MEGA COLOSSUS, SMOULDER, TOWER und ACID BLADE - Hamburg
14.09.2023 | 17:0702.09.2023, Bambi Galore
Ein pickepackevoller Abend in Hamburgs heißestem Keller!
Wenn MEGA COLOSSUS ruft, dann fragen einige Kolleginnen und Kollegen in unserer Redaktion: "Wer?", aber andere sind direkt Feuer und Flamme und notieren sich Orte und Daten dick im Kalender. Die Obersympathen aus Raleigh, North Carolina haben ein paar schwierige Jahre hinter sich, starten aber nun im Vorlauf zum sicher spannendsten Jahr in der Bandgeschichte selbstbewusst mit einer kleinen Europatour durch. Eingeladen zum heutigen Hamburg-Gig der "Riptour" wurden mit ACID BLADE, TOWER und SMOULDER drei weitere interessante Bands. Ein vielversprechendes Aufgebot also für einen bunten Abend in Billstedt. So ist es auch nur folgerichtig, dass sich an diesem lauen Samstagabend das Gelände um das Bambi Galore schon vor der Einlasszeit füllt und sich im schmalen Kellerraum bereits zur ersten Band der Nacht eine ordentliche Meute versammelt.
Und so betritt vor dem einzigen Backdrop des Abends und unter Volllasteinsatz der Nebelmaschine die deutsche Formation ACID BLADE die Bühne. Die 2019 unter dem Namen ANGEL BLADE gegründete Gruppierung um Sänger Klay Mensana schenkte den Traditionalisten unter uns vor einigen Monaten mit "Power Dive" ein ziemlich starkes Debütalbum. Und da in ein paar Wochen noch eine EP nachgeschoben wird, gibt es ausreichend Material, das auch live dargeboten werden möchte. Noch dazu ist dies eines der letzten Konzerte mit Sänger Klay und Schlagzeuger Jonny, die die Band aus unterschiedlichen Gründen verlassen werden. Doch noch ist es nicht so weit, weshalb die 'Hot Bloods' hier und heute nochmal ganz ordentlich 'On The Loose' sein dürfen. Sonnengeschützt bebrillt und mit einem breiten Grinsen im Gesicht heizt der Frontmann der Menge gut ein. Wenn dabei mal ein Ton nicht ganz sitzt, ist das schon fast egal. Dabei zieht auch Bassist Sci-Man mit seinem Glitzeroutfit viele Blicke auf sich. Und auch Ohren, denn der Basssound ist grandios. Besonders ins Gehör sticht auch das sehr variable Geklöppel von Jonny, das live sehr viel besser zur Geltung kommt als auf Konserve. Gespielt werden mit 'Blast From The Past' zum einen und 'Into The Light' und 'Shooting Star' zum anderen auch Songs aus Vergangenheit und Zukunft der Band, während Klay irgendwann ein hoffentlich nicht giftiges Schwert aus seiner Hülse zuppelt und damit wild herumfuchtelt. Das ist aufgrund der engen Örtlichkeit durchaus risikobehaftet. Zwischendurch wird zu einem kurzen Lederriemen gegriffen, weniger gefährlich, ähnlich merkwürdig. Insgesamt war's ein auf jeden Fall kurzweiliger Auftritt mit einigen guten Songs (dazu zähle ich den für mein Empfinden etwas spannungsarmen, aber zum Höhepunkt auserkorenen 'Shooting Star' übrigens nicht) und einem etwas eigenwilligen Sänger, der durchaus ein gespaltenes Meinungsbild im Billstedter Keller hinterlässt.
