Legends Of Rock - Ennepetal

14.03.2007 | 16:18

24.02.2007, Haus Ennepetal

LOR oder EOR - das war hier die Frage. Besuchen wir einmal mehr Ennepetal und sehen uns Bands an, die wir schon so oft präsentiert bekommen haben oder fahren wir im April wieder in die Schweiz, wo ebenfalls ein interessantes Aufgebot an Bands zusammengestellt wurde? Es war eine knappe Entscheidung, aber da beide Festivals für mich keine zwingende Bandauswahl zusammengestellt hatten, entschieden wir uns letztlich für die längere Tradition und den geringeren Aufwand. Da wir auf der Autobahn aufgehalten worden sind, haben wir die ersten Bands verpasst, was von uns jedoch niemand sehr bedauerte, denn obwohl wir WHY und TRUST gerne gesehen hätten, schaut sich von uns keiner das komplette Programm von 15 bis 24 Uhr an.

Das erste LEGENDS OF ROCK-Festival wurde groß als die Nacht der Reunions angekündigt, was jedoch kaum für meine Favoriten des Abends (BRIDE und TOURNIQUET) gelten konnte. Aufgrund der Bandzusammenstellung fühlte man sich allerdings in die 90er Jahre zurückversetzt, wozu außerdem die Songauswahl der Künstler beitrug. Damit diese Zeitreise perfekt wurde, traf man unzählige, altbekannte Gesichter, die für reichliche Erinnerungen an vergangene Tage sorgten. Von Beginn an herrschte eine gute Stimmung, die von den 800 (!) begeisterten Fans verursacht wurde. Leider war der Großteil der nur wenig vorhandenen CDs und Fanartikel bereits nachmittags vergriffen (JERUSALEM - "Ten Years After" Vinyl für einen Euro, wie man mir freudig mitteilte), dafür gab es aber noch BLOODY CROSS-Shirts für fünf Euro vom Schlagzeuger höchstpersönlich.

Komplett verpasst haben wir TRUST, GOLGATHA und WHY. Nachdem SPLIT LEVEL ihren guten Auftritt mit der inoffiziellen CHRISTMAS ROCK NIGHT-Hymne ('Holy Fire') erfolgreich hinter sich gebracht hatten, waren die ELECTRICS an der Reihe, für gute Stimmung zu sorgen. Mit ihrer Mischung aus Irish Folk, Rock und Punk sowie einer Fidel in ihren Reihen war das auch kein großes Problem. Jedoch sorgte bei mir der etwas breiige Sound dafür, dass ich nicht vollends von ihrer Show ergriffen wurde und obwohl mir der ein oder andere Hit ('Get To Heaven', 'Irish Rover') bekannt war, entschlossen wir uns schließlich doch dazu, ein weiteres, kühles Getränk zu uns zu nehmen.

Nun waren GUARDIAN an der Reihe, die in den 90er Jahren in der christlichen Szene Superstars waren. Mich persönlich interessiert eher ihre metallische Vergangenheit, und auf Konzerten hatten die Amerikaner trotz richtig guter Kompositionen bei mir nie eine große Wirkung erzielen können. Im Vorfeld sorgte bereits die Tatsache, dass Tony Palacios nicht die Gitarrensaiten zupfte, bei mir für ein ungutes Gefühl, denn er gehört von den Musikern wohl am meisten zu GUARDIAN (für ihn spielte Tim Bushong, ehemals LOVEWAR). Der Einstieg mit Liedern aus der "Bottlerocket"-Ära war nicht gerade glücklich, stattdessen hätten sich viele Besucher beispielsweise 'Kingdom Of Rock' vom Debüt ("First Watch", 1989) gewünscht, das auch gefordert wurde. Insgesamt war die Songauswahl jedoch in Ordnung, denn meine Favoriten ('The Rain', 'Power Of Love') und natürlich die Hits ('Shoeshine Johnny', 'Curiosity Killed The Cat') vom "Miracle Mile"-Album (1993) waren dabei. Der Funke wollte bei einigen Besuchern trotzdem nicht überspringen und Jamie Rowe hinterließ mit seinem eher nervenden Gebrabbel auch keinen überzeugenden Eindruck. Somit bleibt objektiv ein vertretbarer Auftritt einer Band, die ihren Zenit schon sehr lange überschritten hat.

