - an den ich immer wieder gerne zurückdenke - hat mich die Klitschee-beladene, tief im NWoBHM-Sound verwurzelte Band irgendwie gepackt. Nicht wenige KIT-Besucher scheinen dem METALUCIFER-Auftritt ebenso entgegen zu fiebern. Die Halle ist jedenfalls wesentlich stärker gefüllt als beim Auftritt von DEATH DEALER. Vor Beginn der Show macht sich Sänger Gezolucifer erst einmal durch locker-lässige Dehnübungen mehrere Minuten warm. Dann geht die Party los, und das Getöse im vorderen Teile der Menge ist enorm, als 'Heavy Metal Ironfist' angestimmt wird. Fäuste fliegen in die Höhe und frenetische "Hoi, Hoi!" -Rufe erklingen während der Refrain-Zeilen. Gezol kann sich ganz auf seinen Gesang konzentrieren, denn Bassist Mamonohunter zockt an der Viersaitigen. Das führt dazu, dass der kleine Japaner noch höher als sonst screamt und über den ganze Auftritt hinweg in seiner Schrägheit gesanglich in die Vollen geht. Auch Elizablumi (METAL INQUISITOR) und Gitarrist Jerolugen (GORGON) spielen heute in echter Topform auf und liefern sahnige doppelläufige Gitarrensoli, die nicht nur mich zu exzessivem Luftgitarrespielen animieren.


Für Heiterkeit in den Spielpausen sorgen die Ansagen des kleinen japanischen Sängers, der mit seinem stark akzentbeladenen Kauderwelsch schlicht und ergreifend unverständlich ins Mikro brabbelt. Aber das ist im Endeffekt schnurz, denn die Darbietung von METALUCIFER kickt von vorne bis hinten. Kaum ein METAL-Refrain, der nicht hundertfach vom Publikum mitgeshoutet wird. Auch Band-Maskottchen Neal Tanaka ist dabei. Als er die Bühne betritt und Gezol zu den Klägen von 'Heavy Metal Drill' einer fette Bohrmaschine anwirft, erhält der akribische Plattensammler mit dem Stiernacken frenetischen Applaus. Beim 'Heavy Metal Bulldozer' hingegen wirft er die Kettensäge an – nur Kult! Während des Auftritts sucht Gezol oft die Nähe zum Publikum, indem er an die Absperrung hinabsteigt, Hände abklatscht und die Fans ins Mikro shouten lässt. Besonders die Stücke 'Heavy Metal Samurai' und das voller Hingabe mitgesungene 'Warriors Ride On The Chariots' lassen keine Verschnaufpausen zu, und die schwülwarme Tauberfrankenhalle wird im vorderen Drittel regelrecht zum Schwitzkasten. Später tritt nochmals Neal Tanaka in Erscheinung, als ein Typ mit einem "I love Nu-Metal"-Shirt und einer Schweinsmaske auf die Bühne steigt. Das kann der Heavy Metal Hunter natürlich nicht tolerieren und so wird der Schuft erst einmal angedeutet verprügelt und ihm das hässliche Shirt vom Leib gerissen. Darunter prangt ein Keep It True-Shirt. So isses recht! Mit dem letzten Stück 'Heavy Metal Hunter', das mit sattem Applaus quittiert wird, verabschiedet sich die Band. Dank eines guten Sounds und einer schweinecoolen, spaßigen Darbietung avancierten METALUCIFER zu den großen Gewinnern des Samstages. 'Are you hunter? – Heavy Metal Hunteerr!!!'.

Setlist: Heavy Metal Ironfists, Heavy Metal Drill, Heavy Metal Bulldozer, Heavy Metal Revolution, Heavy Metal Samurai, Warriors Ride On The Chariots, Heavy Metal Chainsaw, Heavy Metal Hunter

[Martin Loga]

