Metalfest Loreley 2014 - St Goarshausen
26.07.2014 | 19:1519.06.2014, Amphitheater
Der Wahnsinn am Rhein geht in die dritte Runde. Das Metalfest an der Loreley öffnet erneut seine Pforten.
Der Sommer ist da und viele Stunden Sonnenschein sorgen für das richtige Festival-Feeling. Bereits am Mittwoch vor dem eigentlichen Open Air sind bereits viele Gäste angereist und machen es sich am Rhein gemütlich. Allein der Ausblick auf die malerische Flusslandschaft vom Biergarten aus ist Gold wert und lockt viele Besucher mit ihren Fotoapparaten an. Ein offizielles Rahmenprogramm gibt es zwar nicht, aber für die richtige Portion Unterhaltung sorgen die Besucher kurzerhand selbst und so findet man unter anderem eine Blaskapelle auf dem Campingplatz, die mit bekannten Rock- und Pop-Covern den anderen Besuchern wahlweise auf die Nerven geht beziehungsweise den Abend versüßt.
Am Donnerstag startet dann das eigentliche Festivalprogramm. Mit WINTERSTORM geht das Treiben auf der Hauptbühne bereits am Mittag los. Trotz der frühen Stunde finden sich bereits einige neugierige Nasen vor der Bühne ein, um sich den bombastischen Power Metal der Underground-Truppe zu geben. das Outfit der Band erinnert zwar an die Kostüme aus der 90er-Jahre-Siere Hercules beziehungsweise Xena, aber der Stimmung schadet das nicht. Der (etwas generische) Teutonenstahl wird schwer gefeiert und irgendwann beginnen einige Leute in der Menge sogar mit "Winterdienst, Winterdienst"-Sprechchören, was vom Sänger sofort aufgegriffen wird und dieser sich eine neongelbe Schutzweste überwirft. Alles in allem ein witziger Gig, auch wenn das Ganze leicht austauschbar klingt. Die Band wird sicherlich keine Berge versetzen, aber mit einer agilen Performance und einer Prise Folk-Einschlag schafft sie es aber trotzdem recht souverän das Metalfest-Publikum zu knacken.
Einen deutlichen Kontrast bildet die folgende Band. ZODIAC spielt Stoner Rock der ganz entspannten Sorte und sind durchaus sehr interessant für Fans von KYUSS oder RED FANG. Auf Dauer allerdings ist es aber dann doch etwas ermüdend, was die Jungs auf der Bühne zocken, und es treibt viele Besucher an die Cocktailbar beziehungsweise Bierstände. Kurz vor ein Uhr mittags will einfach noch nicht die richtige Stimmung für solch eine Musik aufkommen und da hilft es auch nichts mehr, dass die Wüstensöhne Altmeister Neil Young covern. Der Funke will bei mir heute einfach nicht überspringen. Trotzdem findet sich auch für diese Band eine kleine Meute, die den Gig schwer abfeiert. Die Münsteraner sind nämlich im Grunde eine richtig gute Band, die sich im Rahmen ihrer gerade laufenden Tour, in kleineren Clubs bestimmt besser behaupten kann als auf einer großen Freilichtbühne zur Mittagszeit am ersten Festivaltag, an dem die meisten Besucher noch keine Verschnaufpause benötigen, sondern mehr Lust auf Party haben.
Danach tritt FUELED BY FIRE auf den Plan. Die Kalifornier wurden im Zuge des Thrash-Revivals vor einigen Jahren in der Szene relativ bekannt und behaupten sich seitdem mit einem brutalen Stil an der Grenze zum Todesblei innerhalb der Thrash-Landschaft. Dass ihr Gitarrist Chris ebenfalls bei den Old-School-Deathern von SKELETAL REMAINS aktiv ist, hört man vielen Passagen deutlich heraus und macht die Kapelle gerade für die Extreme-Metaller im Publikum besonders reizvoll. Mühelos sind die Amis die bisher beste Band des Tages und animieren sowohl mit alten Songs von "Spread The Fire" sowie mit neuen Krachern im Stile von 'Obliteration' vom aktuellen Longplayer "Trapped In Perdition" zum mitmachen. Die Band spielt sich engagiert den Arsch auf der Bühne ab und erhält dafür den verdienten Applaus, der auf jeden Fall über Höflichkeitsgeklatsche hinausgeht.
