MORGAN WADE - Köln
12.09.2023 | 22:0110.09.2023, Helios 37
So muss eine Rockband klingen!
Wer meine Rezensionen zu den Alben der Country-Rock-Newcomerin MORGAN WADE gelesen hat, der wird wissen, dass ich ihre beiden bisherigen Langspieler "Reckless" und das frisch erschienene "Psychopath" für das Spannendste halte, was zuletzt in diesem Sektor veröffentlicht wurde. Dass ich natürlich auch unbedingt auf der Deutschland-Tour zum eben erwähnten neuen Langspieler vorbeischauen musste, um Morgan und ihre großartige Band auch einmal auf der Bühne zu erleben, versteht sich da schon fast von selbst. Und so verschlägt es mich an diesem viel zu heißen Septemberabend ins Helios 37 nach Köln, das trotz der relativen Unbekanntheit der Amerikanerin hierzulande überraschend gut gefüllt ist.
Doch nicht jeder der Anwesenden wird das bekommen, was er nach dem Genuss der Alben erwartet hat, denn wo Frau Wade auf Platte noch etwas mehr auf Radio-Airplay getrimmt unterwegs ist, präsentiert sie auf der Bühne eine waschechte Rockshow, die mehr in der Tradition von großen US-Kollegen wie BRUCE SPRINGSTEEN & THE E-STREET BAND, NEIL YOUND & CRAZY HORSE oder TOM PETTY und seinen HEARTBREAKERS steht, als sich am eingängigen und handzahmen Pop-Country zu orientieren. Wie überrraschend dieser Kontrast sein kann, verdeutlicht einen kleine Anekdote am Rande. Beim Betreten der Location werde ich nämlich von einem Mann gesetzten Alters in Hemd und Jeans angesprochen, dem offensichtlich mein doch eher "alternatives" Aussehen mitsamt Tattoos und Bandshirt aufgefallen ist. Wie ich denn auf Morgan aufmerksam geworden bin, möchte er wissen. Ich erzähle die Geschichte vom Gibson-Livestream, bei dem die Amerikanerin mit von der Partie war, während er erfreut berichtet, dass sie in seiner Spotify-Playliste zwischen CHRIS STAPELTON und JASON ALDEAN aufgetaucht ist und er daraufhin recht spontan das Ticket gekauft hat. Ich zweifle noch, ob er weiß, dass ihn heute hier kein ruhiger Country-Abend erwartet, werde aber vom Einlauf der Band abgelenkt, die zu einer knüppelharten Version des NINE INCH NAILS-Hits 'Closer' pünktlich um 21 Uhr die Bühne betritt. Aus dem Augenwinkel sehe ich später aber mehrmals, dass er angesichts der durchaus hart rockenden Interpretation des Songmaterials doch öfter etwas gequält dreinschaut. Als er später zu einem Platz etwas weiter hinten im Saal wandert und mir noch einmal grüßend winkt, hat er wahrscheinlich verstanden, wieso auch jemand mit offensichtlich eher im Hard Rock und Metal beheimatetem Musikgeschmack hier heute Abend sehr viel Spaß hat.
Klar, MORGAN WADE und ihre vierköpfige Band beherrschen auch ruhigere und deutlich mehr im Country verwurzelte Töne sehr gut, die etwa in 'Last Cigarette' oder 'Take Me Away' zum Zuge kommen, doch primär werden die Songs ihrer bisherigen Studioalben in deutlich rockigerem Kleid vorgestellt. Ganz besonders profitieren davon etwa die herrlich bluesige Nummer 'Alanis' oder auch der Hit 'The Night', der hier treibender präsentiert wird als in der Studioversion. Richtig deftig wird es bei 'Meet Somebody' vom neuen Langdreher "Psychopath", das eine waschechte Grunge-Nummer ist, die Morgan Gelegenheit bietet, ihre charismatische und herbe Stimme perfekt in Szene zu setzen. Pausen werden dem Publikum dabei übrigens nur wenige gegönnt, denn Morgan und ihre Band verbinden die Songs praktisch mühelos miteinander und halten das Energielevel durchgehend hoch. Angefeuert dadurch kommt auch das Publikum mit jedem Song besser in Stimmung, dem man zu Beginn durchaus angemerkt hat, dass hier zahlreiche Menschen mehr aus Interesse ihr Ticket gekauft haben und noch nicht so vertraut mit der Musik der Amerikanerin sind. Es ist aber auch wirklich schwer, dieser gut geölten Rock-Maschine zu wiederstehen, deren Qualitäten vor allem dann zum Vorschein kommen, wenn Soli der einzelnen Musiker mühelos in die Songs eingeflochten und gnadenlos tolle Mashups aus diversen Coversongs zelebriert werden. Insbesondere die Kombination aus MIKE OLDFIELDs 'Your Love' und RICK SPRINGFIELDs 'Jessie's Girl' ist genial und erntet zum Ende der Show hin noch einmal ordentlich Beifall. Entsprechend ist selbiger auch groß, als sich die Amerikaner mit dem Hit 'Wilder Days' nach - für mich zu kurzen - 80 Minuten verabschieden und uns alle noch einmal mit einem Ohrwurm in den noch immer lauen Sonntagabend entlassen.
Und nicht nur viele Neulinge konnten heute Abend sicher überzeugt werden, auch ich sehe mich in meinem Eindruck bestätigt, dass MORGAN WADE der "real deal" ist, wie man es in den Vereinigten Staaten so gerne sagt. Das hier war einfach eine schlicht und ergreifend tolle Rockshow, die auch komplett ohne Backingtrack, synchronisierte Lichtshow oder Videoleinwand ausgekommen ist. Versteht mich nicht falsch, ich liebe auch solche technisch anspruchsvollen und visuell beeindruckenden Konzerte, doch ab und an ist es auch einfach mal toll, sich von einer tighten Rockband so richtig die Ohren durchpfeifen zu lassen. Solltet ihr die Amerikanerin also bisher noch nicht angetestet haben, darf ich ein Nachholen dringend empfehlen, denn für mich ist sie weiterhin gemeinsam mit JASON ISBELL & THE 400 UNIT das Beste, was dem Country-Genre seit langem passiert ist!
- Redakteur:
- Tobias Dahs