Lacrimosa - Stuttgart
19.11.2001 | 11:2713.11.2001, LKA-Longhorn
Es ist schon ein Weilchen her, dass LACRIMOSA durch deutsche Lande tourten: Den letzten Gig gab es anlässlich ihres zehnjährigen Bandjubiläums am 9. Wave-Gotik-Treffen anno 2000 in Leipzig.
Jetzt, knapp eineinhalb Jahre später, steht das neue Werk "Fassade" in den Läden und das Gespann Tilo Wolff und Anne Nurmi befindet sich endlich wieder auf ausgedehnter Tour quer durch Europa. Da war es für mich natürlich keine Frage, bei ihrem Zwischenstop im LKA-Longhorn in Stuttgart vorbeizuschauen - man gönnt sich ja sonst nichts. Außerdem war ich äußerst gespannt darauf, wie wohl die Songs des neuen Albums live auf der Bühne zur Geltung kommen würden und welche optischen Schmankerln man sich für die Performance ausgedacht hatte.
Bei der Ankunft im bereits gutgefüllten LKA dann schon gleich die erste positive Überraschung: So gut wie keine "Kindergrufties" in Sicht, geschätztes Durchschnittsalter des Publikums zwischen Anfang und Mitte 20. Somit wurde das Vorurteil, dass sich auf Konzerten von LACRIMOSA nur hysterisch schreiende und BHs werfende Teenies herumtreiben, aufs Neue gründlichst widerlegt. Einem angenehmen Abend stand also nichts mehr im Wege.
Mit etwa 20 Minuten Verspätung eröffneten die Finnen TO/DIE/FOR das musikalische Spektakel. Gothic Rock mit metallischen Ansätzen beherrschte für die nächste Dreiviertelstunde die Bühne - doch so richtige Stimmung wollte, trotz einigen wohlwollend applaudierenden Besuchern, nicht so recht aufkommen. Aus gutem Grunde, denn obwohl die Nordlichter solide Kost boten, klang doch alles irgendwie "typisch skandinavisch", wie schon x-mal gehört und folglich auch nicht gerade furchtbar aufregend. Die Rechnung dunkle Grabesstimme plus schwere Gitarrenriffs geht eben leider nicht immer auf. Aber abgesehen von dieser Unterhaltungswertschmälerung brachten TO/DIE/FOR zumindest einen vernünftigen Sound zustande und lieferten mit Stücken wie "Frail Without You", "In The Heat Of The Night" oder "Veiled" einen netten Querschnitt durch ihre bisherigen beiden Alben "All Eternity" und "Epilogue". Bloß hätte sich Sänger Jape seine lasziven Unterleibszuckungen, mit denen er die gesamte Show der Band "würzte", weitestgehend sparen können, denn das kam nicht etwa erotisch oder gar sexy rüber, sondern einfach nur lächerlich.
Abschließend bleibt da nur zu sagen, dass TO/DIE/FOR sich als Support-Act relativ zufriedenstellend bewährt haben, aber falls die Jungs jemals eine größere Headliner-Tour anstreben sollten, müssten sie noch einiges an Arbeit in die Band stecken.
Nach einer knappen halben Stunde geschäftigem Treibens vorne und im durch einen schwarzen Vorhang verhüllten hinteren Teil der Bühne, kündigte das obligatorische "Lacrimosa Theme" den Beginn der eigentlichen Show an, was durch Jubelrufe und Beifall des sich nun dicht drängenden Publikums quittiert wurde. Kaum war der letzte Ton des Instrumentals verklungen, öffnete sich der Vorhang und gab den Blick auf die im "Fassade"-Stil mit Schaufensterpuppen dekorierte Bühnenkulisse frei, in der bereits die Live-Band und Anne Nurmi Stellung bezogen hatten. Zentrum der ganzen Szenerie bildete eine mit Papier bespannte Wand, hinter der alsbald schemenhaft Tilo Wolff auftauchte und "Fassade - 1. Satz" anstimmte. Wie zu erwarten kamen die orchestralen Parts und die Chöre des Songs (leider) vom Band, aber eine andere Live-Lösung wäre hier wohl auch relativ schwierig zu bewältigen gewesen, schon alleine aus Platzgründen. Dafür überraschte Tilos Gesang umso mehr - um einiges voller, als ich es noch vom LACRIMOSA-Auftritt zum 9. WGT in Erinnerung hatte. Als dann nach etwa der Hälfte des Stückes besagte Papierwand schließlich in Flammen aufging und Herr Wolff nach vorne ins Scheinwerferlicht trat, wurde er dementsprechend erstmal frenetisch empfangen. Nach einer kurzen Begrüßung ging es auch gleich mit dem Kracher "Ich bin der brennende Komet" weiter, welcher ein Meer an mitklatschenden Händen nach sich zog und auch optisch durch Pyro- und Rauchspielereien zu gefallen wusste. Überhaupt legte man den ganzen Abend hindurch großen Wert auf ansprechende visuelle Effekte, so erzeugten neben Funkenregen und Stichflammen ebenso die aufwendige Lightshow und der Einsatz von Trockeneis die jeweils passende Atmosphäre. "Flamme im Wind" beispielsweise, ein nach langer Bühnenabwesenheit endlich wieder auf die Setliste verfrachtetes Stück aus dem 93er Album "Satura", machte durch seine die Band flankierenden Feuerbecken und eine mit blutrotem Licht gefluteten Bühne einiges fürs Auge her.