Das kanadische Quintett zählt seit 1983 zu meinen heimlichen Lieblingen und so bin ich mehr als heiß auf diesen Auftritt. Vor allem, weil die Band beinahe in Originalbesetzung angereist ist. Lediglich Klampfer Yves Pednault ist durch Luc Boily ersetzt worden. Kann also gar nichts schief gehen. Allerdings fällt schon beim für DEATH DEALER-Verhältnisse brutalen Opener 'No Color' der miese Gitarrensound negativ ins Ohr. Gerade bei einer Band, die gern mal auf Alte-Schule-Maiden-Galoppel steht, ist das natürlich fatal. Trotzdem feuern die sympathischen Kanadier ihre metallischen Salven ins Publikum und haben spätestens mit dem Semihit 'Cross My Way' einen Großteil der Menge für sich gewonnen. Immerhin ist das der Song, mit welchem es für die Band auf der "Metal Massacre"-Serie so richtig losgehen sollte. Hätte man sich doch nicht zwischendurch in DEAF DEALER umbenannt. Aber lassen wir das. Warum man mit 'The Screamer' ausgerechnet den unscheinbarsten Titel des Repertoires ausgraben muss, erschließt mir zwar nicht, allerdings kommt danach der (leider) einzige Titel des nie offiziell erschienen Zweitwerkes zum Zug. 'Mind Game' lässt dann auch keine Wünsche übrig. Bassser Jean Pierre Fortin posiert wie ein ganz Großer und auch Sänger Andre Larouche merkt man die Bühnenerfahrung an. Immer wieder heizt er die Menge an, was von den ersten Reihen auch mit massivem Applaus quittiert wird. Nach 'Coercion To Kill' ist die kurzweilige Angelegenheit leider schon zu Ende und ich frage mich, wo mein Lieblingssong 'Occident Tale' geblieben ist. Man kann nicht alles haben. Ein weiteres Album von DEATH DEALER wäre aber ein Anfang.

Setlist: No Color, I Still Don't Remember, Sherry, Overshoot, Cross My Way, The Screamer, Mind Game, Nothing Inside, Under To Over, The Faddist, Coercion To Kill

[Holger Andrae]

Wer den Namen der nun anstehenden Truppe bei den metallischen Archiven eintippt, der findet erst einmal nichts. SLEDGE\LEATHER? Nie gehört? Doch halt! Wo beim ersten Teil des Bandnamens noch den wenigsten ein Lichtlein heimleuchten wird, da weckt der zweite Teil dann doch Assoziationen. Leather ... war das nicht ...? Ja, genau, die war es: Leather Leone, dereinst Frontlady der Band des Gitarrenhelden David T. Chastain hat sich nach einigen Jahren in der metallischen Diaspora aufgerafft, ihren durchaus zahlreichen Fans noch einmal richtig einzuheizen. Dazu hat sie sich als Komplizin Sandy Sledge ans Schlagzeug geholt, mit der sie auch schon bei Spätachtziger-All-Girl-Truppe MALIBU BARBI rockte. Das Line-up vervollständigen Bassistin Beteze Stevens und Gitarrenmann Brett Baugh, und so gibt sich das Quartett gut eingespielt und gut gelaunt. Leather hat im Gegensatz zu anderen Protagonisten des Comeback-Zirkus nichts von ihrer Stimme und nur wenig von ihrer Bühnenpräsenz und ihrem Charme eingebüst, so dass auch die alten Fans auf ihre Kosten kommen. Anlass zur Kritik gibt es kaum, allenfalls die Songauswahl sorgt hier und da für ein wenig Schelte. Gut, Leather & Co. hätte durchaus klar sein können, dass die Leute vorwiegend alte CHASTAIN-Klassiker hören wollen, und die machen leider nicht einmal die Hälfte der Setlist aus. Klar, wer 'Ruler Of The Wasteland', 'For Those Who Dare', 'Angel Of Mercy' und zum krönenden Abschluss dann auch noch 'Voice Of The Cult' aus dem Hut zaubert, der kann gar nicht verlieren. Da im Übrigen 'When The Lightning Strikes' aus dem Hause MALIBU BARBI eine ziemliche Marke setzt und auch die Stücke vom Soloprojekt aller Ehren wert sind, meine ich, dass wir schon von einem rundum gelungenen Auftritt sprechen können, auch wenn die eine oder andere CHASTAIN-Perle mehr sicher dafür sorgen würde, dass das Aufmerksamkeitsniveau im Publikum gleichbleibend hoch bleibt. So gibt es halt den einen kleinen Durchhänger, aber insgesamt eine tolle Show, die beweist, dass Leather nach wie vor eine Stimme mit viel Ausstrahlung und Wiedererkennungswert hat. Schade, dass man diese Stimme zuletzt so selten hören durfte.