Es bleibt klassisch auf der Hauptbühne und mit STEELWING bekommt der traditionelle Heavy Metal endlich ein Forum auf der Loreley. Die Schweden sind gut drauf und haben bei ihrem Gig eine Menge Spaß. Mit starken Tracks wie 'Under A Scavenger Sun' schaffen es die Schweden einen sehr guten Eindruck zu machen. Vor allem Sänger Riley ist ein echter Aktivposten, er wirbelt auf der Bühne herum und beweist, dass er unheimlich viel Charisma und Bühnenpräsenz hat. Aber auch stimmlich kann er voll überzeugen und bläst mit seinen Screams auch das letzte bisschen Katerstimmung aus den Knochen der Anwesenden. Die Reaktionen sind dementsprechend sehr gut, obwohl dieser Old-School-Sound eigentlich nicht in das Beuteschema des typischen Metalfest-Besuchers passt. Umso höher sind diese positiven Resonanzen zu bewerten.
Besser zur Zielgruppe passt BATTLE BEAST. Allein die aufgedonnerte Frontfrau Noora, die mit ihrem heutigen Outfit eine gewisse Ähnlichkeit mit der inzwischen verstorbenen Wrestlerin Luna Vachon besitzt, macht dem Bandnamen alle Ehre. Die Finnin nutzt den Wellenbrecher der Bühne exzessiv aus und bangt kräftig an vordester Front mit, um das Publikum anzuheizen. Musikalisch erinnert das Dargebotene an eine wilde Melange aus LORDI, AFTER FOREVER und NIKKI PUPPET. Es kommen Keyboards zum Einsatz und an bombastischem Metal mangelt es hier auch nicht, allerdings verleiht die rotzige Röhre der Sängerin dem Mix noch mal eine etwas andere Note. Zum Beispiel die Aufforderung, Bier zu trinken, schlägt man als Zuschauer natürlich nicht aus, wenn sie so grazil vorgebracht wird. Auch dem Amphitheater scheint es zu gefallen und auch wenn ich es nicht gern zugebe (weil die Performance der der Fronterin etwas übertrieben ist), muss ich sagen, dass diese Skandinavier live gar nicht mal so schlecht sind.
Die Frage, wer eigentlich M.O.D. (oder METHOD OF DESTRUCTION) sind, werden sich bestimmt einige Besucher gestellt haben. Erwähnt man dann die drei Buchstaben S.O.D. wissen schon mehr Leute Bescheid und bei den ganzen harten Fällen hilft dann nur noch der Satz 'Speak English Or Die' um endgültig für Klarheit zu sorgen. Billy Milano ist sowohl für Thrasher als auch für Hardcore-Fans eine waschechte Legende, auch wenn der New Yorker heute mal wieder herumläuft wie ein Asi [der läuft nicht nur so rum... FJ]. Schlabbrige Jogginghose und ein dreckiges Shirt bilden sein Bühnenoutfit. Dass er damit aus dem Rahmen fällt, ist dem Ami wohl selber klar und er entschuldigt sich scherzhaft vorneweg, dass er keinen symphonischen Power Metal spielt, sondern nur mit NYHC dienen könne. Seine Ansagen sind allerdings mit deutlich mehr Kraftausdrücken gefüllt als es diese Übersetzung vermuten lässt. Fast kein Satz vergeht, ohne dass man das Wort "Fuck" zu hören bekommt. Der Auftritt an sich ist eine coole Sache. Die Scheißegal-Attitüde von Milano kommt stets durch, aber passt auch gleichzeitig wunderbar zu den punkigen Metal-Nummern. Besonders die eingangs erwähnte S.O.D.-Hymne 'Speak English Or Die' geht perfekt runter. Man wird fast wehmütig, dass danach mit 'United Forces' bereits das Ende des Sets erreicht ist.
