Lostprophets - Köln
30.12.2006 | 17:4119.12.2006, Live Music Hall
2002 gab das 2000 erschienene Debüt "The Fake Sound Of Progress" (2001 wiederveröffentlicht) Anlass für einen Besuch der Waliser im nicht allzu weit entfernten Deutschland. Damals noch im recht kleinen Prime Club. Man legte 2004 mit "Start Something", einer weiteren mächtig fetten Platte, nach und wechselte aufgrund der immensen Popularität in die Live Music Hall. Jetzt, Ende 2006, kommt man wieder für eine ausgiebige Deutschland-Tournee zu uns. Grund dafür ist das weichgespülte, beinahe poppige Scheibchen "Liberation Transmission". Und man bleibt dem Club in der Lichtstraße treu. Das darf ein Fan wie ich, bei dem die ersten beiden CDs rauf- und runtergelaufen sind, der aber ziemlich enttäuscht von der aktuellen Platte ist, natürlich nicht verpassen. Ein paar gleichgesinnte Kumpels geschnappt, und los geht es. Schon Wochen vorher war das Konzert restlos ausverkauft, was auch die meterlange Schlange vor den Türen beweist. Schon eine Stunde vor Einlass, also um 18 Uhr, stehen sich Fans die Beine in den Bauch, um bloß nicht zu weit hinten zu landen. Wir erreichen die Halle gegen 18:45 Uhr und ergattern trotzdem noch einen sehr guten Platz in den vorderen Reihen.
Pünktlich um 20 Uhr gehen die Lichter aus. Der erste Supportact, THE NEW 1920, betritt die Bühne. Man rockt ordentlich und hüpft herum, der Frontmann wirbelt das Mikro dermaßen um sich herum, dass es zeitweise so aussieht, als ob er vor hat, sich auf offener Bühne zu strangulieren. Selbstverständlich versucht man, die schon jetzt sehr gut gefüllte Halle mächtig anzuheizen, das Feedback ist dabei aber mehr als bescheiden. Viele wollen nur gucken, sich die Kräfte für später aufsparen. Man spielt einen Mischmasch aus Indie und Alternative Rock, dabei bleibt es immer tanzbar. Nach einer knappen halben Stunde, einer guten Vorstellung und ein paar Fotos mit den Fans verabschiedet man sich auch schon wieder in Richtung Backstage-Raum.
Kurze Umbauphase von 15 bis 20 Minuten, Zeit, sich ein bisschen umzusehen. In punkto Merchandise gibt es leider keine neuen, positiven Erkenntnisse zu vermelden. Ein Shirt für 25 Euronen, ein Kapuzenpullover für 45 Mäuse: Das sind keine fanfreundlichen Preise. Sogar der Support wird gezwungen (?), so viel Geld zu kassieren. Schade eigentlich.
Wieder zurück nach vorne gekämpft, Lichter gehen ein weiteres Mal aus, und Vorband Numero dos, THE BLACKOUT, beginnt ihre Show mit einem mächtigen Knall. Holla die Waldfee! Dagegen waren THE NEW 1920 ja gar nichts! Die Jungs springen, kreischen, brüllen, singen und headbangen über die Stage, als ob es kein Morgen geben würde. Wie viele Hummeln haben sich die sechs Pappnasen vor der Show in die Hosen geknallt? Da darf einfach keiner still stehen bleiben. Tut auch keiner. Aufforderungen zu Moshpits, Circlepits und zur Wall Of Death werden brav befolgt, auch wenn Letzteres vielleicht etwas überzogen ist. Mein Gott, was für eine geile Band! Gerade die erste Scheiblette "The Blackout! The Blackout! The Blackout!" am Start, prophezeie ich dem Sixpack einfach mal so eine ziemlich erfolgreiche Zukunft. Die Riffs hauen dir die Rübe weg, der Bass groovt die Hummeln wieder aus dem Arsch, und die Drums knallen mit 300 Prozent Power. Das Konzept mit zwei Sängern geht wunderbar auf, die Songs fräsen sich durch tolle Refrains mit genialen Hooklines in den Gehörgang und gehen da auch so schnell nicht mehr raus. 45 Minuten reine Power. Toll.
Die ausgiebige Umbauphase für ausgiebige Soundchecks beginnt, und wieder einmal heißt es abwarten und Bier trinken. Knapp 40 Minuten später gegen 21:50 Uhr betritt man nach einem kleinen Intro die Bühne, und zu 'To Hell We Ride' erklingen die Gitarren - anders als bei der Show in Hamburg, wo 'The New Transmission' den Opener markierte, das hier als zweiter Song gespielt wird. Natürlich gehen die Massen beim Headliner am meisten ab. Es wird Crowdsurfing betrieben, gemosht, gesprungen und mitgesungen. Auf der Stage powert man leider nur teilweise. Bassist Stuart Richardson zu Beginn sowie der inzwischen überstylte Frontsänger Ian Watkins am famosen Ende wagen einen Stagedive in die dichtgedrängte Menge. Ansonsten bleibt man recht angefroren auf den zugewiesenen Plätzen stehen - nichts im Vergleich zu THE BLACKOUT.
Bedauerlicherweise schenkt man in Sachen Setlist der aktuellen Scheibe mehr Beachtung als den älteren Platten. Ganze sieben der insgesamt dreizehn gespielten Songs sind auf "Liberation Transmission" zu finden. Darunter die alte ('Rooftops') und die neue Singleauskopplung 'Can't Catch Tomorrow (Good Shoes Won't Save You This Time)', erwähntes 'The New Transmission' (folgt 2007 als Singleauskopplung), 'A Town Called Hyprocrisy', das in England und Umgebung als Auskopplung im Handel erhältlich ist, der zahme Rocker 'Broken Hearts, Torn Up Letters And The Story Of A Lonely Girl', die Poprock-Ballade '4am Forever' sowie das etwas rockigere 'Everyday Combat'. Vom erstklassigen "Start Something" gibt es leider nur vier Songs: das eingangs erwähnte 'To Hell We Ride', selbstverständlich den Überhit 'Last Train Home', die Chillout-Nummer 'Last Summer' sowie 'Burn, Burn', das man als letzten Song des Abends spielt und bei dem alle am Konzert beteiligten Musiker nochmal die Bühne entern, um das Outro aus vollem Hals mitzuschreien. Nur 'Shinobi Vs. Dragon Ninja' sowie 'The Fake Sound Of Progress' gibt es vom genialen Debütalbum zu hören. Schade eigentlich. Zwischenzeitlich gibt es noch kleinere Pannen wie ein anfangs nicht ganz so funktionstüchtiges Mikro oder einen plötzlich ausgefallenen Verstärker, den Gitarrero Mike Lewis mit einem Tritt straft. Nichtsdestotrotz ein toller Abend mit erschöpften Fans, auch wenn THE BLACKOUT für mich wie ein eigenständiger kleiner Headliner auftraten.
Setlist:
To Hell We Ride
The New Transmission
Can't Catch Tomorrow (Good Shoes Won't Save You This Time)
A Town Called Hyprocrisy
Last Summer
Rooftops (A Liberation Broadcast)
The Fake Sound Of Progress
Broken Hearts, Torn Up Letters And The Story Of A Lonely Girl
4am Forever
Last Train Home
Everyday Combat
Shinobi vs. Dragon Ninja
Burn, Burn
- Redakteur:
- Daniel Schmidt