[Rüdiger Stehle]

Wie Rüdiger, so hatte auch ich Spaß am Auftritt von SLEDGE\LEATHER, und vor allem fand ich es schön zu hören, dass Frau Leder immer noch großartig bei Stimme ist. Aber gerade daran haben sich in meinem näheren Umfeld viele gestört - was ich persönlich nicht wirklich nachvollziehen kann. Ebenso wenig kann ich verstehen, wie man der Meinung sein kann, dass die nachfolgende Band auf dem "Keep It True" fehl am Platz wäre. Doch auch solche Stimmen sind mir zu Ohren gekommen. Klar, SACRIFICE ist durchaus eine Band, die einen etwas höheren Härtegrad an den Tag legt. Doch auch in der Vergangenheit waren immer wieder Thrash-Metal-Bands in Lauda-Königshofen, und fast alle sind gut bis sehr gut angekommen. Und das ist bei dem Auftritt der Kanadier - im Übrigen der erste hierzulande - nicht anders. Rob Urbinati & Co. starten mit 'Forward To Termination' vom gleichnamigen 1987er-Album, und recht schnell bildet sich vor der Bühne ein mittelgroßer Moshpit. Aber auch in den hinteren Reihen scheint der zwar brachiale, aber trotzdem klare Sound gut aufgenommen zu werden, denn kaum jemand kann sein Köpfchen ruhig halten.

Nach einer langjährigen Schaffenspause haben die Kanadier vor zwei Jahren ein neues Album veröffentlicht, und deswegen werden auch ein paar Nummern von "The Ones I Condemn" zum Besten gegeben: direkt nach dem Opener etwa 'We Will Prevail', und im weiteren Verlauf auch noch 'Hiroshima' und 'The Great Wall'. Ansonsten dominieren aber die Songs von den ersten drei Alben das Geschehen. Von "Torment In Fire" (1985) und "Soliders Of Misfortune" (1991) gibt es jeweils zwei Songs zu hören, während vom bereits angesprochenen "Forward To Termination"-Werk noch weitere vier Stücke auf das Publikum losgelassen werden. Mit Nummern wie beispielsweise 'Cyanide', 'Infernal Visions' oder 'Pyrokinesis' weiß das Quartett aus Toronto jedenfalls zu überzeugen, und so herrscht während des gesamten einstündigen Auftritts eine tolle Stimmung im Publikum, und vor der Bühne ist kaum jemand zu finden, der nicht mit Bangen und/oder Moshen beschäftigt ist. Die Kanadier präsentieren sich aber auch in bestechender Form, wirken hervorragend eingespielt und erreichen somit nicht nur "alte" Fans, die schon seit Jahren auf einen Gig gewartet haben, sondern auch viele Band-Neulinge. Unter dem Strich bleibt also ein fulminanter Gig - oder anders ausgedrückt: SACRIFICE erobert Lauda-Königshofen im (Riff-)Sturm!

Setlist: Forward To Termination; We Will Prevail; In Defiance; Cyanide; Hiroshima; Soldiers Of Misfortune; Infernal Visions; The Great Wall; Afterlife; Burned At The Stake; Pyrokinesis; Re-Animation

[Martin Schaich]