Setliste: Hot Bloods On The Loose; Ablaze At Midnight; Mercy Of The Wind; Blast From The Past; Into The Light; Moonless Night; Power Dive; Shooting Star
Während ich mich trotz einer vermeintlichen Begeisterung für schräge Sänger mit dem Tönesucher der ersten Band nicht anfreunden kann, freue ich mich umso mehr auf die New Yorker Truppe TOWER, deren Sängerin Sarabeth Linden zumindest auf den Tonträgern eine mehr als tolle Figur abgibt. Das scheinen viele Anwesende so zu hören, denn ich bekomme nur einen Platz im hinteren Viertel des Gewölbes ab, als ich während des ersten Songs von der frischen Luft zurückkehre. Selber schuld. Trotzdem erfasst mich die Spielfreude der Band sofort. Im Gegensatz zum erfrischend mitreißenden Auftritt von ACID BLADE, der aber manchmal etwas unbeholfen wirkte, merkt man den Damen und Herren von TOWER einfach eine Bühnenerfahrung an. Anders kann man sich auch das Selbstverständnis nicht erklären, gleich mit dem bislang nicht veröffentlichten Song 'Under The Chapel' einzusteigen. Fette Nummer! Natürlich ist Sarabeth der optische Blickfang, aber auch Basser Philippe Arman ist ein absoluter Hingucker. Dies soll aber natürlich nicht von den musikalischen Fähigkeiten ablenken, denn auch hier bewegt man sich auf sehr hohem Niveau. Alle Songs werden mit einer heißblütigen Spielfreude dargeboten, die allen Anwesenden in die Gliedmaßen fährt. Anders ist die überschwängliche Begeisterung kaum zu erklären. Da ist es auch völlig egal, dass man quasi das komplette aktuelle Album runterzockt und vom Debüt lediglich abschließend die Bandhymne 'Elegy' bringt. Dafür sind erstklassige Stücke wie 'Prince Of Darkness' oder 'Blood Moon' einfach zu stark. Die Band ist mega tight und Frau Linden klingt livehaftig sogar noch imposanter als auf Konserve. Man spielt sich in einen Rausch, der so berauschend zu sein scheint, dass man selbst nach einem unbeabsichtigten Zusammenstoß zweier Musikanten auf der Bühne, schnell wieder auf die richtige Spur zurückfindet. Nach dieser beeindruckenden Darbietung ist klar, dass diese Band auch zukünftig auf meinem Radar stattfinden wird. Ganz, ganz toller Auftritt!
Setliste: Under The Chapel; Running Out Of Time; Run For My Life; Prince Of Darkness; Metatron; Lay Down The Law; Blood Moon; ElegyWer den Abend über mal in so manches Gespräch gelauscht hat, ist nicht überrascht, dass es nun richtig voll vor der Bühne wird. Ja, die Mehrheit ist wohl vor allem aus einem Grund hier und der hört auf den Namen SMOULDER. Die Band, mit Mitgliedern aus den USA, Kanada und neuerdings Finnland, gehört zu den heißesten Acts der Stunde, weshalb sich auch bis zuletzt das Gerücht hielt, sie würde als Headliner den Abend beenden. Die Kommunikation war im Vorfeld nicht ganz eindeutig. Ist aber ja auch egal. Es wird jedenfalls schon beim Soundcheck mitgesungen und applaudiert und es sind offensichtlich alle gespannt wie Flitzebögen auf den folgenden Auftritt. Naja, fast alle. Die Musiker und Frontfrau Sarah Vincent wirken etwas müde, was sich später auch noch auf der Bühne bestätigen sollte. Man sei bei der ersten Europatour wohl schon nach zwei Auftritten etwas aus der Puste. Na, das kann ja noch heiter werden. Egal, die Stimmung ist super, als SMOULDER zu Schlagzeugrhythmen die Bühne betritt und tanzt. Untergrundexperten, die die Band bereits live betrachten durften, mag das wenig verwundern, als Neuling aber tritt, aufgrund der rhythmischen Bewegungen der Sängerin, ungewollt ein Runzeln auf meine Stirn. Mit einer derart theatralischen Darbietung hatte ich nicht gerechnet. Zwischen ihren entweder plauzenfreien oder hübsch geschminkten Kollegen wird am Mikrofon ganz ordentlich geschauspielert. Das mag etwas mehr Entertainment bieten, als die straighten Auftritte vor und nach diesem, aber es lenkt mich auch sehr schnell ab vom Eigentlichen. Nämlich der Musik. Dabei fokussiert sich die interkontinentale Truppe auf Erprobtes und gibt mit 'The Talisman And The Blade' lediglich einen (den stärksten) Song vom aktuellen Album zum Besten. Da dieses aber eh etwas durchwachsen bei mir ankam, kein Grund zum Meckern. Auch live überzeugen die langsameren, doomigen Songs deutlich mehr als die schnellen, die auf "Violent Creed Of Vengeance" dominieren. Nach der sehr unterhaltsamen Stunde gehen die Musiker und die Musikerin hoffentlich direkt ins Bett, um an den noch folgenden Tourtagen frisch aufspielen zu können. Zum Glück nehmen sie die Nebelmaschine direkt mit.
