MANOWAR - Ludwigsburg

25.01.2010 | 21:45

22.01.2010, Arena

Wir berichten vom fünften Konzert der "Death To The Infidels"-Tour, zu welchem sich der Tross in Ludwigsburg eingefunden hat. Bekommen die Kings of Metal alte und neue Fans unter einen Hut?

Der zweite Bericht zur von uns präsentierten "Death To The Infidels"-Tour kommt aus dem Schwabenland, genauer gesagt aus der Ludwigsburger Arena, in welcher sich MANOWAR mit ihren Magic-Circle-Brüdern von METALFORCE und HOLYHELL einfinden, um die Ungläubigen das Fürchten und ihr Gefolge den wahren Stahl zu lehren. Zunächst müssen wir uns allerdings dafür entschuldigen, dass wir euch nicht über METALFORCE berichten können, weil zuerst mein alter Benz ein Problem mit der Kühlerflüssigkeit hatte und uns dann ein Stau am Kreuz Stuttgart, die Parkplatzsuche in Ludwigsburg und der zähflüssige Einlass etliches an Zeit gekostet haben. Als wir dann schließlich in der Halle ankommen, hören wir die letzten Takte der MAJESTY-Nachfolgeband, und kurz darauf kommen uns Tarek und seine Mitstreiter bereits entgegen, um am Merchandise-Stand ihre Autogrammstunde abzuhalten. Da sich hier doch etliche Fans einfinden, um sich allerlei Material unterzeichnen zu lassen, gehen wir einfach mal davon aus, dass METALFORCE nicht so schlecht angekommen sein können.

Elend lange Schlangen am Merchandise, an der Garderobe und am Bierstand lassen uns gleich feststellen, dass die 66,50 Euro scheinbar doch noch günstig genug waren, denn die Halle ist sehr gut gefüllt. Wir schnappen die Zahl von 3.500 zahlenden Gästen auf, was zumindest mich doch ein wenig überrascht, wenn man an die große Jammerei um Ticketpreis und Setlist im Vorfeld denkt. Doch genug des Vorgeplänkels, jetzt nichts wie ab in die Halle, bevor wir in Erfüllung unserer Reporterpflicht komplett versagen und auch noch HOLYHELL verpassen.

Die heilige Hölle startet sichtlich gut gelaunt und gut in Form in ihren Auftritt. Maria Breon ist gut bei Stimme und strahlt wie ein Honigkuchenpferd, Keyboarder Francisco Palomo gibt wie immer das extrovertierte Rumpelstilzchen, während die Saitenfraktion aus Basser Jay Rigney und dem Gitarrenvirtuosen Joe Stump ebenfalls gewohnt und bemüht ultracool zockt und rockt. Neben all dem Glamour um ihn herum wirkt Schlagzeuger Rhino richtig bodenständig und entspannt, was ihn sehr sympathisch rüberkommen lässt. Dabei macht er seine Sache sehr gut und spielt einen sehr unterhaltsamen Gig, der allerdings schon nach den ersten beiden Stücken 'Holy Water' und 'Eclipse' urplötzlich abgebrochen wird. Nach einigen Minuten stürmt MANOWARs Tourmanager auf die Bühne und teilt mit, dass es technische Probleme gebe, HOLYHELL aber bald mit ihrem Gig fortfahren würden. Über die folgenden Ereignisse wird euch Martin berichten ...

Dass "bald" ein relativer Begriff ist und dass insbesondere der Tourmanager und die Fans eine unterschiedliche Auffassung von "bald" haben, wird schnell klar. Als nämlich auch nach über einer Viertelstunde nichts auf der Bühne passiert, hört man die ersten Pfiffe in der Halle, und diese werden von Minute zu Minute mehr und auch lauter. Und das, obwohl sogar ältere MANOWAR-Songs als Pausenmusik laufen ...

Es dauert insgesamt über eine halbe Stunde, bis HOLYHELL wieder auf die Bühne zurückkehren und ihren Auftritt fortsetzen. Sie beginnen den zweiten Teil mit 'Gates Of Hell', und erfreulicherweise hat die Pause der guten Laune und der Spielfreude nichts anhaben können. Maria und ihre Männer musizieren,  als wäre nichts gewesen, und nach und nach wird auch die Stimmung im Publikum wieder besser. Das liegt zum einen natürlich am Aufreten von HOLYHELL, aber auch an den sehr ordentlichen Songs vom selbstbetitelten Debütalbum. So gibt es in der Folge unter anderem auch 'Revelations', 'Wings Of Light' und 'Prophecy' zu hören.