Kann es in Sachen Heavy Metal etwas Besseres geben, als den Leibhaftigen persönlich auf der Bühne zu haben? Vor allem, wenn der mit einschmeichelnder Stimme ebenso wie mit diabolischen Screams, mit teuflischen Leads und Soli, sowie mit einem unnachahmlichen Drive am Start ist? Ich glaube nicht! So ist es für mich eines der denkwürdigsten Erlebnisse der KIT-Geschichte, am heutigen Abend die NWoBHM-Legende SATAN bewundern zu dürfen, und zwar keine halblebigen Reanimationsversuche mit einem halben Originalmitglied und vier verpeilten Nachwuchsmuckern aus dem Sherwood Forest. Nein, der SATAN steht heute Abend im Line-up des Kultalbums "Court In The Act" auf der Bühne. Das heißt: Hier haben wir es mit niemand Geringerem als Brian Ross am Mikro zu tun, dem irrwitzig tollen Gitarrenduo aus Steve Ramsey und Russ "Tornado" Tippins. Dazu dann noch Bassist Graeme English und als besondere Überraschung Schlagzeuger Sean Taylor, der seinerzeit beim Wacken-Auftritt der Band noch fehlte. Wer da etwas anderes erwartet haben sollte, als einen Triumphzug des britischen Stahls, der ist ein Ketzer. Natürlich weiß das KIT-Publikum das Gebotene zu schätzen, denn hier kommt wenigstens keiner auf die Idee zu fragen, warum die Band zur Eröffnung ihres Auftritts BLIND GUARDIAN covert. Dann geht es Schlag auf Schlag, und das Quintett aus Englands Norden zockt die ganze Debütscheibe am Stück durch. Tight ohne Ende und mit einer Spielfreude, wie man sie selten erlebt. So fragt sich manch einer im Auditorium, wie ungerecht das Musikgeschäft doch ist. Gitarrengott Russ Tippins kann von der kreativen Tätigkeit nicht leben und zockt in Bars für seinen Lebensunterhalt, die Herren English und Ramsey ernten mit SKYCLAD zwar viel Anerkennung aber kaum Früchte ihrer Kreativität und für Brian Ross reicht es mit BLITZKRIEG auch nicht zu viel mehr als zu der Fußnote, dass METALLICA ihn gecovert haben. Und dann die Berg-und-Tal-Fahrt mit SATAN alias BLIND FURY alias PARIAH? Ja, es fehlen uns die Worte, wie wenig Lohn es für grandiose Kunst doch viel zu oft gibt. Doch zum Glück gibt es Veranstaltungen wie diese, wo eine ausverkaufte Halle voll mit 2000 unentwegten Freaks diese Musiker so abfeiert, wie sie es verdient haben. Dafür, dass sie uns allen über drei Jahrzehnte so viel gegeben haben. Und dafür, dass sie es heute noch tun. Nach 28 Jahren wieder auf einer Bühne vereint und musikalisch die perfekte Zeitmaschine in ein goldenes Zeitalter. Dafür lässt Brian Ross dann auch gerne die persönliche Einladung zu einer nicht ganz unbedeutenden Hochzeitsfeier in seiner britischen Heimat sausen. Sagt er zumindest. Doch Hochzeit hin, Royals her ... heute zählt nur der gute alte Heavy Metal, und den zelebriert niemand authentischer als diese fünf Angelsachsen, die nach dem Rausschmeißer des Albums 'Alone In The Dock' als Zugabe noch die Demo-Klassiker 'Oppression' und 'Kiss Of Death' aus dem Hut zaubern. Wie gut, dass es am Merch-Stand über das von KIT-Oli neu gegründete Label Death Rider Records eben diese Demos auf einer schmucken neuen Zusammenstellung käuflich zu erwerben gibt. Das furiose Finale liefert die Band zu guter Letzt mit dem aus (fast) allen Kehlen mitgesungenen Hit 'Pull The Trigger', und so endet der für mich mitreißendste Auftritt des Samstags.

Setlist: Into The Fire (Intro), Trial By Fire, Blades Of Steel, No Turning Back, Broken Treaties, Break Free, Hunt You Down, The Ritual, Dark Side Of Innocence, Alone In The Dock, Oppression, Kiss Of Death, Pull The Trigger

[Rüdiger Stehle]

Ich glaube, dass das Debütalbum von MALICE zu den Alben zählt, denen man damals am längsten entgegen gefiebert hat. Die Veröffentlichung zog sich seinerzeit aus mir nicht mehr in Erinnerung gebliebenen Gründen über Monate hin und die Magazine hatten "In The Beginning" schon ein Jahr vor seinem Erscheinen über den grünen Klee gelobt. Die Tour als Support von SLAYER wird als ewiges Desaster im Gedächtnis verankert bleiben, da die Band mit ihrem Priest-Heavy-Metal von den Freunden der Totschläger ziemlich böse ignoriert wurde. Nicht allein, weil man mit James Neal einen extrem charismatischen Hünen hinterm Mikro stehen hatte. Dieser ist als einziger aktuell nicht aktiv und so dürfen wir uns erneut über James Rivera (HELSTAR etc.pp.) freuen. Ich freue mich. Nach wenigen Songs verfliegt dieses Gefühl allerdings, was nur bedingt an der Band liegt. Der Sound ist bei MALICE so unerträglich laut und die schrillen Höhen von James haben eher etwas von Peilgeräuschen, denn von gesanglichen Screams. Und ich stehe direkt neben dem Mischpult. Erst als ich mich nach einer Weile hinsetze und somit das Publikum als Schallmauer vor mir habe, kann ich den restlichen Auftritt genießen. Natürlich mit verminderter Sicht. Aber man kann nicht alles haben.


