NESTOR und GUN CALLED BRITNEY - Memmingen

20.10.2025 | 12:44

17.10.1970, Kaminwerk

Mein Sondtrack durch die Achtziger.

Endlich schaffe ich es mal, mir einen kompletten Auftritt von NESTOR anzuschauen. Sowohl auf dem Sweden Rock 2023, als auch dem Summer Breeze 2024 wurde mir diese Möglichkeit verwehrt, da ich fotografisch andere Verpflichtungen hatte. 

So zieht es mich an diesem Freitag nach Memmingen ins Kaminwerk. Leider hat Kollege Frank kurzfristig wegen Rüsselpest absagen müssen, so freut sich meine Frau, welche Fan der schwedischen AOR-Band ist, dass sie mit ins Allgäu kann. 

Nach ziemlich genau 200 Kilometer erreichen wir die Halle, in der ich 2018 mal einen Auftritt von ICED EARTH, FREEDOM CALL und METAPRISM gesehen habe. Im Gegensatz zu früher, wo angeblich alles besser war, gibt es heute auf der Fahrt kein dichtes Schneetreiben und wir erreichen zeitig den Parkplatz. Dieser ist allerdings schon überfüllt und wir suchen uns im Memminger Einbahnstraßen- und Sackgassengewirr einen Stellplatz in der Nähe des Kaminwerks.

Die Formalitäten klappen reibungslos und sehr schnell stehen wir in der vollen Halle. Wie schon im letzten Jahr ist das Kaminwerk restlos ausverkauft. Ein schnelles Helles noch und es wird Zeit für mich, meinen temporären Arbeitsplatz im Graben aufzusuchen. 

Das Licht erlischt und GUN CALLED BRITNEY betritt die Stage.

Ich habe von der Hard-/Sleaze-Rock-Band aus Hamburg zuvor noch nie gehört, auch in unserer Redaktion ist das norddeutsche Quintett noch ein unbeschriebenes Blatt. Aber wie so oft auf Konzerten mit ihren Supportacts, ich entdecke eine Band, die mich wirklich abholt.

Die Jungs sind einfach klasse und können nicht nur mich mit ihren Songs und ihrer Energie überzeugen. Die Band konnte bisher auf einigen Wettbewerben überzeugen und trat als Gewinner des diesjährigen Metal Battle für Deutschland in Wacken auf.

GUN CALLED BRITNEY hat bisher eine EP veröffentlicht und arbeitet derzeit am Debütalbum. Für mich klingen die gespielten Songs wie 'Monsters In Chucks', 'Showdown' und 'Gipsy' einfach nur rund.

Zu 'Don't Say Maybe' wird das Publikum mit einbezogen, dieses singt lauthals den Refrain mit. Sänger Josh rennt unablässig über die große Stage und auch der Rest der Band ist permanent in Bewegung.

Bassist Hannes hat eine besondere Axt, leuchtet diese doch immer wieder auf und zeigt Blitze wie bei einem Gewitter. Die nette Dame am Merch erzählt uns, dass das Instrument von Sänger Josh gebaut wurde. Natürlich wird die Band durch Kauf eines Shirts unterstützt und es geht schnell zurück in die Halle.

Mit der gut gemachten Coverversion 'I'm So Excited' von den POINTER SISTERS verabschiedet sich GUN CALLED BRITNEY vom Memminger Publikum unter anerkennendem Applaus. Gut gemacht, bitte mehr von euch.

Ich nutze die obligatorische Umbaupause für ein weiteres obligatorisches Bier, schön, wenn ich mal nicht selber fahren muss. Mal kurz ein paar Gedanken gefasst. Mit dem Kaminwerk fische ich heute in fremden Teichen. Normalerweise sind hier Kollegen wie Michael und Tommy am Start, doch diese sind heute anderweitig unterwegs.

Da ich am Montag nicht im Nürnberger Hirsch, meinem zweiten Wohnzimmer das Konzert von NESTOR sehen kann, hat sich die weite Fahrt ins Allgäu angeboten. Und es sollte kein Fehler sein. Die Stage ist mehr als doppelt so groß, die Security äußerst freundlich und zuvorkommend, die Toiletten extrem modern und sauber. Der Graben hat eine anständige Breite, in dem sich die Fotografen nicht auf die Füße treten. Dazu gibt es noch eine Galerie, von der man einen schönen Blick auf die komplette Stage und das Publikum hat.

