Morbid Angel - Stuttgart

04.01.2009 | 20:32

03.12.2008, LKA Longhorn

Eine Death-Metal-Legende beehrt Stuttgart: MORBID ANGEL. Im Schlepptau: hochkarätige Support-Acts wie KATAKLYSM und MARDUK. Wenn das mal kein Grund ist, um die Hufe zu schwingen.

Wie oft sieht man eine Death-Metal-Legende vom Kaliber MORBID ANGEL zusammen mit zwei Szenekoryphäen wie KATAKLYSM und MARDUK auf einer gemeinsamen Tour? Eben! Dies dachten sich wohl auch etwa 500 Fans, die das hochkarätig besetzte Billing der "Metalfest 2008"-Tour im LKA Longhorn in Stuttgart erleben wollten. POWERMETAL.de hat die Griffel gespitzt und vor Ort die Matten geschwenkt.

VANITY RUINS aus Kiel machen in ihrer Funktion als "Local Support" eine durchaus passable Figur. Etwa 150 Fans bekommen eine aggressive Death/Thrash-Kante um die Ohren gehauen, die von derben und sehr aggressiven Vocals gekrönt wird. Doch am Mikrofon steht nicht etwa ein männlicher Protagonist, sondern eine zierliche Dame namens Anna, die derart tief growlt, dass man seinen Augen und Ohren kaum traut, wenn man die Sängerin auf der Bühne sieht. Querverweise zu Angela Gossow von ARCH ENEMY sind kaum von der Hand zu weisen.

Das Zusammenspiel der jungen Band, die im Jahr 2007 erst gegründet wurde, harmoniert gut. Leider mangelt es den Stücken von VANITY RUINS noch an Wiedererkennungswert. Defizite in dieser Richtung kompensiert die Band jedoch teilweise durch ihre leidenschaftliche und wütende Performance auf der Bühne.
[Martin Loga]

Die US-Amerikaner ARSIS haben von Anfang an einen schweren Stand beim Publikum, das nicht so recht mit der leicht angefrickelten, aber auch sehr melodieverwöhnten Mucke der Formation warm werden will.

Auf die Liveumsetzung des aktuellen Langeisens "We Are The Nightmare" durfte man durchaus gespannt sein, und ich muss sagen, dass sich ARSIS trotz zweier recht neuer Bandmitglieder im Line-up gut eingespielt präsentieren. Bassist Nick Cordle und Schlagwerker David Kinkade fügen sich prima in die Band ein, obgleich sie spielerisch eher unauffällig agieren.

Obwohl ARSIS beispielsweise mit dem ruhigeren Titeltrack 'We Are The Nightmare' oder dem brutalen 'The Face Of My Innocence' richtig gute Songs am Start haben, kann die Band im hochkarätig besetzten Billing nicht unbedingt glänzen. Das Publikum agiert auf Sparflamme und bedenkt ARSIS, die übrigens heuer auf ihrer ersten Europatour unterwegs sind, mit wenig Applaus. Spieltechnisch werden die Stücke gutklassig umgesetzt, wobei die Livepräsenz von ARSIS etwas spröde wirkt, da die Herren an den Klampfen einen Aktionsradius von plus/minus null an den Tag legen. Und so ist die Livedarbietung der US-Amerikaner durchaus kurzweilig anzusehen, ohne dass man sie zwingend gesehen haben muss.

Anheizungsversuche von Frontmann Jim Malone mit Aufforderungen wie "Scream for KATAKLYSM!/Scream for MORBID ANGEL!" versanden kläglich. Null Reaktion beim Publikum, das leider noch etwas arg teilnahmslos wirkt. Auf Tonträger sollte man ARSIS jedoch keinesfalls unterschätzen. Wer bei Gelegenheit einmal hier vorbeisurft, weiß mehr.
[Martin Loga]

Die Schweden von KEEP OF KALESSIN sind zweifelsohne fleißige Leute. Nach einer längeren Auszeit zwischen 1999 und 2006 hat man mit "Armada" (2006) und "Kolossus" (2008) in relativ kurzer Zeit gleich zwei extrem starke Scheiben veröffentlicht. Und da man auch schön fleißig tourt, dürfte der Bekanntheitsgrad der Band in absehbarer Zeit auch noch weiter steigen. Mich erinnern die Jungs aus Sverige auf jeden Fall ganz stark an neuere BEHEMOTH. In punkto Outfits gibt es ganz dezentes Corpsepaint und dunkle Klamotten.