Genug der Nörgelei, denn das Quintett an sich macht alles richtig. Die Songs der beiden Klassikeralben werden sehr souverän herunter gezockt, wobei natürlich in erster Linie Jay Reynolds auch optisch eine gute Figur macht. Es ist der Band - und hier natürlich in erster Linie Mister Rivera - mehr als hoch anzurechnen, dass sie nach nur vier Probetagen so einen beinahe fulminanten Auftritt auf die Reihe bekommen und vor allem, dass James komplett ohne Texthilfen auskommt. Ein echter Profi eben, von dem sich andere "hired guns" gerne mal ein paar Ochsenschenkel abschneiden können. Allerdings, und jetzt kommt der Wehrmutstropfen, klingt eine Band mit einem anderen Sänger schwerer nach der Originalband als ein Originalsänger mit anderen Musikern. Insofern hören wir aktuell schon eher einen HELSTAR/MALICE-Verschnitt, der lediglich bei den Turbinen 'The Unwanted' und 'Godz Of Thunder' authentisch nach MALICE only tönt. Die Fans haben auf jeden Fall alle ihren Spaß, was man an fröhlich mitsingenden, mit erhobenen Fäusten wedelnden und Matten kreisenden Körpern ablesen kann. Guter Auftritt, der auch voll in die Hose hätte gehen können.

Setlist: Against The Empire, Vigilante, Air Attack, Tarot Dealer, Hellrider, No Haven For The Raven, Circle Of Fire, Sinister Double, Chain Gang Women, The Unwanted, Godz Of Thunder

[Holger Andrae]

Nun ist das diesjährige "Keep It True" auch schon fast wieder am Ende. Lediglich der heutige Headliner fehlt noch, und gerade auf den bin ich sehr gespannt. Olivers großer Traum, CRIMSON GLORY mit Original-Sänger Midnight mal auf dem Festival spielen zu lassen, ging ja leider nicht in Erfüllung. Und auch das letztjährige "Special" zu Ehren von Midnight (R.I.P.) ist nicht ganz so geglückt, wie er sich das vorgestellt hatte. Also ging er nun das Risiko ein, CRIMSON GLORY nach Lauda-Königshofen zu holen - (natürlich) ohne Midnight, aber dafür mit dem neuen Sänger Todd La Torre. Im Laufe des letzten Jahres konnte man sich bei YouTube das eine oder andere Video anschauen, das die neue Besetzung mit alten Songs zeigt, und dabei konnte man feststellen, dass dieses Risiko durchaus überschaubar sein dürfte. Die einzige Unbekannte war eigentlich nur, wie sich CRIMSON GLORY live-haftig präsentieren würde.

Mit einer halbstündigen Verspätung geht es schließlich los, und zwar starten die Floridianer mit 'Valhalla', das auch schon das 1986er-Debütalbum einleitete. Und schon bei diesem ersten Song wird klar, dass es ein guter Auftritt werden würde. Die Band präsentiert sich in bestechender Form, wirkt bestens eingespielt und hat scheinbar auch sehr viel Spaß daran, wieder auf der Bühne zu stehen. Und Todd La Torre singt hervorragend. Als er bei seiner ersten Ansage beiläufig erwähnt, dass heute nur Songs der ersten beiden Alben gespielt würden, sind auch die letzten Zweifel beseitigt. Mit weiteren Stücken von "Crimson Glory" geht es weiter, nämlich 'Dragon Lady', 'Angels Of War', 'Azrael', 'Mayday' und 'Queen Of The Masquerade', und das Publikum feiert die Band lautstark ab. Fast jede Textzeile wird mitgesungen oder mitgegrölt - von jedem eben, so gut er kann - und viele Fans aus den Anfangstagen zeigen sich zudem sichtlich gerührt.


