Ministry - Ludwigsburg
08.07.2003 | 13:5704.06.2003, Rockfabrik
Zwei Menschen sitzen da und warten und warten auf jemanden, der ihnen offensichtlich eine Verheißung irgendeiner Form mitteilen wird, und da niemand kommt, vertreiben sie sich ihre Zeit mit allerlei Schabernack, bis sie es schließlich satt haben zu warten und Heim gehen wollen – doch gerade dann erscheint ein Bote und macht neue Hoffnung.
Ihr habt recht, liebe Leser, ich sprechen von Beckett's "Warten auf Godot", doch hatte der Beginn des Ludwigsburger MINISTRY-Gigs erstaunliche Parallelen zu diesem Meisterwerk des absurden Theaters: Nach pünktlichem Einlass um 20 Uhr warteten Kollegin Kathy und ich zunächst eine gute Stunde auf den Beginn der Vorgruppe – die einigermaßen gefüllte Rockfabrik wurde währenddessen von für die meisten Ohren schmerzhafter Musik beschallt – klassichem Country, so dass ich höchstwahrscheinlich der einzige am Ort war, der solche Musik aus vollstem Herzen genießen konnte.
Der geplante Konzertbeginn kam – und es passierte nichts. Daran sollte sich auch lange Zeit nichts ändern – jedes Mal allerdings, wenn Kathy und ich mal wieder die Schnauze voll hatten und gehen wollten, kam ein Bote in Form eines Lärmgewitters aus Bühnenrichtung und man hoffte, es würde beginnen.
Nun ja, Good Old Al scheint ein Mann von starken Gewohnheiten zu sein, der Pläne ungern aufgibt. Und wenn die Vorband ausfällt (hat uns zwar niemand gesagt, aber es war halt keine da), dann ist das für MINISTRY offenbar kein Grund, nur eine Sekunde früher anzufangen – recht exakt 1,5 Stunden nach angesagtem Beginn kamen MINISTRY dann auf die Bühne.
Auffällig dabei sofort, dass zwei Drummer synchron ihre Kits verdroschen, was dem Sound eine infernalische Wucht verpasste. Sowieso, der Sound. Unglaublich klar abgemischt, aber so wahnwitzig laut, dass ich (der ich MANOWAR und MOTÖRHEAD problemlos vertrug) mich alsbald hinter die Verglasung der RoFa-Bar zurückzog um derart lautstärkereduziert dem Restkonzert zu folgen. Und das Konzert hatte es in sich! Al sah mit Kopftuch und Sonnenbrille aus wie ein fetter, alter Biker und hielt sich am Mikroständer auch fest, als sei es eine Harley, war bei blendender Laune und Stimme und machte das Konzert zu einem unvergesslichen Erlebnis.
Nachdem MINISTRY mit den drei ersten Tracks des aktuellen Albums "Animositisomnia" (ist eigentlich wem außer mir aufgefallen, dass der Name ein Palindrom ist?) in Originalreihenfolge eröffnet hatten, brachten sie Kracher wie 'Filth Pig', 'N.W.O.' und 'Deadguy' - mit der Ausnahme von 'Jesus Built My Hot Rod' alle wichtigen Songs der Bandgeschichte.
Die ganzen Band inklusive unser aller Al hatte offenbar gründlich Spaß und ließ es sich nicht nehmen, zusätzlich zum "normalen" Zugabenblock noch eine Coverversion von BLACK SABBATHs 'Supernaut' zu bringen.
Störend - weil unpassend - waren auf dieser Offenbarung von einem Konzert meiner Meinung nach einzig die bei einigen Songs auftauchenden halbnackten Backgroundsängerinnen-Miezen, die weder soundmäßig noch optisch irgendwie ins Konzept passten und völlig davon wegführten, was MINISTRY ist: Brutaler Industrial-Rock, keine Stripmucke – jedenfalls haben sie 'You Can Leave Your Hat On' nicht gespielt.
Ausdrücklich loben möchte ich ein Bandmitglied, das wahrscheinlich fast niemand außer mir wahrnehmen konnte (saß ich doch erhöht hinter der Mixerpult): Nämlich den fetten Roadie, der permanent abfeiernd mit Hilfe eines Powerbooks, endloser Mengen an Monitoren und einem MIDI-Keyboard, mit dem er quasi Optik-Soli spielen konnte, die -nebenbei unglaublich gute - Videoshow dirigierte.
Alles in Allem war dieses Konzert ein Erlebnis, das sogar die unverschämt lange Wartezeit wert war. Nachdem die Drogenprobleme gegessen sind, sind MINISTRY wieder voll da und eine Macht, mit der man rechnen muss. Einige andere Truppen in diesem Segment und nicht zuletzt Kinderschreck MANSON werden sich ganz warm anziehen müssen.
Setlist:
Animosity
Unsung
Piss
Deadguy
Filth Pig
Bad Blood
Psalm 69
Crumbs
Reload
Supermanic
N.W.O.
Just One Fix
Hero
Thieves
So What
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Breathe
Stigmata
The Light
Supernaut (BLACK SABBATH Cover)
- Redakteur:
- Philipp von dem Knesebeck