Danach kommt eine Band, auf die sich vor allem Old-School-Death-Fans sehr freuen. DEATH (TO ALL), der Chuck-Schuldiner-Tribut, ist ein besonderer Leckerbissen. Alte Mitglieder der Death-Metal-Legende und Gastmusiker von zum Beispiel OBSCURA spielen Klassiker wie 'Spirit Crusher' oder auch 'Suicide Machine' und bleiben damit verblüffend nah am Original. Sogar der Frontmann sieht Chuck ein stückweit ähnlich und schafft es, in etwa so zu klingen wie es der verstorbene Musiker getan hat. Leider hat man auch Chucks Bühnenshow sehr detailgetreu abgebildet und bleibt ebenso statisch wie es auch DEATH früher schon getan haben. Lediglich Paul Masvidal zeigt sich mit seiner enthaupteten Gitarre noch am bewegungsfreudigsten. Die Setlist orientiert sich ebenfalls stark am Vorbild. Gerade die technischeren Tracks der Todesmetaller werden präsentiert, wobei allerdings auch brutrale Klassiker wie 'Zombie Ritual' und 'Baptized In Blood' zum Besten gegeben werden. Diesen Überraschungen fallen dafür leider so großartige Tracks wie 'Crystal Mountain' zum Opfer. Allein deswegen muss man feststellen, dass die Jungs zu wenig Spielzeit haben, um Chuck einen gebührenden Tribut zu zollen, und so geht das Set mit 'Pull The Plug' viel zu früh zu Ende.
Danach gibt es mal wieder einen brutalen Stilbruch. Von virtuosem Death Metal wechseln wir nun zu gefälligem Mittelalter-Rock. Die Spielleute von SALTATIO MORTIS haben sich inzwischen ganz schön gemacht und sind vom Nachmittags-Act zu einem Quasi-Headliner avanciert, der direkt vor PHIL ANSELMO und SABATON ran darf. Es wird bei den Barden auch richtig voll vor der Bühne und die Leute scheinen richtig Bock auf Party zu haben, denn es wird gehüpft, geklatscht und gesprungen was das Zeug hält. Bei Liedern wie 'Uns Gehört Die Welt' oder 'Falsche Freunde' ist das auch kein Wunder, diese Tracks sind sichere Bänke. Allerdings werden auch neuere Titel wie 'Wachstum Über Alles' sehr gut aufgenommen. Überhaupt liegt der Fokus der Setlist auf Songs, die jünger als fünf Jahre sind. Viele alte Gassenhauer wie 'Des Königs Henker' werden schmerzlich vermisst, aber nichtsdestotrotz gehören die Barden von Samo (wie die Spielleute liebevoll von ihren Fans genannt werden) zu den Gewinnern des heutigen Tages.
PHIL ANSELMO & THE ILLEGALS betreten die Bühne als Co-Headliner und wie auch schon im Jahr zuvor (als Herr Anselmo mit DOWN vor Ort war) ist es wieder ziemlich voll vor der Stage geworden. Viele freuen sich vor allem auf die versprochenen PANTERA Classics, die laut Running Order auf dem Programm stehen. Es geht auch ansprechend mit 'A New Level' los und viele Old-School-Fans sind gespannt, welche alten Lieder wohl noch so kommen werden. Leider sind es nicht besonders viele bekannte Titel. Im weiteren Verlauf stellt sich doch eine gewisse Ernüchterung ein. In der Hauptsache werden nämlich die lauwarmen Songs des Anselmo-Solo-Projekts dargeboten. Mit 'Waiting For The Turning Point' wird man zwar auch anderen Anselmo-Bands wie SUPERJOINT gerecht, aber was ein wenig nervig ist, ist die Tatsache, dass einem auch 'Planet Caravan' als "PANTERA-Klassiker" verkauft wird, obwohl dieser Titel ja auch nur ein Cover von BLACK SABBATH ist. Es gibt zwar auch noch so (mehr oder weniger) bekannte Perlen wie 'Death Rattle' zu hören, aber so bekannte Stücke wie '5 Minutes Alone' oder 'Walk' werden einfach ignoriert. Als würde das, was da abgeht, auch dem Himmel misfallen, fängt es passend zum Auftritt des Ex-PANTERA-Fronters an zu regnen.