Der zweite Teil des Auftritts steht dann im Zeichen von "Transcendence" (1988), und so darf man sich im Publikum über Nummern wie 'Lady Of Winter', 'Where Dragons Rule', 'Painted Skies', 'Masque Of The Red Death' und 'In Dark Places' freuen. Die großartige Stimmung im Publikum hält sich auch hier weiterhin aufrecht - wobei aber Todd La Torre und auch Gitarrist Jon Drenning immer wieder den Kontakt zum Publikum suchen und ihren Teil ebenfalls dazu beitragen. 'Burning Bridges' wird dem erst vor einigen Wochen verstorbenen Matt LaPorte (u.a. JON OLIVA'S PAIN) gewidmet, der wohl ein guter Freund der Band gewesen sei (und seinen Teil dazu beigetragen habe, dass Todd in der Band gelandet ist - Anm. d. Red.). Allmählich neigt sich die Spielzeit von CRIMSON GLORY auch ihrem Ende zu, und so gibt es lediglich noch 'Red Sharks' zu hören - beim letztjährigen "Special" noch ziemlich verhunzt, aber dieses Mal sehr gut gelungen.

Dass sich die Fans damit nicht zufrieden geben können und wollen, ist eigentlich klar, und so wird lautstark nach einer Zugabe verlangt. Dass diese zum Höhepunkt des gesamten Festivals avancieren würde, ahnt jetzt aber noch niemand. Denn Todd La Torre übertrifft sich bei dem grandiosen 'Lost Reflection' noch einmal selbst, und es gibt deswegen nicht wenige Leute im Publikum, die Tränen in den Augen haben. Diese Nummer ist dann zwar nimmer zu toppen, aber immerhin werden noch 'Lonely' und 'Eternal World' gespielt, die ja wahrlich auch keine schlechten Songs sind.


Alles in allem liefert das Quintett aus Florida einen überragenden Auftritt ab, den sich so sicherlich niemand erträumt hätte. CRIMSON GLORY wird also seiner Headliner-Position mehr als gerecht, und es bleibt zu hoffen, dass man die Band noch oft zu sehen bekommt - immerhin ist der Auftritt beim diesjährigen "Bang Your Head!!!" ja schon sicher.

Setlist: Valhalla; Dragon Lady; Angels Of War; Azrael; Mayday; Queen Of The Masquerade; Lady Of Winter; Where Dragons Rule; Painted Skies; Masque Of The Red Death; In Dark Places; Burning Bridges; Red Sharks; Lost Reflection; Lonely; Eternal World

[Martin Schaich]

 

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Tops & Flops - das Fazit

 

[ Peter Kubaschk: ]

Höhepunkte:
01. VICIOUS RUMORS (wie der Vater so der Sohn)
02. SATAN (großartige Gitarren!)
03. CRIMSON GLORY (so nah an Midnight wie möglich)
04. SARACEN (toller Früh-Prog)
05. SLAUTER XSTROYES (25 Jahre zu spät entdeckt)

Nicht optimal:
Der Sound war zu selten wirklich gut (Ausnahmen: SATAN, SARACEN, VICIOUS RUMORS), die "Rose" hat noch immer keinen Lieferdienst und es hat unverschämterweise einmal geregnet. Anders gesagt: große Mängel gab es in diesem Jahr nicht. Genervt haben nur Alkoholleichen, die in die Halle gekotzt haben und von den Sanitätern abtransportiert werden mussten.

 

[ Holger Andrae: ]

Dann noch meine Topps und Flopps:

Die perfekten Momente des Festivals: 'Lost Reflection' (optischer und akustischer Sinnestaumel) und 'Oppression' (völlig unerwartet und völlig großartig, bowdown Mister Tippins!)

