M'era Luna - Hildesheim

07.10.2016 | 18:26

13.08.2016,

Schwarz-buntes Treiben mit den Größen aus Gothic und Metal.

Endlich ist es soweit - mein erstes M'era Luna Festival. Nach unzähligen Metal-Veranstaltungen nun die erste Gelegenheit, einmal bei einem etwas anderen Publikum zu zelten. Also mache ich mich am Freitag bei leichtem Regen auf in den Norden, um die schwarz-bunte Szene live vor Ort erleben zu können. Da die Autos auf einem separaten Parkplatz abgestellt werden und nicht auf den Campingplatz dürfen, muss das Gepäck - je nach Standort - eine gehörige Strecke getragen werden. Aufgrund meiner spät-nächtlichen Ankunft von halb eins, entschließe ich mich, die erste Nacht im Auto zu verbringen. Am nächsten Morgen geht es bei strahlendem Sonnenschein dann auf die große Mission, mein Pressebändchen zu bekommen. Als Geografin habe ich über die Karte mit dem Standort der VIP-Bandausgabe geweint, und auch die Security scheint keine Ahnung zu haben, wie ich da hin kommen kann. Die Adresse in ein Navi einzugeben ist nutzlos, da wichtige Straßen abgesperrt sind und ich zu Fuß laufen muss.

Also erstmal aufs Gelände. Auf das ich ohne Bändchen aber nicht komme. Dann doch außen rum, zu Fuß über die Bundesstraße. Nee, zu gefährlich, beschließt der Security und läßt mich mit meiner Karte und dem Ausweis doch auf den Zeltplatz. Ich solle mal Richtung Tower gehen und mich dann durchfragen. Vor dem eigentlichen Festivalgelände steht die nächste Security, die ebenfalls keine Ahnung hat, wo ich hin muss. Irgendwo da hinten. Da dürfe ich aber auch nur mit Bändchen hin. Oder wieder ganz zurück, eben doch über die Bundesstraße. Eine Dame hat Mitleid und schlägt vor, dass ich ja in ihrer Begleitung die Abkürzung übers Gelände nehmen könnte. Gesagt getan, doch nur, wohin? Erst links, dann rechts, dann stehen wir irgendwie im Crew- und Artist-Bereich. Da hinten raus, vom Gelände runter, ins Industriegebiet und dann die nächste links. Ich käme aber nur mit Bändchen in den Ausgang wieder rein. Ja, vielen Dank. Ich hoffe, das klappt dann jetzt. Nicht ganz zehn Minuten später bin ich da und erhalte ganz unkompliziert ein lila Band. Ab jetzt darf ich so gut wie überall rein. Auch ins Pressezelt, in dem es kostenlose Schokolade gibt.

Nachdem ich die Lage ein wenig erkundet habe, erwarte ich schon die erste Band des Tages, auf die ich mich besonders freue: SHAARGHOT aus Frankreich. Aber lest im Folgenden selbst, unsere Fotografin [Leoni Dowidat] und ich auf dem M'era Luna so erlebt haben.

[Yvonne Päbst]
Die Fans erkennt man, ebenso wie die Band SHAARGHOT, an der schwarzen Körperbemalung. Und auch ein schauriges Monster darf auf der Bühne nicht fehlen, welches neben einer Fotografen-Tätigkeit auch die Aufgabe hat, die Band heimzusuchen, um dann von Brecheisen und Äxten brutal dahingerafft zu werden. Die Jungs aus der Ile-de-France kommen sehr sympathisch daher, auch wenn die Show und die Musik alles andere als fröhlich ist. Härteste Industrial-Rhythmen schwingen, genauso wie der stets präsente Baseballschläger des Sängers, schon zum Frühstück über die Hauptbühne und die Sonne strahlt, als wolle sie der Partywütigen Menge noch eine extra Portion Tanzfeeling verschaffen. So schafft SHAARGHOT, wovon andere Bands sonst nur träumen: Eine grandiose Stimmung vor einem großartigen Publikum; Und das schon als Opener. Absolut empfehlenswert.