Nach einer guten halben Stunde kommen HOLYHELL dann auch mit 'Apocalypse' zum Ende ihres Gigs. Da sie für ihre recht gute Leistung danach auch mehr als nur einen Höflichkeitsapplaus ernten, kommen HOLYHELL noch einmal zurück auf die Bühne, um mit 'Heartbreaker' noch eine Coverversion (im Original von PAT BENATAR) zum Besten zu geben.

Nach HOLYHELL geht in der Halle das Licht an, und es wird ein Vorhang aufgezogen, der die Bühne komplett verhüllt, während sie für MANOWAR hergerichtet wird. Nach einer guten halben Stunde wird es dann dunkel, das Bandlogo wird auf den schwarzen Vorhang projiziert, und Orson Welles' Stimme ertönt für das altbekannte Intro. Wer nicht schon in Tourberichten im Internet gespickt hat, der wird zunächst einmal vom Opener kalt erwischt, denn die Band steigt nicht wie seit Jahrzehnten gewohnt mit 'Manowar' in ihr Konzert ein, sondern mit 'Call To Arms', das in den letzten drei Takten in 'Manowar' mündet. Als im Anschluss sofort mit 'Hand Of Doom' nachgelegt wird, ist klar, dass die Songs von "Warriors Of The World" heute eine wichtige Rolle spielen werden. Umso mehr wird an dritter Stelle 'Kings Of Metal' abgefeiert und mitgebrüllt.

Ja, die Stimmung ist bis dahin auf jeden Fall gut, und auch der Sound kann sich sehen lassen. Laut und druckvoll, keine Frage, doch auch relativ klar und differenziert. Da klangen MANOWAR schon weitaus schlechter, auch wenn Eric Adams heute etwas viel Hall auf dem Mikro zu haben scheint.

Mit 'God Or Man' folgt der erste neue Song und gleich im Anschluss die einzige Ballade des Abends, namentlich 'Swords In The Wind', das von vielen Zuschauern innbrünstig mitgesungen wird. Über den Song freue ich mich wirklich riesig. Joeys folgendes Basssolo ist wie immer laut und dröhnend - und natürlich ziemlich überflüssig. Es wird aber - ebenso natürlich - je nach Klientel wahlweise abgefeiert oder zur WC- bzw. Bierhol-Pause genutzt. Zur Ehrenrettung sei gesagt, dass es ein bisschen melodischer und weniger schmerzhaft war, als es Joey zu anderen Anlässen schon dargeboten hat.

Zu 'Die For Metal' schleudern die beiden seit Beginn des Gigs Arm in Arm vor mir stehenden Hünen wie aufs Stichwort ihre Bierbecher gen Bühne und fangen an, richtig abzugehen. Es ist schon was Schönes, das Kind im Manne. Live funktioniert das Stück übrigens recht gut, ebenso auch das folgende 'Die With Honor', das in seiner Studioversion ja durchaus als einer der Tiefpunkte MANOWARschen Schaffens gelten kann. Durch die viel lebendigeren Livedrums von Schlagzeuger Donnie Hamzik gewinnt das Stück ungemein, ebenso wie auch alle anderen Songs der letzten zwei Scheiben und der aktuellen EP. Völlig egal, ob es nun künstliche Drums waren oder ob man auf der Platte Scott Columbus einen so sterilen Sound auf den Leib designt hat: Ich hoffe sehr, dass Joey mal die Liveversionen von den DVDs mit den Albumversionen der Stücke vergleicht und daraus die gleichen Schlüsse zieht wie ich.

Wo waren wir? Ach ja, es geht mit einer soliden Version von 'The Sons Of Odin' weiter, welcher der stete Tiefpunkt einer jeden MANOWAR-Show folgt: Joey DeMaios-Ansprache. Weitgehend auf Deutsch. Hurra! Man kann sich nun wahlweise darüber freuen, dass Joeys Deutsch immer besser wird oder doch lieber Krämpfe bekommen ob dessen, was er denn auf Deutsch und Englisch so sagt. Wir erfahren all das, was wir noch nie wissen wollten: dass Joey heiß und geil ist, dass er all sein Geld für sein Equipment ausgibt und so den Fans zurückgibt, dass alle anderen Bands außer MANOWAR auf ihre Fans scheißen würden und dass die deutschen Fans die besten in Deutschland seien. Das ist wahrhaft erstaunlich!