Setliste: Voyage Of The Sunchaser; Bastard Steel; Warrior Witch Of Hel; The Sword Woman; The Talisman And The Blade; Ilian Of GarathormMein Hauptgrund heute Abend hier zu sein, heißt MEGA COLOSSUS! Diese Band zählt für mich zu den erfrischenden Ausnahmen unter den Newcomern. Spätestens seit der wundervollen "V"-EP rotiert die Musik dieses Quintetts aus Raleigh bei mir beinahe wöchentlich. So sichere ich mir dieses Mal einen guten Platz mit Sichtfeld, denn die optische Präsenz der fünf Spaßeckenmacher muss man vollends genießen. So geht es dann auch gleich mit dem frischen 'Run To The Fight' vom letzten Überflieger-Album "Riptime" los, welches direkt vom ersten Hit 'Kaiju King' fortgesetzt wird. Sofort sieht man überall fröhlich zuckende Leiber und auch auf der Bühne herrscht die pure gute Laune. Vor allem Frontmann Sean Buchanan ist mit stets verschmitztem Grinsen ein absoluter Ultrasympath. Weiter im Text geht es mit einem (G)Oldie namens 'Sea Of Stars', an welchen 'Tinker Tanner' anknüpft. Inzwischen ist kaum noch eine Stelle trocken am Körper und bei Gitarrist Bill Fisher habe ich andauernd Angst, dass seine Grimassen irgendwann mal stehen bleiben. Dieser Mann ist auf der Bühne ein von der Leine gelassener Tasmanischer Teufel. Ganz, ganz wundervoller Anblick!
Nun sagt Sean an, dass die Band bei Cruz Del Sur unterschrieben habe und wir uns auf ein neues Album namens "Showdown" im nächsten Jahr freuen dürfen. Yiehaaa! Als wäre dies nicht schon genug Grund der Freude, gibt es nun mit 'Fortune And Glory' auch gleich einen Song von eben jenem Album. Und was für ein Song das ist! Noch eingängiger als das bekannte Material, was man daran erkennen kann, dass die Halle schon beim zweiten Chorus mitsingt, was auch die Band freudig überrascht zur Kenntnis nimmt. Aber trotz der hohen Melodiendichte, ist auch diese Nummer mächtig heftig, pfeilschnell und unfassbar mitreißend. Natürlich gibt es wieder tolle Backing- und Satzgesänge, bei denen sich wie gewohnt AOR-Spezialist und Tiefton-Masseur Luigi Micale besonders hervortut. So stelle ich mir einen perfekten Bassisten vor: permanent in Bewegung, immer gut zu hören und auch noch mit einer tollen Singstimme ausgestattet. Grandios! Das ist auch ein Attribut, welches mir zu der nächsten neuen Nummer namens 'Wicked Road' einfällt. Nicht ganz so viele Hooks, aber trotzdem sofort zündend. Das Album darf bitte ganz bald kommen!
Da wir nun alle so wunderbar auf Betriebstemperatur sind, passt 'Jihad! Jihad!' natürlich ganz ausgezeichnet. Tollhaus-Alarm! Daran können dann auch 'Wendigo' und 'Willow' nichts mehr ändern. Denkt man, es gäbe bereits den Siedepunkt, dann kommt 'Razor City'. Dieser Hornissen-Kracher lässt alle Anwesenden die letzten Kräfte mobilisieren und vor allem Drummer Doza Hawes ackert im Hintergrund bis die Hände bluten. Was für eine Maschine, dieser Kerl! Aber auch Neuzugang Chris Millard an der zweiten Gitarre, scheint sich in einen Rausch zu spielen. Gut, an die wahnsinnige Ausstrahlung seines Partners Bill kommt er nicht ran, aber das ist nicht weiter schlimm. Im absoluten Glückstaumel holt man dann noch den feuchten Traum eines jeden Fans namens 'Iron Rain' aus der Schublade. Schwebezustand vor und auf der Bühne. Diese Nummer ist aber auch einfach unfassbar gut. Danach ist erstmal Schluss. Aber das Bambi lässt sich natürlich nicht so einfach abspeisen. Da muss schon noch 'Swords Against Death' gespielt werden. Jetzt kann aber auch keiner mehr. Vollends glücklich taumeln wir alle nach draußen. Frische Luft, ein Kaltgetränk und glückliche Gesichter bieten ein tolles Bild. Bitte bald wiederkommen!
- Redakteur:
- Marius Luehring