Es folgten BRIDE, und über diese Gruppe könnte man viel erzählen. Zum Beispiel, dass sie ihren besten (Hammer-)Gig 1992 im proppevollen Karlsruher Substage spielten. Da waren sie noch unverbraucht und knallten höchst motiviert den Besuchern ihre Hits vor den Latz. Es folgte der verdiente Durchbruch, aber das Aufspringen auf sämtliche musikalische Trends und immer schwächere Alben führte logischerweise dazu, dass die meisten Fans der Band den Rücken kehrten. Ihr soeben erschienenes Werk "Skin For Skin" ist endlich wieder ein verdammt starkes BRIDE-Album geworden, eine Mischung aus altem und neuem Sound. Mit dem weit herausragenden Hard Rock- und Metalsänger Dale Thompson ist "Skin For Skin" für mich das ordentliche Nachfolgewerk vom zu Recht abgefeierten und damals sehr erfolgreichen "Snakes In The Playground"-Album geworden. Wenn man also die Musik (und nicht etwa verwirrende Interviews von Dale Thompson, beispielsweise über seine Präsidentschaftskandidatur) bei BRIDE in den Vordergrund stellt, so konnte man sich richtig auf den Auftritt freuen - und die Braut ließ auch nichts anbrennen! Meine recht hohen Erwartungen konnten sie ziemlich locker erfüllen, was mich wiederum etwas überraschte. Mit einem der größten Hits ('Would You Die For Me') stieg man ins Programm ein, es folgten fast alle weiteren, so dass BRIDE keine Wünsche offen ließen. Die Band legte außerdem eine ordentliche Spielfreude in die Waagschale und Dale zeigte sich recht gut gelaunt und auch verantwortlich für den einen oder anderen Lacher. Der Höhepunkt dürfte seine Ankündigung gewesen sein, dass der nächste Song nur etwas für die über 40-jährigen im Publikum sei (was sich als falsch herausstellte, ich bin schließlich auch "erst" 31), worauf BRIDE tatsächlich 'Heroes' vom 88er-Werk "Live To Die" anstimmten. Für die Metalfans dieser Tage ist die Nummer sicher eine der besten, welche BRIDE in ihrer langen Karriere überhaupt geschrieben haben. Da wurde auch nicht über die von Troy Thompson verursachten falschen Töne beim Gitarrenlauf gemeckert, denn die Tatsache, das BRIDE tatsächlich 'Heroes' aus den Ärmeln schüttelten, sorgte für puren Enthusiasmus. Es folgte sogar noch 'Hell No', aber Hits wie diese wurden in einem Medley verstrickt, das auch 'Hired Gun' und 'Troubled Times' beinhaltete. Klasse war's trotzdem! Der unumstrittene Höhepunkt des Auftritts war jedoch der BRIDE-Song überhaupt, 'Everybody Knows My Name'. Zwar fehlte leider ihr zweiter Überhit 'Rattlesnake' im Programm, aber ansonsten war dies - jawohl - ein perfekter Auftritt. Er beinhaltete noch weitere Hits wie beispielsweise 'Picture Perfect', 'Psychedelic Super Jesus', das bereits vor 15 Jahren gespielte 'Knockin' On Heaven's Door' und einen neuen Song (an dessen Titel ich mich leider nicht mehr erinnern kann) von der erwähnten "Skin For Skin"-CD. Übrigens saß mit Jerry McBroom auch der BRIDE-Schlagzeuger von damals am Schlagzeug - man hätte ihn jedoch fast nicht wiedererkannt. In dieser Form zählen die Jungs von BRIDE jedenfalls noch lange nicht zum alten Eisen und sie dementierten auch Gerüchte über eine baldige Auflösung der Band!