Dass sich Anselmo übrigens mal wieder mit arschigen Ansagen, die sich unter anderem gegen Kuttenträger richten, einige Feinde macht, gehört ja langsam genauso dazu, wie die paar Dutzend Die-Hard-Fans in den ersten Reihen, die ihr Idol bedingungslos abfeiern. In meinen Augen bleibt dieser Gig aber hinter seinen Möglichkeiten zurück und wenn Herr Anselmo keine Lust beziehungsweise nicht mehr die Stimme hat (wie es auf dem Metalfest viele vermuten), die alten Gassenhauer von PANTERA zu singen, dann sollte man aber auch den Anstand besitzen, nicht mit falschen Versprechungen Werbung machen. [Dann will ihn aber keiner mehr sehen... FJ]
Das absolute Gegenteil von Phil Anselmo und Anhang ist SABATON. Der Headliner des ersten Festivaltages ist auf der Bühne eine Macht. Das muss man zugeben, ob man die Schweden nun mag oder nicht. [Gar nichts muss man - die sind live genausowenig erträglich wie das klebrige Keyboard-Geklimper auf CD, ich habe es versucht. FJ] Die Umbaupause dauert zwar lang, aber dafür bekommt man dann auch Einiges geboten. Die Skandinavier, die unter EUROPEs 'The Final Countdown' die Stage entern, haben eine Panzernachbildung auf die Bühne geholt und sorgen mit einer deftigen Pyro-Show dafür, dass niemandem in den ersten Reihen kalt wird. Den Auftakt bildet 'Ghost Division' und dazu schießt Sänger Joakim Brodèn über die Bühne, als wenn der Leibhaftige hinter ihm her wäre. Dass hier die Hölle losbricht könnte man auch deswegen annehmen, weil es an allen Ecken und Enden Feuerwerk zu bestaunen gibt. Besonders eindrucksvoll sind die Gatling-Imitate auf dem Bühnenpanzer, die auch ihren Teil zur Pyro-Show beisteuern. 'To Hell And Back' ist zwar ein sehr neuer Titel wird aber anschließend genauso frenetisch abgefeiert wie die bekannten Gassenhauer 'Primo Victoria' oder 'Price Of A Mile'. Für Unterhaltung sorgen aber auch immer wieder die Entertainer-Qualitäten von Fronter Joakim, der nicht nur während des Gigs seine Weste mit einem Fan in der ersten Reihe tauscht (der offensichtlich etwas dünner ist als der sympathische Schwede), sondern auch wegen der ständigen (und obligatorischen) 'Noch ein Bier'-Rufe das bekannte Lied 'Gott mit uns' so umdichtet, dass der genannte Schlachtruf plötzlich den Refrain bildet. Dass der bärtige Sänger auch Gitarre spielen kann, beweist er beim Track 'Soldier Of Three Armies' und verschenkt gegen Ende des Gigs sogar noch seine Sonnenbrille an einen jungen Fan, der zuvor auf die Bühne geholt wurde. Alles in allem eine richtig gute Show, die ein wenig daran erinnert, was die großen Stadion-Rock-Bands zu ihren Glanzzeiten zu bieten im Stande waren. Die Musik muss einem nicht gefallen, aber man muss SABATON lassen, dass sie großes Kino liefern und eine der wenigen Bands sind, die der Bezeichnung "Power Metal" mehr als gerecht werden [Okay, okay, das mit den Show gebe ich zu.... FJ]. Ein würdiger Headliner für einen ordentlichen ersten Festivaltag.
[Adrian Wagner]
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- Adrian Wagner