Metalfest Loreley 2014 - St Goarshausen
26.07.2014 | 19:1519.06.2014, Amphitheater
Der Wahnsinn am Rhein geht in die dritte Runde. Das Metalfest an der Loreley öffnet erneut seine Pforten.
"(What’s the Story) Morning Glory?" ist nicht nur ein Album der britischen Schlägertruppe OASIS, sondern auch das Motto des Veranstalters. Denn bereits zur frühen Mittagsstunde beginnt der zweite Metalfest-Tag mit der deutschen Power-Metal-Combo GLORYFUL. Die Gelsenkirchener sind für den Opener-Posten fast zu schade, denn auch wenn die meisten Besucher die Band nicht kennen, ist ihre Darbietung im Amphitheater mehr als ordentlich. Fronter Johnny la Bomba (allein für den Namen verdient der Mann einen Orden) hat ein ähnlich goldenes Kehlchen wie Bruce Dickinson und ihr Gitarrist Shredmaster J.B. (ebenfalls ein toller Name) weist nicht nur optische Parallelen zu GAMMA-RAY-Chef Kai Hansen auf. Schade, dass bei diesen Voraussetzung nur noch das Publikum fehlt. Es finden sich zwar ein paar eingefleischte Fans von der Bühne ein, aber dennoch bleibt die Freilichtbühne die meiste Zeit über verweist. Wenn ohnehin nicht so viel los ist, kann man als Sänger auch schon mal Witze über den eigenen (etwas mickrig geratenen) Backdrop machen oder die musikalische Ähnlichkeit mit IRON MAIDEN selbst ansprechen. Die Jungs aus dem Pott sind sympathisch, technisch auf der Höhe und keine schlechte Live-Band. Mit ein wenig mehr Bekanntheit könnte aus dieser Band tatsächlich noch was werden.
[Adrian Wagner]
Als zweite Band des Tages betritt WIZARD die Bühne, die auch mein Highlight der "Opener"-Kapellen ist. Die bereits 1989 gegründete Gruppe kann leider nicht viele mit ihrem Epic Power Metal begeistern. Dementsprechend leer sieht es vor der Bühne aus. Zum Auftritt: Sven D‘Anna hat eine starke Stimme, der man gerne zuhört und insgesamt ist die Gruppe sehr bemüht, die Stimmung der wenigen Zuschauer aufrecht zu erhalten, da der eher schlechte Sound leider auch nicht mehr Leute anlockt. Trotzdem legen die Musiker eine Menge Spielfreude an den Tag und zeigen sich sehr agil. Neben D’Anna, dem man ansieht, wie sehr sich beim Singen engagiert, bewegen sich auch die anderen Mitglieder sehr viel und wirbeln zum Teil wie Derwische über die Bühne. Der Zuschauermangel ist jedenfalls nicht auf die Qualität der Darbietung zurückzuführen, sondern kann mehr auf den niedrigen Altersdurchschnitt der Besucher zurückgeführt werden. Auf einem anderen Festival wie dem HOA wäre unter Garantie mehr los gewesen.
Weiter geht es mit den 2006 gegründeten Classic-Rockern von SCORPION CHILD, die dem Publikum ein paar Songs (zum Beispiel 'Kings Highway', 'Liquor', 'The Secret Spot' oder 'Polygon Of Eyes') ihres 2013 erschienenen Debüts bieten. Dieses zeigt trotz des Regens schunkelnd und teilweise auch tanzend Gefallen an dem 45-minütigen Auftritt der Jungs aus Austin, Texas. Besonders ansehnlich ist die Akrobatik von Sänger Aryn Jonathan, der trotz des nassen Wetters auf dem Wellenbrecher herumtänzelt und das Mikrofon grazil durch die Luft wirbelt. Dennoch scheiden sich an dieser Band die Geister. Viele mögen den Sound der Amis, wieder andere kommen auf den Old-School-Sound nicht so gut klar und suchen sich ein Plätzchen im Trockenen.
'In The Name of Metal' ist nicht nur eines der Lieder von BLOODBOUND, sondern auch wohl auch das Motto der schwedischen Truppe. Denn mit viel HAMMERFALL-Charme erinnern die Nordlichter stark an die genannten Landsleute. Insgesamt sind die Skandinavier etwas statisch. Lediglich der eingangs erwähnte Titel sorgt dann für etwas Betrieb auf der Bühne, der aber auch schnell wieder nachlässt. Das Publikum scheint das allerdings nicht zu stören, denn das feiert den Power Metal 45 Minuten lang ab. Zwar kann man nicht behaupten, dass sich sonderlich viele Besucher für BLOODBOUND interessieren, aber für die Uhrzeit ist doch mehr vor der Bühne los als erwartet. Vor allem Sänger Patrik Johansson erweist sich als echter Sympathieträger, der auch abseits der Bühne zu sehen ist und sich später bei den Auftritten der Headliner unter die Fans mischt.