Die Frage lautete nun: Können TOURNIQUET das toppen? Jedes Mal bin ich bei TOURNIQUET eher skeptisch und jedes Mal können sie die Zweifel beseitigen und überzeugen! Ich werde in Zukunft meine Bedenken an dieser herausragenden Band einfach beiseite schieben. Natürlich sind für mich Guy, Gary und Ted die besseren TOURNIQUET, aber nach über zehn Jahren kann ich nun die "neue" Besetzung akzeptieren, denn an diesem Auftritt gab es nichts zu mäkeln und TOURNIQUET sind auch heute eine Band mit herausragenden Liedern, die sie live sehr gut umsetzen können. Nachdem Ted kurz mit einer Gitarre auf die Bühne trat, um 'Vanishing Lessons' einzuleiten, nahm er doch hinter seiner Schießbude Platz und zelebrierte einen perfekten Einstieg mit 'Vanishing Lessons', 'Ark Of Suffering' und dem live immer wieder ordentlich reinhauenden 'Acid Head'. Als dann die neue Live-Hymne 'Where Moth And Rust Destroy' folgte, konnte man schon das Fazit ziehen, dass die Band live nur gewinnen kann! Hier gibt es wirklich überhaupt nix auszusetzen, die Songs knallen ohne Ende und machen TOURNIQUET auch live und in Farbe zu einem echten Erlebnis. Diese Perfektion konnte nicht ganz gehalten werden, weil man sich mit 'Restoring The Locust Years' auch dazu entschlossen hatte, einen schwächeren Song zu präsentieren. Dafür verdiente sich die Band meinen Respekt aufgrund von gleich mehreren Tatsachen: Ted Kirkpatrick ist am Schlagzeug ein Meister und über jeden Zweifel erhaben! Seine Kreativität und unzähligen Schlagzeugsoli sind herausragend, und auch an diesem Abend konnte er dies erneut untermauern. Während im Hintergrund ein PRODIGY-artiger Technobeat lief, spielte er viele Minuten lang ein atemberaubendes und immer Punktgenaues Solo. Nur genial! Eine weitere Tatsache ist, dass Luke Easter ein sehr guter Sänger ist und eine überzeugende Darbietung lieferte. Die beiden Überraschungen des Abends waren für mich jedoch Aaron Guerra (Gitarre) und Steve Andino (Bass): Aaron Guerra hat scheinbar seine zweijährige Auszeit genutzt und lieferte einen soliden (!) Part an der Gitarre. Ich habe ihn noch nie so gut gesehen und er bekam es sogar hin, die Soli in seinem Stil zu interpretieren, so dass es passte. Steve präsentierte sich dazu in guter Laune. Bisher habe ich diesen Typen immer nur als Statue am Rande der Bühne erlebt, aber auf dem LOR bot sich Herr Andino als Teil der Band dar, und er war sogar des öfteren in Bewegung, so dass man den Eindruck gewann, dass er Spaß an seinem Job hat ;-). So soll es schließlich sein, und TOURNIQUET haben (wieder) viele Pluspunkte gesammelt, zudem wurde ein neues Album angekündigt (Ende 2007/Anfang 2008), das "heavy" werden soll (muss es auch bei der Konkurrenz von 2050). Bis auf ein, zwei kaum nennenswerte Verspieler und möglicherweise noch die Tatsache, dass Guy Ritter für mein Befinden den alten Songs noch etwas mehr Emotionen und Charakter verleihen konnte, war dies ein verdammt guter Auftritt von TOURNIQUET, der mit 'Pathogenic Ocular Dissonance' und 'The Tomb Of Gilgamesh' noch zwei weitere Höhepunkte beinhaltete. Was man der Band nicht ankreiden kann, war der dürftige Sound, denn dass der Bass fast lauter zu hören war als die eine Gitarre, darf bei einer Band nicht sein, die eigentlich sogar mit zwei Gitarren ausgestattet sein sollte. Ich war sogar auf der Suche nach dem besten Platz in der Halle und fand ihn schließlich bei der gelungenen Zugabe 'The Test For Leprosy' direkt vor Aaron Guerra - möglicherweise hab ich etwas von seinen Monitorboxen abbekommen.
Fazit TOURNIQUET: Beide Daumen hoch, die Band steht wieder oben auf meiner Liste. Das neue Album wird sehnlichst erwartet und hoffentlich richtig heavy!

Setlist:
Vanishing Lessons
Ark Of Suffering
Acid Head
Where Moth And Rust Destroy
Restoring The Locust Years
Phantom Limb
Drum Solo
Broken Chromosomes
Tomb Of Gilgamesh
Pathogenic Ocular Dissonance
Tire Kicking
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The Test For Leprosy

Fazit LOR: Es ist bekannt, dass die Veranstalter stets erstklassige Arbeit abliefern und die Halle perfekt ist. Das Angebot wurde sehr gut angenommen (800 Besucher sprechen für sich). In Zukunft könnte man vielleicht wieder etwas mehr auf den (eigentlich) gewohnt guten Sound achten, wobei es stets auch darauf ankommt, wo man sich gerade in der Halle befindet. Vor allem sollte man auf der CHRISTMAS ROCK NIGHT in Zukunft wieder etwas für die Alt-Metaler bieten, oder aber über ein weiteres LOR nachdenken. In diesem Falle muss das Angebot jedoch stimmen, um die Leute bei der Stange zu halten. Mit BLOODGOOD steht eine erstklassige Band bereit, die für Veranstalter und Fans alle Voraussetzungen erfüllen, um eine erfolgreiche, weitere Veranstaltung durchführen zu können (dahinter stehen zahlreiche, starke und wieder aktive Bands wie ONCE DEAD [ehemals VENGEANCE RISING] bereit, oder aber auch Größen wie BARREN CROSS und SEVENTH ANGEL, die sich bekanntlich für solche großartigen Veranstaltungen nochmals auf die Bretter schwingen würden).

Redakteur:
Stefan Lang

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