[Yvonne Päbst]

Auf der Hangar Stage eröffnet VLAD IN TEARS am Samstagmorgen den schwarzbunten Reigen und hat damit leider einen etwas holprigen Start ins Festival: Zwar liefern Kris Vlad und Co musikalisch eine recht passable Show - mehr aber leider auch nicht. Etwas steif und fast schon gekünstelt bewegen sich die vier Musiker auf der Bühne, es will nicht so richtig Party-Stimmung aufkommen: Beinahe bei jedem Song muss Kris die Menge aufs Neue zum Klatschen und Mitsingen bewegen und auch stimmlich reicht seine Leistung beim cleanen Gesang, wie etwa bei 'Blame Yourself'  um Längen nicht an seine Screams heran. Für mich ziemlich überraschend, denn eigentlich sind es für gewöhnlich die ruhigeren Parts in denen der Sänger brilliert und mich mit seiner Musik wirklich packen kann. Vielleicht braucht VLAD IN TEARS aber einfach auch nur einen viel zu langen Anlauf für ihr zwanzigminütiges Set, denn ab 'Kiss My Soul' geht es nicht nur auf der Bühne aufwärts: Immer mehr Leute strömen in den Hangar Stage, während Gregor Friday seine Gitarren-Soli bis zum Rausschmeißer 'Burn Inside' geradezu zelebriert: Sie können es ja eigentlich, die Dark-Rocker von VLAD IN TEARS. Schade nur, dass ihr Slot zu kurz zum Warmwerden ist.

[Leoni Dowidat]


'Deutschland braucht Bewegung' und die soll der kleine Flugplatz nun massenhaft bekommen. NOISUF-X sorgt für Hellelectro der besonders tanzbaren Art. Die Videos auf den Leinwänden im Hintergrund sind eher etwas für Entomologen als für Musikfans, aber warum soll es da nicht auch Überschneidungen geben? Und so tanzt die Meute wie in einem kleinen Ameisenhaufen um die Wette, bis der Hangar auseinander zu brechen droht. Und wieder die Diskussion: Ist auf einem Laptop Knöpfchen drücken Musik? Ist das Kunst? Kann das nicht jeder? Hier die Antwort: Ist es nicht egal, wenn die kreierten Beats dich derart von den Tanzschuhen hauen, dass das Adrenalin aus deinen Poren tropft und du dich wie im Rausch der Musik hingibst? Genau das passiert hier Hunderten, wenn nicht gar Tausenden von begeisterten Fans aus aller Welt, die körperlich alles geben und am Ende einheitlich feststellen, dass 40 Minuten doch viel zu kurz waren.

[Yvonne Päbst]

Einen Tag nach der Geburt des Silberlings 'Hope Is Here' feiert LACRIMAS PROFUNDERE das neue Werk auf dem M'era Luna und spielt als Opener (natürlich) einen Track des jüngsten Albums: Superlässig und mit einer unglaublich charismatischen Ausstrahlung hat Rob die schwarze Menge bereits nach den ersten Takten von 'Awake' in der Hand. Und auch wenn niemand die neuen Songs so richtig mitsingen kann, gebannt an den Lippen des Sängers hängen sie alle - ich schließe mich da gar nicht aus: Ohne großes Aufheben und viel Brimborium bildet der Auftritt von LACRIMAS PROFUNDERE einen angenehmen Ruhepol der Main Stage. Nur zuhören und die Musik genießen ohne von dicken Nebelschwaden oder effekthaschenden Bühnenbildern abgelenkt werden. Ein breites Lächeln wie das berühmt-berüchtigte Honigkuchenpferd zaubert mir dabei vor allem das Lied 'Hope Is Here', welches Rob so zärtlich ins Mikrophon haucht, dass ich trotz der warmen Temperaturen eine richtige Gänsehaut bekomme. Ganz ruhig, mit Rob an der Akkustikgitarre als Mittelpunkt des Geschehens bringt LACRIMAS PROFUNDERE das Publikum für einen Herzschlag dazu, ganz still zu sein. Oder bilde ich mir das in meiner Seligkeit nur ein? Nach diesem persönlichen Höhepunkt des Tages brauche ich einen Moment, um mit den wesentlich rockigeren 'My Mescaline' und dem letzten Song 'Ave End' wieder mitgehen zu können. Dennoch - für mich demonstriert LACRIMAS PROFUNDERE am M'era Luna-Samstag eines eindrucksvoll: Es braucht nicht viel Make-Up und ausgefallene Kostüme, wenn man es einfach draufhat.