[Nicole Bruse und Adrian Wagner]
Mit den GORGUTS bin ich nie so richtig warm geworden und genauso scheint es auch den meisten anderen Festivalbesuchern gegangen zu sein. Als die kanadischen Deather auf die Bühne kommen, wird es leerer im Amphitheater als bei den Bands zuvor. Technical Death Metal ist eben einfach nicht die Musik des Metalfests. Auch Mainman Luc Lemay scheint etwas lustlos zu sein und spielt das Set recht emotionslos, wenn auch technisch sauber, herunter. Stellenweise hat man das Gefühl, dass die Nordamerikaner diesen Auftritt mit einer Bandprobe unter freiem Himmel verwechseln. Das eine oder andere Bandmitglied lässt sich zwar gelegentlich dazu hinreißen seine Birne im Takt zu schütteln, aber ansonsten kriegt man optisch nur wenig geboten. Auch die Lieder sind zwar sehr anspruchsvoll und sind ein Fest für verkopfte Musikwissenschaftler, aber die breite Masse kann man mit diesen vertrackten Melodien nicht überzeugen. Das hilft auch ein großer Name nicht viel.
[Adrian Wagner]
Am zweiten Tag des Metalfests trudele ich erst gegen 16 Uhr nachmittags auf dem Festivalgelände ein und bleibe gleich am Eingang an der Bühne für Nachwuchskünstler hängen. Dort macht sich die 2007 gegründete Band MUNARHEIM für ihren Auftritt bereit. Dem Programmheft entnehme ich, dass hier eine Mischung aus Black Metal, Folk und orchestralen Klängen zu erwarten sein soll. Mit ihrem Outfit könnten die acht Bandmitglieder geradezu einem Mittelalter-Markt entsprungen sein. Sänger Pascal Pfannenschmidt schmückt sich zudem noch mit einer gehörnten Tiermaske, die er erst im Verlaufe des Konzerts vom Kopf reißt.
Und dann geht es tatsächlich los mit atmosphärischer Musik, die krächzenden Gesang, düsteren Metal und zarte akustische Flöten- und Gitarrenklänge miteinander vereint. Das orchestrale Gesamtarrangement verleiht den Songs ein besonderes Volumen, ohne jedoch durch einen kitschigen Anstrich zu verstören. Alle Titel sind gekennzeichnet durch eingängige Melodien und großen Abwechslungsreichtum. So überzeugen 'Terra Enigma' und 'Liberte' gleich zu Beginn der Show durch mitreißendes Tempo, während im weiteren Verlauf des Programms auch verhaltene Songs präsentiert werden. Die meisten davon kann man sich auf dem ersten Album der Band mit dem Titel "Nacht und Stürme werden Licht" anhören, das ich mir im Anschluss an den Gig sogleich entflammt zulege. MUNARHEIM findet beim Metalfest -Publikum insgesamt guten Anklang. Aus meiner Sicht sollte man diese junge Band unbedingt im Auge behalten, wenn man die besondere Mischung aus sanften Akustikinstrumenten und bretternd finsterem Metal liebt.
Als nächstes entert die vierköpfige Band ASENBLUT aus Göttingen die Bühne. Sie nimmt für sich in Anspruch, sich in einem Genre namens Blackened Thrash Metal zu bewegen. Und so legt Tetzel, der muskelbepackte Sänger der Truppe, auch sogleich berserkerhaft los. Wie ein Panzer walzt die Musik über den Platz vor der Bühne hinweg. Kraftvolles und temporeiches Geballer wird da zu Gehör gereicht. Doch trotz dieser Energien gelingt es ASENBLUT nicht, mich tatsächlich zu erwecken. Irgendwie kommt mir die Kunst der Göttinger doch zu eintönig vor. Das mag daran liegen, dass mir Kompositionen, die noch eine spürbare Portion Melodie erkennen lassen, mehr liegen. Bei ASENBLUT kommt Melodiösität zweifelsfrei zu kurz. Das scheint aber nicht allen Anwesenden etwas auszumachen, denn das Publikum lässt sich überwiegend mitreißen. Außerdem sind Tetzels martialische Gestalt und sein perfektioniertes Headbanging ja auch unterhaltsam anzusehen.