Von der Stimmung her muss sich das Allgäuer Publikum keinesfalls hinter den Metalheads in Mittelfranken verstecken, wie man direkt beim ersten Song von NESTOR erleben kann. Mit 'We Come Alive' startet die schwedische AOR-Combo ihr Set im Kaminwerk. 

Die Geschichte der Band ist wirklich bemerkenswert. Gegründet 1989 und schnell wieder von der Bühne verschwunden. 2021 haben sich die Musiker um Sänger Tobias Gustavsson wieder gefunden und mit "Kids in a Ghost Town" ihr Debütalbum veröffentlicht, "Teenage Rebel" wurde 2024 veröffentlicht. Es gibt also gerade einmal zwei Alben von NESTOR. Ich jedoch habe das Gefühl, dass die Schweden mich seit Jahrzehnten mit ihrer eingängigen Musik durchs Leben begleiten. Ich könnte wetten, dass der eine oder andere Track in manchen Filmen in den 80ern im Hintergrund lief. Vielleicht liegt die Wahrnehmung daran, dass NESTOR viele Einflüsse von JOURNEY, FOREIGNER und Co. in seinen Songs hat. Ich bin überzeugt davon, dass die Filme Top Gun von 1986 und  Rocky IV mit Tracks von NESTOR genauso gut funktioniert hätten.

Doch zurück zum heutigen Konzert. Auch der heutige Headliner legt eine enorme Spielfreude an den Tag. Der bereits erwähnte Sänger schafft es mühelos, die hohen Lagen zu erreichen. Mit seinem charismatischen Auftritt zieht er die Fans vor dem Wellenbrecher in seinen Bann. Bei 'In The Name Of Rock'n Roll' denke ich unweigerlich an meinen letzten Urlaub, der vor wenigen Tagen sein Ende erreicht hat. Ein idealer Track für die Tour durch Nevadas Wüste. Es hat nur noch eine Frau gefehlt und ein Pilot mit einem Kampfflugzeug. Okay, da sind wieder die Ähnlichkeiten zu einem Film. Aber ich schweife wieder ab, sorry.

Es ist aber auch wie verhext, wie mich diese Musik begeistert. Klar, als Redakteur kommt man mit vielen Stilen und Bands in Berührung. Immer wieder gibt es auch für mich etwas zu entdecken, was genau gegensätzlich zum heute dargebotenen AOR klingt. Aber was solls, ich behalte meine Fanbrille heute auf, verlasse nach den üblichen drei Fotosongs den Graben und feiere mit meiner Frau den Rest des Konzertes. 16 Songs hat NESTOR mit ins Kaminwerk gebracht und einer klingt besser als der andere. Wie schon 2024 zeigt sich das Publikum in allerbester Feierlaune. Neben den Tracks, die mit ordentlich Druck nach vorne gehen, kann NESTOR auch gut Balladen. Zu 'The One That Got Away' und 'Daughter' wird das weite Rund durch Handylichter erleuchtet.

Und wieder gibt es Erinnerungen an die 80er. Wer kennt nicht die Besuche in den Großraumdiskotheken dieser Welt, die mit einer  Lasershow die tanzende Meute überzeugen konnte? Genau dieser Show-Effekt rundet das heutige Konzerterlebnis ab und sorgt für großes Staunen bei den AOR-Fans. Mit 'Unchain My Heart' wird es dann wieder gitarrenlastiger. Der Sound im Kaminwerk ist extrem gut und die Chöre der unterstützenden Mitmusiker kommen genau so brillant aus den Boxen wie die Instrumente. Es geht munter durch die Setliste und die Zeit rennt. Wie die anderen Fans singen wir die Refrains von 'Caroline' und dem eigentlich letzten Song '1989' lauthals mit. Doch der Abend endet erst mit 'Addicted To Your Love', nachdem die Band sich noch einmal nach lauten "Zugabe"-Rufen auf der Bühne blicken lässt.

Ich habe dieses Jahr schon einige Konzerte erleben können. Dieses wird auf jeden Fall in meinen persönlichen Top 5 landen.

Text und Photo Credit: Andre Schnittker

Redakteur:
Andre Schnittker

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