NESTOR und VELVETEEN QUEEN - Bochum
10.11.2024 | 11:2327.10.2024, Matrix
Back To The 80s.
Sonntag, später Nachmittag. Zugegeben, es fällt etwas schwer, sich noch einmal in den Wochenendendzügen aufzuraffen und die Strecke von Grevenbroich bis Bochum zu fahren. Doch was tut man nicht alles im Auftrag des Metals. Und in diesem sind die so nostalgischen Klänge NESTORs groß geschrieben. Wir freuen uns, die Jungs wiederzusehen und die neuesten "Teenage Rebel"-Ohrwürmer auch live genießen zu können.
Es muss also große Liebe sein, wenn man die so verdiente Jogginghose noch gegen eine Jeans, die gemütliche Couch gegen eine einstündige Autofahrt und die kleinen Schläfchen gegen den Zwang, wach zu bleiben, tauscht. Das muss wirklich Liebe sein. Und diese flackerte zunächst mit 'On The Run' auf, wurde mit diesem – im wahrsten Sinne des Wortes – sonnendurchfluteten Auftritt auf dem Rock Hard Festival verstärkt und durch dieses durch und durch tolle, zweite Album "Teenage Rebel" entfacht. Also nehmen wir die Strecke in die Bochumer Matrix auf uns, um die Schweden in den unterirdischen Hallen zu sehen.
Ein gewisses Flair hat die Matrix definitiv und ich erinnere mich an viele, schweißtreibende und tolle Shows, doch vor allem in der jüngsten Vergangenheit war es dann doch zu voll, der Sound zu matschig und die Sicht aufgrund der schlauchähnlichen Form zu sperrig. Trotzdem freuen wir uns sehr auf die heutige Show, als wir uns ins Auto setzen.
Den niemals enden wollenden Baustellen rund um Bochum ist es geschuldet, dass wir von der Support-Truppe VELVETEEN QUEEN, ebenfalls aus Schweden, nur die letzten Songs mitbekommen. Der knackige, herzliche Hardrock der Jungs um Sänger Samuel Nilsson kommt beim Bochumer Publikum allerdings gut an, lockert die Stimmung auf und lockt erstaunlich viele Gesichter vor die Bühne. Schon jetzt ist ein Durchkommen in die ersten Reihen nahezu unmöglich, was für die Band natürlich ein gefundenes Fressen ist. Cool und routiniert zockt sie sich durch ihr Set, hat mit 'Dreamer', 'Kenny's Blues' und 'Take Me Higher' auch schmucke Rocker am Start und mit dem Sound kann man sich auch aus den hinteren Reihen einigermaßen arrangieren. Die Schweden freut's, bekommt Bochum doch eine durchaus gelungene Kostprobe ihres bisherigen Schaffens präsentiert, das mit 'Last Sensation' und eine Menge Applaus für den Support endet. Bei mir – noch immer in Jogginghosen- und Couch-Stimmung – wollte der Funken zwar nicht gänzlich überspringen, doch als Anheizer fungiert VELVETEEN QUEEN mehr als respektabel.
Nach einer mehr als halbstündigen Umbaupause wird es plötzlich dunkel und dieses famose "Teenage Rebel"-Intro ertönt in entsprechender Lautstärke. Ab jetzt werden die 1980er Jahre mit jeder einzelnen Faser zelebriert und ehe man sich versieht, kommen fünf in weiß gekleidete, sehr gut gelaunte Schweden auf die Bühne und eröffnen unter großem Jubel ihr Set mit 'We Come Alive'. (Anm. d. Red.: Da die Bilder aus Memmingen kommen, ist NESTOR nicht in weiß zu sehen. In Bochum waren die Musiker allerdings weiß gekleidet). Wenn mit solch einem Opener nach Maß auch noch der Titeltrack des Debüts folgt, dann kann man sicher sein, dass ihnen das Publikum schon früh aus der Hand frisst.
Man kann vor NESTOR nur den Hut ziehen, dass es die Band geschafft hat, an einem Sonntagabend die Matrix bis auf den letzten Platz zu füllen. Eventuell wäre eine Verlegung in die Zeche sinnvoller gewesen, denn auch dort hätten der so vitale und engagierte Tobias und Co. die Halle zum Kochen gebracht. Der sympathische Fronter geizt auch nicht mit netten Anekdoten zu den einzelnen Songs, Danksagungen speziell an das deutsche Publikum und dieser generellen Sympathie, die er auch stimmlich bei 'Addicted To Your Love', 'Stone Cold Eyes' oder 'Last To Know' unter Beweis stellt. Auch wenn erneut der Sound keine Wucht ist und man leider nicht viel vom Bühnen-Engagement der Jungs sieht, wissen vor allem die wohlig warmen Keyboard-Sound, die filigrane Gitarrentechnik und eine so lieblich süße Magie der 1980er Jahre sehr zu gefallen.
Klar ist, dass die Augen Demi Moores ebenso wenig fehlen dürfen wie das freiheitsliebende Herz, die Unterschrift in blutrot oder mit 'Victorious' eine absolute Siegerhymne, die noch einmal alle Kehlen in der Matrix mobilisiert. NESTOR ist angetan und sehr beeindruckt von den frenetischen Publikumsreaktionen, beinah schon geplättet, ehe auch 'Caroline' und 'Firesign' zu ihren wohlverdienten Einsätzen kommen. Ich erinnere mich an ein so herzliches Interview mit Tobias und Gitarrist Jonny auf dem letztjährigen Rock Hard Festival, auf dem sie mir ihren Traum des Rockstar-Lebens noch einmal präsentierten. Jungs? Ihr seid nun endlich angekommen.
Der Applaus wird nicht ruhiger, die Träume nicht kleiner, das besondere Feeling ob dieser Band nicht weniger, denn als die ersten Keyboard-Töne von 'On The Run' angestimmt werden und Tobias von den Zuschauern tatkräftig unterstützt wird, hat sich die Strecke und das Aufraffen auf jeden Fall gelohnt. Der Song ist live eine absolute Granate. Hiervon können auch 'Teenage Rebel' und last, but not least auch '1989', das Gründungsjahr der Band, ein lautes Liedchen singen, bei denen die Jungs noch einmal ihre unendliche Dankbarkeit ob der heutigen Reaktionen zum Ausdruck bringen und sie selbst unter lautstarkem Applaus und Sprechchören in den wohlverdienten Feierabend entlassen werden.
Setliste: We Come Alive; Kids In A Ghost Town; Addicted To Your Love; Stine Cold Eyes; Last To Know; Perfect 10 (Eyes Like Demi Moore); The One That Got Away; Unchain My Heart; Signed In Blood; Victorious; Caroline; Firesign; On The Run; Teenage Rebel; 1989
Ein toller Abschluss, ein toller Gig, ein toller Abend – darüber sind sich die NESTOR-Überflieger und das langsam nach Platz ringende Publikum auf jeden Fall einig. Uns hat es gefallen, wir würden künftig allerdings andere Locations für ein Konzert dieses Ausmaßes bevorzugen. Und nun warten Jogginghose und Couch auf uns!
Fotocredits: Daniel Tretter/Memmingen
- Redakteur:
- Marcel Rapp