Life Of Agony - New York

20.12.2008 | 09:41

14.12.2008, Blender Theater at Gramercy

Die New Yorker Institution rockt vor halbleerer Halle.

Das berühmte Sprichwort, dass der Prophet im eigenen Land nicht viel zu melden hat, wird heute mal wieder anschaulich belegt: Zum Heimspiel von LIFE OF AGONY finden sich vielleicht 200 Nasen im mindestens die doppelte Menge fassenden "Blender Theater at Gramercy" ein, einem gemütlichen Club irgendwo zwischen Backstein-Charme und Orient-Plüsch, den ich an diesem Abend zum ersten Mal betrete. Den Orient-Plüsch gibt es in der unteren Etage, wo man an der mit rot gemusterten Teppichen und esoterisch-bunten Tüchern ausgekleideten Bar gepflegt abhängen und das Bühnen-Geschehen auf Flachbildschirmen verfolgen kann. In der Konzerthalle hingegen dominieren gemauerte Wände und ein angenehm abschüssiger Zementboden, der optimale Sicht auch von weiter hinten ermöglicht. Selbst die obligatorischen Sitzplätze stören hier nicht weiter, weil sie fast versteckt auf einer steil ansteigenden Empore hinter der Eingangstür liegen. Schade, dass hier nicht mehr hart rockende Konzerte stattfinden, denn im mittelgroßen Sektor ist das Blender Theater mit das Beste, was ich in New York bisher gesehen habe.

Ein Teil der Gäste gehört allem Anschein nach zum Fanclub der drei Opening-Acts. Vor allem die zahlreichen T-Shirts mit dem Schriftzug von MISERY (von denen ich gerade noch fünf Takte mitbekomme) stechen ins Auge. Die nachfolgenden MY MORTALITY nutze ich lieber zur Erkundung der Orient-Bar, obwohl es schon beachtlich ist, was dieser hardcoremäßige Bulle von Sänger für eine Schmusestimme an den Tag legt – die mir langfristig aber dann doch zu "emo" ist. LIFE OF AGONY-Schlagzeuger Sal Abruscato sitzt hier übrigens an den Drums, und auch Bassist Alan Robert muss heute zwei Gigs absolvieren, ist er doch bei den Dritten im Bunde – den durchaus unterhaltsamen Punkrockern von SPOILER NYC - neben dem Gesang auch für den Tieftöner zuständig.

Der große Unsicherheitsfaktor des Abends ist jedoch wie immer LIFE OF AGONY-Sänger Keith Caputo. Nachdem er sich während seines New Yorker Solo-Konzerts vor vier Monaten als reinste Quasselstrippe erwies, darf Gitarrist Joey Z. ihm wieder mehr als ein Mal aus der Patsche helfen, um die zwischen den Songs entstehenden, leicht planlos wirkenden Pausen zu überbrücken. Optisch sieht Keith sehr fit aus: Die Haare haben einen ordentlichen Schnitt, das Kinn ist frisch rasiert, und dank Augen-Make-up und schmucken Silberstreifen auf dem schwarzen Shirt wirkt er fast ein wenig androgyn. Aus seinem zum Glück wie immer stimmgewaltigen Mund ist jedoch zunächst nicht mehr als ein gehauchtes "Thank you", ein relativ am Anfang des Sets irgendwie deplatziertes "Merry Christmas and a happy new year" und ein konfuses "Is it Sunday or is it Sunday?" zu hören. Allerdings zwischen solch großartigen Songs wie 'River Runs Red', bei dem der erste Circle Pit entsteht, 'This Time' oder dem lauthals geforderten 'Lost At 22'. Die alten Sachen sind eben immer noch am besten, auch wenn sich 'Strungout' und 'Love To Let You Down' vom letzten Output “Broken Valley” gut in die Setliste einfügen. Tatsächlich ringt sich Keith zu 'The Day He Died' sogar erstmalig zu einer kleine Ansage durch und widmet den Song "allen, die Menschen mit Drogenproblemen kennen" oder so ähnlich.

Dieser plötzliche Redeschwall muss bei dem Sänger irgendeinen Knoten gelöst haben, weil er sich wenig später bei 'Through And Through' direkt vor die erste Reihe in den Fotograben stellt und die eigentlich gar nicht mal so müde, aber eben kleine Menge zu etwas mehr Action auffordert. "Das fühlt sich aber nicht wie eine Rockshow an. Vergesst doch einfach mal, dass ihr morgen arbeiten müsst, denkt nicht darüber nach, wen ihr heute noch flachlegen könntet. Lebt den Moment mit mir!"

Der final nochmals erstarkende Circle Pit zeigt, dass seine Worte auf fruchtbaren Boden gefallen sind, und 'Underground' beendet ein gewohnt gutes, wenn auch mangels neuen Songmaterials überraschungsarmes Konzert einer New Yorker Institution.

Strung Out
River Runs Red
This Time
Method Of Groove
Seasons
Lost At 22
Love To Let You Down
My Eyes
The Day He Died
Bad Seed
Weeds
Through And Through
Respect
Underground

Redakteur:
Elke Huber
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