Gebangt und gepost wird auf der Bühne auch wie wild, und dazu wird treibender und meist hymnenhafter Black Metal serviert. Bei dem stellenweise dreistimmigen Gekeife klingt das Ganze oft regelrecht dramatisch. Dazu wirken die Jungs topmotiviert, spielfreudig und gut gelaunt. Für die zweite Band des Abends ist auch schon erfreulich viel los vor der Bühne. Obwohl KEEP OF KALESSIN für meinen Geschmack gegen Ende ein wenig die Luft ausgeht, können sie die vielleicht 150 Mann vor der Bühne mit Stücken wie 'Ascendant' vom "Kolossus"-Album, 'Winged Watcher' 'As Mist Lay Silent Beneath' locker bei Laune halten.

Bislang sind KEEP OF KALESSIN für mich 'ne sehr starke Support-Band, die eigentlich alles mitbringt, außer vielleicht einen richtig geilen Hit, der das letzte Drittel des Auftritts noch ein bisschen aufpeppt. Ansonsten: Daumen hoch! Eine Band, die man definitiv im Auge behalten sollte.
[Thorsten Seyfried]

Bei MARDUK geht es nun ein Quäntchen klirrender und ruppiger zu - sehr zum Wohlgefallen etlicher Festivalbesucher, die Frontberserker Mortuus nebst Mitstreitern freudig empfangen.

Der Set der Schweden glänzt neben neuzeitlichen Perlen des "Plague Angel"-Albums wie 'Seven Angels, Seven Trumpets' und dem besonders kompromisslos geprügelten 'Throne Of Rats' mit etlichen alten Klassikern des MARDUK-Backkatalogs. 'Burn My Coffin', 'Unthrodden Paths' und 'Infernal Eternal' machen keine Gefangenen und sorgen für eine zünftige audiophile Plättung der Anwesenden.

Kompromisslos wie eh und je heizen die Schweden durch ihren Auftritt, und obwohl ich persönlich noch immer dem Ex-Sänger Legion etwas nachtrauere, so ist festzuhalten, dass es Mortuus gut gelingt, die großen Fußstapfen des Vorgängers am Mikrofon weitgehend zu füllen. Eingehüllt in ein triefend nasses Shirt, über das sich der Sänger Wasser gegossen hatte, postiert er sich in Lauerstellung auf den Monitorboxen. Er faucht und keift voller Hass in sein Mikrofon. Selbst im Backstage-Bereich schaut der Gute übrigens derart grimmig aus der Wäsche, dass man sich ein Grinsen kaum verkneifen kann.

Im Set vermisse ich persönlich noch einige Granatbeschüsse in Form von 'Baptism By Fire' von der berühmt-berüchtigten "Panzer Division"-Langrille. Als 'Fistfucking God's Planet' angestimmt wird, erreicht die Stimmung während der Performance ihren Siedepunkt. Fazit: Flanke erobert. Feldzug erfolgreich.
[Martin Loga]

Mit dem gutklassigen Studiowerk "Prevail" , das Mitte 2008 erschien, konnten KATAKLYSM nach der für meine Begriffe eher schwachen Scheibe "In The Arms Of Devastation" bei mir wieder etliches an Boden gutmachen. Aber unabhängig davon, was man von den jüngeren Outputs der Band hält: Live sind KATAKLYSM eine beängstigend starke Formation, die niemanden der Anwesenden kaltlässt. Auch nicht im LKA-Longhorn am heutigen Abend. Im Gegenteil: Viele der Headbanger (insbesondere die ganz jungen) im Publikum scheinen eher auf KATAKLYSM denn auf MORBID ANGEL gewartet zu haben, zumal die Kanadier in Sachen Fanreaktionen den Florida-Veteranen etliche Pluspunkte voraus haben.

Der Stimmungspegel ist auf konstant sehr hohem Niveau, unabhängig davon, ob die Band Groovekiller wie 'As I Slither', das von massiven Moshpits flankiert wird, oder auch die neuen Stücke 'The Chains Of Power' sowie 'Take The World By Storm' abfeuert. Besonders 'The Chains Of Power' haut dank des ultrapräzisen Blast-Infernos von Max Duhamel derart rein, dass es bei meiner dritten Live-Begegnung mit den Kanadiern eine helle Freude ist, zu diesem Sound die Rübe zu schütteln. Sänger Maurizio Iacono und Gitarrist/Produzent Jean-François Dagenais präsentieren sich in ihrer besten Verfassung. Auch der Sound drückt heute Abend massiv, so dass hier wahrlich eine Vollbedienung auf dem Programm steht, die leider nach einer Stunde Spielzeit ihr Ende findet.

