MEAT LOAF - Hamburg
20.10.2013 | 21:0805.05.2013, o² World
Meat Loaf auf großer Abschiedstour, quer durch die Welt. Heute, für einen Abend, ist Hamburg Zeuge des Abschieds einer Legende.
Ach MEAT LOAF, was soll man zu einem der markantesten Sänger der Rockgeschichte noch sagen? Legendäre Klassiker wie 'I'd Do Anything For Love (But I Won't Do That)', 'You Took The Words Right Out Of My Mouth' oder 'Modern Girl' (ja, den zähle ich ganz bewusst dazu) haben die Rockmusik geprägt.
Auf der einen Seite verhasst, ob des sehr hohen Schnulzenfaktors, auf der anderen Seite geliebt für Songs, die mehrere Generationen von Musikliebhabern geprägt haben. Und nun ist also Schluss, Schicht im Schacht, finito. Die Abschiedstour (clever: "Last at Bat") ist eine relativ ausgedehnte Welttournee, damit jeder, der ihn sehen will, auch die Gelegenheit bekommt, die allerletzte Chance sozusagen. Denn ich wage mal zu behaupten: Wenn die Tour beendet ist, geht der gute MEAT LOAF in den mehr als verdienten Ruhestand. Und bleibt dort. Auch wenn man heutzutage vorsichtig mit solchen Vorhersagen sein muss, immerhin touren die ROLLING STONES und KISS immer noch gelegentlich durch kleinere Gebiete auf dem Erdenrund.
Der Morgen des 05. Mai ist ein schöner Morgen. Das zweite, wirklich angenehme Frühlingswochenende (man spricht schon fast von Sommer) öffnet seine Arme für einen tränenreichen Konzertabend in Hamburg. Tatsächlich Sonne in Hamburg. Der Volkspark kann so schön sein, wenn die Lichtstimmung und die Temperaturen mitspielen. Denn MEAT LOAF lässt es nicht irgendwo krachen, sondern in der o² World, mitten im Grünen, direkt gegenüber des Volksparkstadions. Und wie sollte es anders sein: Es ist ein Bundesligasamstag und der HSV hat ein Heimspiel.
Angekommen an der o² World, genießen wir unser eiskaltes Astra vom Fass (aus irgendeinem Grund schmeckte das Bier an diesem Tag besser, als irgendein Bier jemals zuvor) und lauschen den Fans im Stadion, denn das liegt 50 Meter entfernt. Um die o² World versammeln sich bereits gegen 17 Uhr beachtlich viele Fans unterschiedlicher Generationen. Da sitzen 10-Jährige Mädchen und Jungen mit ihren Eltern oder Großeltern neben 25-jährigen Studenten und Mitt-40ern. Rocker treffen auf Rentner, manche in MEAT LOAF oder sonstigen Bandshirts, manche in einem lockeren Anzug. Ein herrlicher, bunter und friedlicher Anblick, eine ausgelassene, fantastische Atmosphäre.
Im Inneren hat sich die Atmosphäre von ausgelassen zu freudig gespannt geändert, ein Platzanweiser wuselte sich mit uns im Gepäck durch die zahlreich einströmenden Fans und pflanzt uns auf einen sehr guten, weil nicht zu weit entfernten, genau mittig gelegenen Platz und verschwindet dann wieder in der Menge.
Aber der Einlass will noch nicht so recht funktionieren, es dauert über eine Stunde, bis sich alle versammelt hatten. Und dann gehts los.
Die Band strömt zu den BEATLES und 'When I'm 64' auf die Bühne, MEAT LOAF stößt etwas verspätet dazu, in schicker Jacke und erstaunlich gut bei Stimme. Er eröffnet den Abend mit einem Mix aus 'Runnin' For The Red Light (I Gotta Life)' und dem obligatorischen Kracher 'Life Is A Lemon (And I Want My Money Back)', wo er altersbedingt am Ende zwar schon etwas schwächelt, die Strophen aber fehlerfrei vorträgt und immer mit dem Publikum spielt. Der Hackbraten hat seine Fans und Anhänger voll in seinem Bann. Schon beim folgenden 'Dead Ringer For Love' unterbricht er allerdings, lässt die Band weiterspielen und verschwindet von der Bühne. Nach kurzer Verwirrung der Zuschauer kehrt er (erleichtert?) zurück vors Mikro und wiederholt mit der Band den gesamten Song, dieses Mal ohne Probleme, einschließlich einer kurzen Entschuldigung. "Das Alter", wie er sagt. Das Wechselspiel zwischen beiden Charakteren wird wie gewohnt im Zusammenspiel mit (der unglaublichen) Patti Russo inszeniert, die nur am Ende ihre gigantische Sonnenbrille abgenommen hat, aber insgesamt gefühlte 10 Mal das Outfit wechseln musste (eines schöner und passender als das vorherige).
