Mercenary - Berlin
20.04.2007 | 10:3911.04.2007, K17
Die Dänen waren schon immer ein zwar kleines, aber sehr mutiges Volk. Und es gehört auch ein gewisser Mut dazu, seine erste Headliner-Tour ausgerechnet in Berlin zu beginnen, wo das Hauptstadt-Publikum doch berüchtigt ist für seine Unberechenbarkeit. Auch wenn ich hier schon schlimmere Besucherzahlen erlebt habe, bin ich doch überrascht, als MERCENARY-Gitarrist Jakob mir mit gewissem Stolz erzählt, dass sie mit den ca. hundert zahlenden Gästen schon sehr zufrieden seien. "Wenn es jeden Abend so gut läuft, reicht uns das." Nicht nur mutig, sondern offenbar auch sehr bescheiden sind sie, die Dänen.
Einige der Anwesenden sind natürlich auch wegen der insgesamt drei Vorbands gekommen. Die letzte davon, DESILENCE, hat in Berlin eine treue Fanschar und schlägt mit ihrem Power Thrash Metal auch dank des abwechslungsreichen Gesangs von Fronter Hagen quasi eine Brücke zum sehr viel melodischeren MERCENARY-Sound. Die Brandenburger Melodic-Deathcore-Formation DOWN TO EARTH tönte kurz nach unserem Eintreffen nämlich um einiges brachialer, und auch KILL TO BELIEVE, die wir wegen des frühen Beginns verpasst haben, sollen eher im Metalcore-Genre beheimatet gewesen sein. Doch trotz des nicht zu verleugnenden "value for money"-Aspekts - vier Combos für zehn Euro sind heutzutage mehr als fair - sind mir drei Opener an einem Mittwoch Abend einfach zu viel. Zumal es bei einem derart gemischten Paket fast unmöglich ist, die Fans aller Lager über die komplette Konzertlänge zufrieden zu stellen.
Gegen 22.30 Uhr stürmen die Herren um den nach eigenem Bekunden unfreiwilligen Sänger Mikkel endlich die Bühne. Dafür, dass der wie immer mit seiner schwarz-roten Lederjacke bekleidete Kerl vom Schlagzeug-Hocker über den mit der Gitarre meist einhergehenden Job des Background-Sängers irgendwann "zufällig" ganz ohne Instrument hinterm Mikroständer landete, muss man dem Schicksal wirklich dankbar sein. Denn es gibt nur wenige Vokalisten, bei denen mir auch die hohen, powermetallischen Screams noch unter die Haut gehen, und der vorherrschende harmonische, klare Gesang vermischt sich selten derart angenehmst mit geschickt dosiertem Gekeife. Der Sound ist für K17-Verhältnisse gut, die ganze Band sichtlich motiviert und extrem spielfreudig, und die vorderen Reihen erweisen sich als relativ textsicher und machen mehr Lärm, als man von so wenigen Nasen erwarten würde. Und auch wenn MERCENARY ihre Melodien für Millionen heute einer sehr überschaubaren Fanschar präsentieren müssen, so haben sie doch derart großartige Songs im Gepäck, wie sie eine Millionen anderer Bands im Leben nicht schreiben werden. 'Soul Decision' ist das erste Stück des tollen "The Hours That Remain"-Albums, doch die Dänen sparen sich die Top-Höhepunkte dieser eigentlich nur so vor Höhepunkten strotzenden Scheiblette geschickterweise noch ein wenig auf. 'Firesoul' gehört ganz klar zu den besten Stücken des Vorgängers "11 Dreams", das insgesamt noch etwas heftiger war und sich heute Abend homogen mit den neueren Werken vermischt. Neuzugang Rene am Bass, der sich auch für die härteren Gesangsparts verantwortlich zeigt, ersetzt seinen Vorgänger Kral inzwischen bestens und macht mächtig Show, doch auch die Gitarristen sind immer wieder für ein Posing zu haben. Mikkel selbst hat sichtlich den Schalk im Nacken sitzen, posiert schön schwul mit einer am Bühnenrand deponierten Strickjacke und schön cool mit einer ihm auf die Bühne gereichten Sonnenbrille.
Doch zurück zur Musik. Das folgende 'My World Is Ending' hat bei mir schon auf dem letzten Gig für Gute-Laune-Schübe gesorgt, doch mein freudiges Grinsen weicht bald ungläubigem Staunen und riesiger Glückseligkeit. Schuld daran ist das überirdische 'Lost Reality', in dem sich die tollsten Harmonien gegenseitig die Klinke in die Hand geben. Unglaublich abwechslungsreich und top umgesetzt - da gibt es nicht einen schiefen Ton! Auch der Rest des Sets, das wieder abwechselnd Stücke der beiden letzten Alben verarbeitet, kann sich sehen lassen - ganz besonders natürlich die beiden abschließenden Titeltracks der letzten Platten.
Auch wenn eine Headliner-Tour zu diesem Zeitpunkt vielleicht noch ein Album zu früh gewesen sein mag, haben MERCENARY schon jetzt mehr Hits im Gepäck als manch andere Band nach zehn Studiowerken. Zählt man dann noch die energiegeladene Bühnenshow und den hohen Sympathiefaktor der Jungs hinzu, bleibt als Fazit nur eins: hingehen!
Setlist:
Soul Decision
Firesoul
My World Is Ending
Lost Reality
World Hate Center
Redefine Me
Seize The Night
The Hours That Remain
11 Dreams
- Redakteur:
- Elke Huber