Und so erschallen nicht gerade wenige "Zugabe!"-Rufe, als KATAKLYSM die Bühne verlassen. Wie gewohnt eine ganz starke Vorstellung der Kanadier!
[Martin Loga]

Gegen 22:30 Uhr ist dann es endlich Zeit für die Death-Metal-Urgesteine MORBID ANGEL aus Florida. Es ist wahrlich kein leichtes Los, nach den mitreißenden KATAKLYSM auf die Bühne zu müssen. Die Stimmung ist dann von Anfang an aber eine ganz andere. MORBID ANGEL setzen auf kaum groovende, dafür aber komplexe Songstukturen. Da tut man sich schon etwas schwerer mit dem Abgehen. Aber MORBID ANGEL sind K.U.L.T! Ohne Wenn und Aber. Allerdings wartet die treue Fangemeinde schon seit 2003 (da kam "Heretic" heraus) auf einen neuen Output der Formation, der seit der Rückkehr von David Vincent schon längere Zeit vollmundig angepriesen wird. "Somewhere around next year", gibt Trey uns backstage zu verstehen. "I'm quite confident with the new material", meint er selbstbewusst. Bei der Frage, warum seit "Evil Ds"-Rückkehr live keine neueren Sachen mehr im Set auftauchen, reagiert der gute Trey allerdings leicht gereizt: "Fuck, the old songs are as good as the new ones. Fuck, ask David!" Gerade einmal 'Bil Ur Sag' (von "Formulas Fatal To The Flesh") schafft es als Post-Vincent-Song in die Setlist.

Mit 'Nevermore' präsentiert die Formation sogar ein brandneues Stück. Dies macht allerdings nicht unbedingt Lust auf mehr, da es für meinen Geschmack viel zu monoton und berechenbar klingt (haut ganz stark in die "Domination"-Kerbe). Lust auf mehr machen aber Klassiker der Güteklasse 'Chapel Of Ghouls' oder 'Maze Of Torment' von der Kultscheibe "Altars Of Madness", auf die ich nicht zugunsten von neuerem Material verzichten will und die punktgenau und tight wie Pumascheiße heruntergeschrubbt werden.

Genial agiert auf der Bühne besonders Pete Sandoval. Wenn man das magere Kerlchen so sieht, kann man kaum glauben, wie viel Druck der hinter dem Drumkit erzeugen kann. Echt der Hammer, wie es da am Schlagzeug wirbelt! Bei seinen drei Vorderleuten sieht es etwas anders aus. Die stehen hauptsächlich herum wie die Ölgötzen. Trey auf der rechten Seite scheint sich in andere Sphären zu fiedeln. Er wirkt jedenfalls hochkonzentriert, das magere Gesicht meist hinter den langen schwarzen Haaren versteckt. Links "steht" ihm der neue Gitarrist Thor Anders "Destructhor" Myhren in Sachen Bewegungsarmut in nichts nach. Musikalisch - und darauf kommt's schließlich auch an - bietet er aber auf jeden Fall eine solide Leistung. Und "Evil D", na ja, was soll man da sagen. Er ist halt der Originalsänger. Wenn er sich mal bewegt, um sich hölzern im Kreis zu drehen, wirkt das in seinem sich im Dauereinsatz befindenden schwarzen Latex-Shirt mit rotem Pentagramm (das auffällige Ähnlichkeit zu HIMs Pentagramm hat) alles andere als evil. Also lieber starr dastehen, grimmig ins Publikum stieren und "... iak sakkakh!" brüllen.

'Lord Of All Fevers And Plagues' ist dann für mich auch der Höhepunkt des mit Klassikern gespickten Sets, denn hier tobt der Mob am meisten. Mit 'God Of Emptiness' schickt man die Leute nach ca. 75 Minuten nach Hause. Runde Sache! Schön, die Jungs auf der Bühne zu sehen, obwohl anscheinend leider viel der alten Magie verflogen ist! [Das sehe ich etwas anders, für mich waren MORBID ANGEL ohne Wenn und Aber DAS Highlight des Abends - ML]. Jetzt muss aber bald die neue Scheibe her!
[Thorsten Seyfried]

Setlist:
- Rapture
- Pain Divine
- Maze Of Torment
- Sworn To The Black
- Nevermore
- Lord Of All Fevers & Plagues
- Fall From Grace
- Chapel Of Ghouls
- Dawn Of The Angry
- Where The Slime Live
- Blood On My Hands
- Bil Ur Sag
- God Of Emptiness

Ein Dankeschön für zusätzliche Konzertfotos geht an Thorsten Seyfried.

Redakteur:
Martin Loga

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