Im Anschluss steht mal wieder das Spielchen "Wir zocken mit einem Fan 'The Gods Made Heavy Metal', während ein Mädel dazu tanzt" auf dem Programm, und hier werden dieses Mal eine junge Dame aus Leonberg und der passionierte MANOWAR-Fan Benni aus Aalen rekrutiert. Der Letztere beeindruckt im Spotlight den guten Joey mit Riffs aus 'Death Tone' und 'Thor' (hätten sie die mal gespielt!), bevor seine Gitarre leiser wird und der Rest der Band hinzustößt und mit 'The Gods ...' einsteigt. Mit großem Lob für das Schwabenland und die Schwaben verabschiedet Joey seine Bühnengäste, dem Mädel noch mit auf den Weg gebend, dass sie heute Nacht ihren Freund ordentlich, ähhh, "versorgen" möge, stellvertretend für ihn und alle MANOWAR-Fans, die ja nicht randürfen, weil sie die Freundin eines Bruders sei. Und so weiter und so fort.

Nach dem Ende des Ballermann-Spielchens sind dann mit 'Sleipnir' und 'Loki - God Of Fire' die beiden stärksten Songs von "Gods Of War" an der Reihe, und das von der ganzen Halle begeistert aufgenommene 'Warriors Of The World' beendet schließlich das reguläre Set mit dem vermutlich einzigen traditionell-metallischen Megahit seit METALLICAs 'Nothing Else Matters'. Dieser Song bringt es schließlich auch auf den Punkt, was mit MANOWAR geschehen ist: Sie haben sich mit diesem Song und diesem Album ein völlig neues und riesengroßes Publikum erschlossen, das sie nun mit immer prolligeren Shows und simpleren Songs bedienen müssen, weil es diese Fans sind, die MANOWAR im neuen Jahrtausend zu einem der kommerziell zugkräftigsten Metal-Unternehmen gemacht haben. Dass dabei viele alte und treue Fans auf der Strecke bleiben oder einfach nicht mehr folgen wollen, ist zwar traurig, aber wohl nicht zu ändern.

Den Zugabenblock leitet dann Joeys zweite Ansprache ein, bei der viele gleich so gut zuhören, dass ihnen glatt entgeht, dass Joey auch mitteilt, was der Grund für die Unterbrechung des Gigs von HOLYHELL gewesen ist: nämlich eine Bombendrohung. Nach dem Stinkbombenangriff in Fürth und der Tatsache, dass auch die Show in Offenbach wegen einer Bombendrohung unterbrochen werden musste, muss man wohl fast davon ausgehen, dass an der Geschichte zumindest ein bisschen was dran ist und hier irgendein Psychopath versucht, der Band und den Fans zu schaden. Auch wenn Joey die Sache natürlich wieder dadurch ins Lächerliche zieht, dass er sie für seine übliche Propaganda nutzt und betont, dass er trotz der Bombendrohung hier bleibt, um notfalls eben ehrenhaft mit den Fans zu sterben. Ja, so ein Parteitag ist schon was Schönes. Zum Glück fasst sich Joey dieses Mal recht kurz, so dass die Fans mit einer bärenstarken Version von 'House Of Death' und - zur Versöhnung der Altfans - mit dem abschließenden '87er Klassiker 'Black Wind, Fire And Steel' nach zwei Stunden nach Hause entlassen werden.

