NIGHTWISH - Düsseldorf

05.12.2022 | 23:07

01.12.2022, PSD Bank Dome

Im wahrsten Sinne des Wortes fantastisch

Dass sich auch heute wieder etwas Fantastisches ereignen wird, steht außer Frage. Denke ich an NIGHTWISH, werde ich immer an das Wochenende 2016 in Helsinki erinnert, an dem ich die Band kennenlernen und mit ihr die damals aktuelle "Vehicle Of Spirit"-DVD im Kino schauen durfte. Und was rannen mir beim finalen 'The Greatest Show On Earth' die Tränen von der Wange. Entsprechend euphorisiert und voller Vorfreude fiebere ich dem ersten Tag des Dezembers entgegen. Und diesmal hat es weniger mit dem ersten Türchen im Adventskalender zu tun.

PSD Bank Dome in Düsseldorf? Kenn ich nicht! Hätte man mir doch früher gesagt, dass wir es hier mit dem ehemaligen ISS Dome in der Rheinstadt zu tun haben. Machen wir uns nichts vor: Die Parkplatzsituation ist ähnlich wie die des Kölner Palladiums eine Katastrophe und so parke ich einen halbstündigen Fußmarsch vom Dome entfernt in irgendeiner dunklen Seitengasse. Doch sei's drum, meine Vorfreude ob der weiteren Ereignisse kann dies trotz einsetzender Kälte nicht trüben. Mehr noch sollte ich eher dankbar sein, dass die Umstände es der Band um Floor doch ermöglicht haben, heute hoffentlich einen Bilderbuchauftritt par excellence hinzulegen.

Vor einigen Tagen gab es die frohe Kunde, dass Frau Jansen krebsfrei und die Operation gut verlaufen sei. Die Metal-Welt atmet auf und ein kleiner, rheinländischer Teil darf sich auf den heutigen Abend freuen. Und endlich an der Halle angekommen, darf man sich zunächst über die horrenden Preise für Merchandise, Speisen und Getränke inklusive 3€-Pfand erfreuen. Irgendwann wird es selbst den Die-Hard-Fans zu viel des Guten! Doch genug geärgert, jetzt darf gefeiert werden.

Also kehren wir in den Innenraum zurück, wo uns direkt die frischen Töne des ersten Support-Acts entgegen schmettern. Mit ihrem Mix aus Metal und Techno in finnischer und englischer Sprache überraschen die sechs Musiker von TURMION KÄTILÖT auf ganzer Linie. Und siehe da, oh Wunder: Das kommt in Düsseldorf erstaunlich gut an. Der Innenraum ist schon beachtlich gefüllt, einige Köpfe nicken zum Takt und hier und dort gibt es Tanzeinlagen. Die Finnen wissen mit ihrer fast 20-jährigen Erfahrung und bereits neun Alben auf dem Buckel, wie sie den Massen auch außerhalb ihrer Heimat einheizen können. Ich persönlich kannte die Band zuvor nicht, doch werde sie als mehr als geglückten Anheizer für den heutigen Abend in Erinnerung behalten.

Danach wird es cheasy: Ursprünglich sollte AMORPHIS als Support agieren, doch angesichts ihrer eigenen Europatournee mit ELUVEITIE haben sich nun die Männer von BEAST IN BLACK bereiterklärt, Floor und Co. zu unterstützen. Und mit wie viel Spielfreude – vor allem im Schlagzeugbereich – die Band mit von der Partie ist, ist schon bemerkenswert.

Hatte BEAST IN BLACK in der Vergangenheit auch mit Kritikern zu kämpfen, so werden Yannis Papadopoulos und Co. zumindest heute einige Fans dazugewinnen können. Die Songs haben einen guten, druckvollen Sound, sind eingängig as hell, haben einen angenehmen Zuckergussüberzug und dass der Fünfer bei drei guten Alben auf der Habenseite weiß, wie man die Massen zum Mitklatschen und Singen animiert, ist ebenso sicher wie die Klasse des eröffnenden 'Blade Runnder', der Ohrwürmer 'Die By The Blade' und 'Moonlight Rendezvous' sowie mit 'Blind And Frozen' auch von jenem Track, durch den ich auf die Band aufmerksam geworden bin.

Zwischenzeitlich macht Yannis auf die kommende Europatournee der Band aufmerksam und wenn die Bandhymne 'Beast In Black' ähnlich bei den Zuschauern in Erinnerung bleibt wie 'One Night In Tokyo' sowie das finale 'End Of The World', dann dürften auch die kommenden Gigs der Combo erfolgreich verlaufen. Ob der Zirkustricks Atte Palokangas' an der Schießbude darf man gemischter Gefühle sein, doch andererseits passen all die Drumstick-Sperenzchen zum Spielvergnügen BEAST IN BLACKs.

An den Klampfen wird fleißig gepost und ein Hauch von Theatralik darf auch im Gesang nicht fehlen. Doch wenn nicht heute, wann dann kann sich die Band so präsentieren und den einen oder anderen Melodie-Affinen im Publikum nach dem Auftritt an den Merchandise-Stand locken? BEAST IN BLACK ist ein folgerichtiger und guter Anheizer für die kommenden zwei Stunden, die in Sachen Dramatik, Theatralik und audiovisuellem Hochgenuss ohnehin nicht übertroffen werden sollten.

Eine knapp 20-minütige Umbaupause ist noch vollends im Rahmen des Erlaubten und während man im Innenraum ob damaliger Konzerte im ehemaligen ISS-Dome philosophiert und Richtung Bühne auf den Sanduhr-Vorhang starrt, bricht Jubel aus, als plötzlich um 20:40 Uhr die Lichter ausgehen. Es ist angerichtet.