Musik- und soundtechnisch konnte man sich ebenfalls alles andere als beklagen, zumal LACRIMOSA mit Jay P. (Lead Gitarre), Sascha Gerbig (Rhythmus Gitarre) und AC (Drums) - der Name des Bassisten ist mir leider entfallen - eine 1A Live-Formation am Start hatten, die besonders bei mit Metalelementen bestückten Kompositionen wie "Liebesspiel" oder "Schakal" dermaßen rasant-druckvoll zur Sache gingen, dass es ein wahrer Genuss war. Und wenn man schon beim Loben ist: Anne Nurmi, bisher ja eher bekannt dafür, nicht unbedingt jeden Ton sauber zu treffen, bewies mit ihren Darbietungen "Vankina" und "Senses" eine enorme Weiterentwicklung ihrer stimmlichen Qualitäten - so sicher und voluminös hat man die Dame auf früheren Touren noch nie zu hören bekommen. Wow! Da konnte man ihr sogar die dann doch wieder leicht auftretenden Patzer bei "The Turning Point" verzeihen.
Nach dem bombastischen "Fassade - 3. Satz" und dem somit endenden Hauptteil des Sets wurde bei den Zugaben nochmal so richtig aufgedreht: Drei Mal holte der lautstarke Jubel der Fans LACRIMOSA für insgesamt sechs Zugaben zurück auf die Bühne, und hier gab's meines Erachtens nach auch die absoluten Highlights des Abends zu bewundern, so beeindruckte Tilo bei "Ich verlasse heut' dein Herz" mit einem gekonnten Trompetensolo, begeisterte Anne, wie bereits erwähnt, mit "Senses", und auch der Klassiker "Stolzes Herz" wurde nicht vergessen.
Der große und finale Knall: Ein lockerer, von einem Ohr zum anderen grinsender und mit einem Bühnenscheinwerfer herumspielender Tilo Wolff und eine gelöst über die Bühne tanzende Anne Nurmi stimmen "Copycat" an: Erst in einer jazzigen (!) Version, dann lässt man es in der metallischen Originalfassung nochmal so richtig Krachen und verabschiedet sich schließlich von einem mehr als zufriedenen Publikum.
Auch mit einigen "schändlichen" Lücken in der Setliste - wo zum Geier blieben "Tränen der Sehnsucht" und "Seele in Not"? - lässt sich der Gig von LACRIMOSA im LKA nur mit einem Wort beschreiben: Klasse! Wer bisher noch nicht bei der "Fassade"-Tour vorbeigeschaut hat, dem würde ich dringendst raten, dies nachzuholen, bevor es zu spät ist. Es lohnt sich auf alle Fälle.
Setliste LACRIMOSA:
Lacrimosa Theme
Fassade - 1. Satz
Ich bin der brennende Komet
Allein zu zweit
Flamme im Wind
Halt mich
Vankina
Schakal
Liebesspiel
Alles Lüge
The Turning Point
Fassade - 3. Satz
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Ich verlasse heut' dein Herz
Senses
Am Ende stehen wir zwei
Stolzes Herz
Der Morgen danach
Copycat
- Redakteur:
- Kathy Schütte