[Leoni Dowidat]

Überraschend kurze 40 Minuten bekommt auch die Formation aus dem Nachbardorf. Als Einstimmung gibt es 'We Will Rock You' Klänge. Nun hat OOMPH! meine volle Aufmerksamkeit. Für das restliche Set muss nun Kreativität her, um die doch sehr heterogene Menge zufriedenzustellen. Also, am besten von jedem Album ein Lied, eines aus jeder Stilrichtung, die OOMPH! jemals angetestet hat, und fertig ist das Set für die schwarz-dunkle Szene mit Mittelalter-Einschlag bei Sonnenschein und guter Laune. Modern und poppig wie 'Labyrinth' oder düster und etabliert wie 'Träumst du', extrovertiert, EBM-lastig und überheblich wie 'Der neue Gott' oder der Dauerklassiker 'Augen Auf!'. Für jeden ist etwas dabei und so ist es zwar ein kurzes doch sehr erfüllendes Set, dass durch erfreulich wenige Ansagen unterbrochen wird. OOMPH! beweist wieder einmal, dass man auch nach all den Jahren live noch überzeugen kann und sich nicht verbiegen muss, um seine Fans glücklich zu machen.

[Yvonne Päbst]

Letzte Woche auf dem Wacken Open Air habe ich HÄMATOM leider verpasst, deshalb freue ich mich nun umso mehr, dass ich die Herren aus dem tiefen Süden hier live sehen kann. Der Hangar ist bis zum Anschlag gefüllt, so dass ich auch mit meinem Presseausweis nicht mehr hinein komme und brav, wie alle anderen, am Eingang warten muss, bis wieder ein paar arme Seelen in die Halle eingelassen werden können. Was mich drinnen am meisten überrascht, ist die Stimmung. Wer denkt, dass Gothics und Co. alle nicht feiern können und Im-Takt-Hüpfen nur aus dem Fernsehen kennen, der irrt ganz gewaltig. Was hier abgeht kann auch Morgen Abend locker bei IN EXTREMO passieren. Irgendwo zwischen selbigen, alten LETZTE INSTANZ Songs, NDH und astreinem Thrash Metal angesiedelt, bietet HÄMATOM Texte von märchenhaft bis gesellschaftskritisch. Die Münchener präsentieren sich äußerst sympathisch auf der Bühne und verstehen es perfekt, die Menge zum Mitmachen zu animieren. Rumsitzen wird nicht geduldet und so toben die Fans bis zur letzten Reihe.

[Yvonne Päbst]

Schon oft habe ich die Finnen gesehen. Aber noch nie bin ich so gespalten wie heute Abend. Ich habe sie schon gut erlebt und ich habe sie schon schlecht erlebt. Damit kann ich leben, denn dies sind irgendwie eindeutige Urteile und ich habe bisher immer sagen können, was mir nicht gefallen oder was mir besonders gefallen hat.
Heute Abend ist das erste Mal, dass ich APOCALYPTICA sehe, seit sie einen Sänger fest in ihre Formation aufgenommen haben. Bei so gut wie allen Liedern untermalt er mit seiner charismatischen Stimme die Kunstwerke der einstigen Musikstudenten. Das klingt eigentlich ganz gut, jedoch rückt dabei der eigentliche Schwerpunkt, das Ensemble aus Streichinstrumenten, derart in den Hintergrund, dass für mich auch ein Großteil des Flairs verloren geht. Ich erinnere mich noch an Gänsehaut-Momente zu zarten Cello-Klängen, an stille Momente, die nur darauf warteten von volltönenden, perfekten Noten durchbrochen zu werden. Doch hier und jetzt schwebt immer ein wenig die Angst mit, dass die Gesangsstimme den Streichern zuvorkommt und das Ambiente zerstört. Ein holpriges, viel zu schnelles METALLICA-Cover gibt es natürlich auch. Aber mir bleibt nur der Wunsch, weit entfernt eine CD einzulegen und die guten, alten Zeiten zu genießen. Wie das Publikum das sieht, erschließt sich mir nicht, da der zum großen Teil ruhige und melodische Grundtenor der Musik erhalten bleibt und die Menge andächtig, ja wie angewurzelt, auf der Wiese stehen bleibt. Ob es ihnen gefällt, kann ich nur erahnen, denn die Zuschauer sind sehr zahlreich erschienen. Anscheinend stört es sie nicht.