Es folgt ein Dreierpack mit neueren Songs, bevor MEAT zu meinem persönlichen Highlight 'Objects In The Rear View Mirror' kommt, auch wenn er nicht jede Strophe voll aussingt und eine sogar komplett überspringt. Den ersten Part bekommt er aber so stimmungsvoll und emotional hin, dass sich nicht nur bei uns fast eine Träne im Auge auftut (Kenner des Liedtextes werden das sofort nachvollziehen können). 'Out Of The Frying Pan (And Into The Fire)' beendet den ersten Part des Konzerts, in welchem die grandiosen Gitarristen Randy Flowers (!) und Paul Crook zum ersten Mal so richtig glänzen können. Es sollte nicht das letzte Mal sein.
Nach einer kurzen Pause von vielleicht 15 Minuten geht man in den Hauptteil des Abends über, in die Präsentation des Debütalbums "Bat Out Of Hell" in seiner Gänze. Die Halle wird komplett verdunkelt und auf den drei Videoleinwänden erscheint Jim Steinman, schon deutlich vom Leben gezeichnet, aber charmant wie eh und je. Er beginnt, über den Erfolg und die Entstehung des Albums zu sprechen, plaudert dazu aus dem Nähkästchen über die Anfangszeit mit Marvin Adday. Dann bezieht er sich nur noch auf den Song, den Opener und Titeltrack 'Bat Out Of Hell', bevor die Band die Bühne entert und unter tosendem Beifall eben jenen Song präsentiert.
Im Verlauf gibt es zu jedem Song des Debütalbums einen kurzen Einspieler mit Interviewschnipseln beteiligter Musiker. Besonders interessant dabei sind MEAT LOAF's on stage Partnerinnen, die ein wenig über improvisierte Kussszenen sprechen und im Nachhinein alle stolz sind, dabei gewesen zu sein. Die Präsentation der Songs fällt nicht weniger interessant aus. So energiegeladen und doch zärtlich, immer wieder virtuos und minimal verändert habe ich (und einige Tausend andere Fans am Abend) das Material noch nie gehört. Ich kann es nicht oft genug erwähnen: Randy Flowers ist ein verdammt geiler Gitarrist. Oft nur im Hintergrund als Rhythm guitar player dabei, gibt man ihm doch einige Freiheiten, wenn er sich mit dem nicht weniger grandiosen Paul Crook duellieren darf.
Die kleinen Gimmicks auf der Bühne sind nur die Sahnehäubchen auf einem unvergesslichen Abend. Zu 'Bat Out Of Hell' wird eine große Fledermaus aufgepustet, die im Hintergrund auf die Zuschauer hinabblickt (naja... "niedlich" umschreibt es noch ganz gut). Zum musikalischen Highlight des Abends, 'Paradise By The Dashboard Light', gibt es ein großes, aufblasbares Paar, das schon ganz lustig aussieht, aber nicht die schauspielerischen Einlagen von Patti Russo und MEAT LOAF übertrifft. Die beiden passen auf der Bühne so gut zusammen, die Chemie stimmt und das merkt auch der Zuschauer. Der emotionale Höhepunkt des Abends ist der Rausschmeißer auf "Bat Out Of Hell", 'For Crying Out Loud', in dem MEAT am Ende richtig fertig ist und wirklich jedem einzelnen in der Halle eine Gänsehaut auf den ganzen Körper zaubert. Wow.