[Erika Becker]
Wie man das Publikum für sich gewinnt beweisen im Anschluss GRAVE DIGGER. Die Teutonic-Metal-Legenden sind seit über drei Jahrzehnten fester Bestandteil der schwermetallischen Musiklandschaft und sind eines der Aushängeschilder der deutschen Szene. Das heißt allerdings nicht, dass sich an ihnen nicht die Geister scheiden würden. Vor allem die raue Stimme von Fronter Chris Boltendahl stört auch heute wieder einige Metalheads. Auch stoßen sich viele an dem für die Band typischen Soundverhältnissen, die ebenfalls ruppig sein sollen. Mir persönlich macht das alles nichts aus. GRAVE DIGGER sind genauso, wie ich sie mir vorgestellt habe: eine kantige und dennoch erfahrene Hard Rock-Band, die dazu in der Lage ist, auch nach 35 Jahren seit der Gründung eine Killer-Show abzuliefern und ihre Fans zu begeistern.
Eingeleitet wird der Gig übrigens vom Intro des berühmten "Tunes Of War"-Albums, worauf logischerweise der Opener des genannten Longplayers ('Scotland United') folgt. Der gut gefüllte Zuschauerraum feiert bereits die ersten Lieder der Setlist kräftig ab und legt eine ähnliche Begeisterung an den Tag wie bei den jeweiligen Headlinern des Tages. Allerdings ist das bei so unsterblichen Hymnen wie 'Excalibur' oder 'Rebellion', die beide jeweils kräftig mitgesungen werden, kaum verwunderlich. Toppen kann die bereits erzeugte Stimmung am Ende eigentlich nur noch ein Klassiker der Marke 'Heavy Metal Breakdown'. Dieser Gassenhauer mobilisiert trotz sommerlicher Hitze auch die letzten Reserven und bringt die Zuschauer noch mal zu Ekstase. Insgesamt ein starker Gig, einer Band, die einen späteren Slot mehr als verdient gehabt hätte.
ELUVEITIE ist auch so eine Band, die für viele Besucher einen vorzeitigen Headliner darstellt. In den sieben Jahren seit ihrem Durchbruch haben sich die Schweizer zu einer festen Größen im europäischen Metal-Business gemausert und das, obwohl der Pagan-Hype der letzten Jahre deutlich an Schwung verloren hat. Heute allerdings hat sich scheinbar alles gegen die Eidgenossen verschworen. Denn erst kommen die Instrumente der Musiker nicht rechtzeitig an der Loreley an, worauf man auf die Hilfe von den Folk-Kollegen von IN EXTREMO angewiesen ist, und dann fehlt der Bühne auf einmal der Strom. Der Gig der Alpenländer geht so erst mit deutlicher Verspätung los, was die Band dazu zwingt, ihr Set zu kürzen. Trotzdem lassen sich Keltenrocker davon nicht unterkriegen und spielen gewohnt souverän ihre mitreißenden Lieder, das neben harten Melo-Death-Songs wie 'A Rose For Epona', 'Thousandfold' oder 'Inis Mona' auch gefühlvolle Folk-Hymnen beinhaltet, bei denen Drehleier-Spielerin Anna Murphy zeigen kann, wozu sie stimmlich in der Lage ist (denn bei den Ansagen wiederum klingt die Mitzwanzigerin wie eine Zwölfjährige). Insgesamt hat das Auditorium seinen Spaß und verzeiht schnell den holprigen Start. Die Setlist-Beschneidung dürfte zwar zum Ende hin für Unmut gesorgt haben, aber muss ELUVEITUE zugestehen, dass es an ihnen nicht lag. Sie haben wie immer routiniert und professionell eine gute Show abgeliefert und die Spielfreude zu keinem Zeitpunkt vermissen lassen.