Das noch aktuelle "Human :II: Nature"-Album hat auch bereits zweieinhalb Jahre auf dem Buckel, doch da die Tourneedaten zur neuen Platte zweimal verschoben werden mussten, dürfen wir besser spät als nie in wenigen Augenblicken NIGHTWISH bewundern. Und nach einem kurzen Intro kommen sie auf die große Bühne: Gitarrist Emppu und NIGHTWISH-Kopf Tuomas, Neuankömmling Troy, der seit einigen Jahren der Musik der Finnen einen angenehmen Folk-Charakter zu verleihen vermag, Kai am Schlagzeug und Bassist Jukka, der Marco instrumental sehr gut zu vertreten weiß. Doch der Jubel erreicht seinen Höhepunkt, als Floor Jansen, der Inbegriff des Charismas, die Bühne betritt. Gleich zu Beginn ist die Stimmung derart hoch, dass man die Spannung im Innenraum förmlich greifen kann. Passend zu der Faszination innerhalb der Songs sorgt eine Leinwand hinter dem Geschehen auch für eine passende optische Untermalung. Dazu ein glasklarer Sound und Vollblut-Musiker, die wissen, wie sie die Massen ab der ersten Sekunde in den Bann ziehen.

Nach Kais Percussion-Intros und dem beginnenden 'Noise', bei dem Floor das erste und nicht das letzte Mal wie ein Honigkuchenpferd lächelt, wird es etwas düsterer, mystischer, denn die 'Storytime' ist angebrochen. Es darf geheadbangt werden und Schwung kommt auf. Die "Human :II: Nature"-Show geht mit 'Tribal' und 'Harvest' weiter, ehe 'Èlan', dieses wunderbare "Endless Forms Most Beautiful"-Juwel angestimmt wird und klar wird, wie laut Düsseldorf mitsingen kann.

Die Band ist erwartungsgemäß bestens aufgelegt und perfekt aufeinander abgestimmt, als mit 'Sleeping Sun' die ersten balladesken Töne zum Besten gegeben werden. Die Handylichter werden rausgeholt, der Saal erstrahlt in einem Meer aus Sternen und weiß auch NIGHTWISH selbst zu beeindrucken. Nach diesem ersten Gänsehautanflug berichten die Finnen von den sieben Wolfstagen und ihren Erkenntnissen, als sie ihre düstere Wunderkiste öffnen, und stets sorgen Lichter und Leinwandprojektionen für eine perfekte Untermalung.

Nachdem sich Floor im Anschluss ihre Tränen zurückwünscht und Troy vor 'Nemo' das komplette Düsseldorfer Publikum zu sich nach Hause einlädt, wird es nochmals gefühlvoll: Das akustische 'How's The Heart' sorgt für das zweite Sternenmeer im PSD Bank Dome, ehe 'Shoemaker' wieder etwas mehr Schwung in die Sache bringt. Auch wenn einige Fans Marco schmerzlich vermissen, liefert Jukka einen tollen Job ab – auch während Troy und Floor die einst von Hietala eingesungenen Parts übernehmen. Langsam aber sicher läutet NIGHTWISH das spektakuläre Ende ein: 'Last Ride Of The Day' kommt ungemein hymnisch rüber und während dem anschließenden, etwas allzu ausufernden 'Ghost Love Score' darf auch das eine oder andere Tränchen vergossen werden. Doch was anschließend und den Abend abschließend bei 'The Greatest Show On Earth' passiert, ist noch bemerkenswerter: Ich werde gedanklich ins Kino Helsinkis 2016 zurückversetzt, als ich dieses Schmuckstück das erste Mal in vollständiger Länge genießen durfte.

Es ist schlichtweg atemberaubend, was in diesen 20 Minuten geschieht – ein Longtrack, der mir durch die Bank weg eine meterdicke Gänsehaut beschert. Diese findet ihren absoluten Höhepunkt, als Tuomas zweimal kräftig in die Tasten greift und letztendlich Floor gemeinsam mit dem kompletten Düsseldorfer Publikum mehrmals die Worte 'We Were Here' zum Besten gibt. Gemeinsam mit dem projizierten Video, den verschiedenen Gesichtern auf der Leinwand und dieser fast schon einmaligen Atmosphäre im Düsseldorfer Dome hätte ich vor Erhabenheit problemlos in Tränen ausbrechen können, wenn mich der komplette Auftritt NIGHTWISHs nicht so fasziniert hätte. Passend dazu ist 'The Greatest Show On Earth' auch der folgerichtige Schlusspunkt einer im wahrsten Sinne des Wortes fantastischen Show.

Setliste: Music; Noise; Storytime; Tribal; Èlan; Sleeping Sun; 7 Days To The Wolves; Dark Chest Of Wonders; Harvest; I Want My Tears Back; Nemo; How's The Heart; Shoemaker; Last Ride Of The Day; Ghost Love Score; The Greatest Show On Earth

Nach diesem Schlusspunkt grinst uns eine sichtlich glückliche, aber auch erschöpfte Band zufrieden entgegen, bedankt sich bei uns wie wir mit lautstarkem Applaus uns auch bei NIGHTWISH für diesen durch und durch fantastischen Abend bedanken. Erst viele Minuten später wird mir der lange Weg zum Auto wieder bewusst, den ich ob der Wärme, die ich an diesem Abend erfahren habe, aber müheloser überstehe als den Hinweg. Das war von vorne bis hinten ein sehr schöner Abend.

Ein besonderes Dankeschön gilt an dieser Stelle Sarah Fleischer für die passenden Fotos. Besucht gerne hier ihre Webseite.

Redakteur:
Marcel Rapp

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