Zum Zugabenteil wird natürlich dann das noch fehlende 'I'd Do Anything For Love (But I Won't Do That)' kredenzt, das die Fans dankend aufsaugen und komplett mitsingen. Wenn so eine Halle wie die o² World einen mittlerweile so mächtigen Song mit jedem Wort, jeder Note mitsingt, dann ist das schon Ehrfurcht gebietend. Und als absolut letzten Rausschmeißer fährt der "Neverland Express" noch mal alles auf, inkl. riesiger Abbilder ihrer Selbst als im Wind wehende Fahnenmännchen (die, die immer in US Filmen bei Autoverkäufern stehen). Patti Russo hat sich noch mal umgezogen und endlich (endlich!) die Sonnenbrille abgenommen, schwingt die Hüften und bringt damit nicht nur alle männlichen Zuschauer in Stimmung. Und musikalisch gibt es eine Mischung aus 'Boneyard' und 'All Revved Up With No Place To Go'. Das eigentliche Highlight an diesem Hybriden ist das unfassbar geniale Gitarrensolo der Herren Crook und Flowers. Die Jungs streuen mal eben so fast das ganze (!!!) Gitarrensolo aus LYNYRD SKYNYRD's Klassiker 'Free Bird' ein. Und zocken das Solo dann so routiniert und lebhaft (und technisch perfekt!), dass ich beschlossen habe: Ich brauche SKYNYRD nicht mehr live zu sehen. Ich hab grad ihr bestes (und für mich DAS beste) Gitarrensolo gehört und bin baff, dann schwer euphorisch. Sehr viele andere Besucher erkennen das Solo und die freche Art, wie sie das einfach so einbauen (natürlich war’s einstudiert, aber es kam total natürlich rüber) auch und haben ein dickes, fettes Grinsen im Gesicht. Und auf einmal ist Schluss.
MEAT bedankt sich bei allen deutschen Fans, speziell bei allen, die jetzt hier dabei waren und ja, der Kerl weint am Ende. Und zum dritten Mal haben viele Besucher auch Tränen in den Augen. Bei dem Anlass sei es uns aber gegönnt, denn das kommt schon einer Verabschiedung eines Onkels gleich, den man zwar nicht immer gesehen, aber immer geliebt hat. Genau so hat sich das Ende angefühlt. Alles bis dahin war eine ausgelassene Party, locker, fröhlich, mit einem guten (nicht großartigen) Sound und einem hoch emotionalen MEAT LOAF.
Überhaupt ist die ganze Band, der ganze "Neverland Express", vom Schlagzeuger bis zu Patti Russo und MEAT selbst, fantastisch aufgelegt gewesen, keinerlei Allüren oder Ermüdungserscheinungen. Sie spielen, als sei es der erste Abend der Tour und diese Euphorie springt sofort auf alle Zuschauer über.
Man sieht zunächst nur vereinzelt mal jemanden aufstehen und tanzen, aber mit Fortschreiten des Konzerts stehen immer mehr Fans auf, bis zum großen Finale alle auf den Beinen sind, Tränen in den Augen, ein Lächeln im Gesicht, inbrünstig mitsingend und total gefangen in diesem Moment. Denn genau das war der Abend am Ende: Ein einziger, wundervoller Moment. Zusammenhängend, ein Erlebnis von Anfang bis Ende. So wird es verbleiben, in den Erinnerungen eines jeden Fans. Mit diesen Erinnerungen fällt der Abschied vom Fleischklops nicht ganz so schwer. Well done, Mr. Adday!
Setlist: Runnin' For the Red Light (I Gotta Live) / Life Is a Lemon (And I Want My Money Back), Dead Ringer For Love, If It Ain't Broke, Break It, Los Angeloser, The Giving Tree, Objects in the Rear View Mirror May Appear Closer Than They Are, Out of the Frying Pan (And Into the Fire), Bat Out of Hell, You Took the Words Right Out of My Mouth (Hot Summer Night), Heaven Can Wait, All Revved Up With No Place to Go, Two Out of Three Ain't Bad, Paradise by the Dashboard Light, For Crying Out Loud, Encore: I'd Do Anything for Love (But I Won't Do That), Boneyard/Free Bird/All Revved Up With No Place to Go
- Redakteur:
- Dennis Hogrefe