[Yvonne Päbst]

13 Jahre ist mein letztes Konzert der schweizer Band nun her. Ich habe kaum Hoffnung, irgendein Lied zu erkennen, da ich auch die neuen Werke nicht unbedingt weiter verfolgt habe. Irgendwie fand ich das zu modern. So setze ich mich bei schönstem Sommerwetter auf das warme Gras und hoffe, dass ich nicht zu wehmütig den alten Zeiten hinterher weinen werde. Doch schon die ersten drei Akkorde lassen meine Atmung stocken, zaubern ein Lächeln auf mein Gesicht, verursachen eine Gänsehaut auf meinen ganzen Körper und verhindern, dass ich noch eine weitere Minute still sitzen bleiben kann. 'Ich bin der brennende Komet' wird das erste Lied sein, dass das absolut perfekte Set einleitet. Thilo sieht so aus wie eh und je und ich frage mich, ob sich seit dem Konzert damals in Hamburg irgendwas geändert hat. Als es nach 'Lichtgestalt' mit 'Schakal' weitergeht, weiß ich, dass es ein grandioses Erlebnis werden wird. Bei 'Stolzes Herz' habe ich Tränen in den Augen und bei 'Alleine zu Zweit' lasse ich meinen Gefühlen restlos freien Lauf. Das Fazit dieses Erlebnisses ist, dass auch nach all den Jahren, LACRIMOSA weiß, was die Fans der ersten Stunde glücklich macht und auf jeglichen Kommerz verzichtet. 100% purer Genuss und 100% LACRIMOSA.

[Yvonne Päbst]


Sobald die letzten Töne von LACRIMOSA verklingen, renne ich hinüber zur Hangar Stage, um DIE KRUPPS nach dem Auftritt letzte Woche auf dem Wacken Open Air erneut live zu sehen. Ich bin schon sehr gespannt, ob sie das gleiche Set spielen oder ob es einige Änderungen geben wird. Alleine schon das andere Publikum und eine längere Spielzeit aber lassen mich vermuten, dass ich nun zumindest einige andere Songs zu hören bekomme als noch letzte Woche. Und tatsächlich: Es wird deutlich elektronischer. Neben den Klassikern wie 'Fatherland' und 'Nazis auf Speed' die sich in beiden Sets wiederfinden, gibt es nun auch 'In der Schmutzfabrik' und 'Robo Sapiens' zu hören. Das große Gebilde aus langen Metallrohren, auf welche letzte Woche noch eher zaghaft eingeprügelt wurde, kommt nun deutlich häufiger zum Einsatz und so zeigen DIE KRUPPS mal wieder, dass sie die Meister des Industrial sind. Ein unvergesslicher Abend mit einer elektrisierenden Spannung und Beats zu denen man sich bewegen muss, es sei denn man ist Banker oder Hip-Hop-Fan.

[Yvonne Päbst]

 

Ich habe SIE gesehen. Wortwörtlich. Ich habe Personen auf der Bühne gesehen. Nicht nur Stimmen aus dem Nebel. Da es sich hier um ein Open Air handelt und der Wind den Nebel von der Bühne weht, kann man zwischendurch tatsächlich immer wieder mal einen Blick auf die Aufbauten und Bandmitglieder werfen. Wie auch die anderen Headliner fangen die Engländer mit etwas ganz bekanntem an. 'More' kennt nun wirklich jeder und die zahlreichen Besucher singen dementsprechend kräftig mit. Aber auch weitere Hits wie 'Doctor Jeep', 'Alice' und 'Dominion' sind in der sehr starken Setliste vertreten. Nachdem ich die Gothic-Legende schon mal in einer Halle live gesehen habe, muss ich sagen, dass ich sie auf einer Bühne unter freiem Himmel deutlich besser finde. Die Stimmung ist angenehmer und auch der wenige Nebel trägt zu einer schönen Atmosphäre bei. In Zukunft schaue ich mir SISTERS OF MERCY nur noch bei Open Airs an. Das macht unglaublich Spaß.

[Yvonne Päbst]

Hier geht es zum Sonntag

Redakteur:
Yvonne Heines

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