Nach den Schweizern macht die musikalische Ausrichtung eine 180° Wendung und begibt sich nun in die Untiefen der Neunziger Jahre. Nachdem zuvor folkiger Metal zu hören war, schallt nun der Stoner-affine Wüstenrock von MONSTER MAGNET aus den Boxen der Freilichtbühne. Ich persönlich bin überrascht, wie viel vor der Bühne los ist, denn ein großer Teil der Besucher dürfte zu den Hochzeiten der Kapelle maximal die Grundschule besucht haben. Zugegebenermaßen sind viele junge Zuschauer nur deswegen schon jetzt vor der Bühne, um sich einen guten Platz für POWERWOLF zu sichern, aber insgesamt erhalten die Amerikaner eine Menge Zuspruch. Dave Wyndorf, dem man seine fast 60 Lenze eigentlich nicht ansieht, hat sichtlich Spaß daran, dass er sich einige Leute hier eingefunden haben. Er spielt zusammen mit seinen Mitstreitern einen sehr kraftvollen Gig und trifft mit seinem entspannten Sound den Nerv vieler Besucher, die die psychedelischen Rock-Klänge als willkommene Abwechslung zum ansonsten sehr aufreibenden Metal-Sound des Festivals ansehen. Hier kann man sich einfach mal vor die Bühne setzen und in nostalgischen Gedanken verlieren, während sich die Sonne langsam aber sicher dem westlichen Horizont nährt. Wyndorf ist zwar recht sparsam mit Ansagen, aber kann gegen Ende die Sets die Leute dennoch mit einer kurzen Ansprache dazu motivieren, ihn gesanglich bei 'Space Lord' zu unterstützen. Der Überhit der Gruppe weckt auch den letzten Zuschauer auf, der sich eine kurze Pause gegönnt hat, und man hört immer wieder ein kräftiges "Space Lord, Motherfucker" durch das Amphitheater schallen. Ein schöner Abschluss für eine insgesamt ziemlich gute Show, einer 90er Legende, die vergleichsweise würdevoll gealtert ist.
[Adrian Wagner]
Am frühen Freitagabend mehren sich Metalheads mit weiß geschminkten Gesichtern und schwarzen Umhängen auf dem Loreley-Gelände. Worauf deutet das hin? POWERWOLF ist zu erwarten. Bereits vor zwei Jahren wurden Attila Dorn und seine Mannen auf der METALFEST-Bühne fett abgefeiert. Und so ist es auch diesmal. Die Messe beginnt mit 'Sanctified With Dynamite', bevor Attial Dorn mit seinem unverwechselbaren Akzent durchs Programm führt und erhoffte Granaten a la 'Amen And Attack' und 'Resurrection By Erection' abfeuert. Wer POWERWOLF heute zum ersten Mal sehe, will Attila wissen. Tatsächlich gibt es da noch einige, denen die Stammgäste der Band dann erklären sollen, was die POWERWOLF-Priester zu trinken pflegen. "We drink your blood", ist die Antwort der Fans, die den Gassenhauer wie immer kräftig mitsingen. Mit guter Unterhaltung geht die einstündige Show wie im Fluge vorüber und endet damit, dass Attila die Fans in wohlgeübter priesterlicher Weise auffordert, den Metal zu preisen. Ja, das machen wir – Amen!
Als Headliner für das Freitagsprogramm wird dann IN EXTREMO erwartet. Die Mittelalter-Rocker fahren ein bombastisches Bühnenbild auf, das ihre aktuelle Scheibe "Kunstraub" spiegelt. Das Letzte Einhorn ist heute Abend bester Laune und gut bei Stimme. Tatsächlich gibt es auch etwas zu feiern an diesem lauen Sommerabend auf der Loreley. Denn die Band hat am Nachmittag ihr Jubiläumskonzert festgeklopft: 20 Jahre IN EXTREMO sollen am 4. und 5. September 2015 auf der Loreley gefeiert werden. Die Einladung steht. Doch jetzt liefern die Fans erst einmal eine Mitsing-Orgie. 'Vollmond' steht auf dem Programm und wird ebenso mit gegrölt wie 'Viva La Vida'. Mit 'Liam' und 'Herr Mannelig' fehlen auch die einfühlsamen Titel nicht. Insgesamt reißen die Kunsträuber das Publikum an diesem Abend wieder einmal gut mit. Nachdem man IN EXTREMO in der Vergangenheit zuweilen recht gelangweilt erlebt hat, zeigt die Band sich heute spielfreudig und mitreißend. Es wird getanzt, gehopst und geklatscht. Die Besucher sind sehr gur drauf und das nicht zuletzt, weil es hier ähnlich wie bei SABATON am Vortag auch einiges an Pyros zu sehen gibt. Hier ein Feuerwerk und da eine Feuersäule. Auch wenn man die Musik nicht vollends abfeiert, muss man den Jungs aus dem Osten der Republik zumindest zu gestehen, dass sie eine Darbietung abliefern, die einem Headliner würdig ist.
[Erika Becker und Adrian Wagner]
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- Redakteur:
- Carsten Praeg