Für mich bleibt als Fazit, dass MANOWAR auch im Jahre 2010, dem dreißigsten Jahr seit Bandgründung, noch eine beachtliche Größe im Metalzirkus sind. Sie kriegen noch immer große Hallen voll und bringen sie zum Kochen. Dennoch scheint der Spagat immer schwieriger zu werden, alte und neue Fans beziehungsweise die Angänger der alten und der neuen Alben unter einen Hut zu bekommen. Die seltene Spezies, die beide Phasen gleichermaßen schätzt, wird der Band natürlich bedingungslos die Treue halten. Doch die Altfans, die das neue Material langweilig finden, bleiben je nach Grad der Abneigung auf der Strecke. Aus dieser Enttäuschung heraus alles schlechtzureden, was die Band heute macht, wäre jedoch auch unfair. Mir macht der Gig durchaus Spaß. Es ist mit kleinen Abstrichen eine coole Metalparty, der jedoch eines abgeht: die Ehrfurcht gebietenden Gänsehautmomente, für die ich MANOWAR stets so sehr verehrt habe. Es ist eine neue MANOWAR-Welt, in der ich zwar noch gerne Zaungast, aber nicht mehr Teil derselben bin. Wer MANOWAR indes vor allem für die Fanhymnen, die Party-Momente und Auftritte bei Stefan Raab schätzt, der wird auch auf dieser Tour begeistert sein und nichts zu meckern haben. So viel zu meiner Perspektive. Ich übergebe erneut an Martin, der euch seine Sicht der Dinge berichten wird:

Grundsätzlich teile ich Rüdigers Meinung hundertprozentig. Der Auftritt von MANOWAR hat auch mir viel Spaß gemacht, allerdings mag das auch daran gelegen haben, dass ich genau wusste, was mich erwartet. Ich kannte die Setlist schon vor dem Auftritt und konnte mich deshalb schon mal damit abfinden, dass ich die Songs, für die ich MANOWAR liebe, nicht hören werde. Doch abseits der Songauswahl - dazu gleich noch mehr - kann man MANOWAR eigentlich für diesen Auftritt nicht kritisieren. Ich könnte zwar auch ganz gut ohne Joeys "Predigten" leben, und seine Basssoli halte ich auch für reichlich überflüssig, aber MANOWAR gibt es eben nicht ohne diesen Firlefanz. Damit habe ich mich inzwischen abgefunden, und deshalb ist es auch okay. Solange MANOWAR aber musizieren, ist alles im allergrünsten Bereich. Karl Logan spielt zwar nicht mit demselben Gefühl wie beispielsweise Ross The Boss, aber ansonsten ist er ein sehr guter Gitarrist. Donnie Hamzik ist vielleicht sogar der beste Schlagzeuger, den MANOWAR je hatten, und dass Eric Adams zu den besten Sängern im Metalzirkus gehört, steht eh außer Frage.

Um das Thema "Songauswahl" kommen wir bei dieser Tour allerdings nicht herum. Denn mit 'Kings Of Metal' und 'Black Wind, Fire And Steel' haben es gerade mal zwei Songs von den sechs 80er-Scheiben in die Setlist geschafft, und auch die 90er Jahre wurden lediglich mit einem Song ('The Gods Made Heavy Metal') berücksichtigt. Man kann natürlich nun sagen, dass MANOWAR vor zwei Jahren erst ihre Frühwerke komplett gespielt haben und deshalb nun logischerweise die neuen Songs an der Reihe waren. Aber man kann es auch so interpretieren, dass beim Magic Circle Festival II die Frühphase abschließend behandelt wurde und man sich nun in erster Linie den neueren Songs und damit auch den Fans der 2000er-MANOWAR widmet. Dass dadurch die "alten" Fans immer mehr auf der Strecke bleiben, nimmt man wohl gerne in Kauf - es gibt schließlich genügend "neue" Fans, die nachkommen. Diese Entwicklung ist natürlich schade - vor allem für jemanden, der seit über 20 Jahren MANOWAR hört -, aber vermutlich nicht zu ändern. Tolles Songwriting - wie es MANOWAR bis 1992 an den Tag gelegt haben - werden wir daher wohl auch in Zukunft nicht mehr zu erwarten haben. Damit will ich nicht sagen, dass die neueren Songs allesamt schlecht wären - im Gegenteil: Auch auf den letzten Alben waren gute Songs vertreten, und die besten haben MANOWAR ja zumindest gespielt, aber sie sind eben ziemlich konstruiert und wenig spannend. Aber solange es genügend Leute gibt, die das toll finden, wird sich daran nix ändern. Böse Zungen könnten ja behaupten, dass Joey DeMaio der Dieter Bohlen des Heavy Metals ist - aber zum Glück ist meine Zunge nicht böse.

Bericht: [Rüdiger Stehle] und [Martin Schaich]
Fotos: [Rüdiger Stehle]

Redakteur:
Rüdiger Stehle

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