01. SATAN (legen die Halle unvergleichbarer Spielfreude, Energie und Songauswahl in Schutt und Asche!)
02. CRIMSON GLORY (dichter an Midnight geht es wohl kaum)
03. VICIOUS RUMORS (Like Father, Like Son)
03. SLAUTER XSTROYES (melodische Frickelkunst in Vollendung)
04. SARACEN (der melodische Höhepunkt)
05. BROCAS HELM (kaputtes Musikfeuerwerk der Sonderklasse)

außermusikalische Tollheiten:
die neue Ein/Ausgang-Regelung, das Wetter, Käsespätzle

weniger toll:
Menschen, die mit Alkohol nicht umgehen können und damit anderen auf die Nerven gehen, der Sound, der bei manchen Bands zu laut und undifferenziert war.

 

[ Rüdiger Stehle: ]

Musikalische Höhepunkte:
01. SATAN (die Quintessenz der NWoBHM und eines der tollsten Gitarrenduos der Welt)
02. BROCAS HELM (ergreifender Abschied einer der ungewöhnlichsten Bands aller Zeiten)
03. VICIOUS RUMORS (denkwürdiger Tribut mit viel Gefühl und tollen Songs)
04. SLAUTER XSTROYES (ein Musterbeispiel für songdienliche Frickelkunst)
05. CRIMSON GLORY (ein neuer Wundersänger tritt in große Fußstapfen)
06. SARACEN (Melodien in Vollendung)
07. METALUCIFER (endlos viel Spaß im Klischeebad)

Viel Licht und wenig Schatten beim Drumherum:
Wie Peter schon sagt, war der Sound hier und da zu erdrückend, und wie Holger sagt, kann es passieren, dass der von mir sehr verehrte Herr Rivera die Bands, bei denen er einspringt, regelrecht an die Wand singt. Was für HELSTAR die Offenbarung ist, das kann anderen Bands das Genick brechen, wenn James bei den Screams zu sehr in den Vordergrund gemischt ist. Organisatorisch gibt es wenig zu mäkeln. Die neuen Ausgänge sind eine großartige Verbesserung. Der angenehme Luftzug und das Rauchverbot - an das sich wohl leider nie alle halten werden - machen die immer noch dämpfige Halle ein gutes Stück erträglicher, und über die hin und wieder allzu langen Schlangen bei der Verpflegung freut sich halt die örtliche Königshofener Gastronomie.

 

[ Martin Loga: ]

Stimmungs- und spieltechnische Magie:

01. BROCAS HELM (Spielwitz hoch zehn; deutlich stärker als 2003)
02. SLAUTER XSTROYES (Steve Reimer singt göttlich!)
03. METALUCIFER (mehr Spaß geht nicht)
04. SATAN (grandiose Darbietung mit feinsten Soli)
05. SACRIFICE (Intensiv, bis die Schwarte kracht! Endlich in Europa!)

Verbesserungsfähig:
Die Lautstärke bei einigen Bands war jenseits der Schmerzgrenze.

Größter Dämpfer:
Jim Schumacher von BROCAS HELM erklärt, dass die Band in dieser Besetzung nie mehr live zu sehen sein wird.

Kopfschütteln:
"Heavy Metal Hunter" Mr. Neal Tanaka (METALUCIFER-Maskottchen) bringt es fertig, den ganzen Hammerauftritt von SATAN mit seinem Camcorder in der ersten Reihe in Seelenruhe zu filmen, ohne auch nur ansatzweise mit dem Fuß zu wippen, Headbanging zu vollführen oder sonstiges. Japaner halt :)

 

[ Martin Schaich: ]

TOP:
- Crimson Glory
- Slauter Xtroyes
- Brocas Helm

FLOP:
- Vicious Rumors (weil nicht geseh'n)

Überhaupt: Tolles Festival - bis in 2012! :-)


[ Julian Rohrer: ]

TOP:
- Brocas Helm
- Satan
- Vicious Rumors
- Slaughter Xtroyes
- Agent Steel


FLOP:
- Der zum Großteil miserable Sound des Festivals
- Die nicht-akzeptable Situation im Fotograben - was machen all die Menschen dort?

Fazit: Mein erstes Mal KIT war eine tolle Erfahrung, denn an sich stimmt auf dem ersten Festival des Jahres einfach alles. Die Stimmung ist top, es treten Bands auf, die so möglicherweise nie wieder auftreten werden, und alte Helden haben einen Rahmen ihr Comeback zu feiern. Hell Yeah, das ist Heavy Metal wie er sein soll!

Redakteur:
Rüdiger Stehle

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